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Eine Frau des hohen Mittelalters

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Zu den erregendsten Gestalten der mittelalterlichen Kirchengeschichte gehört die heilige Katharina von Siena. Sie sagte von sich selber: „Mein Wesen ist Feuer!“ Das ist ein mystisches Wort und läßt erahnen, wie weit das Göttliche von dieser Natur Besitz ergriffen h t. Die Forschung hat sidi seit Jahrhunderten mit dieser Gestalt beschäftigt und es ist für den Historiker seltsam genug, daß eine junge Frau — sie starb schon mit 33 Jahren — einen derartigen Einfluß auf die geschiditliche Entwicklung der Kirche nehmen konnte, wie ihn etwa die Rückführung Gregors XI. von Avignon nach Rom darstellt. Niemand aber konnte diese Frau ihres inneren Glanzes berauben, das Außerordentliche ihres Wirkens für den gekreuzigten Christus, die gekreuzigte Kirche bestreiten.

In dem nun vorliegenden Buch von Dr. Mariä Ma resch, „Katharina von Siena" (Wien 1947, Herder, 248 Seiten), bietet sich eine Biographie von eigenem Wert dar: Die Feuergestalt der Heiligen wird nicht durch psychologische Methoden vergewaltigt — Psychologie versagt sehr bald, wo es .sich um einen so gewaltigen Einbruch der göttlichen Gnade und eine entsprechend antwortende religiöse Glut handelt —, sondern eben als Mystikerin gesehen auf einem Hintergrund, der mit sicherer kultur- und kirchengeschichtlicher Kenntnis gezeichnet ist. Die Achtung . vor der religiösen Wirklichkeit und die Treue in der Milieu- zeichnung setzen in der Verfasserin profunde historische und solide theologische Bildung voraus. Wohl zugunsten einer einheitlichen, eindringlichen, allgemein zugänglichen Darstellung wurden zurecht die problematischen Fragen in der Katharinaforschung übergangen, wie etwa die 1374 erfolgte Vorladung der 27jährigen Mantellata vor das Generalkapitel in Florenz, von der nur der anonyme Verfasser der Mira- coli berichtet, die aber einen Höhepunkt im Streite der Gegner und Anhänger der jungen Visionärin dargestellt haben soll Auch die kritischen Stimmen in bezug auf das Ausmaß der geschichtlichen Bedeutung Katharinas sind nicht aufgenommen. — Das einzige Kapitel, in dem man mit der Verfasserin vielleicht verschiedener Meinung sein kann, ist der Versuch, ihr Leben auf unsere Zeit zu projizieren. Zwar ist es sicher ein beachtlicher Einfall, Katharina als die erste Frau zu bezeichnen, die den „dritten Weg“ ging (107), nämlich nicht den der Ehe und nicht den des Klosters, sondern den des jungfräulichen apostolischen Lebens in der Welt. Die Mantellaten, denen Katharina angehörte, waren tatsächlich eine Laiengenossenschaft des Dominikanerordens und bedeuteten damals einen tatsächlichen Vorstoß in die „Welt“ hinein. Nicht aber kann man ohne- weiteres diesen ,dritten Weg” gleichsetzen mit dem „Weg der Frau zur Berufswahl" (107). Katharina war wesentlich jungfräulich; ihr Beruf war eine außerordentliche göttliche Berufung. Ebenso scheint es etwas zu praktisch und neuzeitlich gedacht, wenn man Katharina für das soziale Leben im Sinne der sozialen Fürsorge zu stark auswertet. Katharina war zwar eine Popolana; wenn sie aber die eiternden Wunden der von ihr betreuten Kranken austrinkt, wenn sie Gefangene tröstet und Nikolas Tuldo zum Fallbeil führt (im übrigen eipe Szene von unerhörter Innigkeit!), so ist das als Methode dem Mittelalter fremd, als Liebesleisung dem ganz von Gott erfüllten Menschen damals aber naheliegend. Als besonders gelungen soll noch die gebotene Auswahl aus den 380 Briefen Katharinas erwähnt werden, die ein ausgezeichnetes Bild des inneren Lebens, der religiös-menschlichen Beziehungen und der kirchenpolitischen Tätigkeit bieten. Die Übersetzung wahrt sehr gut den mittelalterlichen Klang, ohne daß darunter die Verständlichkeit für den heutigen Leser zu stark leiden würde. Die angeführte Quellenkunde und Bibliographie der Werke Katharinas sei noch ausdrücklich bedankt.

Kurzgefaßter Kommentar zu den vier heiligen Evangelien. Begründet von Dr. Fr. H. Pölzl, fortgesetzt von Theodor Kardinal In n it z er, Erzbischof von Wien, in fünf Bänden. Band V: Kommentar zur Leidens- und Verki ärungsgeschichte Jesu Christi. Vierte verbesserte Auflage. Verlag Herder, Wien 1948. XV und 448 Seiten, Preis S 48.—.

Es muß als ein sinniges Symbol bezeichnet werden, daß in einer Zeit größter Bedrängnis die vierte Auflage des geschätzten Wiener Evangelienkommentars uns geschenkt wurde. Denn die Leidens- und Verklärungsgeschichte Jesu ist auch die Geschichte der Verklärung Christi durch das Leiden Christi. Man kann dem hochwürdigsten Verfasser nicht- dankbar genug dafür sein, daß er bei all einen vielen amtlichen Arbeiten und Sorgen hiezu noch Zeit und Muße fand. Die Verbesserungen dieser Auflage beziehen sich nebst einigen Änderungen in der Stellungnahme zu Kontroversfragen vor allem auf die sorgfältige Einarbeitung der in den letzten zwanzig Jahren erschienenen neuen Literatur, besonders in bezug auf die formgeschichtliche Methode. Das vorsichtige Urteil sowohl hier als auch gegenüber den altjüdischen Quellen in Mischna und Talmud ist sehr bemerkenswert und verdient Nachahmung. Wenn der gelehrte Kommentar auch an erster Stelle als Handbuch für die Studierenden der Theologie gedacht ist, so bietet er doch dem Seelsorger in allen einschlägigen Fragen eine schnelle und sichere Orientierung und darüber hinaus auch dem Laien für sein biblisches Wissen vielfache Anregung.

Das Jahr des Heiles. Von Pius P a r s c h. 13. Auflage, 138. bis 147. Tausend. Volksliturgisches Apostolat Klosterneuburg.

Unter den zahlreichen Werken zur Einführung in das kirchliche Jahr und seine tiefe Symbolik hat eines der ersten Bücher, die dem liturgischen Erneuerungsgedanken dienten, der Klosterneuburger Liturgiekalender von P. Parsch seine überragende Bedeutung gewahrt. Zum erstenmal 1923 in der Auflage von 500 Exemplaren herausgekommen, wurde er 1932 zu einem regelrechten Handbuch in drei Bänden ausgestattet, das in zehntausenden Exemplaren Verbreitung fand. Die Ungunst der Zeit gestattete diesmal nur die Herausgabe eines einzigen Bandes, in dem die wesentlichsten Gedanken zusammengefaßt sind. Eine freudige Aufnahme ist dem „Jahr des Heiles" auf jeden Fall gewiß. Dafür bürgt schon der Name des Herausgebers.

Simonde de Sismondi als Nationalökonom. Von Alfred A m o n n. Verlag A. Francké, Bern. 516 Seiten, Preis sfr 15,—.

Alfred Amonn hat es unternommen, den volkswirtschaftlichen Teil des Lebenswerkes des

Genfer Historikers und Nationalökonomen Sismondi der Nachwelt xu übermitteln und zugleich durch eine klare und lesbare Darstellung verständlich zu machen. Sismondi, anfänglich noch im Banne der liberalen Klassiker, fügte seinem Lehrgebäude allmählich eine Reihe sozialreformatorischer Grundsätze ein, die in ihrer Formulierung geradezu modern anmuten, während sie zu einem anderen Teil marxistische Gedankengänge vorwegnehmen. In dieser Richtung etwa liegt die Anerkennung der Arbeit als Quelle des Reichtums und die Forderung nach Beteiligung der Arbeiterschaft an dem durch den Arbeitseinsatz hervorgerufenen Mehrertrag. Entscheidend ist die Feststellung Sismondis, daß es die Aufgabe des Staates sei, um das Gemeinwohl besorgt zu sein. Das Gemeinwohl ist aber für ihn gleich den Interessen der Verbraucher. Die Betonung der Wichtigkeit de?, Konsums für die ökonomische Theorie ist ein erheblicher Fortschritt in Richtung auf die Ideen einer personalistischen Auffassung von der Wirtschaft. Amonn beherischt souverän das Stoffgebiet und versteht es, die Lehren des großen Genfer Gelehrten, die für die Dogmengeschichte der Sozialwissenschaften von eminenter Bedeutung sind, in einer auch dem Nichtfachmann durchaus verständlichen Weise zu vermitteln.

Saat aus dem Dunkel. Roman. Fritz G u g g L Wiener-Verlag, 1947. 323 Seiten, Hin. 31.50 S.

Das vorliegende Buch ist die Selbstbiographie eines erblindeten Arztes. Wenn dieses Werk als Roman bezeichnet wird, bleibt manches seiner Wesensmerkmale unberücksichtigt. In einer Kleinmalerei — anders als die. Sehender wie bei Stifter oder Jean Paul — schildert der blinde Verfasser oft rein aus dem Bilde seiner Erinnerung Einzelheiten und Geschehnisse, die sonst unbeachtet bleiben oder für zu gering gehalten werden, um sie niederzuschreiben. So offenbart sich uns die Denkungsart und seelische Stimmung eines Blinden. Daher liegt auch die Bedeutung des Buches vielmehr darin, zum genaueren Verständnis dieser schwer Heimgesuchten beizutragen und ihren Lebensmut zu bewundern.

Der Kurier des Kaisers. Roman von Rudolf H e n z. Amandus-Editioti, Wien.

Unter den Romanen von Rudolf Henz ist dieser der figuren-, färben- nuancenreichste, auch hat er die bewegteste Handlung. In deren Mittelpunkt steht Thomas Nußbaumer, Obristenwaise, Bäckerjunge, später -meister und Stadtrichter in Hainburg, der in den Jahren vor und während der zweiten Wiener fürkenbela- gerung zwischen Konstantinopel und Wien der kaiserlichen Sache als Dolmetscher, Kundschafter und Kurier dient, ein Sehender unter vielen Blin den. Doch nicht eigentlich voh dem bimten und abenteuerlichen Ereignisvordergrund empfängt dieses mächtige und prächtige Zeitbild Wärme, Weihe und Wert, sondern von der durch Greuel und Grauen nicht dauernd zu verdunkelnden hintergründigen Sonne seiner zeitlosen Idee, der Idee vom endlichen Sieg des Menschlichen, wenn es, im Leiden und Tun, unbeirrbar auf Gott vertraut. Unbedingte Solidität im Weltanschaulichen und Handwerklichen ist der gewichtigste Vorzug des gesamten Schaffens von Rudolf Henz. Darum gibt sich der Leser auch in vorbehaltlosem Vertrauen daran hin — al einem Liebesanruf, der sich zwar zumeist männlich verschweigt, aber gerade durch dieses Unausgesprochene hindurch andauernd und nachhaltig wirkt und erzieht, und der mit sanfter Gewalt in die Ordnung heimholt, was aus dieser durch Haß und Schuld herausgefallen.

Der Geiger. Eine Musikantengeschichte von Rudolf H a w e 1. Gerlach und Wiedling, Wien, 456 Seiten.

In behäbiger Breite, erfüllt von lebenswarmem Humor, schildert Rudolf Hawel in diesem Roman aus dem alten Österreich den Sieg der Kunst über alle Nöte des Daseins. Durch den Zusammenbruch eines Kleinstadttheaters wird der Geiger Eberhard Volgelsinger auf die Landstraße geworfen, um schließlich durch seine Kunst aus dem Arrest, in den er wegen „Landstreicherei" gesetzt worden war, zu Ehre, Ansehen und Karriere zu kommen. In harmonischem Zusammenklang realistischer und roman, rischer Elemente malt Hawel ein buntes Bild des menschlichen Lebens, würzt es mit Ironie und Sentiment, und bereichert es durch tief, gefühlte Landschaftsskizzen und ehrliche Kunstbekenntnisse. Leider wurde der Stil des posthumen Manuskripts nicht verantwortungsbewußt genug geglättet. Die sonst erquickliche Lektüre weist störende und holprige Stellen auf.

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