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Wort aus der Liebe

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In einem kleinen Orte Niederösterreichs starb einige Jahre nach dem ersten Weltkrieg, der Öffentlichkeit unbekannt, der wohl bedeutendste christliche Denker unseres Landes, Ferdinand Ebner. In einem kleinen Orte Tirols lebt heute, einige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, der Öffentlichkeit unbekannt, die wohl bedeutendste christliche Denkerin, die in unserem Land weilt, Annie Kraus. Schwere und Not des Lebensweges, einsames Ringen um das Werk — mehr noch verbindet diese beiden Menschen, deren Schaffen Labsal und Trost den „Stillen im Lande“ zu gewähren vermag, allen jenen, die wider die Macht der Phrase, des Lärms die einfache, große, schlichte Realität des Geistigen, des Göttlichen zu sehen vermögen. Man hat Ebner den „österreichischen Kierkegaard“ genannt. Wenn diese Bennenung kein eitles und unbilliges Wortspiel sein solį dann ist sie wohl nur so zu deuten, daß hier ein Mensch sein Ringen um eine Begegnung mit Gott und Welt in Worten bezeugt, die neu geprägt wurden in ‘einem Ich-Du-Gespräch um die letzten Dinge.

Wenn es bei uns gegenwärtig so etwas wie einen christlichen Personalismus, einen christlichen Existentialismus als denkerisches, philosophisches Anliegen gibt, dann gebührt Ebner das Verdienst, ihn mit erweckt, und Annie Kraus, ihn weitergeführt zu haben. 1900 in Hamburg geboren, kommt A. Kraus von Kierkegaard, von ihrer eigenen Auseinandersetzung mit der Philosophie des deutschen Idealismus her. Drei schmale Bände liegen darüber vor: „Ü b e r die Dummheit“, „Die vierte Bitte Versuch einer Auslegung“ (Verlag J. Knecht, Carolusdruckerei, Frankfurt am Main) und „Fülle und Verrat der Zeit — zum Begriff der existentiellen Situation“ (A. Pustet, Graz). — „Über die Dummheit“: eine Untersuchung, die sich, obwohl anders geartet, mit Josef Piepers berühmten Tugendbüchem messen darf. Die „Dummheit“ wird hier als Taubheit, als Verschlossenheit der Sinne, als Beklommenheit des Herzens, als Ausdruck letzter Verwehrung gegen die Vernunft, gegen den Geist, gegen Gott, die Liebe und den Mitmenschen gedeutet, nein, ersondet wobei das Wort des Evangeliums, die Weisheit der alten Väter und das Wissen der Völker der neueren Zeit sorgfältig mitbedacht werden, um dieses Phänomen, dos letzthin ine diabolische Erscheinung darstellt, zu erhellen. Der Teufel ist der Vater des Hasses und der (dummen, weil gott- und wirklichkeitsfremden) Lüge.

Zu dem Buche: „Die Vierte Bitte“. Manche Vaterunsererklärungen haben es sich doch leicht gemacht, indem sie die Vierte Bitte einseitig spiritualistisch — „das rein geistige Brot“ — oder verwaschen materialistisch erklärt haben. Hier aber umfängt die Bitte um das tägliche Brot, wie es dem Wesen des Herrngebets entspricht, Himmel und Ende, Gott und Mensch. Das Brot der Seele darf, soll es nicht zu einer Weltkatastrophe kommen, nicht getrennt werden vom Brot des Leibes. Das eine Brot aber kann gefunden, errungen und genossen werden nur von Menschen, die aus Gott i n dieser Welt leben.

Im letzten, in Österreich erschienenen Büchlein unserer Autorin — „Fülle und Verrat der Zeit“ — stellt diese dem ichhaft atheistischen Existentialismus der Moderne den seins- und wirklichkeitsgerechten Existentialismus des Christen gegenüber. „Es gibt einen Existentialismus, der nach oben führt, zur Stunde Christi, und sein Maß und seine Norm ist der in die Stunde hineinsprechende Gott. Und es gibt einen Existentialismus, mag er sich noch so heroisch gebärden, und der führt nach unten in das Nichts des Materialismus, und sein Maß und seine Norm ist der die Stunde verwirkende Vorbehalt des Ichs.“ Dieser letzte, falsche Existentialismus ist, „psychopathologisch betrachtet, eine Neurose, eine Ichverkrampfung. Er ist wie die Neurose eine Lebenslüge, eine Konstruktion, wurzelnd in der irrealen Konstruktion des willkürlich-imma- nentistischen Ur-Ichs, und muß und kann wie jede Neurose durchbrochen werden durch das wahre Leben, durch die Liebe.“

Um die Liebe als Seins-Macht und Gotteskraft, als jene Potenz, die allein Personhaftig- keit und Persönlichkeit des Menschen konstituiert, kreist das gesamte denkerische Bemühen dieser Frau, die damit würdig das Werk des stillen Mannes von Gablitz fortsetzt, den heute die westliche Welt im Begriffe ist zu entdecken, das Werk Ferdinand Bbners. „Das Wort und die geistigen Realitäten“ — dieser Titel eines seiner Hauptwerke — könnte über dem Schaffen Annie Kraus’ stehen.

Am Kreuzweg des Herrn. Von P. B. A m- bord. Roma-Verlag, Rom-Eichstätt 1949. 116 Seiten.

Als erste Folge seiner „Religiösen Ansprachen über Radio Vatikan“ veröffentlicht hier der deutsche Sprecher am vatikanischen Rundfunk seine Betrachtungen zu den 14 Stationen des Kreuzweges. Ohne von dem kostbaren Gut überlieferter Gedanken etwas preiszugeben, vermag Ambord den verschiedenen Stationen vor allem dadurch besonderes Kolorit zu geben, daß er sie unsere Zeit hineinstellt und immer wieder aufweist, wie sich der Kreuzweg des Herrn fortsetzt im Kreuzweg seiner Kirche. Drei gute Photos der Pietä Michelangelos von St. Peter bilden zwar eine glückliche Ergänzung zum Text, doch wäre je ein Bold zu den Stationen zweifellos wirkungsvoller gewesen. Im ganzen kann man das schlichte Bändchen nur empfehlen.

Aurelius Augustinus. Dreizehn Bücher Bekenntnisse. Übertragen von C. J. Perl, Verlag F. Schöningh, Paderborn.

Eine neue und dazu vollständige Übersetzung dieser klassischen Bekenntnisse kann schon von vornherein auf ein großes Interesse rechnen. Vorliegende Ausgabe mit allen auf diese bezüglichen Stellen aus den Briefen und den Retrak- tationen sowie ein sorgfältiges Register von einem Übersetzer, der seit vielen Jahren mit der augustinischen Gedankenwelt vertraut ist, stellt eine wertvolle Gabe dar, die besondere Beachtung und Empfehlung verdient.

Der kommende Tag. Von P. Schlier. Verlag Karl Alber, München, über F. Rauch, Innsbruck.

Wie in ihrem letzten Werk „Chorönoz“ will will Paula Schlier auch im vorliegenden Buch „Wirklichkeit in Träumen“ geben: durch die nach- und überzeitlichen Visionen der Seele schimmern die Umrisse des Geschehens unserer Tage, die in Klängen und Bildern schwelgende Prosa verfestigt sich stellenweise zu den freien Rhythmen eines Preislieds, und auf dem Untergrund eines verdämmernden Silbertones leuchten blutrot die Wunden der Kriegsjahre und die Wunden des Erlösers. So kommt es, daß eine barocke Spannung das Werk durchzieht, die den an der Überfülle der Schau ermattenden Geist immer wieder aufreißt, die aber auch den Eindruck des Schwankenden, Verwirrenden, ja des Beängstigenden hervorruft. Paula Schlier ist durch ihre gewaltige Bildkraft eine religiös Dichterin von Format, neben Gertrud von L Fort wohl die bedeutendste in Deutschland. Aber allein der Titel „Der kommende Tag“ und die Untertitel „Todespforte“, „Neuschöpfung“ und „Wiederkunft“ zeigen, wie sehr ihre Kunst im Mystischen, Seelenhaften verharrt. Noch die wenigen, die den unendlichen Traumfahrtrn der Anima in tiefe und seltsam sich auftuende Welträume hinein folgen, tiefer hinein in das Universum des Corpus Christi, sind in Gefahr, in eine Art religiöser Trance zu verfallen, der helle Tag verliert viel an Härte, aber auch an Wirklichkeit und Bereitschaft zur Entscheidung. — Der Dichter und Seher mag versuchen, das Unaussprechliche zu sagen; für den Leser wird sein Wort eine Versuchung zur Flucht aus der Gegenwart, zu Verzweiflung und Vermessenheit in der Schau vom kommenden Tag.

Grundriß dCf Volkswirtschaftslehre. Von Univ.-Dozent Dr. O. Weinberger. Verlag A. Sexl, Wien 1949. 196 Seiten.

Mit Dozent Weinberger, von dem erst vor kurzem die „Wirtschaftsphilosophie des Alten Testaments“ erschienen ist, kommt ein Vertreter der mathematischen Richtung der Nationalökonomie zu Wort, einer Lehrmeinung, die, von der, österreichischen Forschung nicht unerheblich beeinflußt, in Österreich selbst nicht recht Anklang zu finden vermochte. Obwohl Anhänger der klassischen Schule der Nationalökonomie, insbesondere der Theorien von J. St. Mill, also jener Richtung, die man oft etwas zu simplifizierend als „liberal“ hineu- stellen beliebt, versucht der Autor, den Zusammenhang zwischen Wirtschaftslehre und ihren sittlichen Grundlagen zu wahren. Dies zeigt sich unter anderem in seinem Bekenntnis zu den Thesen der sozialen Enzykliken, eine Tatsache, die bei der theoretischen Ausgangsposition des Verfassers bemerkenswert ist. Obwohl der Verfasser den Umstand, daß er sich zu einer bestimmten Lehrmeinung rechnet, keineswegs verleugnet, ist er bemüht, seinen Grundriß ferne von jedem Richtungsstreit und vor allem fern von begrifflichen Kontroversen, die dem Anfänger unverständlich sind, zu formulieren. Vorzüglich an dem Buch ist die begriffliche Klarheit, wenn auch die Fassung einiger Begriffe, wie jene der Planwirtschaft oder des Kapitalismus, sicherlich bedenklich ist und Widersprüche auslösen kann. Die Darstellung selbst ist erschöpfend. Die Elemente der Nationalökonomie werden ebenso untersucht wie ihre Grundbegriffe (interessant die Ausführungen über die Wertlehre), die Gütererzeugung wie die Güterverteilung und der Verbrauch. Ein Exkurs über die Krisenlehre schließt das Werk ab. — Schaubilder und mathematische Beweise („Es gibt nationalökonomische Probleme, di nur mit mathematischen Hilfsmitteln exakt dargestellt werden können“) machen ebenso wie ein auf den letzten Stand gebrachtes umfangreiches Literaturverzeichnis das Werk zu einer ausgezeichneten Einführung in die Nationalökonomie, freilich besonders für jene, welche es lieben, di gesetzlichen Abläufe des wirtschaftlichen Geschehens in der Exaktheit mathematischer Ableitungen vorgewiesen zu erhalten.

Das Buch von den Salzburger Festspielen. Von W. Schneditz. J.-Schönleitner-Verlag, Linz.

„Festspielbücher sind meist dazu da, gekauft, angeschaut und nicht gelesen zu werden.“ Mit diesem Einleitungssatz stellt sich der Autor über seinen Gegenstand, entschlossen, nur das Wesentliche und Interessante mitzuteilen. In der Tat ist das Büchlein von Schneditz lesbar von der ersten bis zur letzten Zeile. Der Leser ist dem Autor vor allem dafür dankbar, daß er nicht bei der Vorgeschichte, den Mysterienspielen des Mittelalters und der Tradition von Salzburg, ver- weilt, sondern nach einem kure skizzierten historischen Rückblick beim Wesentlichen beginnt: bei Hofmannsthals Konzept, das auch im weiteren Verlauf der Darstellung immer wieder den Hintergrund bildet. Dann folgen kurze Darstellungen der Initiatoren und Hauptträger des Salzburger Gedankens, die Besprechung der repräsentativen, in Salzburg aufgeführten Werke und schließlich die Kapitel: „Das Haus“ und — wieder stank auf Hofmannsthal basierend — „Das Publikum“. Alle diese Dinge werden fast im Plauderton vorgetragen und besprochen. Auch die Anekdote wird nicht verschmäht, so daß der Leser erst bei genauerem Lesen bemerkt, aus welcher Nähe und wirklicher Vertrautheit mit dem Gegenstand der Autor spricht. (Während es bei Büchern ähnlicher Art meist umgekehrt ist!) Vielleicht ist manches Urteil, besonders über reproduzierende Künstler, ein wenig subjektiv und enthusiastisch ausgefallen. Ahftr die Begeisterung ist schöner — und letzten Endes richtiger — als die objektive, Jederne Trockenheit. — Auch der Bilderteil ist nicht aufs Enzyklopädische, sondern auf das Lebendige und Intime angelegt. Der Großteil dieser 70 bis her unveröffentlichten Bilder zeigt die Festspieler am Werk, bei den Proben, bei der Erholung, verzichtet auf steife Repräsentationsposen und vermittelt das Wichtigste, was man von einem solchen Büchlein erwartet: Atmosphäre.

Kirchen in Salzburg. Von F. F u fix m a n n. Kunstverlag Wolfrum, Wien 1949.

In der Reihe der Wolfrum-Bücher, deren Absicht es ist, den Reichtum Österreichs an künstlerischen Meisterwerken aller Welt in Wort und Bild zu übermitteln, erschien als 19. Band ein liebevoll geschriebene Monographie der Kirchen in Salzburg, dieser ältesten geistlichen Metropol Österreichs. Fuhrmann verstand es, diese köse liehe Fülle kirchlicher Bauten, die dieser prächtigen Stadt ihr unvergängliches Gepräge geben Schöpfungen wie St. Peter, Franziskanerkirche, Dom und Kollegienkirche, Meisterwerke eine Stethaimer, Solari und Fischer von Erlach, überaus feinfühlig künstlerisch, historisch und štili- stisch zu erläutern, so daß das architektonische Antlitz der Stadt in köstlicher Lebendigkeit vor dem Leser ersteht. Die 64 ausgezeichneten Bildwiedergaben sind eine wertvolle Bereicherung des schönen Buches.

Johann Nestroy: Gesammelte Werke in 6 Bänden herau gegeb n von Otto R o m m eil. Verlag A. Schroll, Wien.

Diese von Otto Rommel besorgte Neuausgabe von Nestroys gesammelten Werken hat das Verdienst, dem Leser von heut eine moderne und im Preis erschwingliche Edition geschaffen zu haben. Denn die große historische Ausgabe Nestroys vom gleichen Herausgeber umfaßt 15 Bände und ist heute vergriffen. Vielleicht ist nicht zu viel gesagt, wenn man die Behauptung aufstellt, daß erst durch die vorliegende Neuausgabe Nestroy in breitere Schichten des Lesepublikums eindringen wird. Ihre Texte entsprechen der großen Ausgabe, sind aber nach den Handschriften und Erstdrucken neuerlich revidiert. Diese sehr sorgfältige Auswahl soll alles enthalten, was Anspruch auf das Interesse der Öffentlichkeit erheben kann, und das ist immerhin noch erstaunlich viel, wenn man bedenkt, daß schon die ersten beiden Bände zusammen 15 Stücke umfassen. Jedenfalls werden es über 50 Stücke sein, die als ein lebendiger Rest aus Nestroys Erbe hier neuerlich aufgelegt werden. — Von besonderem Gewicht ist die mustergültige, fast 200 Seiten umfassende Einleitung Rommels im ersten Band: „Johann Nestroy. Der Satiriker auf der Altwiener Komödienbühne“, die auch einzeln käuflich ist und deren Erwerb sich auch für die Besitzer der großen Ausgabe empfiehlt, da der Herausgeber hier so manches sagt, das der entsprechende 15. Band noch nicht enthält. Sie stellt eine Zusammenfassung von Rommels Untersuchungen über d’i Beziehungen zwischen Komik und Komödie dar, der weit über den Rahmen einer Einzeluntersuchung hinaus Bedeutung zukommt. Anschließend an die Einleitung setzt sich Rommel in dem Abschnitt „Echtheits- und Wertfragen“ in meisterlicher wissenschaftlicher Polemik mit Gustav Pichler auseinander, der als Herausgeber zweier angeblicher Nestroy-Funde aufgetreten ist. Jedem Band ist ein Anhang bei gegeben, der aus den Teilen „Zur Textgestaltung“ und „Erläuterung“ besteht. Gegenwärtig liegen vier Bände vor. Der sechste Band d r Neuausgabe soll, wie in Aussicht gestellt wird, auch wichtiges Material enthalten, das die Wiener Stadtbibliothek seit dem Erscheinen der fünfzehnbändigen Ausgabe erworben hat, so daß sowohl die gewichtige Einleitung wie auch dieser Band, von einzelnen Textrevisionen abgesehen, bedeutendes Neuland zu bieten hat. Wie der Herausgeber in Aussicht stellt, wird der letzte Band auch ein Register der wichtigsten Couplets Nestroys enthalten. Der geschmackvolle Druck auf Dünnpapier sowie der hellgelbe Ganzleineneinband machen diese Ausgabe zu einer der schönsten der Nachkriegszeit.

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