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VON NEUEN BÜCHERN

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Ein Leben in Briefen, Manuskripten und Bildern. Herausgegeben von Lilly Wildgans. Band I, 1900 bis 1916 (475 Seiten), Band II, 1917 bis 1924 (429 Seiten), Band UI, 1925 bis 1932 (593 Seiten). Wilhelm-Frick-Verlag, Wien

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Ein Leben in Briefen, Manuskripten und Bildern. Herausgegeben von Lilly Wildgans. Band I, 1900 bis 1916 (475 Seiten), Band II, 1917 bis 1924 (429 Seiten), Band UI, 1925 bis 1932 (593 Seiten). Wilhelm-Frick-Verlag, Wien

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Die vorliegende Briefsammlung ist eine der umfangreichsten, die von einem neueren Dichter existiert. Aus etwa 4000 Briefen an 250 Empfän. ger wurden 769 Briefe an 131 Empfänger ausgewählt und durch zahlreiche Bilder sowie Tagebuchaufzeichnungen und zum Teil völlig unbekannte Gedichte, Aufsätze und Prosaentwürfe aus dem Nachlaß ergänzt. So entrollt sich vor unseren Augen ein fast lückenloses Bild des Lebens und Schaffens von Anton Wildgans: nicht nur der Werdegang eines Dichters, sondern zugleich auch ein österreichischer Lebenslauf. Der erste Band setzt mit der Matura ein, spiegelt eine von Not und drückenden Familienverhältnissen beschattete Jugend und zeigt den jungen Dichter im Kampf um das tägliche Brot. Ein ohne Interesse betriebenes Studium führt in einen ungeliebten Beruf, der nach einem einjährigen Urlaub endgültig aufgegeben wird. Nun entsteht Buch auf Buch: zwei Gedichtwerke, der Gerichtseinakter „In Ewigkeit Amen“ und die beiden bürgerlichen Dramen „Armut“ und „Liebe“, die über fast alle deutschen Bühnen gehen und den Ruhm des Dichters begründen. Die Reihe der bürgerlichen Dramen wird mit „Dies irae“ fortgesetzt und eine neue, unvollendet gebliebene mythische Dramenreihe begonnen. Diese Unterbrechung des dichterischen Schaffens wurde durch die Berufung als Leiter des Burgtheaters verursacht. Nach etwa anderthalbjähriger aufreibender Tätigkeit legt Wildgans dieses Amt nieder und braucht fast drei Jahre, um sich von dem durch die Berührung mit der „Welt“ verursachten Chok zu erholen. (Es wäre interessant, auch einmal die Darstellung der anderen Seite über diese von Wildgans in den allerdüstersten Farben gezeichneten Episode kennenzulernen.) Nun folgt — durch Krankheit und langanhaltende Depressionszustände beeinträchtigt — eine neue Schaffensperiode, während welcher der „Kirbisch", das Erinnerungsbuch „Musik der Kindheit“ und der Plan zu einer Gesamtausgabe der Werke entstehen. Noch einmal übernimmt Wildgans, um für sich und seine Familie eine Existenzgrundlage zu sichern, 1931 die Direktion des Burgtheaters. Da macht in seinem 51. Lebensjahr, am 3. Mai 1932, ein Herzschlag seinem Leben ein Ende.

Fast vollständig spiegelt sich aus den drei Briefbänden der künstlerische Werdegang von Anton Wildgans. Seine Werke sind niemals Art pour art, sondern immer Bruchstücke einer großen Konfession. Wildgans erscheint in seinen Selbstzeugnissen als Wahrheitssucher, ja als Wahrheitsfanatiker, der es »ich und seinen Mitmenschen manchmal wahrlich nicht leicht gemacht hat. Und doch weist dieser auf den ersten Blick so unbürgerlich scheinende Mensch sehr bürgerliche Züge auf, deren hervorstechendster das Streben nach „Sicherheit“ ist,

nach jener Sicherheit, an die viele seiner Generation nicht mehr glaubten und die uns Heutigen kaum mehr vorstellbar ist. Dieser im Grunde einfache, scheinbar gesunde und robuste Mensch, wird infolge körperlicher Behinderung und der ständigen Anspannung durch das künstlerische Schaffen, zu einem „Schwierigen“, der zu seiner Produktion äußere Bedingungen braucht, die ihn trotz der Großzügigkeit seines Verlegers Alfred Staackmann, in immer drückendere Geldsorgen stoßen. Die Empfindlichkeit gegen Störungen von außen nimmt fast krankhafte Formen an, und der aufmerksame Leser stellt sich mehr als einmal die Frage, ob es diese allein sind, die schließlich den Strom zum Versiegen bringen.

Wer Wildgans bisher nur aus seinen Hauptwerken kannte und in ihm eher ein Naturtalent, einen „naiven“ Dichter vermutete, wird erstaunt sein über die Fülle weitläufiger und scharfsinniger theoretischer Betrachtungen, die einen großen Teil dieses Briefwechsels ausmachen. Für den von Wildgans mehrfach berufenen Gegensatz in der eigenen Brust zwischen dem „Gebild’ aus wildem Lebenswahn“ und der „Hungrigkeit nach stiller Gottesnähe“ wird der Leser in diesen Briefen nur selten Belege finden. Sie dürften sich zum Teil in den unveröffentlichten Korrespondenzen oder in den ausgelassenen Stellen finden, die in der vorliegenden Auswahl jeweils durch Punkte gekennzeichnet sind. Doch wäre die Forderung nach einer vollständigen Ausgabe vorläufig noch unbillig, und alle am Werke des Dichters Interessierten sind der Herausgeberin zu Dank verpachtet, daß sie mit so großer Sorgfalt und Sachkenntnis alles auf das dichterische Werk vom Anton. Wildgans Bezügliche zusammengetragen hat. Dr, H. Fiechtner

Vom Wesen der Natur. VonA. Holländer. Verlag A. Dürer, Wien VIII, 181 Seiten.

Dieses Buch entspricht einem langgehegten Wunsdi. Einmal wird dem Theologen eine Übersicht über die Grundprobleme der modernen Physik und Biologie gegeben. Andererseits erfährt der Naturwissenschaftler hier etwas von der traditionellen Naturphilosophie. Es belehrt also der Physiker den Theologen und umgekehrt der Theologe den Physiker, womit eine Synthese, die zweifellos ein Anliegen beider Teile ist, zustande kommt. Vom historischen Gesichtspunkt aus wird eine sehr wertvolle immanente Kritik geübt. Somit ist die ideengeschichtliche Grundlage gegeben, auf der weitere Schlußfolgerungen beruhen. Es wird gezeigt, daß es vor allem die Frage nach der Wesenheit war, die die klassischen Denket der Antike und des Mittelalters beschäftigte. Es ist daher ein Unrecht, wenn der moderne Natur- wissschaftler über das „dunkle Mittelalter" die Achseln zuckt. Wenn auch auf einem anderen Wege, so versuchten die klassischen Denker dennodi, dieselben Prinzipien zu ergründen, nach denen auch der moderne Gelehrte mittels rechnerischer Methoden und exakten Experimenten sucht. Im Wesen des Autors, der sowohl Theologe als auch Physiker ist, ist es begründet, daß den Grundfragen auf zwei Wegen nachgegangen wird. Das macht die Originalität und den Reiz dieses Buches aus. Darum kann man hier die seltene Freude erleben, daß der Positivismus in Gegensatz zum Materialismus gestellt wird. Leider wird in ähnlichen Werken gerade dieser Gegensatz mit Vorliebe verwischt. So wird an besonders drastischen Beispielen, wie „Gravitation“ und „Aufbau der Materie“, sowohl Gegensätzlichkeit als auch Möglichkeit zur Synthese der alten und der neuen Richtung aufgezeigt, ihr Zusammenprall am berühmten „Falle Galilei" demonstriert. Auch hier ist es außerordentlich dankenswert, daß diese beinahe schon sagenumwobene Angelegenheit vollkommen objektiv, beinahe mit der strengen Sachlichkeit eines Gerichtsprotokolls dargestellt wird. Außerdem werden die klaffenden Wunden in der Einheit der Naturauffassung gezeigt, ohne daß der Autor auch nur einmal den Versuch macht, über Schwierigkeiten hinwegzugleiten. Ebensowenig wird der Leser das unbefriedigende Gefühl haben, hier einer trostlosen Problematik gegenüberzustehen. Überall ist die Möglichkeit einer friedlichen Synthese gewiesen. So wird auf biologischem Gebiete sowohl die Frage „Vitalismus — Mechanismus“ als auch die heute wieder so hochaktuelle Deszendenztheorie behandelt. Ebenso ist es dankenswert, daß man an aktuellen Beispielen Aufklärung über die alten Grundbegriffe der Philosophie, wie Substanz und Akzidenz, erhält.

Hochschuldoz. Dr. R. Schubert-Soldern

Die Astrologie im Weltbild der Gegenwart. Von W. Knappich. Verlag Moritz Stadler, Villach.

Verfasser als vielbelesener Kenner der Materie (er ist Vorsitzender der österreichischen Astrologischen Gesellschaft) beweist dankenswerterweise zunächst schlagend, daß von der Astrologie nicht viel übrigbleibt, wenn man sie naturwissenschaftlich betrachtet oder ihre Regeln statistisch prüft. Er findet niederschmetternde Worte gegen die „traditionelle Wahrsageastrologie“ und stellt fest, daß die „esoterische" (quasi-religiöse) Astrologie okkultistischer und theosophischer Kreise „auf reinem Autoritätsglauben“ beruhe. Letztere Aussage gilt unseres Erachtens aber genau so von der „symbolischen Astrologie“, die in der zweiten Hälfte des Büchleins phrasenreich angepriesen wird. Denn die bunt zusammengi'esenen Namen und Zitate von astrologischen „Forschern“, Dichtern, Philosophen und Naturwissenschaftlern (wobei manches schon Überholte, zv.m Beispiel Levy-Brühls „prälogisches Denken“ der Naturvölker, und manches noch Hypothetische mit einfließt) können die fehlende Begründung nicht ersetzen. „Weder Wissenshaft noch Religionsersatz, sondern bloß eine Kunst zur Deutung kosmischer Symbole“ will dieser Wechselbalg sein, dessen „Voraussagen konkreter Ereignisse meist nutzlos“ (!) sind, während „die Metagnosis (lies: nachträgliche Deutung) weitaus furchtbarer als die Zukunftsdeutung“ sei. Zum Schluß wird wortgewandt um die Gunst religiöser Menschen, zumal der Katholiken geworben; hält man diese für dumm genug, nicht zu wissen, daß sie die genau umgrenzte päpstliche Unfehlbarkeit ebensowenig zur Astrologiefreundlichkeit einzelner Päpste des Mittelalters und der Renaissance verpflichten kann, wie etwa zur Aneignung von deren sonstigen menschlichen Fehlern?!

Dr. Ferrari d’Occhieppo

Die Ehe in christlicher Existenz. Von Pater Dr. Josef Rußmann, Verlag Herder, Wien.

Ein Ehebuch, das eine wirkliche Lücke füllt. Es geht von den natürlichen Grundlagen aus, bespricht den wesensmäßigen Unterschied zwischen Mann und Frau, wobei besonders das selten tiefe Verständnis für die Psyche der Frau als angenehm auffällt, und führt zum gnadenhaften Leben des Ehesakraments. Der Autor weiß die Probleme der Ehe richtig zu sehen, weiß von ihren Nöten und versteht, ohne irgendwie unzart zu wirken, den richtigen Weg zu weisen. Allerdings setzt das Buch eine ziemlich gründliche philosophisch-theologische Schulung voraus. Dr. Helga Lechner

Serbo-Kroatisch. Ein leichter Weg zum Erlernen der Sprache und zum Herzen des Volkes. Von Dr. Elsa Kanduth- Oštrič. Verlag Jos. A. Kienreich, Graz.

Es ist der besondere Vorzug des neuen Lehrbuches, daß es sowohl im Text zahlreiche Volkserzählungen, Lieder und Sprüche als auch in den geschmackvollen Illustrationen das für den modernen Sprachunterricht unerläßliche Anschauungsmaterial bietet. Dieses Buch berücksichtigt das moderne Wirtschafts- und Geistesleben und bringt dem Reisenden olle Behelfe, die er braucht, um sich allenthalben zurechtzufinden. In außerordentlich geschickter Gesprächsform wird die Grammatik vermittelt, die die Verfasserin durch anregende Übungen zu festigen versteht.. Das Lehrbuch ist für den Selbst- und Schulunterricht sehr geeignet und wird dazu beitragen, die Beziehungen zwischen Österreich und seinem Nachbarn im Süden wieder fester zu knüpfen.

Doz. Dr. Linda Sadnik

Die schönste Stadt der Welt. Ein utopisches Buch. Von Rudolf Oertel. 40 Text- und 84 Kunstdruckseiten mit 25 Plänen und 134 Abbildungen. Wiener Verlag, 1948.

Ein Wiener Kunsthistoriker, Dr. Rudolf Oertel, der sich voll Leidenschaft um den Wiederaufbau seiner Vaterstadt sorgt, macht in seinem schön ausgestatteten, reich bebilderten Buche den Versuch, ein großzügiges Aufbauprojekt Wiens zu erstellen, das sich nicht nur mit den großen Richtlinien eines derartigen Planes bescheidet, sondern über alle theoretischen Erörterungen hinaus ein bis in Einzelheiten festgelegtes Programm darstellt. Wie Josef Hofmann in seinem Vorworte zu Oertels Buch schreibt, wird es neben begeisterter Zustimmung auch Ablehnung erfahren. Aus Vorschlägen von überraschender Großzügigkeit, wie sie der Verfasser gibt, wächst die Gelegenheit großer künstlerischer Leistung sowie die Lösung bedeutender monumentaler Aufgaben. Vielleicht ist es kein Zufall, daß nicht ein zünftiger Architekt der Schöpfer dieser Großplanung ist, sondern ein Kunsthistoriker, der wie aus einer Vision heraus ein neues, schöneres Wien schaffen will, den seine schöpferische Idee zu Lösungen städtebaulicher Art führt, die utopisch erscheinen wie alle Gedanken, die sich nicht in alten Gleisen bewegen. Mit Recht vertritt Oertel die auch in diesem Blatt schon wiederholte Grundauffassung, daß der Wiederaufbau nur dann für Wien segenbringend sein kann, wenn man sich zu großzügiger Gesamtplanung entschließt, deren Detailausführung späteren Planungen Vorbehalten sein muß. Denn auch der Wiederaufbau unserer Stadt ist nicht eine Angelegenheit von heute oder morgen, sondern wird sich aus wirtschaftlichen Gründen auf Jahrzehnte erstrecken müssen. Gerade aus dieser Erwägun’g heraus aber darf man dabei nicht mit Kleinlichkeit und Provisorien beginnen. Die tragenden Gedanken Oertels gipfeln insbesondere in der Schaffung großer Verkehrsstraßen, vor allem der Fortsetzung der „Großen Wienzeile“ und der damit verbundenen Neugestaltung großer Plätze, in der Neuplanung der Industrieviertel und Siedlungen, in der Einbeziehung des Donaustromes in die künftige Großstadt und der Endgestaltug der Wiener Ringstraße. Seine Pläne bezüglich der Anlage eines gewaltigen Platze,- vor der Oper und der Umgestaltung des Karlsplatz.essind außerordentlich interessant. Sie sind schwerlich durchführbare Lösungen, aber sie regen an. Die Stadtplanung Wiens erfordert mehr als die Planung für irgendeine große Industrieanlage, sie hat vor allem in den Brennpunkten des Stadtbildes eine im höchsten Sinne monumentale Aufgabe zu bewältigen, wie Oertel treffend hervorhebt, sie verlangt Ehrfurcht vor der Vergangenheit und ist vor allem eine künstlerisch-ästhetische Angelegenheit, bei der Nützbdtkeit und Zweckmäßigkeit nur mitbestimmende Komponenten sind.

Dr. Viktor Trautz1

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