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Neue österreichische Lyrik

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Die eherne Waage. Gedichte aus fünfzehn Jahren. Von Natalie Beer. Europäischer Verlag, Wien 1951. 62 Seiten. — Heimkehr ins Herz. Gedichte. Von Carl Martin Eckmair. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1951. 108 Selten. — Der Jahresring. Gedichte in der Mundart des Tullnerfeldes. Von Herbert Brachmann. Europäischer Verlag, Wien 1951. 62 Seiten. — Schale des Herzens. Gedichte. Von Franz Fischer. Literaria-Verlag, Wien o. J. 127 Seiten

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Die eherne Waage. Gedichte aus fünfzehn Jahren. Von Natalie Beer. Europäischer Verlag, Wien 1951. 62 Seiten. — Heimkehr ins Herz. Gedichte. Von Carl Martin Eckmair. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1951. 108 Selten. — Der Jahresring. Gedichte in der Mundart des Tullnerfeldes. Von Herbert Brachmann. Europäischer Verlag, Wien 1951. 62 Seiten. — Schale des Herzens. Gedichte. Von Franz Fischer. Literaria-Verlag, Wien o. J. 127 Seiten

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Diese vier Dichter verbindet jene Reife de6 Denkens und Fühlens, wie sie die „Mitte des Lebens“ schenkt — so betitelt Natalie Beer eines ihrer gelungensten Gedichte. Sie stehen in der Zeit, von der Eckmair im „Arkadischen Sommer“ sagt: „Nun münden die schnellen Pfade / Der Jugend ins stille Tal.“ Darum verbindet die vier Dichter auch ein weiteres erfreuliches Kennzeichen: unbedingte Zuverlässigkeit im Handwerklichen. Wer sich also einem dieser vier Bücher anvertraut, erwarte nichts überspanntes und Ausgefallenes. Dafür aber nimmt den Leser ein wahrer Seelenfreund sicher geleitend an der Hand. — Die Vorarlberger Lyrikerin Natalie Beer hatte erst vor wenigen Jahren Gelegenheit, sich mit geschmackvoller, eigenartiger Liebes- und Frauenlyrik vorzustellen, die sowohl den Fachkreisen als auch dem Publikum angenehm auffiel. Mit der nun vorliegenden breiteren Auswahl bestätigte sie aufs neue ihren bekannten Rang. Auf „Ewiger Frühling“, „Mitte des Lebens“, „Auf der Wanderung“, „Selbstgespräch“ und „Habe Dank“ 6ei besonders hingewiesen. Diese Gedichte sind schön, weil sie einfach sind. (Wobei der Satzton einmal auf dem „einfach“ liegt, das andere Mal auf dem „sind“.) — Carl Martin Eckmair legt zum erstenmal einen so stattlichen, fülligen Band seiner Gedichte vor. Dieser ist trotzdem eine sehr strenge Auslese nur seines Besten geworden. Da6 Erleben der heimatlichen Landschaft mit den Augen der Seele und unter dem gleichzeitigen Aufhorchen des B!ute6 im Kreislauf der von christlichem Brauchtum verklärten und durchgeistigten Jahreszeiten ist sein Thema, formale Geschlossenheit wie überhaupt große Gewissenhaftigkeit im Ausdruck seiner Tugend. In den vollkommensten Stücken erreicht dieser Oberösterreicher seinen großen Landsmann Julius Zerzer. Wie Zerzer ist Eckmair ein Meister des Sonett6. — Der niederösterreichischen Mundartdichtung der Gegenwart wuchs mit Herbert Brachmann eine neue Begabung zu. Schon sein erster Band, „Mei Hoamat’ (Verlag Karl Kühne, Wien), rückte ihn fast in Sichtnähe Missons und Stelzhamers. Diesmal tritt er — wie Eckmair — mit einem wohlgeschmiedeten „Jahresring“ vor die Öffentlichkeit, tn allen vier Abteilungen: ,D’ Monatsliader“, „In Fruah- jahr“, „In Arnt“, „Aufs End zua“, finden sich wiederum außerordentlich kräftige Stücke, und zwar nicht, wie so oft bei Mundartdichtern geringeren Ranges, von Gnaden des rühr- samen Stoffes oder de6 wirksamen Witzes, sondern von Gnaden der Sprache, die sehr wohl weiß, daß sie 6ich damit einer behutsamen Künstler-, einer Gärtnerhand anheimgibt, die sie zum Blühen bringt. — Franz Fischer wurde den Lesern der „Furche“ (siehe die Folge vom 16. Februar 1950) bereits anläßlich de6 Erscheinens von „Lob au6 dem Abgrund“ ausführlich vorgestellt. Der neue Gedichtband sammelt abermals religiöse Lyrik des Wiener evangelischen Gottesgelehrten und Kirchenlieddichters: feierliche Hymnen, Psalmen, Legenden, Gleichnisse, allerlei Nachdenkliches, Gebete, Ermahnungen,’ Beschwörungen eines in der Ordnung ruhenden Geistes sowie einiache Lieder aus der Tiefe des ergriffenen, erschütterten gläubigen Herzens für den einzelnen und für die Gemeinschaft in der bewährten Formensprache einer großen und ehrwürdigen Tradition.

Der Mensch im Drama der Geschichte. Von Riccardo Lombardi S. J. Verlag Jos. Knecht, Carolusdruckerei, Frankfurt a. M. 1951, 227 Seiten.

Der als Prediger weltbekannte Lombardi schreibt ein Buch über den Menschen im Drama der Geschichte. Aber man erwarte nicht das Buch eines Historikers. Denn der hätte die Geschichte und ihre Vertreter bis auf den letzten Punkt befragt, wie Heiden und Christen der letzten zwei Jahrtausende den Sinn der Geschichte und des Menschen deuten. Lombardi aber geht wie ein dialektischer Philosoph vor: er bestimmt aus allgemeinen Voraussetzungen den „Begriff“ und zieht aus ihm seine Schlüsse. Er tut es mit der Rethorik des Italieners, nicht mit der Akribie des Deutschen. Deutsche Literatur zu dieser Frage, etwa Theodor Haeckers gültiges Buch, Der Christ und die Geschichte, oder Karl Buchheim, Wahrheit und Geschichte, Karl Thieme, Gott und die Geschichte, und Laslowski, Geschichte aus dem Glauben, kennt er nicht. Aber seine in jedem Kapitel wiederholten Thesen sind logisch und spiegelklar, wollen aber nicht eine fachwissenschaftliche Abhandlung über die Philosophie der Geschichte sein. Denn Geschichte bedeutet ihm nicht „die geistige Form, in der sich eine Kultur Rechenschaft über ihre Vergangenheit gibt“ (Huizinga), sondern das Leben des Menschen, der Welt. Dies alles sieht man schon aus den Titeln: Geschichte als Irrationalität (atomi- stische Geschichtsauffassung) und als reine Rationalität (Hegel), Zwitterdeutungen, Die Hauptspieler der Geschichte: Tier und Engel. — In bewußt schematischer Auffassung der Frage des Philosophen nach ihrem Hauptziel, enthüllt sich die Geschichte als das Bewährungsfeld für unsere überirdische Existenz. Nicht die atomistische Geschichtsauffassung eines blinden Materialismus noch der panlogistische Idealismus, auch nicht der dialektische Materialismus, sondern eine Synthese, die den Menschen als freies Geschöpf und Gott als Schöpfer anerkennt, gibt uns Tatkraft und Gelassenheit. Von Gott her gesehen offenbart sich Geschichte als der Weg des Menschen, der zum Ziel will und daran immer wiedeT gehindert wird, der in Seligkeit oder Unseligkeit endet. Mit einer theologischen und eschatologischen Schau schließt dieses an den großen Wahrheiten orientierte Buch, das durch seine erhellende Klarheit zu eigenem Denken anzuregen vermag.

(Seckau).

Es gibt keinen Tod. Von Donald Culross P e a 11 i e. Aus dem Amerikanischen („An Almanac for Moderns“) G. P. Putnam, New York, übersetzt von R. Müller-Sternberg. Humboldt-Verlag, Wien-Stuttgart 1951. 400 Seiten.

Das umfangreiche Werk ist entsprechend den Tierkreisen der Astrologie gegliedert und enthält nach Art eines Almanachs Betrachtungen für den ganzen Jahreslauf. Diese Betrachtungen enthalten manche schöne und tiefe Gedanken, vor allem prachtvolle Naturschilderungen, die jeden Naturfreund erfreuen können. Weniger erfreuen kann 6ich der Tieferblickende an der Gesamttendenz der Betrachtungen. Eine solche ist offenbar vorhanden, und zwar im panthei6tisch-natura- listisch-deisti6chen Sinne eines kontinuierlichen überindividuellen und einheitlichen „Lebensstromes“. In diesem Sinne ist der Titel „Es gibt keinen Tod“ gemeint: durchaus nicht im Sinne jener Schau „6ub specie aeternitatis“, in welchem allein ein solches Wort gerechtfertigt wäre, daß es „keinen Tod gibt“.

Dessenungeachtet kann da6 Werk dem Leser, der für die Natur aufge6chlo66en ist, viel geben, vorausgesetzt, daß er die Gabe der „discretio“ besitzt und sich weder durch offene noch versteckte Irrlehren irreführen läßt. Univ.-Prof. DDDr. Albert Niedermeyer •

Schulreform, Demokratie und Österreich 1918 bis 1950. Von Hans Fisch 1. Verlag Jungbrunnen, Wien, 190 Seiten, broschiert.

Das ist ein Buch der versäumten Gelegenheiten, denn zu den geistigen Strömungen und Bewegungen der Ersten Republik haben wir doch bereits so viel Abstand, daß ihre sachliche Besprechung möglich ist, von welchem Standpunkte immer man dabei ausgehen mag. So hat es Karl Renner in seinen Lebenserinnerungen und mancher andere von den Männern des politischen Lebens zwischen den beiden Weltkriegen als seine Aufgabe angesehen, und so möchte man es dem. Titel nach auch in dem vorliegenden Buche erwarten. Leider ist nicht ein Hauch von Selbstkritik am Werke gewesen, als Fischl diese seine Erinnerungen an die Schulkämpfe der letzten Jahrzehnte niederschrieb. Er hat vielmehr in reiner Schwarzweißmanier die Dinge nur so dargestellt, daß die Schulreform Otto Glöckels als ein von jeder inneren Problematik freier Königsweg zu edelstem Menschentum gezeichnet wird, dem sich pädagogisch einsichtslose, tückische Mächte entgegenstellen, nämlich die „Klerikalen“ mit ihrer Bildungsfeindlichkeit und ihrem Machtstreben. — Fischls Buch ist eine tendenziöse Kampfschrift, die der Gegenwart nichts zu bieten vermag für eine knstruktive österreichische Schulpolitik, wie wir sie im Zusammenwirken aller nötig haben, aber auch der Zukunft nicht als Quelle dafür wird dienen können, wie der Übergang vom Schulwesen der österreichisch-ungarischen Monarchie zu dem der Bundesrepublik sich tatsächlich vollzog, welche Aufgaben dabei die Erste der Zweiten Republik als ungelöst überantwortete und was der Kulturbruch des zweiten Weltkrieges an neuer Problematik brachte. — Zu solcher Darstellung würde der Titel mit seinen Jahreszahlen verpflichten, wir finden sie aber in Fischls Buch nicht!

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