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Die Geschichte der Vatikanbotschaften

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Das vorliegende Werk stellt den ersten Teil einer vom Verlag beabsichtigten Geschichtsreihe der Vatikanbotschaften und Gesandtschaften dar, deren weitere Bände den bayrischen und preußischen Vatikangesandtschaften gewidmet sein sollen. Bischof Hudal hat mit seinem Werk eine . äußerst schwierige und mühevolle Arbeit unternommen, was uneingeschränkt anzuerkennen ist. Sie ist in Persönlichkeiten gegliedert und umfaßt in Kapitel aufgeteilt das amtliche Wirken und Leben der österreichischen Vatikanbotschafter von 1806 bis 1918. Ein reiches Quellen- und Literaturverzeichnis ergänzt das Buch. Wie aus dem Text hervorgeht, wurde es kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges abgeschlossen; die seither erschienene Literatur erscheint daher nur in einzelnen Punkten berücksichtigt.

Obgleich der Verfasser eine persönliche Gliederung des Werkes vornimmt, so ist er doch bemüht, den historischen Rahmen des Geschehens auf einer breiten Basis zu schildern. Er verleugnet dabei nicht sein großes Verständnis, das er dem deutschen Problem immer entgegengebracht hat, obgleich dadurch die Darstellung eine gewisse eindeutige Färbung bekommt, wie etwa, wenn er vom „gesamtdeutschen Sprachgebiet Oesterreichs“ spricht.

Der Arbeitsplan umfaßt zwei große Abschnitte, als deren Trennungsjahr 1848 genommen wurde. Tatsächlich gliedert sich die Entwicklung eigentlich in drei Abschnitte, da der Untergang des Kirchenstaates, der in die Amtsperiode des Grafen Trauttmannsdorff fällt, der österreichischen Vatikanbotschaft einen neuen Arbeitsbereich gegeben hat.

Die Metternichsche Politik war auf eine aktive Erhaltung des Kirchenstaates gerichtet, während man nach 1848 mit Rücksicht auf die Verteidigung und den schließlichen Verlust der österreichisch-itaiienischen Besitzungen im allgemeinen nur mehr eine passive, wenn auch freundliche Rolle zugunsten des Bestandes des Kirchenstaates zu spielen varmochte. Nach der Einnahme Roms und dem Untergang des Kirchenstaates im Herbst 1870 war Oesterreich sehr bemüht, die römische Frage nicht zum Gegenstand außen- und innenpolitischer Auseinandersetzungen zu machen, man wich ihr mehr und mehr aus, besonders als die Dreibundpolitik eine Annäherung an Italien versuchte.

Mitunter schleichen sich Widersprüche ein, so wenn der Verfasser Kaiser Franz einen willensschwachen Herrscher und einen Menschen von geringer Initiative nennt, dennoch aber zum Ausdruck bringt, daß er in kirchenpolitischen Fragen bedeutsamen Einfluß genommen hat. Sehr interessant ist die Darstellung des Anteils Metternichs an den kirchlichen Problemen. Die Darstellung zeigt, daß der Staatskanzler zu einer wesentlich milderen Auffassung des Josefinischen Staatskirchenrechtes neigte, als dies in manchen österreichischen Kreisen der Fall war. Die Frage des Abbaues des Josefinischen Staatskirchenrechtes beschäftigte überhaupt Kurie und kaiserliche Staatskanzlei im ganzen Vormärz. Von römischer Seite wurde nicht selten auf einen radikalen Abbau gedrungen, und hier war es die Tätigkeit des ausgezeichneten Botschafters Rudolf Graf Lützow — 1826 bis 1848 —, der von überstürzten- Maßnahmen mit Erfolg abriet, zugleich aber einer schrittweisen Anbahnung für die Kirche geeigneter Verhältnisse die Hand reichte. Das Kapitel über Lützow stellt m. E. überhaupt den besten Abschnitt des Werkes dar.

Im zweiten Teil nehmen die Verhandlungen um das Konkordat von 1855 sowie die Versuche, dieses „totgeborene Kind“ durch Abänderungsvorschläge zum Leben zu erwecken, und schließlich die Krise um das Konkordat einen breiten Raum ein. Die Anlehnung an die Forschungen Hussareks war dabei unvermeidlich. Manchmal schleichen sich auch hier Irrtümer ein, so, wenn der Verfasser behauptet, daß der eigentliche Aufstieg der Christlichsozialen Partei erst nach 1908 erfolgte, als die Kurie eine klare und positive Weisung zugunsten der neuen Partei herausgab. Historisch gesehen erfolgte gerade in dieser Periode der schwerste Rückschlag der Bewegung. In der Auseinandersetzung mit der christlichen Arbeiterbewegung hätte jedenfalls das Verdienst Leopold Kunschaks gewürdigt gehört. Irrtümlich ist auch die Behauptung, daß Pius X. Marco d'Aviano seligsprechen ließ, der Prozeß ist bis heute noch nicht beendet. Unklar ist ferner die Charakterzeichnung von Kaiser Karl, von dem der Verfasser behauptet, er habe ein ungestümes Temperament gehabt, und aus dem Erinnerungswerk von Polzer-Hoditz herausliest, daß ihn dieser für einen politischen Dilettanten gehalten hätte.

Auch können wir uns nicht der Geschichtsauffassung des Verfassers anschließen, die er im Zusammenhang mit dem Untergang des Kirchenstaates äußert und die er folgendermaßen formuliert:

„Die politische und diplomatische Geschichte der Nationen Europas kennt keinen einzigen Fall, daß auch nur irgendwelches Staatswesen, ob christlich, religiös oder atheistisch regiert, freiwillig auf ein Gebiet verzichtet hätte, das ihm durch Kriege, durch kluge Außenpolitik und Auswertung der Verhältnisse oder in welcher Form immer- einverleibt worden ist. Kein Staatsmann könnte solches vor seinem Volk oder vor der Geichichte seiner Nation verantworten. Nur .die Gewalt hat immer wieder das letzte Wort in der Politik gehabt, denn sie ist mit der Macht das eherne Gesetz der Geschichte.“

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das Werk seine besten und am gründlichsten durchgearbeiteten Teile im ersten Abschnitt hat, während insbesondere die Zeit seit der Jahrhundertwende merklich abklingt. Das Bild des seliggesprochenen Papstes Pius X. wird seiner überragenden historischen Bedeutung kaum gerecht, insbesondere vermißt wird eine Bemerkung darüber, daß dieser Papst unter die Seligen der Kirche eingereiht wurde. Die Ereignisse des Konklaves von 1903, insbesondere mit Bezug auf die dramatische Erklärung des Kardinals Puzyna, sind durch den .glücklichen Fund von Engel-Janosi in einem amerikanischen Jesuitenarchiv ganz wesentlich in ein anderes Licht gerückt worden.

Wenn auch hier Einschränkungen gemacht werden mußten, so gilt dennoch, was zu Anfang dieser Besprechung gesagt wurde, daß Bischof Hudal eine äußerst schwierige Arbeit unternommen hat, die ein Zeugnis jahrzehntelangen Fleißes ist und deren Früchte der Forschung sicher wertvolle Dienste leisten werden.

Univ.-Prof. Dr. Willibald M. P 1 ö c h 1

Das große Orchester. Die Wiener Philharmoniker und ihre Dirigenten. Von Heinrich. K r a-1 i k. Wilhelm-Frick-Verlag am Graben in Wien. 236 Seiten.

Der vom Verlag mit Bildern, Photos und Faksimiles reich ausgestattete großformatige Ganzleinenband stellt eine Neuauflage der 1937 zum erstenmal erschienenen Monographie dar, die in der vorliegenden Ausgabe bis zur Gegenwart fortgeführt wurde. (Die Adaptierung wurde leider nicht konsequent durchgeführt, denn der Autor spricht etwa vom Rose-Quartett und der Aera Toscanini in Salzburg wie von gegenwärtigen Dingen.) Systematik und Vollständigkeit der Darstellung, die weniger historisch-kritisch als gefällig-diplomatisch ist, wurde zwar nicht angestrebt, ist aber praktisch erreicht: es fehlt nichts Wesentliches. Sehr hübsch gelangen dem Schriftsteller Heinrich Kralik — oft nur in wenigen Zeilen — einige Charakterisierungen berühmter Dirigenten, etwa Toscaninis, Klemperers oder Furtwänglers. Als Motto könnte über dem ganzen Buch stehen,' was unter dem Titel „Gefilde der Seligen“ über die Aera Weingartner (Seite 173) gesagt ist: „Die Miseren des Tages und die Stürme der Umwelt blieben außerhalb des Zauberkreises der philharmonischen Konzerte, die jahraus, jahrein ihren steten geruhigen Fortgang nahmen. Was immer draußen geschah, die philharmonischen Sonntagsmatineen vermittelten ungetrübte musikalische Weihestunden.“ Und so blieb es bis auf den heutigen Tag. Dr. H. A. Fiechtner

Napoleon Bonaparte — His Rise and Fall. By J. M. Thompson. Basil Blackwell, publishers, Oxford. 404 pp.

Angesichts der schier unübersehbaren Zahl vorhandener Werke über Napoleon und seine Zeit — die überholte Bibliographie Kircheisens allein nennt deren hunderttausend — könnte man sich fragen, ob es überhaupt noch möglich wäre, da einen weiteren, wertvollen Beitrag zu leisten. J. M. Thompsons Buch gibt die beste Antwort auf eine solche Frage. Der angesehene Historiker der Französischen Revolution vertritt, dankenswerterweise, die Meinung, daß es in der Bildergalerie der Geschichte niemals zuviele Porträts ihrer hervorragenden Gestalten geben kann;' denn, wie wahrheitsgetreu sie auch sein mögen, sie werden immer den individuellen Gesichtspunkt des Malers verraten und Verschiedenheiten aufweisen in der Hervorhebung bestimmter Aspekte der gezeichneten Figur. Der Biograph, der jede Spur einer Parteinahme zu vermeiden suchte, müßte nicht nur auf jede eigene Meinung verzichten; er müßte alles ausschalten, was ihn zu der Individualität gemacht hat, die er ist: seine Erfahrungen, seine geistige Entwicklung, ja sogar die soziale Schichte, die Nation, und das Zeitalter, denen er angehört. Und gelänge ihm diese unmögliche Verwandlung in einen Automaten, dann .würde sein Bemühen doch umsonst sein, die Gestalt, deren Lebenslauf er beschreiben will, zum Leben zu erwecken.

Thompson behandelt seinen Stoff mit seltener Objektivität und mit einer nicht weniger bemerkenswerten Einsicht in die tieferen Ursachen des Zusammenbruches, der dem scheinbar unbezwingbaren Regime Napoleons ein Ende setzte. So schreibt er in seinem Urteil über diese Ursachen u. a.: „In seiner Behandlung eines nationalen, eines europäischen, man könnte sagen, eines geistigen Staates (Oesterreich. D. Ref.) hatte er (Napoleon. D. Ref.) stets daneben gehaut. Er hatte das Reich der Habsburger behandelt, als wenn es von keiner größeren Bedeutung gewesen wäre als das Parvenükönigtum Preußen, und das kultivierte, katholische Wien, als wenn es sich dort lediglich um ein Regierungszentrum gehandelt hätte, wie St. Petersburg oder Madrid. Er war schon im Zuge, denselben Fehler in Italien zu begehen, wo er durch seine Behandlung des Papstes, zugleich mit dem Nationalismus der Spanier und der Tiroler, und dem dynastischen Stolz Oesterreichs, die geistige Integrität der katholischen Kirche gegen sich in Front brachte. „Aber seine Philosophie träumte eben nichts von solchen Dingen.“

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