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In der Tarnjacke

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Sie blicken auf uns herab — die Toten des zweiten Weltkrieges, die Opfer der großen Mensdiheitskatastrophe. Der Gedanke, Menschen, die einmal einander mit der Waffe gegenübergestanden. Worte des Verstehens und der Versöhnung sprechen zu lassen, ist schön. Zu schön, um in dem vorliegenden Buch wahr zu werden. An Autoren, den engen Rahmen nationalen — um nicht zu sagen nationalsozialistischen — Denkens zu sprengen, fehlt es nicht, auch werden einige bedeutende Vorstöße zu einer Selbstkritik geführt. Allein der Akzent liegt auf dem Wort Rechtfertigung. Der Sprung über den eigenen Schatten mißlingt. Der Re6t ist Kolportage.

Ein Buch, welches das Andenken an viele Millionen Toten beschwört, müßte aber vor allem 6auber und wahrhaftig sein. Das wird auch behauptet. „In diesem Buch ist keine Zeile, die sich nicht abgespielt und ereignet hätte, die nur Phantasie wäre und nicht Wirklichkeit.“ Diesem stolzen Satz kann widersprochen werden. Ein kleiner, aber bezeichnender Gegenbeweis. Von dem Besuch eines russischen Offiziers bei seiner Freundin in Wien ist auf Seite 323 und 324 zu lesen: „Nikolaj zog seinen Zivilanzug an und fuhr zu Hanna In den von den Amerikanern besetzten 19. Bezirk. Nun war sein letzter

Abend in Wien gekommen . .. Nikolaj stieg beim Hotel Union in den Vierzigerwagen ein und fuhr bis zur Gymnasiumstraße, dort an der Ecke erwartete ihn Hanna.“ Beim Hotel Union in einen Vierzigerwagen einzusteigen, wird auch Nikolaj unmöglich gewesen sein, da diese Linie der Wiener Verkehrsbetriebe seit 1945 nur bis zum Gürtel und auf die Hohe Warte, nicht aber, wie einst, am Hotel Union vorbei, zum Bör6eplatz geführt wird. Mit dem Vierzigerwagen und dem Hotel Union stimmt also etwas nicht Der Zweifel, einmal genährt, wächst. Wie verhält e6 sich eigentlich mit Nikolaj und den 6ieben angeblichen Verfassern aus We6t und Ost, aus den Staaten der ehemaligen Achse und denen der Alliierten? Aus ihrer Gemeinschaftsarbeit soll dieses Buch entstanden ßein. Leben diese Verfasser überhaupt wirklich oder sind sie nur eine Fiktion, der journalistische Kniff eines Autors, der abwechselnd in die Tarnjacken verschiedener Armeen schlüpft? Auf jeden Fall verraten alle Beiträge jedem- Menschen mit etwas Gefühl für Stilkritik ein und dieselbe Feder. Es dürfte die eines Hausautors des Stocker-Verlages sein. Womit wir des Pudels Kern entdeckt haben dürften.

Uns bleibt die Erde. Von Thomas Wolfe. Im Verlag der Arche, Zürich. 160 Seiten.

Untrennbar sind bei Thomas Wolfe, dem größten, jungverstorbenen Dichter des jungen Amerika, Leben und Werk. Daher ist eine Zusammenstellung wie die vorliegende von größtem Interesse. Der mit der Sorgfalt aller Arche-Bücher ausgestattete Band umfaßt die autobiographische Aufzeichnung Wolfes über die Entstehung und Drucklegung seines zweiten großen Romans „Von Zeit und Strom“, eine Auswahl von Briefen an seine Mutter (die Eliza in „Schau heimwärts, Engel“), kurze Erinnerungen der Mutter und des Verlegers H. M. Ledig Rowohlt, schließlich einen Lebensbericht, eine Bibliographie und einige Bilder. Die Lektüre des Bändchens vermittelt ein plastisches und eindrucksvolles Bild vom Leben dieses einzigartigen Dichters.

Dr. Albert Friedrich

Sturz in die Nacht. Von Hermann Schreiber, österreichische Verlagsanstalt, Innsbruck. 277 Seiten.

Ein Flugzeug der Linie Saigon—Paris 6türzt aus ungeklärten Ursachen kurz vor der beabsichtigten Landung auf den Bahreininseln in den Persischen Golf. Wenigen der Insassen gelingt es, sich auf das Heck zu retten, welches, steil aufgerichtet, aus den nachtdunklen, stürmischen Fluten ragt. Unter ihnen ist Raymonde, die junge, französische Stewardeß. Die Erinnerungen, die in dieser furchtbaren Lage kaleidoskopartig an ihr vorüberziehen, bilden den Inhalt des spannend und zugleich sympathisch geschriebenen Romans. Kein Leser wird dem Autor die verdiente Anerkennung versagen, auch wenn er nicht dessen naive Ansicht teilt, daß Frankreichs opfervoller Kampf in Indochina keinem höheren Zwecke diene, als dem Profit einiger gewissenloser Schieber. Kurt S t r a c h w i t z

Abenteuer in Albanien. Roman von Gustav Renk er. Verlag „Das Berglandbuch“, Salzburg 1951. 220 Seiten.

Viktor Leon und Leo Stein waren als Lehärs Libretti6ten so taktvoll, dem komischen Balkanlande der „Lustigen Witwe“ den Phantasienamen Pontevedra zu geben. Um so eher noch müßte in einem österreichischen Buche vermieden werden, eine frei erfundene Gegend, in der beispielsweise die Männer auf ihren Mützen Troddeln tragen und die Ortsnamen slawisch sind, Albanien zu nennen. Die geistige Erschließung Albaniens ist nämlich einst durch Osterreich vollzogen worden, so daß wir gewisse Verpflichtungen haben. In einem Kolportageheft würde auch wahrscheinlich das Geschichtchen von der unsichtbaren Villa am unsichtbaren See seinen richtigen Platz haben Es ist aber schwer zu verstehen, daß ein Autor und ein Verleger, beide von Verdienst und Rang, ihre Namen dafür hergeben. Franz S t o 1 b a

Große Männer — denen ich begegnete.

Von Sven H e d i n. Eberhard-Brockhaus-Verlag, Wiesbaden. 358 Seiten mit 28 Abbildungen auf Tafeln und im Text.

Ein so reiches Leben, wie jenes des großen Asienforschers, bietet in der Rückschau die Erinnerung an eine Fülle von Begegnungen mit Männern, deren Persönlichkeit so fest in der Geschichte verankert ist wie jene de3 Autors selbst. Und es war ja auch, rein zeitlich gemessen, ein langes Leben, aus dessen Patriarchenalter Sven Hedin hier nach rückwärts blickt. Nordenskjöld und Nansen, Björnsen, Strindberg und Ibsen, Stanley und Amundsen, Li hung-chang und Abdul Hamid

— wer vermag noch von ihnen aus eigener, persönlicher Anschauung zu erzählen! In diesem Persönlichen, Menschlich-Nahen, in der Aussage an sich, liegt (von Fällen wie etwa Kitchener und Lord Curzon abgesehen) der

Reiz der klug, anschaulich und immer voll Natürlichkeit erzählten Erinnerungsskizzen eines großen Menschenkenners und Menschenfreundes. . Carl Peez

Kirchengeschichte von Kärnten. I. Teil: Altertum. Von Dr. Alois M a i e r. Druck- und Verlag Carinthia, Klagenfurt 1951. 38 Seiten mit mehreren Abbildungen und Grundrissen.

Kaum in einem anderen Bundeslande ist die Frühzeit des Christentums durch die ertreulichen Ausgrabungsergebnisse der letzten Jahrzehnte und insbesondere der Gegenwart durch den Nestor der österreichischen Archäologen Prof. Dr. Rudolf Egger aufgehellt worden wie in Kärnten. Gelten die kärntnerischen Forschungsergebnisse als sicher, so sind die des benachbarten O6ttirol (DercHügel der sieben Kirchen, Neue Ausgrabung6ergebnis6e in Lavant, „Österreichische Furche“ vom 9. September 1950) neuerdings vom Grazer Univer-sitätsprotessor Dr, ,H. Wiesflecker unter die kritische Lupe genommen und als mittelalterlicher „Bergfriet“ angesehen worden. Die weitere wissenschaftliche Diskussion und die Fortsetzung der Ausgrabungen werden hoffentlich das Problem bald klären. Der Verfasser hat auf knappem Raum von 38 Seiten eine allgemeinverständliche Darstellung für die studierende Jugend und für weitere Kreise mit instruktiven Abbildungen geboten. Dafür gebührt ihm besonderer Dank.

Dr. P. Benno Roth O.S.B.

Bildnis der Mutter Gottes. Ein Schaubuch und Lesebuch. Von Lothar Schreyer. Verlag Herder, Freiburg. 268 Seiten mit 64 Bildtafeln.

Die eigentliche Zweckbestimmung dieses Buches ist es, die Verehrung und Verherrlichung Mariens in allen Schichten der christlichen Gemeinschaft neu zu beleben und zu vertiefen. Die Methode, nach der dieses erhabene Ziel angestrebt wird, ist im Untertitel klar angegeben. Bild und Wort sollen 6ich gegenseitig fördernd innig entsprechen. In sorgsamster Überlegung wird daraufhin eine kostbare Auswahl von Lesetexten und Bildern, die durch eigene feinfühlige Erörterungen ausgedeutet werden, getroffen. Die Leseproben sind der Heiligen Schrift, den liturgischen Gebeten der Ost- und Westkirdie, den Betrachtungsschriften neuzeitlicher Theologen, den Schriften der Kirchenväter, Mystiker, den altdeutschen Mariendichtungen, . Dante, vor allem auch den diesbezüglichen Rundsdireiben der Päp6te Piu6 IX., X., XII. entnommen. Die einzelnen Kapitel und die Bilder der jeweils einleitenden Texte des Verfassers sind stellenweise mit dichterischer Beschwingtheit und Herzenswärme geschrieben, wobei die ästhetischen Probleme zwar nicht übersehen werden, sich aber dem religiösen Gehalt unterzuordnen haben. Eine befremdliche Divergenz liegt in der Auswahl der Texte und Bilder insoferne, als zwar Lesestücke auch von noch lebenden Autoren in nicht geringem Maße eingeführt werden, im vorzüglich reproduzierten Bildteile aber kaum Barock und kein einziges Werk europäischer moderner christlicher Kunst aufscheint. Es hat doch wohl auch die jüngste Vergangenheit Werke geschaffen, denen echt religiöser Gehalt trotz moderner Formengebung nicht abzusprechen i6t.

Dr. Anselm Weißenhofer

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