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Der Herr X aus München

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In einem Panzerschrank des Hauptquartiers der deutschen militärischen Abwehr (Admiral Canaris) wurde im Zusammenhang der Ereignisse um den 20. Juli 1944 vom SD (Kaltenbrunner) der sogenannte X-Bericht aus der Vorfrühlingszeit von 1940 gefunden. Weder datiert noch unterfertigt, ist in dem hochbrisanten Geheimbericht vom Ergebnis der sogenannten „Römischen Gespräche“ die Rede, deren Zentralfigur auf deutscher Seite eben der Herr X aus München war. Obwohl das Dokument nach Kriegsende unauffindbar blieb, ließen sich seine Spuren in Prozeßakten, Tagebüchern und Zeugenaussagen verfolgen, so daß sich nicht zuletzt das Institut für Zeitgeschichte in München, aber auch englische und amerikanische Historiker ausführlich mit ihm befaßten1. Durch eingehende Analysen und Gegenüberstellungen von Zeugenaussagen beider Seiten läßt sich zumindest sein wesentlicher Inhalt rekonstruieren.

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In einem Panzerschrank des Hauptquartiers der deutschen militärischen Abwehr (Admiral Canaris) wurde im Zusammenhang der Ereignisse um den 20. Juli 1944 vom SD (Kaltenbrunner) der sogenannte X-Bericht aus der Vorfrühlingszeit von 1940 gefunden. Weder datiert noch unterfertigt, ist in dem hochbrisanten Geheimbericht vom Ergebnis der sogenannten „Römischen Gespräche“ die Rede, deren Zentralfigur auf deutscher Seite eben der Herr X aus München war. Obwohl das Dokument nach Kriegsende unauffindbar blieb, ließen sich seine Spuren in Prozeßakten, Tagebüchern und Zeugenaussagen verfolgen, so daß sich nicht zuletzt das Institut für Zeitgeschichte in München, aber auch englische und amerikanische Historiker ausführlich mit ihm befaßten1. Durch eingehende Analysen und Gegenüberstellungen von Zeugenaussagen beider Seiten läßt sich zumindest sein wesentlicher Inhalt rekonstruieren.

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Kurz gesagt, handelt es sich um den ernsten Versuch der deutschen militärischen Abwehr, deren Führung mit der Zentrale des militärischen Widerstands identisch war, in Rom, und zwar in vatikanischen Kreisen, zu sondieren, ob eine Füh-lungsnähme mit England durch Inanspruchnahme der guten Dienste des Papstes möglich wäre, zu dem Zweck, eine Ausweitung des Kriegs zu vermeiden und einen tragbaren Friedensschluß zu erreichen. Diesem Ziel dienten die „Römischen Gespräche“, die sich vom September 1939 mit Unterbrechungen bis Februar/März 1940 hinzogen, also von der Zeit des Polenfeldzugs bis zu den Vorbereitungen des Westangriffs; sie erreichten ihren Höhepunkt mit dem zusammenfassenden X-Bericht und fanden mit Ende April 1940, kurz vor der Invasion Belgiens, Hollands und Luxemburgs, ihren Abschluß. Hinter der Aktion standen deutscherseits vor allem GO. Ludwig Beck (bis zur Okkupation Prags im März 1939 Generalstabschef), Admiral Wilhelm Canaris und aus dessen Stabe Generalmajor Hans Oster und der Reichsgerichtsrat Hans von Dohnänyi. Auch der Reiehskriminaldirektor im Reichssicherheitshauptamt Arthur Nebe lieh diesem Kreis seine Unterstützung.

Die „Römischen Gespräche“ wurden deutscherseits vom Herrn X aus München geführt. Der wiederum hatte wohl aus gemeinsamer Uberzeugung, aber nicht aus eigenem Antrieb gehandelt, obwohl ihm zur Erfüllung seiner Aufgabe freie Hand gegeben war. Er konnte sich als bevollmächtigter Abgesandter der deutschen militärischen Abwehr legitimieren. Nach seiner eigenen Angabe sollte er den Papst „bitten, daß er für die Vertreter dieses anderen Deutschland eine Verbindung zu den Westmächten herstelle. England und Frankreich sollten darüber informiert werden, daß die Militäropposition den Sturz Hitlers betreibe. Sie würde, falls das gelinge, den geplanten Angriff im Westen unterlassen, müsse jedoch sicher sein, daß die Westmächte die Situation Deutschlands nicht ausnützten und sich aller militärischen Operationen gegen das Reich enthalten würden“ (S. 15).

Unabhängig von dieser Aktion bemühte sich mit genau den gleichen Zielvorstellungen die Privatinitiative des Engländers J. Lonsdale Bryans um Kontakte zwischen den Führern der deutschen Zivilopposition, in diesem Fall des ehemaligen Botschafters Ulrich von Hassel und Lord Halifax. In den Aufzeichnungen von Hasells, der sich mit dem Engländer in der Schweiz traf, wird dieser gleichfalls als Mr. X bezeichnet*.

Weitere, gleichfalls unabhängige und gleichzeitige Kontaktaufnahmen zwischen hochgestellten Beamten des Reichsaußenministeriums

(Staatssekretär Ernst von Weizsäcker, die Brüder Erich und Theo von Kordt, Adam Trott zu Stolz) seien in diesem Zusammenhang nur am Rande erwähnt. Schließlich hatte auch Göring auf eigene Faust via Schweden vorsichtige Friedensfühler ausgestreckt. Auch der Flug Rudolf Heß' nach England (Mai 1941), allerdings unter gänzlich verschiedenem Vorzeichen, gehört in ein benachbartes Kapitel.

Bei den gänzlich unkoordinierten

Bemühungen des deutschen Widerstands, sei es des militärischen oder zivilen, die vielfach voneinander wenig wußten und auch abweichende Zukunftsvorstellungen hatten, ging es im Grunde um das nämliche Nahziel: die Ausweitung des Kriegs zu verhindern; der Lesart von einer deutschen Kollektivschuld rechtzeitig entgegenzutreten; einem Angriff im Westen zuvorzukommen und einen vernünftigen Friedensschluß zu erzielen.

Unter tragbaren Friedensbedingungen nach dem Konzept der militärischen Abwehr, die ihr Teil durch die „Römischen Gespräche“ zu erreichen suchte, wurde im wesentlichen die Wiederherstellung eines dezentralisierten (föderativen) Deutschen Reichs verstanden, wobei man aber — auf Initiative Becks — insbesondere für Österreich eine freie Volksabstimmung vorsah.

Von den verschiedenen Sondierungen erwiesen sich die „Römischen Gespräche“, die in den X-Bericht mündeten, am ehesten als erfolgversprechend. An ihnen war deutscherseits kein Berufsdiplomat beteiligt. Sie standen jedoch von Anbeginn unter Zeitdruck, da der deutsche Offensivstoß im Westen, und zwar in der Form, in der er dann tatsächlich zur Ausführung kam, gegen die heftige Opposition der OKH (Brauchitsch, Halder), von Hitler zunächst schon für den 15. November 1939 vorgesehen war. Der Termin wurde dann auf Dezember und Jänner, und schließlich endgültig auf Mai 1940 verschoben. Die Opposition hatte sich zumal auch gegen die geplante Verletzung der Neutralität der späteren Beneluxstaaten und damit gegen eine neuerliche eklatante Völkerrechtsverletzung gerichtet.

Die „Römischen Besprechungen“ verliefen im Sande, teils, weil die Ereignisse sie überholten, teils, weil der abschließende X-Bericht vom Generalstabschef GO. Halder und dem Oberbefehlshaber des Heeres GO. Brauchitsch, denen er am 4. April 1940 vom Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamts, General Georg Thomas, gleichfalls einem führenden Mitglied der Militäropposition, vorgelegt worden war, abgelehnt — und ad acta gelegt wurde.

Der Herr X dieses Geheimberichts konnte sich bei seinen sehr häufigen Reisen nach Rom als Oberleutnant der Abwehrstelle München seiner offiziellen Ausweispapiere bedienen. Sie lauteten auf Dr. Josef Müller aus München, vor und nach dem Krieg über seine bayerische Heimat hinaus bekannt als „der Ochsensepp“. Bereits im November 1942 hatten sich die Verdachtsmomente gegen ihn beim Reichsicherheitshauptamt

(Kaltenbrunner, Nachfolger Heyd-richs) so sehr verdichtet, daß es bald zu seiner ersten Einvernahme und, im April 1943, zu seiner Verhaftung kam (S. 168). Wie durch ein Wunder, wie es so oft heißt und wie man in diesem Fall berechtigterweise sagen kann, entging er dem Schicksal der führenden Mitglieder der militärischen Abwehr und des Widerstands, um nach härtester Haft und körperlicher Tortur in Gefängnissen und den KZs Buchenwald und Flossen-bürg, ton Bunker des KZ Dachau (im April 1945) mit anderen politischen

Häftlingen, darunter GO. Halder, zusammenzutreffen.

Es klingt fast wie Ironie, daß Dr. Josef Müller, einem vordergründigem Wesen, seiner Haltung und seinem Habitus nach alles eher als der Typ eines Geheimagenten, in dem Schlußbericht, der auf seinen Notizen fußte, aber nicht von ihm diktiert war, den Decknamen X trug.

Er hat sich ihn bestimmt nicht gewünscht oder ausgesucht. Seine Taktik war nicht die des geheimnisvollen Versteckenspiels, das im Agentenparadies des damaligen Rom ohnedies keine Chancen hatte. Mehrmals entging er mit knapper Not den Fallstricken des SD, der sich auch gelegentlicher Informanten aus Deutschland im Ordenshabit bediente (S. 92 ff.). Dennoch gelang ihm die längste Zeit das damals in Italien noch vielzitierte „Vlvere pericolosa-mente“.

Zeugnis dessen ist seine kürzlich erschienene Autobiographie („Bis zur letzten Konsequenz — Ein Leben für Frieden und Freiheit“). In ihr blickt der heute 77 jährige auf 60 Jahre seines oft schweren und erfolgreichen, manchmal bewegten aber immer geradlinigen Lebens zurück. Übrigens ist es fraglich, ob er es in kritischen Momenten ohne die seelische und geschickte Unterstützung seiner mutigen Gattin Maria durchgestanden hätte.

Wie viele bekannte Wiener aus Mähren, so stammen viele bekannte Münchner aus Franken. Dr. Josef Müller aus einer Kleinbauernfamilie in Oberfranken. -Das Gymnasium besuchte er in Bamberg. Während der Ferien verdiente er sich gegen Taglohn sein Taschengeld, gelegentlich auch auf einem Bauernhof. Mitschüler, die ihn zufällig beim Mistfahren auf einem Ochsenkarren entdeckten, erdachten sich für ihn den Spitznamen „Ochsensepp“, der ihn sein Leben lang begleiten sollte, vielleicht auch, weil er in sicherem politischen Instinkt die Wortmarke jeder nur gelegentlich sichtbaren Auszeichnung vorzog.

Im Ersten Weltkrieg erhielt er bei einem Minenwerferbataillon an der Westfront das Eiserne Kreuz. In den Wirren der Nachkriegszeit, die in Bayern zum kurzlebigen Experiment einer Räterepublik führten, verdiente er sich seine ersten politischen Sporen. Nach Studium und Praxis eröffnete er in München eine Rechtsanwaltskanzlei und wurde bald ein bekannter und erfolgreicher Anwalt, der sich im Wirtschaftsrecht spezialisierte. Bereits gegen Ende der zwanziger Jahre trat er in nähere Beziehung zum damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Heinrich Held und zur Bayerischen Volkspartei. Zeit seines Lebens im Grunde ein katholischer Konservativer, wählte er dennoch seinen politischen Standort am linken Flügel der Partei. Obwohl blau-weiß eingefärbt, war er nationaler Deutscher, im guten und europäischen Sinne dieses

Begriffs. Man kann ihm durchaus glauben, wenn er versichert, daß er immer überzeugter Anhänger der repräsentativen Demokratie und seit dem Ersten Weltkrieg der republikanischen Staatsform war. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand er als Mitbegründer der CSU nach eigener Angabe eher links von der Mitte.

Übrigens ist in seinen Erinnerungen (S. 314 ff.) als interessantes Zeitdokument die von der US-Militärregierung am 8. Jänner 1946 ausgestellte „Lizenzurkunde“ abgedruckt, „betreffend Benachrichtigung über die einstweilige Genehmigung des Antrags von Dr. Josef Müller und Genossen auf Bildung der Christlich-Sozialen-Union in Bayern und vorläufige Zulassung zur Übernahme politischer Tätigkeit im ganzen Lande Bayern“. Dabei ist es geblieben. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.

Am 9. Mai 1933 war die bekannte Machtübernahme der Nationalsozialisten in Bayern erfolgt. Von Interesse ist die im Anhang zu Dr. Müllers Erinnerungsbuch abgedruckte Niederschrift — diktiert vom Ministerpräsidenten Dr. Held unmittelbar nach dem 9. März 1933 — über die Vorgänge bei dieser Machtübernahme (S. 373 ff.).

Für Dr. Müller hatte damit die Zeit hektischer politischer und beruflicher Tätigkeit begonnen: hauptsächlich im Zusammenhang mit dem rasch einsetzenden und ständig sich ausweitenden Kampf der neuen Machthaber gegen die katholische Kirche, ihre verschiedenen Institutionen und deren Eigentum. Der Rechtsanwalt Dr. Müller übernahm deren Vertretung. Hiebei kamen ihm seine persönlichen Verbindungen mit kirchlichen Kreisen und Amtsträgern zu Gute. Zu ihnen zählte der damalige Domkapitular und spätere Münchner Weihbischaf Johannes Neuhäusler und der Benediktiner-abt Corbinian Hofmeister. Verschiedentlich führten berufliche Vertretungen im Zusammenhang mit Vermögens- und allgemein kirchenpolitischen Fragen den Rechtsanwalt Dr. Müller nach*Rom. Dort erweiterte er seinen Bekanntenkreis, was ihm später, 1939/40, von hohem Nutzen sein sollte. Er traf vor allem mit Prälat Ludwig Kaas zusammen, dem früheren Vorsitzenden der deutschen Zentrumspartei und damaligem Domherrn und „economo“ an St. Peter; weiters mit dem bayerischen Prälaten Hans Schönhöffer, dem deutschen Vertreter bei der Congre-gatio de Propaganda Fide; dem Kaplan der Schweizergarde

Msgr. Paul Krieg, dem belgischen Generalabt der Prämonstratenser Hubert Noots, vor allem aber in späterer Zeit mit dem Professor an der Gregoriana P. Robert Leiber S. J., der schon zur Zeit der Tätigkeit des nachmaligen Papstes Pius XII. als Nuntius in Deutschland diesem als vertrauter Berater nahestand und später in Rom als dessen Privatsekretär galt.

Die intensive Tätigkeit in Wahrnehmung kirchlicher Interessen, zumal bei Vermögensbeschlagnahmun-gen und Verfahren wegen angeblicher Devisenvergehen, und seine wohl etwas hochgespielten Beziehungen zu höchsten vatikanischen Kreisen hatten übrigens schon im Februar 1934 zu einer Gestapovernehmung Dr. Müllers in München geführt. Er hatte aus seiner Ablehnung des Nationalsozialismus aus weltanschaulichen Gründen nie ein Geheimnis gemacht. Trotzdem kam ihm seine persönliche Bekanntschaft mit früheren Studienkollegen, wie mit Hans Frank II, nach 1933 bayerischer Justizminister, später Generalgouverneur in Polen, wohl gelegentlich zustatten.

Das alles, und zumal Dr. Müllers persönliche Beziehungen zu den erwähnten vatikanischen Kreisen, war auch den führenden Männern der militärischen Abwehr, wie GO. Beck, Canaris und Oster bekannt, die besonders Pius XII. von seinen Berliner Jahren her persönlich kannten und schätzten. Es handelte sich übrigens bei ihnen in der Ablehnung des Nationalsozialismus und seiner Führung sehr wesentlich auch um weltanschauliche Gründe. Sie waren zum großen Teil überzeugte evangelische Christen und der festen Meinung, daß es für die deutsche Sache und die Welt von Vorteil wäre, die Autorität des Papstes für eine Friedensvermittlung zu gewinnen, und zwar, solange dazu noch Zeit, nämlich die deutsche Wehrmacht intakt und das Land nicht zerstört war. Von Dr. Müller wurde vorausgesetzt, daß er bei Übernahme der delikaten Mittlermission den Papst von der Ehrlichkeit und Anständigkeit der deutschen Opposition zu überzeugen vermöchte.

Josef Müller hatte damit eine dreifache Aufgabe übernommen: Einmal, zur offiziellen Abdeckung, die Lage in Rom als Abwehroffizier ganz allgemein zu sondieren, und zwar sowohl in vatikanischen, als auch in Kreisen der italienischen Regierung. Die militärische Führung Deutschlands war damals, vor dem Kriegseintritt Italiens, von erheblichem Mißtrauen gegen die Politik Mussolinis erfüllt; das Königshaus galt von vornherein als unverläßlich; aber auch die früher ausgesprochen prodeutsche Haltung Cianos hatte sich merklich gewandelt, wie ja auch aus der späteren Veröffentlichung seiner Tagebücher hervorging. Der militärischen Abwehr war auch daran gelegen, über die Tätigkeit ihrer gefährlichen politischen Konkurrenz, nämlich des SD und seiner diversen Querverbindungen und Infiltrie-rungsversuche, verläßliche Information zu erhalten.

Die zweite und Hauptaufgabe Müllers war es, im vorher erwähnten Rahmen die Möglichkeiten einer päpstlichen Friedensvermittlung durch Kontaktaufnahme mit England zu erforschen, bevor es zur sonst unvermeidlichen Ausweitung des Kriegs mit allen seinen Folgen käme.

Drittens überbrachte er die im Auftrag Canaris' gesammelte Dokumentation über die Zustände im besetzten Polen; dort hatten, gegen scharfen Protest der militärischen Führung, im Rücken des Heeres SD und SS einen von oben befohlenen Vernichtungskampf gegen die Bevölkerung geführt und damit eklatant gegen fundamentale Völkerrechtsregeln verstoßen. Weiter übernahm er von kirchlichen Stellen die Weiterleitung von Detailberichten über die Kirchenverfolgung im Dritten Reich.

Dr. Müller hat in seinen Erinnerungen die Einzelheiten der „Römischen Gespräche“ geschildert, wie er sie in der Erinnerung trägt. Das angefügte, wenn auch keineswegs vollständige Literaturverzeichnis ermöglicht dem interessierten Leser eingehende Orientierung. Sicherlich stimmt das Urteil eines hohen britischen Beamten: „Pius XII. ist in seinen Bemühungen um den Frieden bis an die äußereste Grenze dessen gegangen, was für einen Papst eben noch möglich war8“.

Die Prager kommunistische Zeitung „Prace“ vom 24. Jänner 1946 meldete unter Berufung auf einen diplomatischen Korrespondenten des Londoner „Daily Worker“: „Die Alliierten haben überraschende Dokumente entdeckt;' der Papst hat Deutschland im Jahre 1940 geholfen.“ In dem Artikel wird behauptet, der Papst habe, in Zusammenarbeit mit einflußreichen politischen Persönlichkeiten aus Deutschland und England, im Mittelpunkt eines Friedensplanes gestanden, der auf Kosten der Sowjetunion gegangen wäre. Der Plan habe sogar eine Zusage enthalten, gemäß welcher alle Probleme Osteuropas zugunsten Deutschlands hätten entschieden werden sollen, unter der Bedingung, daß sich die deutsche Armee von Hitler und Rib-bentrop trenne und sich des Blitzkrieges gegen den Westen enthalte. Der „Osservatore Romano“ veröffentlichte daraufhin in seiner Ausgabe vom 11./12. Februar 1946 eine Erklärung, in der es heißt:

„... Getreu dem Prinzip, nichts unversucht zu lassen, was der Sache des Friedens in irgendeiner Weise dienen könnte, akzeptierte es der Heilige Vater Pius XII. zu jener Zeit, als er, von wichtigen politischen und militärischen Kreisen Deutschlands darum gebeten wurde, einige Fragen dieser Kreise über die Ziele des Krieges und die Friedensbedingungen an die andere kriegsführende Seite weiterzuleiten, ebenso wie die Antworten, die diese Seite geglaubt hat, an die Fragenden geben zu müssen. Für diesen Meinungsaustausch bediente sich der Heilige Vater ausschließlich des üblichen offiziellen Weges ... Die Tätigkeit des Heiligen

Fortsetzung auf Seite 18

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