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Der Vergessenheit entrissen

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VOM UNSICHTBAREN KÖNIGREICH. Von Richard von S c h a u k a 1. Band 1 der gesammelten Werke in Auswahl, herausgegeben von. Lotte von S c h a u k a 1 und Josef Friedrich Fuchs, Amandus-Verlag

Wien-Köln 1960, 312 Seiten, Preis S 95.-.

Es ist eigenartig, um nicht zu sagen unverständlich, nach welchen Maßstäben manche Schriftsteller Anerkennung finden und andere fast vollkommen vergessen werden, wie oft das gar nicht von ihren Qualitäten abhängt. „Werden Kunst und Künstler gemanagt?“ fragt daher einmal mit rücksichtsloser und dankenswerter Offenheit ein bekannter Kritiker. Daß es dabei Österreich im Vergessen seiner Kinder besonders weitbringen soll, wird heute mehr oder weniger offen fast täglich ausgesprochen. Doch auch in Deutschland finden wir zur Zeit auf den Bühnen mehr Ausländer vertreten, meinte neulich resigniert ein deutscher Dichter. Wenn heute der Amandus-Verlag einen Band auserwählter Prosa Richard von Schaukais, herausbringt, so verdanken wir das einem, wenn er nicht so traurig wäre, erheiternden Zufall: der mit der Tochter Schaukais als Herausgeber zeichnende, leider so plötzlich und unverständlich früh verstorbene Josef Friedrich Fuchs meinte nämlich, Schaukai in seinen Verlag zu bekommen, sei aussichtslos, da er sicher schon längst und sicher an einen anderen vergeben sein muß, und war mehr als erstaunt, zu erfahren, daß dem ganz und gar nicht so ist. Und ist es wirklich nicht schwer zu fassen, daß ein Schaukai nach seinem Tod kaum mehr genannt wurde, während z. B. Hermann Hesse, um irgendeinen zu nennen und keinen vergleichsweise herangezogenen Österreicher zu verletzen, zum Tagesgespräch der literarischen Zirkel gehört und sogar den Nobelpreis für sich buchen kann, wo wir doch bei einer sachlichen Überprüfung des literarischen Werkes und seiner Qualitäten Richard von Schaukai sicher nicht hinter Hesse einzuordnen haben. Oder sollte es am „unsichtbaren Königreich“ Schaukais gelegen sein, wie dieser Auswahlband nach einem Werk des Dichters heißt, das das Reich der Seele und ihrer Werte, vor allem der Kunst, darstellt? Ein Reich, das heute schon fast über die Unsichtbarkeit hinaus in die Unwirklich-keit geführt wurde? Um so notwendiger und, hoffen wir, von einer Vorsehung gefügt ist das Erscheinen des vorliegenden Bandes. Dieses „weniger als ein System denn als eine Rhapsodie gedachte Buch“, wie Schaukai selbst im Vorwort seines seinerzeitigen gleichnamigen Werkes schrieb, lebt jedoch aus einer inneren Einheit. Es kann als eine Art Brevier oder Itinerarium der Seele aufgefaßt werden, das uns in seinen einzelnen Abschnitten, die nach Themenkreisen, wie Sinn, Denken, Wort, Gleichnis, Kunst usw., geordnet sind, „aus der Weile und der Dauer, die Schein sind, weil sie Widerschein, aufblitzendes und erlöschendes Gleichnis des unverweilt Seienden bedeuten“ in mutiger und adeliger Besinnung dorthin führen, wo „der Strebende“, sofern man noch Wert auf Streben legt, zwar nicht „Stillstand, sondern Ruhe im Mittelpunkt Unaufhörlichkeit“ findet. Das gilt von der Form wie auch vom Inhalt dessen, was Schaukai auszusagen hat. Man muß es ja nicht erstmalig feststellen, sondern nur in Erinnerung rufen, was Schaukai auszeichnet — um so schwerer wiegt allerdings die Verantwortung bzw. Verantwortungslosigkeit ihm gegenüber —: seine edel gefeilte, sich selbst in Zucht nehmende Sprache, die wir heute mehr denn je zu schätzen wissen (sollten!). „Strenge Wahl“, „Askese der Form, der Stimmung, des Rhythmus“, die zur „Quinta Essentia des Gedankens und des sprachlichen Ausdrucks“ führen, hat Nadler einmal festgestellt. Immer ist er einer, der, Modelaunen und -erscheinungen abhold, sich sein eigenes Urteil bildet, zu seinem eigenen Urteil steht, was in einer Zeit der unverbindlichen Tagesmeinungen, des nivellierenden Journalismus, einer diktierenden Propaganda und einer nach Proporz aufgeteilten Wahrheit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann; selbst wenn man nicht immer zuzustimmen geneigt ist, wird man herausgefordert zum Denken, um nicht in „Ketten, die sich aus Nullen machen lassen“ (St. J. Lee) gefangen zu werden. Und liest man einige seiner Äußerungen über die Kunst, denkt man an Rud. Borchardts Ausspruch: „In der Atmosphäre des Geistes sind Achtzehnjährige nicht unter allen Umständen jünger als Achtzigjährige, ja sogar als sogenannte Tote“. So z. B.: „Jedermann erlernt die Mittel, die der Dichtung dienen, die Worte. Nur der Dichter aber erschafft sie. Das Geheimnis des Dichtertums liegt im Erschaffen der vorhandenen Worte. Es ist der Irrtum der undichterischen Dichterlinge, daß sie nach nicht vorhandenen Worten aus sind (die sie in Verballhornungen der bestehenden gefunden zu haben meinen) und den üblichen Verbindungen der Worte ängstlich ausweichen. Der Irrtum besteht darin, daß sie das Neue in den Faktoren suchen, während es im Resultat liegt, das zugleich Ziel ist.“ Anderseits aber sagt er, um Mißverständnisse zu vermeiden: „Der gesunde Menschenverstand, an und für sich eine harmlose Eigenschaft — ich weiß nicht, warum mir dabei ein Bier-wärmer einfällt - wird bedrohlich, wenn er .wissenschaftlich gebildet' auftritt, gespenstisch aber geradezu, wenn er sich mit ästhetischer Normalwäsche bekleidet sehen läßt. Der gesunde Menschenverstand läßt die Kunst im allgemeinen gelten, aber er .lehnt sie ab', wenn sie es sich herausnimmt, ihm .unverständlich' zu sein. Es ist possierlich, festzustellen, wann sie ihm, seiner Meinung nach, taugt. Zunächst wenn sie .klassisch' geworden ist, 3as heißt, wenn er sie unbesehen hinnimmt. Dann, wenn sie in Massen und offiziell auftritt. Endlich, wenn er sozusagen von Amts wegen mit ihr zu tun hat.“

Wenn man bedenkt, daß Schaukai österreichischer Staatsbeamter war, möchte man sein Buch auf alle Schreibtische legen. Hoffen wir, daß es von selbst, den Weg dorthin findet; jedenfalls so erfolgversprechend aufgenommen wird, daß uns auch die noch geplanten übrigen Bände seiner Gesammelten Werke geschenkt werden können, und damit ein Österreicher seinen längst gebührenden Platz einnehmen kann.

Alfred Focke SJ.

WEM WERDEN SIE GLAUBEN? Von Douglas Hyde. Herder-Bücherei, Band 68. 188 Seiten.

Angesichts des Versagens des nur noch in politischen Bezügen denkenden Islams — als eines scheinbar dynamischen Elements in den weltanschaulichen Auseinandersetzungen in Asien — und angesichts auch der Verkümmerung der traditionellen Religionen, denen vor allem ein gesellschaftskonstitu-tives Denken fehlt, erhebt sich jene Frage, die der deutschen Ausgabe des Buches des bekannten englischen Konvertiten als Titel vorangestellt wurde. Der Autor, selbst einmal Spitzenfunktionär der KP, heute bekennender Katholik, glaubt, daß es nur das Entweder-Oder von Christentum und Kommunismus geben könne. Beide sind Glaube, und einem der beiden Glaubenssysteme wird man einmal in Asien (und Afrika) glauben. Die Alternative wurde dem Verfasser bewußt, als er, meist als Gast des Missionsordens der Kolumbaner, im Rahmen eines längeren Aufenthaltes in Südkorea Gelegenheit hatte, zu sehen, daß nur Christentum und Kommunismus noch um den Menschen, um seine Seele, ringen, beide im letzten ohne Interesse im privatwirtschaftlichen Sinn. Die Eindrücke, die Hyde zu gewinnen vermochte, werden in einer fesselnden Weise wiedergegeben. Das kleine Buch liest sich aufregend und spannend wie ein Roman.

Tatsächlich ist auch der heroische Versuch der Kolumbaner im Süden Koreas eines der großen seelsorglichen Abenteuer, an denen unsere Zeit wieder reich zu werden beginnt, nach einer Periode der Verbürokratisierung der Seelsorge und der vielfach praktizierten Seelenverwaltung.

Hyde glaubt feststellen zu können: in Asien hat das Christentum eine Chance. Aber auch nicht mehr. Ob sie genützt werden kann, hängt nicht allein von den objektiven und dem Einfluß der Kirche unzugänglichen Verhältnissen ab, sondern auch von der Art der Anpassung der Kirche an die stürmische Entwicklung in Asien, davon vor allem, ob die Kirche noch immer eine Kirche der Weißen sein will oder ihren Auftrag des Ursprungs zu erfüllen vermag. In Korea stimmte den Verfasser vieles optimistisch. Gerade an den Brennpunkten der Auseinandersetzungen bestand die Kirche. Wie dies geschieht, wird in erregender Weise geschildert.

Das Buch muß allen empfohlen werden, auch den Jungen, die das Abenteuer suchen und begreifen sollen, daß Seelsorge auch heute schon — und wieder — Wagnis zu sein vermag, attraktives Wagnis.

In kurzer Form

COLOR IN INDUSTRY TODAY (Die Farbe in der Industrie von heute). Von Robert F. Wilson. Allen & Unwin Ltd., 1960. 90 Seiten, zahlreiche Illustrationen. Preis 35 sh.

Der Autor bemüht sich in dem vorliegenden Buch, den zu der symbolischen oder ästhetischen Bedeutung der Farbanwendung neu hinzugekommenen Aspekt der Funktion zu erläutern.

Ausgehend von der allgemeinen Farbwissenschaft und der Begriffsklärung, werden die physiologischen und psychologischen Grundlagen des Farbensehens — allerdings recht summarisch — dargelegt und die Verwendungsmöglichkeiten der Farbe nach festen

Regeln, etwa für Industrieanlagen, Maschinenhallen, Büros, Spitäler usw., angeführt. Der enge Zusammenhang von Farbe und Licht bzw. Beleuchtung wird besonders betont und zahlreiche Beispiele aus der Praxis zitiert. Der Fachmann vermißt vielleicht ein näheres Eingehen auf die schon bestehenden Farbenordnungen von Ostwald oder Munsell. Auch wirkt es befremdend, daß eine frühere, ganz ähnliche Publikation desselben Autors („Farbe, Licht und Arbeit“ — Seven Oaks Press Ltd., 1953, übersetzt im Musterschmidt-Verlag 1954) nicht erwähnt wird. Zweifellos kann aber der Praktiker aus dem Buch Nutzen ziehen, sofern er sich nicht zu starr an die darin angeführten Rezepturen hält und betriebsindividuelle Lösungen sucht.

Dr. Ch. Blausteitter

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