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VON NEUEN BÜCHERN

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Staatsführung und Psychopathie. Von Dr. Erwin Stransky. Verlag Urban und Schwarzenberg. Wien-Innsbruck 1952

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Staatsführung und Psychopathie. Von Dr. Erwin Stransky. Verlag Urban und Schwarzenberg. Wien-Innsbruck 1952

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Offenbar unter den erschütternden Eindrücken der Hitlerschen Diktatur, aber doch erst als der erforderliche Abstand von den Ereignissen gewonnen war, trat der bekannte Wiener Psychiater Univ.-Prof. Dr. Erwin Stransky vor kurzem mit einer Schrift „Staatsführung und Psychopathie" vor die Öffentlichkeit, in der er die Forderung erhob, Kautelen zu schaffen, die die Gemeinschaft vor Schäden bewahrt, die ihr „reale wie potentielle Auswirkungen geistig oder ethisch nicht vollwertiger psychopathischer oder gar psychotischer Amts- und Machtträger“ zufügen könnten.

Die Notwendigkeit solcher Kautelen sieht Stransky besonders in demokratischen Gemeinwesen gegeben, wo „dank ihrer Größe die letztlich fiktive Kontrolle in den Händen der suggestiven Einflüssen jeglicher auf schädlichster Art nur zu leicht unterworfenen Masse Mensch liegt“. Die Gefahren, denen sie entgegenwirken sollen, „sind, beziehungsweise waren relativ geringer, wo eine wachsamere Kontrolle die Vollmachten der einzelnen Amts- und Machtträger wirksam beschränkt, so in den aristokratischen Republiken des alten Rom oder des mittelalterlichen Venedig oder in gewissen, in altbürgerlicher und altbäuerlicher Grundlage traditionell fest verankerten Kleinrepubliken, wie sie etwa die Schweizer Kantone 6ind“. „Diktaturen erwuchsen von den Zeiten der sizili- schen Tyrannen an, bis in die bittere Gegenwart hinein, aber fast immer aus dem Mutterboden breitester Demokratie und mit ihnen wachsen auch die Auswirkungsmöglichkeiten pathologischer Amts- und Machtträger. Gerade aber weil wir leidenschaftlich an der Demokratie festhalten, weil wir das Gute an ihr nicht preiegeben wollen, müssen wir Mittel und Wege finden, die Übel, die gegebenen wie die potentiellen, auszuschalten."

Zu diesem Zweck fordert Prof. Stransky eine präventive psychologisch-pathopsydio- logische Kontrolle. Diese soll durch besonders geeignete, wissenschaftlich auf der Höhe stehende, charakterlich bedingungslos einwandfreie, absolut unabhängige, allgemein anerkannte psychologische und p6ychopatho- logi6che Sachverständige ausgeübt werden. — Eine Reihe von Erfordernissen soll die Qualität dieser Sachverständigen garantieren. Dieser Kontrolle sollen, „ehe 6ie dahin gelangen, obligatorisch von Gesetzes wegen" sämt liche Personen unterworfen sein, die in Staat und Wirtschaft an Posten stehen, wo sie selbständig entscheidend Funktionen ausüben, ebenso alle Kandidaten, die 6icfa um ein öffentliches Mandat in eine gesetzgebende Körperschaft bewerben.

Die Kontrolltätigkeit hätte sich in Form von Untersuchungen und Beobachtungen abzuspielen, auf die 6ich Gutachten gründen, die den Vorgesetzten Stellen als Beurteilungsgrundlage dienen sollen. Staatliche und überstaatliche Behörden sollten sich ihrer bedienen; als ietzte Instanz ist an die Vereinten Nationen gedacht.

Stransky ist sich bewußt, daß sein Vorschlag auf lebhaften Widerstand stößt und dem Einwand der Undurchführbarkeit begegnet. Seine reiche psychiatrische Erfahrung zwang ihn aber dennoch, seinen Vorschlag der Öffentlichkeit zu unterbreiten.

Auf den ersten Blick erscheint er zweifellos befremdend und übertrieben, vielleicht sogar grotesk. Haben wir aber wirklich keine Ursache, auf der Hut zu sein vor Psychopathen im öffentlichen Leben? Haben die beiden ungeheuren Erschütterungen, die unser Gesellschaftsleben durch die beiden grauenvollen Weltkriege erfahren hat, nicht so viel Krankhaftes an Seele, Geist und Gemüt gezeugt, daß Vorsichtsmaßnahmen gegen Schädigungen der Gemeinschaft, die daraus entspringen, tatsächlich am Platze wären? Es wäre sicherlich ebenso verfehlt, Hals über Kopf den Stran- skyschen Vorschlag in die Wirklichkeit um- setzen zu wollen, wie ihn achtlos zu übergehen. Sowohl die Psychiatrie wie die Soziologie sollten den vorgebrachten Gedanken sorgfältig erwägen und prüfen und ernstlich nach gangbaren Wegen der Verwirklichung suchen. Vielleicht kann eine laienhafte Überlegung richtunggebend sein: Gehen wir nicht - auch zum Zahnarzt, ehe es zu Schmerzen kommt, nur weil wir wissen, daß unsere Zähne krank sein könnten? Wäre nicht der Weg der Freiwilligkeit der Ausgangspunkt, von dem aus zum Ziel gefunden werden könnte? Etwa in der Form, daß eine Auslese von Bahnbrechern zunächst aus eigenem Antrieb sich einer solchen Kontrolle unterwürfe, bis der Zwang der öffentlichen Meinung die allgemeine Übung zur Selbstverständlichkeit werden läßt? Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Mittel!

Dr. P. W e b e r

Männer gegen Mikroben. Pest, Cholera, Malaria und ihre Verwandten in Geschichte und Leben. Von Wilhelm D r i g a 1 s k i. Druck - haus Tempelhof, Berlin 1951. 377 Seiten. Mit 245 Abbildungen im Text und auf 24 Tafeln.

Das ist einmal ein populärmedizinisches Buch, an dem man seine Freude haben kann: Eine Darstellung der historischen Entwicklung der bakteriologischen Forschung, von einem der ersten Pioniere dieses Gebietes selbst gegeben. Sie liest sich spannend, wie es einem guten historischen Werke zukommt, das eines der interessantesten Kapitel der Medizingeschichte schildert: Eine meisterhafte Darstellung des „Heldenzeitalters“ in der Geschichte der Bakteriologie und der experimentellen Pathologie, die ihren Platz auch in der Literatur der Medicohistorik finden wird.

Univ.-Prof. DDDr. A. Niedermayer

Italienische Gärten. Von Alwin Seifert. Verlag Georg D. W. Callwey, München. 20 Seiten Tert mit 90 ganzseitigen Bildtafeln.

„Da6 Gemauerte muß Führer 6ein und überlegen dem Gepflanzten" — diesem Richtsatz des Architekten und Gartenkünstlers Anima- nati ordnet sich die Gestaltung des italienischen Gartens unter. Hier kann man also in einem ganz besonderen Sinne von „Gartenarchitektur“ sprechen. Mag 6ich auch der Geschmack dann weiter zum Landschaftsgarten und seiner ganz andersartigen, naturverbundenen Formengebung entwickelt haben, die Gärten der alten, strengen, architektonischen Schule werden für uns stets von hohem Reiz und Erinnerungswert sein. Unverkennbar ist übrigens, daß in der neueren Epoche Haus und Garten wieder eine Einheit bilden und der Garten als Wohnraum wieder den Einflüssen der Architektur unterworfen wird. Das klassische Land, die Wiege der Gartenarchitektur, ist Italien, und die Fahrt, auf der un6 das vorliegende, textlich wie bildlich, höchst anziehende Werk vom Etschtal über die Toskana bis zu den klassischen Gärten Roms geleitet, ist eine eindrucksvolle und fesselnde Wanderung. Carl Peez

Denk ich an Deutschland in der Nacht. Von

Emil Herz. Verlag des Druckhauses Tempelhof, Berlin. 330 Seiten.

Der Verfasser, ein strenggläubiger Jude, erzählt hier seine Familiengeschichte, beginnend mit den Schicksalen seines Ururgroß- vaters Samuel Steg, der im Jahre 1774 das

Amt des Landesrabbiners im Fürstbistum Paderborn, mit dem Sitz in Warburg, übernahm. Seine Schilderung, die immer wieder auch auf das politische Zeitgeschehen Bezug nimmt, bietet ein anschauliches Bild des Lebens in einem orthodox jüdischen Kreise und de6 wiederholten Auf und Ab, welches 6ich in der Stellung des Judentums im Laufe von fünf Generationen vollzog. Der zweite Teil des Buches ist autobiographisch, enthält aber auch manches Interessante aus der Geschichte des Hauses Ullstein, dessen Buchverlag durch dreißig Jahre, bis zu seiner völligen „Arisierung“ im Jahre 1934, der Leitung des Verfassers unterstand. Besonders hervorzuheben ist die Sachlichkeit des Autors und der ruhige Ton, in welchem er selbst über 6ein erschütterndstes Erlebnis berichtet — die Zerstörung seines Lebßnswerkes unter den Tritten der SA. Daß er das vermochte, kann nur seinem tiefen Glauben zu verdanken sein.

Kurt Strachwitz

Rečiams Konzertführer. Von Hans Renner. Rečiam-Verlag, Stuttgart. 892 Seiten.

Ein dickes, in flexibles Ganzleinen gebundenes, ungewöhnlich inhaltsreiches Taschenbuch im bekannten Format der Reclam- bibliothek. Man erwartet eines der üblichen trockenen Nachschiagwerke, beginnt zu lesen — und ist gefesselt. Der Vortrag des Autors ist abwechslungsreich und lebendig, er packt jeden Komponisten von einer besonderen Seite. Seine Belesenheit in der Fachliteratur möge man in dem Debu6sy-Kapitel bewundern, sein freies, aber immer respektvolles Urteil etwa auf den Richard Strauß gewidmeten Seiten. In diesem Konzertführer, der über 500 symphonische Werke analysiert, ist den Lebensbildern der einzelnen Komponisten besonders viel Platz eingeräumt, dagegen 6ind einzelne Erläuterungen etwas knapp geraten. Eine ausgezeichnete Idee war es, 6ich von mehreren deutschen Radiostationen die Aufführungsdauer der besprochenen Werke sagen zu lassen (aber 6ind es die von Knappertsbusch oder die von Toscanini?). Die zeitgenössischen Komponisten sind ausführlich und mit vorbildlicher Objektivität dargestellt, bis einschließlich Wolfgang Fortner, Egk, Hartmann und Scho6takowit6ch. Über die dii minorum gentium berichtet eine Übersicht etwa ab 1910. Der Konzertbesucher wird in diesem Büchlein kaum irgendein bedeutendes Werk vergeblich suchen und erhält in einem angefügten musikgeschiditlichen Überblick und einem Stichwortverzeichnis jede wünschenswerte Belehrung.

Dr. H. A. Fiechtner

Musik in Oberösterreich. Von Othmai W e 6 s e I y. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1951, 48 Seiten und 30 Kunstdruckbilder.

Dank der mehrjährigen sorgfältigen Forschungen Dr, Wesselys, deren Ergebnis hier als Band 3 der von Dr. Franz Pfeffer herausgegebenen Schriftenreihe des Instituts für Landeskunde von Oberösterreich vorgelegt wird, hat das Bundesland ob der Enns nunmehr aufgehört, eine „terra incognita“ der landschaftlichen Musikforschung zu sein. An die Stelle gelegentlicher Einzelbeziehungen, die nur dem Kenner der Lebensgeschichte eines Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Bruckner, Kienzl vertraut sind, ist damit ein wohlabgerundetes Gesamtbild voll erstaunlich reichhaltiger Züge getreten, an deren Ausprägung keineswegs nur die Landeshauptstadt allein teilhat. Historisch reicht die Schau von den ältesten Zeugnissen der Römerzeit über die klösterlich orientierte Mu6ikpflege des Mittelalters, die Erstarkung der Profan- und Schulmusik im Zeichen der Reformation, die erste Opernaufführung des Barocks (Linz 1677), die Entfaltung des ländlichen Musikbetriebes unter dem Eindruck der theresianl6chen Schulreform, die Einflüsse der Wiener Klassik und die Epoche der bürgerlichen Musikkultur (seit der Gründung der Linzer „Gesellschaft der Musikfreunde" durch Mayr und Glöggl) bis in die Gegenwart. Zum Lobe, das dem Autor für 6eine exakte wissenschaftliche Methodik, für die klare Disposition und nicht zuletzt für die vorzügliche Bildauswahl nach Verdienst gespendet sei, gesellt sich der Wunsch, er möge in einer ausführlicheren Publikation auch selbst bald die Früchte dieser dokumentarisch wertvollen Quellensammlung ernten können.

Dr, Fritz R a c e k

Auftrag des Geistes. Jahrbuch des Katholischen Akademikerverbandes. Herausgegeben von Paul W o 1 f f. Verlag Josef Habbel. Regenßburg, 153 Seiten.

Was die Wiener Katholische Akademie für Österreich, ist obgenannter Verband für Deutschland, ein Treffpunkt des Dialogs, eine katholische Information auf dem Gebiete des Geistes und der Gesellschaft. Der erste Teil vorliegenden Jahrbuches enthält Beiträge über die Verantwortung des Christen in Wissenschaft und Politik; der zweite Teil die nicht minder interessanten Berichte über die 1951 abgehaltenen Studientagungen des Verbandes. Univ.-Prof. Dr. August M. K n o 11

Das Marienleben. Nach den Gesichten der Anna Katharina Emmerik aufgezeichnet von Clemens Brentano. Neu bearbeitet von Dr. Gertrud Theiner- H a f f n e r. Mit 24 Bildtafeln, Marianischer Verlag, Innsbruck 1952, 615 Seiten.

Es war eine verdienstvolle Tat, die Visionen der großen Seherin und Stigmatisierten in so geschmackvoller Ausstattung neu herauszugeben. Dieser stattliche Band kann als Volksbuch im besten Sinne ange6prochen werden. In wohlüberlegter Auswahl sind den einzelnen Abschnitten au6gewählte Texte des Alten Testaments und der Geheimen Offenbarung vorausgesetzt und der Text wird wiederholt von Psalmen unterbrochen. Dieses Werk bringt eine Erweiterung des ursprünglichen „Lebens der heiligen Jungfrau Maria“ dadurch, daß auch die übrigen Visionen Emmeriks, die Brentano an anderer Stelle aufgezeichnet hat, aufgenommen wurden.

Theodor B 1 i e w e i s

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