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Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte

19451960198020002020

Von Hellmuth Roßler und Günther Franz unter Mitarbeit von Willy Hoppe. 1. Lieferung, München, 1952, Verlag von R. Oldenbourg. Buchstabe A—B

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Von Hellmuth Roßler und Günther Franz unter Mitarbeit von Willy Hoppe. 1. Lieferung, München, 1952, Verlag von R. Oldenbourg. Buchstabe A—B

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Namhafte deutsche Historiker haben sich in äußerst dankenswerter Weise unmittelbar nach Kriegsende in Innsbruck, der damaligen Wirkungsstätte Prof. H. Rößlers, zusammengefunden und den Plan gefaßt, ein biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte herauszugeben. Während mehrere Wörterbücher zur Kunst- und Musikgeschichte, zur Philosophie und zur Altertumskunde, zur Literatur- und Theaterwissenschaft, zur Rechtswissenschaft und zur Medizin im deutschen Sprachraum vorliegen, hat in Deutschland ein solches unentbehrliches Hilfsmittel gefehlt. Das „Hilfswörterbuch für Historiker“ von Haberkern und Wallach, erschienen im Verlag für Staatswissenschaften und Geschichte,

Berlin-Grunewald, 1935, verfolgt andere Ziele. Der ursprüngliche Plan sollte den Gesamtbereich deutscher Geschichte in einem Band zur Darstellung bringen. Doch wegen des umfangreichen Stoffes entschlossen sich die Herausgeber und Bearbeiter zunächst auf das Biographische Wörterbuch als ersten, wenngleich in sich geschlossenen Band. Ein Sachwörterbuch zur deutschen Geschichte ist im Manuskript bereits abgeschlossen und wird diesem Band möglichst bald folgen. In ihm werden die einzelnen Geschichtsquellen, die Begriffe, Ideen und Institutionen, die Geschichte der Stände, Länder und Städte sowie die wesentlichen Verträge, Kriege, Schlachten und Friedensschlüsse behandelt. Auf Artikel dieses Sachwörterbuches ist im Text des Biographischen Wörterbuches bereits verwiesen. Es besteht kein Zweifel, daß dieses erstmalige Werk — in Amerika,

England, Frankreich und Italien sind schon längst dergleichen Werke erschienen — im gesamten deutschen Sprachraum mit Begeisterung nicht nur von den Zunfthistorikern, sondern auch von den Journalisten, Politikern und von jedem historisch Interessierten aufgenommen wird. Um dieses verdienstvolle Werk in begrenzter Zeit zum Abschluß zu bringen — mit dem Aufbau einer weitgespannten Organisation wäre viel Zeit verloren und zudem in den ersten Nachkriegsjahren kaum möglich gewesen —, haben die Bearbeiter das Wörterbuch zum größten Teil selbst geschrieben. Willy Hoppe (Berlin) übernahm die Völkerwanderung und das Mittelalter bis 1440; Günther Franz das ausgehende Mittelalter und die Reformationszeit 1440—1550 sowie das letzte Jahrhundert 1815 bis 1933, während Hellmuth R ö ß 1 e r die Zeit der großen Persönlichkeitskultur 1550—1815 schrieb. Für Sondergebiete wurden fallweise Fachgenossen herangezogen. Es ist verständlich, daß der Schwerpunkt des Wörterbuches, das bis zum Jahre 1933 heraufführt, auf die politische Geschichte gelegt wurde. Es soll keine allgemeine deutsche Biographie in Kurzform bringen. Die nationalsozialistische Aera wurde noch nicht einbezogen. Die Historiker sind aufgenommen, die in der Geschichte der deutschen Historiographie eine Rolle spielen, wobei die Bearbeiter sich stets bewußt sind, daß jede Auswahl willkürlich ist, da es sich ja darum handelt, aus der Fülle der Namen zu wählen und zu sieben. Größte Sachlichkeit wurde angestrebt. Wie die Bearbeiter im Vorwort betonen, sei das wichtigste Schrifttum jeweils angeführt. Wie aus einigen Stichproben erhellt, ist es mitunter recht dürftig. Zu „Abraham a Sancta Clara“ wäre doch unbedingt die neueste Ausgabe seiner Werke von Karl Bertsche, Werke von Abraham a Sancta Clara, herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften in Wien, I. Band 1943, II. Band 1944, III. Band 1945; Verlag Adolf Holzhausens Nachfolger, Wien, anzuführen gewesen. Zu „Benedikt von Aniane“ das heutige Standardwerk von Dom Phil. Schmitz OSB. (Maredsous): Histoire de l'Ordre Saint Benoit, ins Deutsche übertragen von P. L. Räber (Einsiedeln) OSB., Geschichte des Benediktinerordens, I. Band, S. 102, mit weiterer Literaturangabe, 1947, um nur einige Unterlassungen zu erwähnen. Trotz dieser kleinen Mängel ist der erste Wurf als durchaus gelungen zu bezeichnen. Das systematische Inhaltsverzeichnis, das der 1. Lieferung vorangestellt ist, gliedert sich nach Epochen, Landschaften und Berufen, gibt eine Uebersicht über die innerhalb einer Epoche behandelnden Personen und zugleich einen Einblick in bestimmte Lebensgebiete und in das stammhafte Gefüge unseres Volkes. Man kann nur mit größtem Interesse die weiteren Lieferungen erwarten und den berufenen Bearbeitern innigen Dank schulden.

Dr. P. Benno Roth OSB., Seckau *

Die Philosophie der Existenz — Von der Renaissance bis zur Gegenwart. Von Heinrich Knittermeyer. Humboldt-Verlag, Wien-Stuttgart. 504 Seiten.

Die Philosophie des 20. Jahrhunderts wird in späteren Zeiten durch ein Charakteristikum bestimmt werden: daß sie in einer bis dahin noch nicht vollzogenen totalen Wende zur Existenz ein neues Denken einleitete. Natürlich drangen auch Denker früherer Zeiten bis in die Nähe der Existenz vor oder bis zu ihr selber hin. Und Knittermeyer hat sehr gut getan, seine Darstellung auf den Faden der Geschichte aufzuziehen. Die Wende zur Existenzphilosophie setzt ein mit dem Erlebnis des Humanismus und der Renaissance; es ist interessant, daß ein Cusanus es für die Bestimmung des Menschen hielt, „Aug' in Aug' mit dem Absoluten ein Subjekt zu werden“, wie von ihm sein Biograph Hoffman schreibt. Und nun geht die Reihe weiter, über Descartes, Pascal, über die Tatsache, daß selbst während, ja in der Aufklärung (Kants Kritik der praktischen Vernunft fordert je und je zu jener ethischen Stellungnahme auf, die je und je zu einer Maxime des allgemeinen Handelns werden soll) die Begegnungen mit der Existenz nicht aufgegeben wurden, bis zu dem, den Knittermeyer mit Recht den existentiellen Denker nennt: Kierkegaard. Auch in der langen Zeit, in der die Schriften dieses Philosophen unerkannt und unverstanden im Verborgenen lagen, ruhte das Problem nie ganz. Erst in Heidegger wird die Existenz entscheidend in die Mitte des philosophischen Fragens gerückt. Von Heidegger gibt nun Knittermeyer eine beinahe systematische Darstellung und Durchlichtung seiner genialen Lehre; von diesem Kapitel kann man ruhig sagen, daß es zu dem Besten gehört, was es unter den nicht wenigen Heidegger-Deutungen geben dürfte. Aber auch Jaspers, Sartre, die katholischen Denker Frankreichs (vor allem Gabriel Marcel) werden eingehend gewürdigt. Dabei bedient sich der Verfasser auch der sprachlichen Form des Existenzdenkens, die durchaus mit dem von diesem Gemeinten in einem tiefen inneren Zusammenhang steht. Es muß aber unbedingt betont werden, daß es ihm gegeben ist, die Dinge stets aufzuhellen und durch eine sinnvolle Beschränkung in ihrem wesentlichen Gehalt sichtbar zu machen. Das Fesselndste aber an dem Buch ist die sehr ernste Konfrontierung der Existenzphilosophie (sie ist wesenhaft etwas anderes als der Existentialismus, mit dem Knittermeyer nur das Denken Sartres benennt) mit dem christlichen Glauben. Knittermeyer ist strenger Lutheraner, er steht aber gerade deshalb in einem unanfechtbaren Glauben an das Gottmenschentum Christi. Und da er sich in seinen sehr ernsten, auch, ja vielleicht gerade für einen Katholiken sehr wichtigen Ueberlegungen nur auf

die Vereinbarkeit dieses Christusglaubens mit der Existenzphilosophie verlegt, so können diese Gedanken sehr zu einer Vertiefung dessen beitragen, was die katholische Theologie unter der lebendig realisierten potentia oboedientialis der Geist-Person beim Glaubensakt verstehen müßte.

Dr. P. Leopold Soukup OSB., Seckau *

Vom Heil der Völker. Von Jean D a n i e 1 o u. Verlag Josef Knecht, Carolusdruckerei. Frankfurt am Main 1952. 136 Seiten.

Christentum ist notwendig katholisch, das heißt es umfaßt die Welt, „und christlicher Geist, der , nicht von Grund aus dem Aufbau des ganzen mystischen Leibes zustrebt, ist nicht katholischer Geist“. Aus diesem Gedanken werden in mehreren Vorträgen missionstheologisch und missionstaktisch hochbedeutsame Folgerungen gezogen. Christliche Mission, die die Fortsetzung der Sendung des Sohnes durch den Vater ist, ist also ein Wesenszug des Christentums. Die Verkündigung des Evan-

geliums an alle Welt ist wesentliche Vorbedingung für die von den Christen ersehnte Parusie. Christentum muß sich in der Welt inkarnieren, mit dem Ziel: die Welt zu verklären. Jede heidnische Kultur enthält Elemente, die das Christentum zur Vollendung bringen kann und solche, die „sterben“ müssen. So könnte z. B. Indien zu einer Theologie des Heiligen Geistes beitragen, neue Formen der Mystik entfalten, Afrika dagegen neue Formin des Kultes. Christus übernahm das Menschsein einer bestimmten Zeit und Kultur mit all ihren Beschränkungen. Dann verkörperte sich das Christentum in der hellenistischen Welt; warum jetzt nicht in den gegenwärtigen heidnischen Kulturen? Der Missionär darf kein abendländisches Christentum aufdrängen wollen.

Neben der Tiefe und Kühnheit der Gedanken ist besonders die Klarheit und erquickende Verständlichkeit hervorzuheben.

Dr. P. Athanas R e c h e i s OSB., Seckau

Der Glockenturm. Russische Verse und Prosa. Uebertragen von Sigismund von R a d e c k i. Kösel-Verlag, München. 385 Seiten. Preis DM 17.5a

Das Buch bringt die Uebersetzung russischer Gedichte, dramatischer Szenen, Prosastücke sowie Redensarten und Sprichwörter. In einer Einleitung aus der Feder des Uebersetzers wird der Leser auf die Bedeutung Puschkins innerhalb der russischen Literatur hingewiesen. Ein großer Teil der Ueber-setzungen ist dem Werk Puschkins entnommen, neben ihm sind noch Gogol, Ljesskow, Solowjow, Tschechow, Majakowski, Jessenin, Jasykow, Petroff u. a. vertreten. Auch neueste Autoren wurden in die Auswahl aufgenommen. Sigismund von Ra-decki, der heute nicht nur als der beste deutsche Essayist gilt, ist auch ein kongenialer Uebersetzer und Interpret der russischen Literatur, wovon sich der Leser im vorliegenden Buch, das bereits in zweiter Auflage erscheint, bestens überzeugen kann.

DDr. Willy Lorenz

Ein Schloß in der Touraine. Von Hermann Schreiber. Oesterreichischer Diana-Verlag, Wien. 334 Seiten.

Vierzehn Kilometer von Amboise, am Cher, liegt dieses Schloß. Seit dem 12. Jahrhundert der berühmten Familie der Grafen von Marques gehörig; im 14. Jahrhundert neu aufgebaut; Schauplatz prachtvoller Feste zweihundert Jahre später, als Katharina von Medici mit ihren Töchtern dort weilte. Der Roman spricht freilich nicht davon, wie der Chronist berichtet: „ ... les plus belles et honestes dames de la Cour estant ä motie nues et ayant leurs cheveux espars comme epousees furent emploees ä faire service avec les filles des roynes...“ Was vielmehr die Geschehnisse von 1588, ehe der letzte Valois, Heinrich III., ermordet wurde, anziehend macht, ist die Zwischenatmosphäre. Halb Sonne, halb Nebel, halb Glaube und Wahn, halb Liebe und Leidenschaft, Kulturverfeinerung und Verfall. Das Glanzstück des Romans ist“ wohl das 12. Kapitel. Portaleone steht — als einziger Mensch — jenseits der Wesen, in ihm kreuzen sich wundersam Gewesenes und Kommendes. Hanns Salaschek

Feuer vom Himmel. Roman von Robert Müller-Sternberg. Verlag Rabenstein, Salzburg. 290 Seiten.

Dieser Roman behandelt die Konflikte jener Generation, die inmitten einer von Haß vergifteten Welt heranwuchs und die Brüchigkeit der Moral in einer der Machtgier und dem Materialismus verfallenen Epoche zutiefst erlebte. So gerät der sechzehnjährige Peter Kramer in das Inferno der letzten Kriegstage, er wird mit seinen Mitschülern zur Verteidigung der Stadt eingesetzt, doch schließlich findet er wieder zu seiner Mutter zurück, allerdings als ein anderer, denn nun weiß er, daß jedes Ideal trügt, wenn es nicht im Herzen nachempfunden wurde, in einem Herzen, das dem Haß widersagt. Der prägnante Stil verleiht dem realistisch geschilderten Geschehen die Atmosphäre eines Zeitgemäldes mit metaphysischem Hintergrund. Hat auch Peter Kramer die Nichtigkeit falschen Heldentums kennengelernt, so ist er sich doch der hohen Bedeutung bewußt, die gerade in Augenblicken höchster Gefahr der persönlichen Bindung von Mensch zu Mensch zukommt, aber vor allem hat er erkannt, daß Lauterkeit und Wahrhaftigkeit unerläßlich sind, soll aus den Trümmern Gottes Welt neu erstehen.

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