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VON NEUEN BÜCHERN

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Sozialpsychologische Erfahrungen aus dem Lagerleben. Von Harry Wilde. Europa-Verlag, Zürich.

Der Verfasser setzt sich auf Grund eigener Eindrücke in französischen und schweizerischen Flüchtlingslagern mit den Aufgaben der Men-schenführung in solchen Lagern auseinander. Die Betreuung geflüchteter Menschen erfordert nicht bkß Energie und Organisationstalent, sondern besonders auch die Gabe der psychologischen Einfühlung in das Los des Flüchtlings. Das Flüchtlingsschicksal schafft einen eigenen seelischen Tatbestand, der den Träger disponiert, in bestimmter Weise auf Umweltseinflüsse zu reagieren. In interessanten Abhandlungen wird gezeigt, wie eine verständige, psychologisch richtige Führung eines Lagers selbst mit geringen Mitteln imstande ist, nicht nur Ordnung, sondern sogar ein gewisses Heim- und Heimatgefühl hervorzuzaubern, das vielen Verstoßenen des Glücks wieder Interesse an den Werten des Lebens zu geben, vermag. Dem richtigen Verhalten gegenüber werden auch die Gefahren falscher Methoden aufgezeigt. Das Buch ist lesenswert, vor allem für Leiter und Mitarbeiter von Flüchtlingslagern, aber auch aller anderen, in der heutigen Zeit leider so häufig gewordenen Arten von Massenquartieren und Lagern.

Dr. F. Ritsehl

„Anstria.“ Die Welt im Spiegel Österreichs. Zeitschrift für Kultur und Politik. Herausgeber: Wolf Graf Uiberacker und Prof. Dr. Wilhelm Taucher. Verlag „Styria“ Stei-rische Verlagsanstalt, Graz. Preis des Heftes S 2.50.

Mit den ersten vier Heften, die bisher erschienen sind, hat sich die „Austria“ nicht nur an die Spitze der in den Landeshauptstädten erscheinenden Monatsschriften gestellt, sondern behauptet ihren Platz auch neben ähnlichen Zeitschriften der Hauptstadt. Es war erfreulich, zu verfolgen, wie diese Zeitschrift den hochgesteckten Zielen des Geleitwortes immer näher gekommen ist und sie Punkt für Punkt zu verwirklichen unternahm. Nach der Absicht der Herausgeber soll die Zeitschrift „zu einem Sammelplatz, zum Treffpunkt der Geister, zu einem Forum Austriacum“ werden, auf dem sich das wahre, aufbauende und zukunftsgläubige Österreich findet. Von hier aus wollen wir unsere Aufgaben untereinander und mit der Welt besprechen und zu gestalten trachten. Über die Tendenz dieser unpolitischen Zeitschrift heißt es: „Wir bleiben stets unserer stolzen Vergangenheit innig verwurzelt und empfinden tief, daß reiches Erbe große Verpflichtung bedeutet; daß wir diesen Hort historischer. Reiditums vor allem zu wahren, zu pflegen haben. ... Durchdrungen davon, daß echte Brüderlichkeit einer der Hauptpfeiler wahren Christentums ist, stehen alle sozialen Fragen mit im Vordergrunde unseres Interesses.“

Eine doppelte Aufgabe also: Pflege des großen historischen Erbes und aktive Beteiligung an der Lösung der durch die Gegenwart gestellten Aufgaben. Während in den ersten Heften die konservative Tendenz mehr in den Vordergrund tritt, hat das 4. Heft mit einer Reihe kulturpolitischer Beiträge sich mehr dem zweiten Aufgabenbereich zugewandt. Von den historischen Beiträgen seien hervorgehoben: Vom Ersten zum Dritten Reich, eine Studie über das Jahr 1866, Bürgertum und Absolutismus in Österreich. Das literarische Erbe wurde gepflegt durch Abdruck von Fragmenten aus den Schriften Grillparzers, Roseggers, Stifters und Rilkes; ferner durch literar-kritische Aufsätze über die Wiener Klassik, Ferdinand von Saar und Hofmannsthal. Die zeitgenössische Dichtung ist mit Beiträgen von R. Michel, F. P. Busch und K. A. Mayer vertreten. Eine Reihe literarischer Dichterporträts hat unter anderen den von der „Austria“ entdeckten jungen Grazer Lyriker Rudolf Stibill zum Gegenstand sowie die drei Lyriker H. Suso-Waldeck, Ernst Waldinger und Theodor Kramer.

Dem Ziel, die Welt im Spiegel Österreichs zu zeigen, dienen die Beiträge über Kirkegaard, Dickens und J. P. Jakobsen. Von den kulturpolitischen Aufsätzen seien genannt: Entpoliti-sierung des Lebens, Der soziale Gedanke, Der Kampf um das Friedensprinzip und Technischer Fortschritt und kulturellen Zerfall. Die Architektur ist einbezogen durch Studien über Salzburg, über neues Bauen und österreichische Städte. Jedes Heft wird abgeschlossen durch die „Zeitgänge“: kulturpolitische Glossen sowie Berichte über Neuerscheinungen auf dem Gebiet des Theaters und der Musik, insbesondere über das Kulturleben Wiens, wodurch die Zeitschrift den Kontakt mit der Metropole wahrt.

Dr. H. A. F i e c h t n e r „Neue Wege der biographischen Durchforschung der Antike. Von Anton v. Morl. Vortrag, veranstaltet von der Österreichischen humanistischen Gesellschaft in Innsbruck. Verlag F. Rauch, Innsbruck 1946, 22 Seiten.

Ein interessanter Versuch, die für die Geistesgeschichte Europas, ja der ganzen Welt so bedeutende Persönlichkeit des Sokrates vom phy-siologisch-charakterologischen Gesichtspunkt her zu erfassen — ein Versuch, der (so sonderbar das Unternehmen auf den ersten Blick scheinen mag) noch mehr Anspruch auf unser Interesse hätte, wenn das philologische Material, auf das sich der Verfasser stützt, besser gesichtet wäre. Als Nichtfachmann kann man ihm freilich diesen Mangel kaum zum Vorwurf machen; so scheinen aber alle die karikierenden Anekdoten und komischen Züge des humoristisch gefärbten Bildes, das der Volkswitz der hellenistischen Zeit ausgeprägt hat (teilweise sogar Wanderanekdoten) und die ihren Weg in die Kompilation des Diogenes Laertios gefunden haben, als authentische und das Charakterbild des Sokrates bestimmende Züge auf: kein Wunder, daß wir da einen sehr banausischen, philiströsen, verschrobenen „Hans Dampf in allen Gassen“ vorgesetzt erhalten, und schwer verstehen können, daß dieser Mann der Vater des abendländischen Denkens gewesen sein soll. Das spricht aber keineswegs gegen die Methode, die der Verfasser angewendet hat. Was er — ganz richtig — charakterisiert, ist nicht der historische Sokrates, sondern das Bild, das sich der hellenistische Volkswitz, vor allem die hellenistische Komödie, vom „Philosophen“ überhaupt gemacht hat, und ist insofern die Probe aufs Exempel. Denn daß diese hellenistische Karikatur des Philofophen einen solchen, halb phantastischen, halb philiströsen, unpraktischen und doch naiv-selbstzufriedenen Sonderling in ihn sieht, ist vollkommen richtig, und insoferne ist die Methode des Verfassers völlig gerechtfertigt, so daß man wertvolle Ergebnisse von ihr erwarten darf, wenn sie in einem anderen Falle auf ein zuverlässigeres Material angewendet wird.

Endre v. I v i n k a „Begnadetes Alter.“ Von Dr. Josef Scheu-b e r. Rex-Verlag, Luzern 1946. 56 S.

Eine der entzückenden Ausgaben, mit denen der tüchtige Schweizer katholische Verlag heuer uns erfreut. Der Regens von Chur hat sich hier dem selten gepflegten Kapitel der aszetischen Altersliteratur zugewendet, die neben der leicht verständlichen Vorliebe für die literarische Jugendführung zu kurz kommt. Edle Gedanken, in einfacher Schönheit der Sprache geboten, führen fast unmerklich vom physischen Alter zur Höhe der Weisheit, des wissenden Mitleides, der betenden Bereitschaft. R. Schmitz

„Das heilige Opfer.“ Sinndeutung der Zeremonien und gleichbleibenden Texte der heiligen Messe. Von Dr. Matthias P r e m m. Anton Pustet, Graz—Salzburg—Wien. 114 S.

Dieses Büchlein wird von den Neupriestern wie von den bejahrten Mitbrüdern als zeitgemäßes Betrachtungsbuch sehr begrüßt werden. Als Spiritual des Salzburger Priesterseminars hat der Autor diese liturgisch-dosmatisch-asze-tische Meßc-klärung in Betrachtungen seiner Alumnen dargeboten. Für den in seiner Zeit so gedrängten Seelsorger wird du'ch die stets kurze Erläuterung der einzelnen Themen die tägliche Betrachtung tatsächlich ermöglicht. Sehr dankbar werden auch die liturgisch interessierten Laien, besonders die mit dem „Schott“ der heiligen Messe foleen, nach diesem Werke ereifen. Dr. P Raimund Edelmann. O. Sch. P.

„Werkstatt in Grinzing.“ RomJn von Heddy Falk. Verlag Erwin Metten Nachf., Wien.

Ein Buch wie dieses muß gegenwärtig Ärgernis erregen. Gewiß, seichte Literatur hat in normale Zeiten auch eine gewisse Existenzberechtigung, aber gerade heute, wo wir o schmerzlich wertvolle Lektüre vermissen, wo In- und Ausland mit Spannung auf die neue Entwicklung des österreichischen Büchermarktes blicken, sind Veröffentlichungen dieser Art entschieden abzulehnen. Man kann nicht oft genug davor warnen, das österreichertum sich in Heurigcnscligkeit erschöpfen zu lassen und nur einem recht oberflächlich gezeichneten Volkstyp das Prädikat des „Wieners“ mit dem Epitheton ornans „echt“ zubilligen zu wollen. Der Wi ener Roman, den wir alle ersehnen, dessen Thematik schon in der Luft liegt, ist noch nicht erschienen, wohl aber viele, die Wien und dem literarischen Begriff eines Romans keine Ehre machen. Wem interessiert, was der Herr Paradeiser zum Fräulein Rosa am Fußballplatz gesagt hat, dem ist der vorliegende Roman nur zu empfehlen und ihm eine angenehme Lektüre zu wünschen!

Hans M. L o e w „Briefe aus dem Süden.“ Von Otto König, Scholle-Verlag, Wien, 1946.

Der Süden hat immer seinen Reiz ausgeübt und wirkt gerade in seiner scheinbar lässigen Lebenshaltung so ansprechend und bezaubernd auf unser Gemüt. Ein Buch darüber zu schreiben bedeutet aber neben der Möglichkeit auch eine Gefahr an der Oberfläche zu bleiben und Wesentliches zu ubersehen. Die Skizzen sind nett und dadurch, daß sie auf das Alltagsleben einer sizilianischen Kleinstadt sich beschränken, sehr intim. Vielleicht aber fehlt das, was wir als das Typische und Originelle gerne wissen möchten. Dafür entschädigen aber reichlich die Bilder, welche die Schönheit und das Leben in diesem kleinen Kreis darstellen. Der Einband ist erfreulich schön und geschmackvoll.

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