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„Blick nach Osten“

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Jänner-JunM949-Heft des zweiten Jahrganges der Vierteljahrschrift dieser „Umschau im geistigen Leben der Völker des östlichen Mitteleuropas, Südosteuropas und der Sowjetunion“. — Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Josef M a t 1, Graz, und Univ.-Prof. Dr. H. F. S c h m i d, Wien. Kleinmayr-Verlag, Klagenfurt. 162 Seiten, Preis S 15.20

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Jänner-JunM949-Heft des zweiten Jahrganges der Vierteljahrschrift dieser „Umschau im geistigen Leben der Völker des östlichen Mitteleuropas, Südosteuropas und der Sowjetunion“. — Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Josef M a t 1, Graz, und Univ.-Prof. Dr. H. F. S c h m i d, Wien. Kleinmayr-Verlag, Klagenfurt. 162 Seiten, Preis S 15.20

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Die von Österreichern gegründete Quartalschrift, die auch in einer englischen und französischen Ausgabe erscheint, hat in der kurzen Zeit ihres Bestandes einen ansehnlichen internationalen Mitarbeiterkreis um sich versammelt. Es ist ihr gelungen, die heute fast unterschiedslos wirksamen politischen Sperren an den Ost- rändern Europas zu überwinden und so mindestens stellenweise die literarisch-wissenschaftliche Fühlung mit dem Osten herzuscellen. Die Bereitwilligkeit macht dies deutlich, mit der sich ihr zumal die neueste slowakische, slowenische und bulgarische Literatur zur Besprechung erschlossen hat.

Das kürzlich erschienene Doppelheft der Zeitschrift ist reich-an bedeutenden Arbeiten. In eingehender Darstellung behandelt der Privatdozent der Wiener Universität Dr. HanSar den Ertrag sowjetischr Urgeschichtsforschung um das Skythenvolk, seine aus dem alten Orient beeinflußte Kultur und seine wachsende Gesellschaftsgestaltung und Staatlichkeit. Die Umrisse einer zweieinhalb Jahrtausende alten Vergangenheit der nordpontischen Steppenvölker werden hier aus der Frühdämmerung erkennbar. Hanžar fragt, seine hochinteressante Überschau abschließend, ob es nach der erfolgreichen Durchleuchtung eines gewaltigen Raumes durch die aufgedeckten und von der Wissenschaft gründlich gelesenen Bodenurkunden über das Geschichtsbild der Skythen nicht an der Zeit sei, die irreführenden Ausdrücke „Vor“-Geschichte und „Prä“-Historie endgültig, fallen zu lassen? Wäre man wirklich so weit?

Professor Endre von Ivanka macht auf die merkwürdige Erscheinung aufmerksam, daß in der oberen Theißgegend südlich von Munkacs-Muskacevo, sich ein magyarischer Volkssplitter erhalten hat, der im Gegenanj zu der übergroßen Mehrheit seiner Volksgenossen religiös dem byzantinischen Ritus in der romver- bundanen griechisch-katholischen Kirche (1912 wurde für diese kirchliche Volksgruppe das Bistum Hajdu-Dorog geschaffen) oder der kleinen magyarisch-orthodoxen Kirche angehört. Der Verfasser bezeichnet es als ein überaus eigenartiges Erlebnis für den aus dem Westen kommenden Beobachter, in diesem Bereich die byzantinische Liturgie anzutreffen und sie in einer lebendigen Sprache, die nicht dem Kulturbereich von Byzanz angehört, gefeiert zu sehen, oder das Stundengebet

Russische Kunst. Von W. v. Matthey. Verlag Benziger, Einsiedeln. \

In 107 Seiten Text, mit 48 Bildtafeln, eine Übersicht der gesamten russischen Kunstentwicklung zu geben, ist ein ebenso gewagtes als dankenswertes Unternehmen. Wir müssen uns freuen, daß der Autor sowohl die Bilder als seine Erklärungen SO gewählt hat, daß er wohl manchen Leser zum weiteren Studium, zum weiteren Genuß dieser reizvollen, fesselnden Kunst anregen wird. Das Literaturverzeichnis, welches ln der Tat die besten einschlägigen Werke nennt, bietet dazu die geeignetste Hilfe. Besoncfers die Entwicklung der Baukunst scheint uns vortrefflich geschildert. Von der klassisch einfachen „stillen Größe“ der ältesten Kirchen, welche gleichsam die griechische Sonne des byzantinischen Balkans ausstrahlen, begleiten uns Bild und Text in das Reich der Moskauer Zaren, mit dem traumhaft bedrückendem Prunk seiner orientalischem Kirchlichkeit. Der fremde Barockstil, in die Dimensionen des allrussischen Riesenreichs verpflanzt, übersteigert sich in rauschenden Märchenbauten; von der kühlem Großartigkeit des Empire zieht die Entwicklung an uns vorbei bis zu den futuristischen Experi-

der östlichen Kirche (so zum Beispiel in dem alten Basilianerkloster Maria-Pecs, aus dem das 1699 in die Wiener Stephanskirche gebrachte Bild der „Pötscher Muttergottes“ stammt) ge. sungen zu hören. Ivanka geht der Entstehung dieser im heutigen magyarischen Volkstum isolierten Erscheinung nach und gelangt zu der Annahme, daß diese Magyaren des griechischen Ritus in der oberen Theißgegend Überbleibsel eines einst über ganz Oberungarn verbreiteten, auf die ältesten Zeiten der Christianisierung zurückgehendenmagyarischen Christentums des byzantinischen Ritus sind. Die Bestätigung der Hypothese würde weite religions. geschichtliche Ausblicke eröffnen. Ivinka sieht übrigens die bedrohliche Möglichkeit, daß die magyarisch-orthodoxe Kirche in der oberen Theißgegend unter der jetzt herrschenden politischen Macht dazu gebracht werden könnte, die kirchenpolitische Entwicklung in die Richtung einer magyarisch-orthodoxen Nationalkirche zu steuern. Ein erster Versuch hiezu ist jedoch mißlungen. — Eine verwaltungspolitische Studie, „Finis Bohemiae“, von Dr. H. Slap- n i c k a beschäftigt sich mit dem bisher in der politischen Literatur noch nicht überall zur Kenntnis genommenen Ereignis, daß Böhmen, das im Laufe einer fast tausendjährigen Ge- schichte seine wirtschaftspolitisch und geographisch tiefbegründete Einheit auch politisch unter geringen Abweichungen behauptete, durch das mit 1. Jänner 1949 in Kraft getretene Staatsgesetz der Teilung des gesamten tschechoslowakischen Staatsgebietes in 19 auch die bisherigen historischen Ländergrenzen über- schneidende und streng zentralistisch geleitete Kreise zu einem bloßen geschichtlichen Begriff geworden ist, der nur mehr Erinnerung an eine große Vergangenheit ist.

Das Ganze dieses inhaltsreichen Halbjahr- bandes rundet sich in Arbeiten über Polens geschichtliche Beziehungen zu Deutschen und Tschechen in polnischer Schau (H. F. S c h m i d), „Die Albaner, ihre Sprache und ihre Kultur“ (M. Lambert z, Leipzig), „Polnische Geschichtsschreibung seit Kriegsende“ (Forst- B a 11 a g 1 i a), eine von J. M a 11 geführte Kulturchronik und Buchbeprechungen. an denen sich L. S a d n i k, Alexander Novotny, M. Eckhardt und G. S t ö k 1 beteiligen.

menten des anfänglichen Sowjetregimes. Die lebhafte Teilnahme des Verfassers aji der Geistesgeschichte der Stile führt manchmal dazu, aus seiner Ausdrucksweise eine Art esoterische Kunsthistoriker-Geheimsprache zu machen: ein feierliches, nicht ganz verständliches Sanskrit. Man möchte überhaupt meinen, daß v. Matthey der geistesgeschichtlichen vor der materiellen Erklärung den Vorzug gibt. Daß man mehr in Fresko, als in Mosaik arbeitete, dürfte man doch durch die größeren Schwierigkeiten und Kosten letzterer Technik leichter erklären, als durch künstlerische Tendenzen? — Im einzelnen wäre folgendes zu bemerken. Trotzdem von der „antikisdien Idealität“ russischer Kirchenbilder die Rede ist, müßte man den direkten Zusammenhang zwischen antiker Malerei und orthodoxem Ikon gerade in einem solchen Leitfaden stärker betonen. Audi möchte ich nicht das Porträt in der orthodoxen Kunst ableugnen. Seite zehn wird „das Weiß und Blau und Rot der Gewänder“ erwähnt; wem das Kolorit der Nowgoroder Schule geläufig ist, der würde doch statt Blau „Grün“ geschrieben haben. Endlich hätte meines Erachtens die Bedeutung des „altgläubigen" Schismas für die Erhaltung der traditionellen Ikonenmalerei erklärt werden müssen; den Namen des Malerdorfs Palech suchen wir im Buche vergebens. Sonst wollen wir zugeben, daß die Auswahl der Künstler namen und der Bildbelege in einem solchen Werk Sache des Geschmacks ist. Dem Autor ist zu danken für eine sympathische Einführung in ein Gebiet, das viele Liebhaber finden wird. Die Ausstattung ist ausgezeichnet.

Kärntner Bauernmöbel. Handwerksgeschichte und Frühformen von Truhe und Schrank. Von Dr. Oskar Moser. Sonderabdruck aus Carin- thia I, Verlag Geschichtsverein für Kärnten, Klagenfurt 1949. S 10.—.

Diese umfangreiche Studie verrät ine Fülle von eingehender Forschungsarbeit wie ganz besonders eine langjährige Suchtätigkeit in den Ortschaften und Höfen des Landes. In den Archivbeständen der Kärntner Herrschaften finden wir kulturgeschichtlich äußerst wertvolle Übergabs- und Nachlaßinventars, wie Herrschafts- und Gerichtsprotokolle, in großer Zahl vor. Sie treten im 15. Jahrhundert vereinzelt auf, setzen im 16. Jahrhundert etwas umfangreicher ein, und Ln den späteren Zeiten bieten sie ein treffendes Bild der Wohn- und Wirtschaftskultur unserer Bauern und Handwerker. Da sie gleichzeitig mit der Raumgestaltung auch das gesamte Mobiliar in absoluter Treue anführen, erscheint diese Quelle auch im vorliegenden Falle äußerst wertvoll. Sie wurden vom Verfasser gründlichst ausgewertet und mit dem vor- handenen alten Hausrat in Vergleich gestellt. Alte erfahrene Tischler und Zimmerleute waren da mitberatend beigezogen; wohl gestaltete sich die Erforschung der heimischen Handwerksgeschichte aus Mangel an entsprechendem Quellenmaterial besonders schwer. Um so mehr ist diese Arbeit zu begrüßen, die nicht nur Fachleute, sondern auch gewerbliche Kreise .interessieren möge. Dr. Josef Schmjd

Die Brautfahrt und andere heitere Erzählui gen. Von F. J a n t s c h. Wiener Domverlag.

Als die Ebner-Eschenbach für einen ihrer Geschichtenbände den etwas umständlichen und darum vom Verleger kaum mit großer Freude gebilligten Namen wählte: „Ein Buch, das gerne ein Volksbuch werden möchte“, verriet sie damit einen Sehnsuchtswunsch wohl aller Erzähler. Einen höheren Ehrgeiz kann es für den Erzähler schwerlich geben, kein Lob der Kritik, keine Preiszuerkennung sollte ihm mehr bedeuten. Indessen ereignet es sich nicht allzu häufig, daß sich in einer Neuerscheinung die Wesenszüge vereinigen, die ein erzählendes Buch zu der Hoffnung berechtigen, ein richtiges Volksbuch zu werden, als da sind: die Wahl eines dem Volke vertrauten Gegenstandes. Einfachheit und Schlichtheit der Darstellung vor allem aber echte Herzlichkeit des Tones. Hier nun meldet sich wieder einmal eines an, das diese Voraussetzungen mitbringt. In der längsten seiner Geschichten, die dem ganzen Bande den Namen gibt, erzählt uns Jantsch in launiger und dabei doch ungemein inniger Weise, wie zwei prächtige junge Menschen sich ihr Lebensglück gegen alle Widerstände ertrotzen. In den übrigen Erzählungen, die keineswegs alle „heiter“ sind („Der Kaffeemann" ist es nicht und noch weniger „Die verlorene Mutter", eines der edelsten Stück des ganzen Bandes), werden vielfach Ju- genderinnerungen lebendig und tragen den Glanz liebevollen Gedenkens an ein ländliches Elternhaus irgendwo im Donautal. Auch hübsche Tiergeschichten, Erlebnisse mit Katzen und Hunden, fehlen nicht. Die schöne Wärme, das innige Behagen dieser Erzählungskunst deuten auf hohe Vorbilder hin, ohne daß Jantsch seine eigene, sehr österreichische Note vermissen ließe. Zum Ausklang des Bandes („Was mir mein Pate erzählte") verläßt er ein wenig überraschend den heimatlichen Schauplatz und verabschiedet sich mit ein paar abenteuerlichen und lustigen Berichten aus fernem Lande, nadherzählt seinem Paten, der als Grenzgendarm in den Bergen der Herzegowina für das alte Österreich Dienste tat. Und auch diese kleinen Skizzen bieten sieh liebenswürdig dar.

Wald und Jagd. Holzschnitte des Meisters Suitbert Lobisser. Verlag Lobisser-Haus,

Klagenfurt 1949.

Dem schönen Buche, das einen Überblick über das Schaffen dieses feinfühligen Kärntner Graphikers gab, folgt nunmehr eine Kunstmappe mit fünf der schönsten Holzschnitte des Meisters, die durchwegs dem Thema „Wald und Jagd“ gewidmet sind. Die Originale dieser Blätter sind vergriffen oder nahezu vergriffen, o daß ihre getreue, nur ein wenig verkleinert Wiedergabe für Kenner und Sammler eine wertvolle Ergänzung ihrer Sammlungen bildet, gehören doch Blätter wie „St. Hubertus“ in zwei verschiedenen Fassungen und „Wald“, eine entzückende, aus dem Volkstümlichen wachsende Variation des Madonnentbemas zu den besten Arbeiten des toten Künstlers.

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