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VON NEUEN BÜCHERN

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Der neue „Große Herder" erscheint

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Der neue „Große Herder" erscheint

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Ein lexikographisches Jahrhundertjubiläum ist fällig. In wenig Wochen feiert das Herder- Lexikon mit dem Erscheinen seiner völligen Neubearbeitung und Neuausstattung einer 5. Auflage seinen hunderjährigen Bestand. Das: liest sich so leicht und sagt doch soviel. Ein kühnes Wagen und Werden, an dem drei Generationen der Freiburger Verlegerfamilie, beginnend mit Benjamin Herder (1839—1888), beteiligt sind, gelangt in dieser Neuausgabe der großen katholischen Enzyklopädie zu abermaligem gesegneten Reifen. Die Geschichte dieses Werkes, um das die deutschen Katholiken von mancher anderen großen Nation beneidet werden, bildet ein eigenes Kapitel in der Historie moderner Literatur. Was vor „Herders Konversationslexikon“ um die Mitte des vorigen Jahrhunderts an katholischen Schlagwörterbüchern vorhanden war, hatte nur Teilgebiete erfaßt, das „Konversationslexikon“ war ein völliges, alle Wissensgebiete umschließendes Neuschaffen, das im ersten Anlauf bewältigt werden sollte, ein unter schwierigsten Verhältnissen austastendes Unternehmen. Die Sammlung des Mitarbeiterstabes, der zur Erfüllung der dem Gesamtwerk gesetzten Aufgabe, einem außerordentlichen Detailwissen entsprechen sollte, war begonnen in einer von der Revolutionszeit her durchwitterten Atmosphäre. Das geplante Nachschlagebuch hatte nicht nur den Zeitirrtümern auszuweichen, es sollte, ohne Tendenzwerk zu sein, zuverlässige, richtunggebende Auskunftei werden, die ihre Fragebeantwortungen aus standfester Weltanschauung und Wahrheitsliebe zu schöpfen hatte.

Uhr das Herdersche „Konversationslexikon" herum, das von einer einbändigen zur zweibändigen und dreibändigen Ausgabe anstieg, entstand eine immer mehr verbesserte redaktionelle Apparatur; die Gründung und Entwicklung der Görres- und von den neunziger Jahren angefangen, der Österreichischen Leo- gesellschaft trug dazu bei. Fachleute und Wissenschafter aller Sparten wurden gefunden und fügten sich zu einem mehrhundertköpfi- gen Mitarbeiterstab. Mit der vierten Neuausgabe konnte 1931 das dreizehnbändige Nachschlagewerk des „Großen Herder“ erstehen, es sollte eine völlige Neubearbeitung, reich bebildert, einen selbständigen Welt- und Wirtschaftsatlas einschließen.

Das Erscheinen dieses großen deutschen Spitzenwerkes katholischer Lexikographie war ein Ereignis. Mit lebhaftem Beifall empfangen, bestaunt und bekrittelt und in Summa ein absoluter Erfolg. Die zwei folgenden Jahrzehnte veränderten das Weltbild. Was gestern galt, gilt heute nicht mehr, nicht in der Wissenschaft, nicht in der Staatenkunde, nicht für den Menschen bis in den weltverlorensten Berghof hinauf. In dieser kurzen Zeitspanne haben sich Veränderungen vollzogen, wie zuvor nicht in Jahrhunderten. Die Weltauskunftei einer allgemeinen Enzyklopädie steht unter dem Gesetz dieses Wandels. Der „Große Herder“ ist diesem Gesetz gefolgt. Die nunmehrige fünfte zehnbändige Neuausgabe, die jetzt vor Weihnachten mit ihrem ersten Band im Buchhandel sich präsentieren und in viertes fünfmonatigen Abständen in den neun anderen Bänden fortgesetzt wird, stellt ein völliges Neuschaffen dar. Der erste Band und zwanzig verschiedene Druckbogen liegen zu unserer Einschau vor. Neun Bände sind dem alphabetischen Schlagwortteil gewidmet, für den zehnten ist „ein revolutionärer Fortschritt in der Lexikographie“ in Aussicht gestellt, „ein Bildungsbuch: Die Welt des Menschen", das „nach Art der bewährten Rahmenärtikel der i früheren Herder-Lexika“ zu einem geistigen Bau zusammenfügt, was in den übrigen neuh, je 768 Seiten und 56 Tafeln und Karten- seitfen umfassenden Bänden alphabetisch getrennt geboten ist. Die gewählte Zielstellung kennzeichnet der Verlag in einer Programmschrift mit den vielsagenden Sätzen, der neue Große Herder wolle „vom sachlichen Wissen zur persönlichen Bildung, von der Zerrissenheit der Einzelwissenschaft zur universalen Zusammenschau und von den bloßen Tatsachen zur lebendigen Anschauung führen"; in näherer Erklärung wird unter anderem gesagt, diesem Grundsätze wolle das Werk dienen,

„indem es die philosophischen und weltanschaulichen Standpunkte sachlich und deutlich kennzeichnet und die religiösen Fragen im ökumenischen Geiste bfehandelt, die umwälzenden Forderungen der Naturwissenschaften und ihr neues Weltbild unter Mitwirkung derdeut- schenundinternationalenFach- w e 11 verarbeitet und allgemein verständlich darbietet, die neuesten Errungenschaften der Technik vorlegt und durch Bilder erläutert, auf jeden Beruf, auch den der Hausfrau und des Bauern, in seinen heutigen Schwierigkeiten und Aufgaben bis zur Beratung im einzelnen eingeht und Hilfe in cfer geistigen und seelischen Ratlosigkeit der Nachkriegszeit bietet“.

Das ist eine große Verheißung. Nur ein Habs von dem Rufe und der Weltweite des Vellages Herder konnte sich an eine so schweren Verpflichtungen unterliegende Pro grammatik wagen. Eine eingehende Prüfung der bisher vorliegenden Texte zeigt bereits das Wesen der Neubearbeitung, ihren Umfang und ihre Sorgsamkeit, eine strenger geübte Knappheit der Fassung, aber auch erhebliche, sachentsprechende Erweiterungen. Unter rund Zehntausend Schlagworten fiel eine einzige Unrichtigkeit auf: der ungarische Staatsmann Albert Graf Appönyi war nicht „Haupt- dėr Unabhängigkeitspartei in Ungarn" und man kann ihn als Politiker nicht als „katholisch-konservativ“ bezeichnen.

Ein abschließendes Urteil wird erst erlaubt sein, wenn mehrere Bände vorliegen. Die bisher vorgelegte Leistung ist, im Großen gesehen, imponierend, man könnte sie heroisch nennen, wenn man an die schweren Kriegsschäden denkt, die das Freiburger Verlagshaus zu überwinden hatte. Eine neue groß zügige Dokumentierung weltaufgeschlossenen christlichen Kulturschaffens ist in Formung begriffen. Sie sei dankbar begrüßt.

Geschichte der deutschen Literatur.

Von Paul Fechter. Verlag C. Bertelsmann, Gütersloh. 750 Seiten, 170 Bilder.

In der Reihe der literarhistorischen Werke Paul Fechters steht diese „Geschichte der deutschen Literatur" (mit ihren verschiedenen Auflagen, Titeln und Umarbeitungen von 1932, 1941 und 1952) zwischen der „Deutschen Dichtung der Gegenwart" und dem dritten Band der Literaturgeschichte von Vogt und Koch. Das vorliegende Werk hat, wie der Autor bemerkt, „keinen wissenschaftlichen, sondern ordnenden Ehrgeiz". — Die Rangordnung der einzelnen Dichtet und Werke soll nicht nach Ihrer historischen Ben deutung, sondern nach der gegenwärtigen und lebendigen Wirkung bestimmt werden. Also nicht eine Literaturgeschichte für den Histo riker, sondern Darstellung des Lebendigen für alle. Daß „Dichtung nur einen Sinn hat, wenn sie aus dem lebendigen Zusammenhang mit der Allgemeinheit entsteht“, ist eine gefährliche These, nach der sich der Autor aber auch in der Auflage von 1941 nicht streng gerichtet hat. An dem vorliegenden Band ist vor allem zu rühmen, daß nicht nur die Beziehungen zu den Nachbardisziplinen, sondern auch zur europäischen Literatur allgemein verständlich und plastisch herausgearbeitet wurden. Der lebendige Stil und die gute Lesbarkeit sind weitere Qualitäten. Gegenüber der vorletzten Auflage ist eine Gewichtsverschiebung zugunsten der neueren Literatur festzustellen (Der Zeit nach dem Naturalismus waren früher die Seiten 640 bis 788 gewidmet, nunmehr die Seiten 351 bis 759). In diesem Abschnitt schöpft der Verfasser aus dem Vollen, das heißt zum großen Teil aus eigener Erfahrung. Erwähnen wir als Beispiele trefflicher Formulierungen nur sein Urteil über Stefan George (S. 438), die hübsche JStpry-ans dem Kreis George — Borchardt — Hofmannsthal (S. 456), die Charakterisierung des Spätexpressionismus, in dessen Werken Witz und Groteske die Verbrüderungspathetik paralysierend begleiten, das schöne Portrait R. A. Schröders, der wichtige Hinweis auf Albrecht Schäffer und dessen Hauptwerk „Helianth", dieses „Feuerbach- Bild der letzten Friedenszeit“ und vieles andere. Unter dem Titel „Der österreichische Seltsamkeitsroman" (S. 563 bis 569) ist freilich sehr Disparates zusammengezwungen. Dagegen freut man sich wieder über die schöne Würdigung Robert Musils und Reinhold Schneiders, die den eigentlichen Hauptteil beschließen. Der Ausklang mit Edzard Schaper, Weinheber und Wolf von Nibelschütz scheint etwas willkürlich und dissonant — aber wie könnte es anders sein. — Der Verlag hat das reichhaltige Buch sorgfältig gedruckt und nobel ausgestattet.

Prof. Dr. H. A. Fiechtner

Merk Sittich und Wolf Dietrich von Ems.

Die Wegbereiter zum Aufstieg des Hauses Hohenems. Von Dr. Ludwig Welti. Druck und Verlag: Vorarlberger Verlagsanstalt Dornbirn, 1952, 140 Seiten und Titelbild in Vierfarbendruck mit 17 Abbildungen.

Auf der Suche nach neuen Quellen für eine eingehendere Lebensbeschreibung des Grafen Jakob Hannibal I. von Hohenems (f 1587) fand der Vorarlberger Landesarchivar im Palastarchiv in Hohenems aufschlußreiche Dokumente zur Geschichte dessen Großvaters Merk Sittich (f 1533) und Vaters Wolf Dietrich (f 1538), der bedeutenden vorarlbergi- schen Landsknechtführer, so daß es sich verlohnte, diesen Wegbereitern zum Aufstieg ihres Hauses unter Jakob Hannibal I. und seinem Bruder, dem Kardinal Markus Sittich von Hohenems (f 1595), ein eigenes Buch zu widmen. Neben Georg von Frundsberg standen unter den Landsknechtführern in der an Spannungen aller Art so reichen Zeit der ersten Reformationsstürme die von Ems als „defensores fidei“ im Dienste des Hauses Habsburg von allem Anfang in den vordersten Reihen. Der Verfasser legt bei seiner allgemeinverständlichen und flüssig geschriebenen Darstellung das Hauptaugenmerk auf die persönliche Anteilnahme der beiden Titelhelden an den Wirren ihrer Zeit auf den weitgespannten Schauplätzen mit den darauf agierenden Mit- und Gegenspielern. Tritt der alte Haudegen Merk Sittich weniger als Mensch, etwa als Gatte oder Vater, in Erscheinung, so erstrahlt das Bild eines jüngsten Sohnes Wolf Dietrich in wesentlich lebhafteren Farben. Dessen Licht- und Schattenseiten werden scharf umrissen. Das gleiche gilt von ihren Frauen, Helena von Freiberg, Gattin Merk Sittichs, und insbesondere von Klara von Medici, die Wolf Dietrich unter dramatischen Umständen aus Mailand über die Alpen heimführt. Durch diese Verbindung wird der Aufstieg in die abendländische Hocharistokratie angebahnt, der zur vollen Auswirkung, mit Jakob Hannibal kommt, dessen Lebensbild vom Verfasser in Aussicht gestellt ist. Ein ausführliches Personen- und Ortsnamen- sowie Schrifttumverzeichnis orientiert über die wechselvolle Geschichte, die in xliesem geschmackvoll ausgestatteten Bändchen lebensnah gezeichnet ist. Dr. P. Benno Roth O. S. B.

Religion und Moral im Lichte personaler christlicher Existenz.

Von Theodor Steinbüchel. Mit einem Vorwort von Alfred Schüler. Verlag Josef Knecht (Carolusdruckerei), Frankfurt am Main 1951. 266 Seiten.

Das Unbehagen des modernen Menschen, der in der Dialektik von Fabrik und Büro sukzessive um seine Freiheit kommt, das heißt nicht „zum Ich" gelangt, erstellt allenthalben zunächst eine gedankliche Opposition. So ist nicht nur die Soziologie, sondern auch die Theologie und Ethik heute „neo-liberal“ und „personalistisch" orientiert. Vorliegendes Buch zeigt gerade diese Wendung und ist daher ein gewichtiges Zeitdokument. In der Mitte der Abhandlung steht das christliche Mysterium, das Sakrament, das gegen den antiken und modernen Menschen wie Brot verzehrenden Mythus ausgespielt und zeitgemäß gesehen wird als persönlichste Begegnung von Gott und menschlicher Persönlichkeit! Univ.-Prof. Dr. August M. Knoll

Licht der Seele. Ein Buch für das christliche Haus. Von Dr. Alexander Zwettler. Verlag Ferdinand Baumgartener, Wien 1952. 570 Seiten.

Es war ein genialer Gedanke, dem christlichen Volke einen neuzeitlichen „Goffine“ zu schenken, ein Hausbuch also, in dem zur sonn- und festtäglichen Lesung in großen Lettern das Kirchengebet, Lesung und Evangelium aufgezeichnet sind, dazu eine feine Auslegung der Epistel und eine ganz ausgezeichnete Betrachtung über das Tagesevangelium. Als Lesung für die Woche hindurch schließt sich jeweils ein ausgewähltes Stück der Nachfolge Christi an. Und es ist eine wagemutige Tat des Verlages, da die Drucklegung eines solchen ausgiebigen Bandes, noch dazu in einer so ansprechenden mit vielen gut gewählten Bildern versehenen Ausführung, ein großes Risiko in sich birgt. Doch nach diesem Buch wird das christliche Volk greifen, obwohl ein solches Werk nicht billig sein kann, und noch kommende Generationen werden aus diesem wahren und echten Hausbuch Trost und Licht für ihre Seele schöpfen. Ein herrliches Weihnachtsgeschenk.

Theodor Blieweis

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