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Randhemerkungen zur woche

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DIE SUDETENDEUTSCHE ÜBERPARTEILICHE GEMEINSCHAFT HEIMATVERTRIEBENER, KLEMENSGEMEINDE, wendet sich an Dr. Heinrich Gl ei ß n e r als Bundespräsidentschaftskandidaten mit einer Kundgebung, die durch ihre tiefe Klangfarbe anspricht. Die literarische Adresse, die namens der Gemeinschaft .von Dr. Friedrich Nelböck, Erwin Machunze und Dr. Josef Lichall unterzeichnet ist, erinnert zunächst an den geistigen Anteil dieses Volkstums an Österreich und nennt an Stelle von Hunderten nur die Namen Stifter, Ebner-Eschen-bach und Rilke; Gustav Mahler und Franz Schmidt; die großen Gelehrten Molisch, Böhm-Bawerk, Husserl und Freud; Adolf Loos, Hanak und Alfred Kubin; die Generale Wallenstein, Conrad von Hötzendorf und Auffenberg; Resse! und Porsche und schließlich, aber nicht zuletzt, den Staatspräsidenten Dr. Renner, die Kardinäle Piffl und Innitzer. — Die Kundgebung gipfelt dann in einem schönen staatspolitischen Bekenntnis:

„Für uns ist auch heute noch das Wort ,österreich' nicht der Name eines kleinen Alpen-Donau-Staates oder nur ein geographischer Begriff? Österreich — das ist eine Idee, eine Mission, welche durch Jahrhunderte Mitteleuropa politisch, wirtschaftlich und kulturell zum Segen aller in diesem Raum gestaltet und geführt hat. Vom Osten wie oft bedroht, vom Westen an der Erfüllung dieser seiner Aufgabe wie oft und auch mit Waffengewalt behindert und schließlich aus heute weltüber beklagtem Unverstand zerstört, hat Österreich seine Aufgabe in einer fast tausendjährigen Geschichte ehrenvoll erfüllt. Es war dabei bis zuletzt Träger des alten Reichsgedankens mit dem Ziel einer übernationalen Raumordnung, in der es naturnotwendig nur ,pares' und ,primi inter pares', Führende, aber keine Herrschenden geben durfte. Es ist unsere tiefe Überzeugung, daß dieser alte Reichsgedanke nicht tot ist, daß er zu neuem Leben, zu einer für Europa überragenden segens- und glanzvollen Bedeutung wiedererstehen kann, wenn er von den richtigen Menschen getragen wird.“

DEN UNGARISCHEN INNENMINISTER DR. SANDOR ZOLT hat das Schicksal sei-.ner letzten Vorgänger erreicht: das Geheimgericht des Präsidentschaftsrats hat ihn abgesetzt als den Sündenbock für die verdrießliche Tatsache, daß die Volksdemokratie Ungarns in Moskau sehr zu wünschen übrig läßt. Es klappt nirgends, nicht in der Landwirtschaft, deren Versagen im Zeichen des neuen Systems in der einstigen besten Weizenkammer Europas jüngst die Brotkarte gebracht, nicht in der Industrie und nicht im Bergbau. Und das letzte ist das folgenschwerste. Denn hier stört der Vasall die Pläne des strengen Lehensherrn. Die Kohlengruben Ungarns sind nach jüngsten amtlichen Angaben um 46.000 Tonnen Kohle hinter dem Soll, das ihnen in dem sowjetischen Witrschaftsplan vorgeschrieben ist, zurückgeblieben; das heißt Behinderung des Wiederaufbaues in Rußland, des wirtschaftlichen und militärischen. Es heißt, daß in den Gruben die Arbeiter die sachgemäße Benützung der von Rußland zur Verfügung gestellten Maschinen ablehnen und hinter der normalen Arbeitsleistung weit zurückbleiben. Dieses Versagen wird als der schwersteFehlschlag bezeichnet, den das kommunistische Regime in Ungarn erlitten hat. Wenn man dem zum Kommunismus bekehrten ehemaligen Hauptorgan der ungarischen Sozialdemokratie, der „N epszav a“, glauben darf, so versuchen die Arbeiter, wie sie nur können, sich ihren Verpflichtungen gegenüber dem volksdemokratischen Staat zu entziehen. Zwar beschränkt das neueingeführte Arbeitsbuch die Freizügigkeit des Arbeiters, trotzdem machten sich, wie „Nepszava“ entrüstet mitteilt, in der Petöfi-Grube und in der Chemischen Maschinen- und Radiatorenfabrik 50 Prozent der Arbeiter davon. In den Rakosi-Matyas-Werken in Czepel, den früheren Manfred-Weiß-Werken, die auf den Namen des jetzigen Generalsekretärs der KP umgetauft wurden, vermochte atuch dieser schöne neue Name den Arbeitseifer des Personals nicht zu entzünden. Wie das zitierte Blatt mißvergnügt vermerkt, betrug die Zahl der ungerechtfertigt ausgefallenen Arbeitsstunden im letzten Februar allein 1 6.8 9 6.

ALS GENERAL MAC ARTHUR UNTER DEN ABSCHIEDSRUFEN einer nach Hunderttausenden zählenden Menge auf dem Tokioter Flugplatz die Maschine bestieg, die ihn in seine Heimat zurückbringen sollte, bemerkte ein einfacher amerikanischer Infanterist, der eben, noch mit den Spuren des Schützengrabens an seiner Uniform, von der Front eingetroffen war: „Sonderbar, aber es scheint, daß diese Javaner, die der General geschlagen hat, ihn mehr lieben, als sein eigenes Volk es tut!“ Falls der General selbst ähnliche Zweifel über seine Stellung im Herzen des amerikanischen Volkes gehegt haben sollte, so mußten sie bei seiner ersten Landung auf amerikanischem Boden verschwinden. Schon die Begrüßung in Honolulu, dann der Empfang in San Franzisko und erst die stürmische Begeisterung, mit der ihn die Bundeshauptstadt empfing, mußten ihn davon überzeugen, daß der heftige Streit der Meinungen, in dessen Mittelpunkt er seit Wochen und Monaten gestanden war, nicht vermocht hatte, seiner fast schon traditionellen Popularität bei der großen Masse seiner Landsleute Abbruch zu tun. Dieselbe Atmosphäre des Vertrauens, der Wertschätzung und der warmen Sympathie umgab den General, als er, der einstimmigen Einladung des Senats Folge leistend, auf dem Kapitol erschien, um in einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern der Legislative einen Bericht über die militärische Lage in Korea zu erstatten. All diese Eindrücke und die Gewißheit, einen überaus starken Rückhalt in der öffentlichen Meinung des Landes wie auch in beiden politischen Parteien zu besitzen, mußten dem seiner Funktionen entkleideten Heerführer in Versuchung bringen, seinem Bericht die Form einer scharfen persönlichen Polemik gegen die Stelle zu geben, die letzten Endes für seine Enthebung verantwortlich war — gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten selbst. MacArthur hat dieser Versuchung standgehalten. Er ließ die Person des Präsidenten völlig außer Spiel, und: er vermied jedes Wort, welches als eine Beschwerde gegen den präsidentialen Entschluß, soweit er ihn selbst betroffen hatte, ausgelegt werden konnte. Freilich hat er sich nicht verpflichtet gefühlt, auch seine persönliche Überzeugung und seine Beurteilung der militärisch-politischen Lage dem Urteil anderer zu unterwerfen. Seine Gedanken über die im Fernen Osten anzuwendende Strategie sind beachtenswert geblieben, wenn er auch über den Versuch, ihre Verwirklichung durch ein Aufgebot der öffentlichen Meinung zu erzwingen, Zu Fall kam und zu Fall kommen mußte. Aber gegen das Konzept MacArthurs standen wahrr lieh nicht ohne tiefe Begründung die Anschauungen jener, welche die von Mac-' Arthur befürwortete Ausdehnung der Operationen auf rotchinesisches Gebiet nicht nur als eine unabsehbare Verlängerung des gegenwärtigen blutigen Konflikts ansahen, sondern auch als die Eröffnung des dritten Weltkrieges. %

DAS „NEUE CHINA“ meldet durch seine amtliche Nachrichtenagentur: Ein junges Mädchen in Peiping hatte seine Mutter als Staatsfeindin angezeigt und vor Gericht die Todesstrafe für sie, gefordert. Nach der Hinrichtung der Mutter bedankt sich das Kind für das gerechte Urteil. Wir kennen diese Geschichten, diese furchtbaren Tatsachen. Mehrfach werden sie berichtet aus den Sturmjahren der großen russischen Revolution. Die Tragödie wiederholte sich vor unseren Augen in Verhandlungen der Volksgerichtshöfe des Dritten Reiches. Auch hierzulande geschah es: Väter standen vor dem Richter und wurden abgeurteilt oder verschickt, weil ihre Söhne sie verklagt hatten: ob des verbotenen Abhörens „feindlicher“ Sender, wegen einer Zusammenkunft. mit Regimentskameraden aus der Zeit der alten Monarchie. Fallbeil oder Dachau. Was aber ist das Neue an dieser Meldung des „Neuen China“? Der Aufruhr der „Söhne“ gegen die „Väter“ ist uralt; so alt wie Folter und Blutgericht in der Hand der Machtherren. Nicht dies ist das Erschreckende, Schaudererregende: daß ein Regime sich mit allen Mitteln zu behaupten sucht und in dämonischer Verkehrung als Hilfe für seine Übermacht die Schwächsten beruft — die Kinder, die es sich zu Spionen, Bütteln, Trabanten erzieht. Furchtbar ist dies, doch schaudererregend erst das andere: die Fanfare, die triumphierende Meldung dieser Untat, die alle Gesetze der Natur verkehrt, in die Welt hinaus. Denn sie besagt mehr, sie will bewußt den letzten Sieg künden: den Sieg des neuen Glaubens, der die Welt verändert, über alle Bindungen und Hemmungen des „bösen Fleisches“. Das alte Evangelium hatte die freiwillige Trennung der Kinder von den Eltern, die Lösung aus der Gemeinschaft des Blutes, das „non ex sanguinibus“ des Johannes-Prologs gepredigt im Dienste seiner neuen gottverbundenen Menschlichkeit. Die neue Frohbotschaft fordert nun und erzwingt die Trennung von Fleisch und Blut im Namen des neuen Gottes, des omnipotenten Kollektivs. Kein Friedensappell und keine Kriegsrüstung läßt tiefer blicken in den zum Let& ten entschlossenen Machtwillen dieser neuen politischen Reltgrion als . die kleine Meldung von der Tat eines Kindes.

Es ist interessant, daß die Erziehungsschule, nach dfer auch im weltlichen Bereich heute verlangt wird und die für den kirchlichen Bereich zum Beispiel schon vor 1938 in der Wiener Diözesanübungsschule (I., Judenplatz 6) praktisch versucht wurde, erstmalig in der Erziehungsenzyklika Pius' XI. vom 31. Dezember 1929 gefordert worden ist. Aus diesem Grund ergibt sich über die Dringlichkeit des Religionsunterrichts in der Schule aller Typen hinaus die Forderung und der Ruf nach Förderung der völlig christlich durchformten Schule des Elternwahlrechts, das heißt für die Kinder aller, deren Eltern eine solche bewußt christlich durchformte Schule wünschen.

Als aufrüttelnd dringliche Forderung wurde auf der Tagung die Einführung des Religionsunterrichts an den Berufsschulen angemeldet. Hier hat das sonst sehr wertvolle Bundesgesetz über den Religionsunterricht des Jahres 1949 eine empfindliche Lücke gelassen. Denn durch die Berufsschulen geht jenes Heer von Menschen, die einmal das Wirtschaftsleben gestalten und in einem echt (Christlichen Geist gestalten sollen, die aber, als wäre religiöses Wissen das Reservat der in der Mittelschule herangebildeten Intelligenz, trotz ihrer beruflich vorzüglichen Weiterbildung in religiöser Hinsicht in den Kinderschuhen der Volksschule stehenbleiben.

Im übrigen kam auf der Tagung eindeutig zum Ausdruck, daß gerade der allseits erhobene Ruf nach der Erziehungsschule und der ehrliche Wille zu einem Unterricht und einer Erziehung aus gesicherten psychologischen Grundlagen heraus und die damit gegebene vielfache Gleichartigkeit in den Methoden profaner und religiöser Unterweisung in Österreich zu einer glücklichen Atmosphäre des Verständnisses zwischen K a t e c h e t e n s c h a f t und Lehrerschaft geführt hat, die in vieler Hinsicht wertvolle Ausblicke eröffnet.

So bildet der Neuaufbau des schulischen Religionsunterrichts in unserem Vaterland, aus harten, realen Gegebenheiten und Widerwärtigkeiten erwachsen, heute ein. vielversprechendes Fundament: zugleich noch eine große, der Bewältigung harrende Aufgabe. pk.

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