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Die Geschenke der Liebe

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Das Prosawerk aus dem Nadilaß »Die Geschenke der Liebe", früher unter den Titeln „La Paloma" und „Chthon" angekündigt, könnte man wohl mit einem gewissen Recht als einen Gesellschaftsroman bezeichnen, doch eine solche äußerliche Einreihung würde wenig bedeuten, da die Dichtung sich weit über die herkömmlichen Formen dieser Gattung erhebt. Der Roman gehört zwar in die Reihe von Benraths glänzenden Darstellungen aus der Welt der höheren Gesellschaft, wie etwa „Ball auf Schloß Kobolnow“ oder »Die Mutter der Weisheit", er'beweist ebenso des Autors große Charakterisierungskun6t und seine souveräne Geistigkeit, aber er ist den genannten Werken an dichterischer Substanz überlegen. Hier geht es nicht einfach um Gesellschaftskritik, obwohl auch diese ihren Raum hat, sondern um Deutung und Gestaltung menschlicher Probleme, die immer gültig sind.

Der Roman spielt in den Jahren 1913 bis 1919 in Bad Nauheim, in Friedberg in Hessen, Benraths Heimatstadt, in Capri und in Davos; auch Frankreich, Mexiko und Siam fehlen in diesem Panorama nicht. Der Hauptteil führt in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg, als es noch eine große europäisdie Gesellschaft gab. An äußerer Handlung geschieht nicht viel, alles Wesentliche geschieht im Bereich der Seele. Benrath erzählt in der Ich-Form, aus eigenem Erleben, doch ist die Frage nach den biographischen Grundlagen unwichtig. Er ist gleichsam selbst eine Hauptperson des Romans, denn innerhalb seines Freundeskreises vollziehen 6ich schicksalhafte Begegnungen. Im Vordergrund stehen zwei Liebende: die Gräfin Teresa Chagny, einst unter dem Namen „La Paloma" eine gefeierte Schauspielerin, und der junge Alexander von Seesenheim. Dem Gesellschaftskreis in Bad Nauheim gehören noch andere Personen an, bedeutende Menschen von echter Kultur,

denen materielle Unabhängigkeit die Entfaltung ihrer besten Kräfte ermöglicht. Ihre Beziehungen zueinander, in den feinsten Abstufungen und notwendigen Wandlungen, bilden den Inhalt des Romans. Wie diese Menschen sich finden, wie Liebe zum Schicksal wird, wie Erkenntnisse reifen, da6 stellt Benrath mit großer psychologischer Erhellungskraft und subtiler Sprachkunst dar. Die Atmosphäre der häufig wechselnden Schauplätze der Begebenheiten wird in unvergleichlicher Weise wiedergegeben, und die Schilderungen der Landschaft von Friedberg und von Capri bleiben dem Leser im Gedächtnis. Das geistreiche leichte Geplauder mit den geschliffenen Aperęus und das Gespräch, das in letzte Tiefen dringt, werden gleich überzeugend gestaltet.

Das ganze Werk ist durchdrungen von der Benrath eigentümlichen geistigen Haltung, von seiner stoischen Anerkennung der mensch- lischen Grenzen und der Erkenntnis der besonderen Gesetzlichkeit jede6 Lebens. Den willkürlichen Konventionen setzt er den Adel des Wesens entgegen. Die Elegie „Der Gesang der Chthon im 25. Kapitel ist das geistige Zentrum der Dichtung. Chthon, die Verkörperung der mütterlichen Erdkräfte, und Apollon, das Geistprinzip, werden in ihrem Zusammenwirken dichterisch geschaut. — Die letzten Kapitel spiegeln Benraths Auseinandersetzung mit der Weisheit des Fernen Ostens. Die Liebe als große, in vielfältigen Erscheinungen sich offenbarende Macht de6 Lebens ist das Hauptthema des Romans. Sie beschenkt nur den, der niemals fordert.

Das Werk gehört zu den charakteristischesten Dichtungen Benraths, denn es zeigt ihn uns in der Ganzheit seines Wesens, in dem sich wahrhaft weltmännische Kultur und künstlerische Schöpferkraft Verbanden.

Dr. Theo Trümmer

Heinrich Heine. Sein wertvollstes Vermächtnis. Religion, Leben, Dichtung. Herausgegeben von Felix Stö6singer. Manesse- Verlag, Zürich 1950. (Manesse-Bibliothek der Weltliteratur.) 645 Seiten.

Die Eigenart dieses Buches besteht in seinem anthologischen Charakter. Der Herausgeber hat den Extrakt dieses Bandes aus Heines Gesamtwerk nach dem Muster von Nietzsches Schriften zusammengestellt, das heißt den in Heine verborgenen Nietzsche sichtbar gemacht. Schon die äußere Form der jeweils mit schlagwortartigen Überschriften versehenen kurzen Auswahlstücke deutet auf die zugrunde liegende editori6 he Grundidee hin. Dieser geschichtliche Gedanke, Heine als einen bis heute zu wenig gewürdigten Vorläufer von Denkern hinzustellen, die heute in großer Mode sind, wie eben zum Beispiel Nietzsche, Ibsen, Strindberg, George, Wagner und andere, ist sicherlich ein 6ehr glücklicher, wenngleich es dem Herausgeber klar ist, daß die Fiiiation der Heineschen Ideen in vielen Fällen kaum strikte nachzuweisen i6t. Aber die wirklich große Bedeutung von Heines mythischer Phantasie arbeitet Stössinger großartig heraus. Ob Heine auch ein Prophet unserer Zeit ist, wie es der Herausgeber annimmt, ist nicht leidit zu beurteilen. Tatsächlich hat unsere Zeit alle Ideen, die Heine bewegt haben, durch eine bedeutende Anzahl neuerer Geister vermittelt bekommen, so daß heute wohl kaum mehr reinlich das Gedankengut Heines von dem seiner Nachfolger getrennt werden kann. Freilich gelingt es dem Herausgeber in glänzender Weise, die Gipfel in Heines Weltbild, seine Abkehr von der autonomen Vernunft, seine Rückwendung zur Religion und die Prophetie eines religiösen Sozialismus ä la Pėguy sichtbar zu machen. Es leidet keinen Zweifel, daß das auch Ideen der unmittelbaren europäischen Gegenwart sind. Ganz besonderes Lob 6ei der 100 Seiten umfassenden Einleitung gespendet, die wohl das bedeutendste Heine-Bild der Gegenwart darstellt. Der sinnvolle Aufbau der Auswahl, der umfassende quellengeschichtliche Kommentar sowie die hervorragende buchtechnische Gestaltung, stellen dieses Werk in die vorderste Reihe der modernen Heine-Literatur.

Univ.-Doz. Dr. Robert M ü h 1 h e r

Die Flucht. Von Eduard S t ä u b I e. Novellen. Schweizer Volksbudigemeinde, Luzern. 103 Seiten.

Der junge Schweizer Autor ist den Lesern der „Furche“ nicht unbekannt. Seine erste große Erzählung „Das Gericht" („Der Kryštall“, Nr. 9/1950) machte aufmerksam, bald konnte eine zweite Arbeit kritisch vermerkt werden. Nun legt Stäuble einen richtigen Novellenband vor. Von der selbst erlebten mißlungenen Flucht eines deutschen Soldaten während des zweiten Weltkrieges erzählt eine der sechs in diesem Band gesammelten Erzählungen. Flucht, ausgeführte und unterlassene, gelungene und mißglückte: dieser Gedanke ist allen Beiträgen gemeinsam, hält sie zusammen: mag der Themenkreis auch von den Tagen der römischen Kaiser bis in unsere Gegenwart geschlagen sein. Der Autor ist genügend aufrichtig, um in einem ebenso informativen wie unaufdringlichen Nachwort zuzugeben, daß ihm da6 gemeinsame Fluchtmotiv aller seiner Arbeiten erst bei ihrer Zusammenstellung zu dem vorliegenden Buch bewußt geworden ist.

Die Sprache des neuen Schweizer Erzählers ist knapp und diszipliniert. Sie läßt lange Arbeit mit der Feile erkennen. Zum Worte Stäubles gesellen 6ich als wichtige Ergänzung die von derselben Grundstimmung getragenen Federzeichnungen Werner Andermatt 6. Die Ausstattung des kleinen Buches ist beispielhaft. Man fragt sich, wem man mehr gratulieren darf: dem jungen Autor zu seinem Verlag oder diesem Verlag zu seinem neuen Mitarbeiter. Dr.'Kurt S k a 1 n i k

Gesellschaftliche Ordnungssysteme. Wörterbuch der Politik. Heft V. Erste Lieferung: Bei-

träge A bis L. Herausgeben von Hermann Sacher und Oswald von Nell-Breu- ning S. J. Verlag Herder, Freiburg 1951. 219 Seiten.

Auch dieses Heft bietet eine Kurzdarstellung sozialer Grundbegriffe, diesfalls der wichtigsten Sozialmodelle der Gegenwart (Anarchismus, Faschismus, Kapitalismus, Kommunismus, Konservativismus und so fort). Wurden die bisherigen Hefte (1. Christliche Gesellschaftslehre; 2. Christliche Staatslehre; 3. Soziale Frage; 4. Wirtschaftsordnung) ausschließlich von den beiden Herausgebern besorgt, so dieses auch von anderen Autoren. Solange das berühmte Herdersche Staatslexikon, davon der Schlußband 1932 erschien, noch nicht in neuer Auflage möglich ist, werden diese Hefte für katholische Theoretiker und Praktiker im Sozialleben wertvollster Ersatz seih.

Univ.-Prof. Dr. August K n o 11

Lebendiger Geist. Von Romano Guar- d i n i. Verlag der Arche, Zürich 1950.

In dieser kleinen Schrift wird das ewige Problem der Freiheit trotz Gebundenheit in echtem Guardini-Geist entwickelt und durchleuchtet. Obgleich das experimentell-analytische Beweisverfahren für die „psychologische Freiheit" in seiner Darstellung neu und 6ehr fesselnd ist, 60 fühlt sich doch der Leser mehr beeindruckt durch die Art, wie Guardini von der „lebendigen Freiheit" spricht, vor allem im konkreten Leben des Christen, der für die Spannungen zwischen Freiheit und den unabänderlichen Tatsachen eine höhere Lösung findet. Sehr bedeutungsvoll, wenn auch nur andeutend, sind die Darlegungen über den Dienst, den die Offenbarung dem natürlich- philosophischen Wissen leistet, zum Beispiel über die Person durch Heranziehung des Trinitätsgedankens, über den Staat durch die Idee des Reiches Gottes, über Kultur in ihrer Spannung zwischen sogenannter autonomer Kultur und Kulturtheokratie, über Geschichte durdi die Offenbarung, und über Geist im Lichte des Heiligen Geistes. Diejenigen, die Guardinis Werk bereits kennen, finden in diesem Buch die Zusammenfassung seines eigenen Weltbildes, die Außenstehenden werden sich freuen, eine Schrift zu finden, die sehr behutsam und doch so leicht verständlich in einige der wesentlichen Probleme des modernen Menschen hineinführt.

Man getraut sich kaum, diese wunderbare kleine Schrift zu „besprechen", und möchte sie nur empfehlen als eine Gabe voll reicher Gedanken in dieser ideenarmen Zeit.

DDr. Nico Greitemann

Einführung in das Geistesleben der heiligen Theresia vom Kinde Jesu. Die Wahrheit über die Heilige und die Ergänzung ihrer Geschichte einer' Seele. Von Andrė C o m b e s. Johann-Josef-Zimmer-Verlag, Trier, 485 Seiten.

Auch Heilige 6ind Menschen und stehen' unter dem Gesetz einer historischen Entwicklung. Nur muß man bei ihnen (was man in Wahrheit bei allen tun müßte!) unbedingt beachten, daß ihr Leben wesentlich von Gott selbst mitbe6timmt und geformt wurde. Es bloß von psychologischem Standpunkt zu betrachten oder es allein in seinen äußeren Geschehnissen darzu6tellen, wäre durchaus falsch. Man muß trachten, die Geschichte der Seele, wie 6ich ihre Entwicklung aus ihren Begegnungen mit Gott ergab, zu zeichnen. Das ergibt eine eigenartige organische Entwicklung, in der das Lebensalter mit den diesem jeweilig entsprechenden Gnadensituationen berücksichtigt wird. So entsteht eine wahre Heiligengeschichte, nicht die Darstellung einer fix und fertigen Heiligen, deren Tugenden und Herrlichkeiten systematisch aufgerollt werden. Combes hat als erster diese genetische Methode bei der Heiligen von Lisieux angewandt, und in ihr ohne Beimischungen persönlicher Philosophie oder Theologie alles aufgezeigt und in historisch einwandfreier Weise aus den chronologisch geordneten Originaltexten Theresias herausgearbeitet. Dabei 6ind viele Briefe der Heiligen mitverwendet, die bisher unbekannt waren. Da6 Buch wird in seiner sachlichen, aber doch von der Größe und Armut der Heiligen her bestimmten Darstellung ihr nicht nur viele neue Freunde gewinnen, es wird vor allem manchen in die Nähe Gottes führen, die sie so sehr gesucht und auch gefunden hat.

Dr. P. Leopold S o u k u p O. S. B., Seckau

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