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Stimme aus dem alten Österreich

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Hundert Jahre, nachdem eine Revolution mehr dem liberalen Geiste in Österreich zum Durchbruch verhalf, ergreift ein Dichter nochmals das Wort, der ein langes Leben lang diesen Geist in seiner edlen und humanen Form verkörpert hat. Franz Karl Ginzkey, der uns in seiner schlichten Art sein eigenes Leben, das ihm nur eine Suche nach der wahren Geistesheimat war, erzählt, verkörpert uns jene Haltung, die Josef Benda treffend die „dienstaristokratische” genannt hat. Auch ihm ist gleich vielen Söhnen der österreichisch-ungarischen Monarchie die Sehnsucht nach der Heimat mit in die Wiege gegeben worden, deren Väter bald dahin, bald dorthin im Dienste des großen Reiches kommandiert wurden. Ginzkey sucht nun seine Heimat in seiner Verbundenheit mit den väterlichen und mütterlichen Vorfahren, um sie am Ende in der Waldheimat Roseggers und in den Kulturräumen der österreichischen Landschaft, in Wien und Salzburg, zu finden. Eine leise Wehmut durchzieht das ganze Buch, die gleiche Wehmut, die das sterbende Großreich überschattet haben mag. Wir Jüngeren mögen nicht mit manchem, wie es Ginzkey formuliert, heute mehr so recht einverstanden sein, doch wir neigen uns vor dem echt, österreichischen Streben des Dichters nach Harmonie. Ein solches harmonisches Bild soll uns ja auch die liebevolle Auswahl Dr. Bambergers im „Ginzkey-Buch” aus dem Gesamtwerk des Dichters vermitteln. Das Wiedersehen, das wir mit mancher lieben Zeile Ginzkeys feiern, läßt uns hoffen, daß diese Stimme aus Österreich nicht umsonst gesungen und daß viele noch in stillen Stunden nach seinen Büchern greifen werden, über denen der Geist Stifters und Roseggers, Milows und Saars segensreich waltet. Möget! sie vielen die Wahrheit seiner Verse auch in dieser zerklüfteten Zeit offenbaren!

Wenzel Cäsar Messenhauser, Nationalgarde- Oberkommandant von Wien 1848. Von M. Ehnl. Verlag Ratzenhofer, Wien 1948.

Der Gedanke, die Erinnerung an das Jahr 1948 nicht bloß durch zusammenfassende Darstellungen, sondern auch durch wertvolle Einzeluntersuchungen zu vertiefen, hat in der vorliegenden Biographie des Verteidigers von Wien während der Oktoberrevolution ein Werk hervorgebracht, das volles Lob und ausführliche Würdigung verdient. Der Verfasser hat nicht nur das umfangreiche Quellenmaterial in jahrzehntelanger Arbeit so gut wie vollständig verwertet, er hat darüber hinaus eine anziehende, versöhnlich gehaltene, lebendige und den Lokal- wie den Universalhistoriker in gleicher Weise ansprechende Biographie geschrieben, die unter den Lesern aller Richtungen, besonders unter allen Wienern, zahlreiche Freunde finden wird. Das Schicksal dieser „immer ringenden, strebenden und stets irrenden Seele”, die sich zum Dichter geboren fühlte und den Ruhm auf ganz anderen Wegen suchte als dort, wo sie ihn schließlich fand, verkörpert auch ein Stück österreichisches Märtyrertum — und dies kommt in der Darstellung trefflich zum Ausdruck. Das mit Sachkenntnis und innerer Anteilnahme geschriebene Buch ist eine der erfreulichsten Erscheinungen, die der Büchermarkt bisher über das Jahr der Revolution hervorgebracht hat.

Bei meinen Landsleuten. Erzählungen, Novel- len, Skizzen. Von Marie v. Ebner-Eschen- b a c h. Agathon-Verlag, Wien.

Zwei Fragen drängen sich bei der Herausgabe des Nachlasses der Ebner-Eschenbach auf, von dem der erste Band einer auf vier Bände berechneten Reihe vorliegt: Ist alles aufzunehmen? Ist mit dem üblichen philologischen Rüstzeug zu verfahren? Die erste Frage ist mit ja, die zweite mit nein zu beantworten. Die Bedeutung einer Ebner-Eschenbach ist eine solche, daß auch schwächere Stücke (und solche fehlen auch bei Meistern nie) als Kennzeichen des Geistes- ganges bedeutsam sind. Ein philologischer Apparat muß einer historisch-kritischen Gesamtausgabe vorbehalten bleiben. Die vorliegende Edition durch Heinz Rieder, der auch die aufschließenden Nachworte verfaßt, bringt allerdings nicht, wie der Umschlag verheißt, durchwegs Unbekanntes; ein Teil steht bereits in den „Letzten Worten” (herausgegeben von Helene Bucher, Rikola-Verlag, Wien 1923). Schließlich wäre der Dramatik zu gedenken gewesen — ein Otto Ludwig hat immerhin „Maria von Schottland” in seinen „Dramatischen Studien” besprochen. — Von den nun vorliegenden zwölf Arbeiten sind je vier erzählenden, dialogisiertnovellistischen und biographischen Inhalts. Besonders soll auf die Titelgeschichte wegen der interessanten impressionistischen Atmosphäre und von den unbekannten Stücken auf das ganz reizende „Mein Neffe” hingewiesen werden. Das Buch bringt ein Jugendbild der Dichterin; da es sich vorwiegend um ältere Arbeiten handelt, wäre ein Altersbild, wie die Radierung Michaleks, angezeigter gewesen. Den Besitzern der Werke unserer Dichterin wird das Buch, dessen Ausstattung recht zufriedenstellend ausfiel, eine willkommene Ergänzung bieten.

Briefe an Veronika. Von Leon Blo y. Thomas Morus Presse im Verlag Herder, Wien.

Mit dieser Neuausgabe seiner Briefe an Anne Marie Roule (Veronika) wird das erschütternde Leben Leon Bloys wieder in den Vordergrund der Betrachtung gerückt und bedarf mit den beigefügten Würdigungen von Jacques Maritain und Karl Pfleger keiner weiteren eingehenderen Klarlegung mehr. Es ist ein dankenswertes Beginnen Zeugnisse von solch absoluter Christlichkeit und leidenschaftlicher Menschlichkeit, die das Ringen um das vollkommene Leben zum Ausdruck bringen, hier vorzulegen. Man könnte sich noch manchen anderen Band dieser Art in einer solchen Reihe vorstellen. Aber es wäre auch zu wünschen, daß unsere Gegenwart zu Worte kommt, um ihre Not und ihren hingebungsbereiten Glauben zu bekennen.

Dr. Lothar Kugler, der Kaplan von St. Oth- mar in Mödling. Sein Leben und Wirken. Von Fried. Wessely. Verlag Herder, Wien 1948.

Der bekannte Dozent für Mystik an der Wie. ner Universität schildert die Geschichte eines Priesterberufes und seiner Erfüllung, die sich in unserer zeitlichen und örtlichen Nähe vollzog. Im Schoße einer geistig und religiös lebendigen Wiener Familie aufgewachsen, äußerte der Student Kugler früh Neigung zum Ordensleben. Vom Vater, der das geliebte Kind vor Enttäuschungen bewahren wollte, ermahnt, zunächst sich ernstlich zu prüfen, gab sich Lothar in Straßburg und Breslau philosophischen Studien hin. Seelische Kris/n und die Lockung der wissenschaftlichen Laufbahn traten dem Rufe der Gnade in den Weg. Erst als Fünfunddreißig- lähriger begann er im Wiener Priesterseminar das theologische Studium, empfing drei Jahre später die Weihe und wirkte als Kaplan an der ehrwürdigen Othmarkirche der Babenbergerstadt. Die langen, stillen Kämpfe hatten ihn gereift. Er suchte in den Menschen und Ereignissen, die ihm begegneten, stets das Wesentliche, war trotz der Hochachtung, die ihm seine hohen Gaben eintrugen, demütig und, trotzdem er die Annehmlichkeiten des Wohlstandes kannte, ein Armer im Geist. Kranken, Sündern und Hilfsbedürftigen galt seine Liebe und Aufopferung. Die unvermeidlichen kleinen Leiden, die oft zuerst die Nerven und dann das Tugendleben gefährden, ertrug er mit ergebener Geduld. Sieben Jahre genügten, daß er das Wort wahrmachte, das Dozent Wessely an den Beginn seines Buches setzte: „Das Leben Lothar Kuglers ist ohne Zweifel das Leben eines Menschen, der nach dem Stil eines Heiligen durch die Welt ging”, und „Er war durch sein bloßes Dasein für alle ein großer Trost.” Kann mah über einen Christen gerade in unserer Zeit etwas Schöneres sagen? Darum wünschen wir dieses Buch in viele Hände.

Lebendiges Jahresbrauchtum in Oberösterreich. Von E. Burgstaller. Otto-Müller- Verlag, Salzburg.

Zu den trefflichen volkskundlichen Veröffentlichungen dieses Verlages gesellt seich ein neuer Band. Auch dieser gleicht den Schriften Viktor Gerambs, der Sorge um das lebendige österreichische Volkstum gewidmet. Es ist klar, daß gediegene und erfolgversprechende Volkstumsarbeit nur auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung aufbauen kann, und so sind wir nicht überrascht zu hören, daß neben diesem Werk des Verfassers eine eigentliche wissenschaftliche Untersuchung über den Volksbrauch in Oberösterreich heranreift. Für diesen Plan sei empfohlen, die historische Schichtung und Entwicklung des Brauchtums, den vielfäligen Wandel von Namen, Gestalt und Bedetung in helles Licht zu setzen. Gewiß werden aih in Oberösterreich volkskundliche Quellen vor dem 18. Jahrhundert nur spärlich fließen. Ui so mehr Vorsicht scheint aber geboten in Veęleiich und Gleichsetzung mit Erscheinungen des deutschen und skandinavischen Nordens und i der Beurteilung des nachlebenden „unheiniichen Flackerlichties der Vorzeit” (S. 13), der „mit voller Kraft noch unter uns wirkende Užeit” (S. 19). Die christlichen Brauchtumsforme sind daneben nicht übensehen, vielmehr mit Tärme dargestellt, aber zu gering veranschlagt -erden nach meiner Meinung die primitiven Atriebe, die weder germanischer noch christlicher Trdition eingeordnet werden können. Es sind hie doch wohl manche Dinge noch mit dem begistert- romantischen Blick der Grimm-Zeit geseln, an sich begreiflich in einer Landschaft, d: von modernen Einflüssen noch wenig berührte lelikt- gebiete aufweist. Das Buch ist bei gedüngter Fülle glänzend geschrieben. Niemand wid sich dem dichterischen Schwung von Schild’ungen entziehen wie der Nigln im Stoderti, der Rauhnacht im Innviertel, der Fronleichnmsfeier in Traunkirchen oder des Leonhardirites in Heiligenleithen. Für den Zweck des Buches förderlich ist, daß die Betrachtung bis in die unmittelbare Gegenwart reicht. Dies gil. auch von dem wertvollen Anhang, . der zum jroßen Teil Brauchtum der letzten Jahre im Bile festhält.

Wipptaler Heimatsagen. Von H. lolzmann. österr. Bundesverlag, Wien 1941

Den Alpenkamm druchfurchen mehrere Pässe; unter ihnen ist der Brenner der niedrige. Er trennt nicht, sondern verbindet, und zwr entsprechend seiner Beschaffenheit in hohem Maße. Indem das Volk dies seit alter Zeit emfand, gab es dem Tal diesseits und jenseits der Nasserscheide den einen Namen: „Wipptal”. Vn der Bedeutung dieses Paßtales zeugen auc die Sagen. Sie halten Geschehen fest, Ereignis des kleinen und großen Lebens, die der schreienden Geschichte mit dem Sätzchen: es war einma, entschwunden sind. In der Verklärung dieses latzes genießen sie im besonderen Maße die Lieb des Volkes. Auf daß sie seiner Obhut neuedings überantwortet werden, hat sie Holzman mit tiefer Liebe gesammelt und mit glühadem Herzen wiedererzählt. Das Deuten der dgen und Märchen steht hier nicht im Vordergund; die Gabe (!) des Sammelns und die Kuns des Erzählens macht dieses vorliegende Werk llein schon zu einem sinnvollen Wegweiser an riner uralten Paßstraße, die in ihrem Erzählgutzwei Welten vermittelt.

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