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Zwei Werke über Österreich

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„Das österreichbuch“. Verlag der österreichischen Staatsdruckerei, Wien — „Schatzkammer Österreich“. Sator-Verlae, Wien

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„Das österreichbuch“. Verlag der österreichischen Staatsdruckerei, Wien — „Schatzkammer Österreich“. Sator-Verlae, Wien

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Der österreichische Buniespressedien hat den ausgezeichneten Gedanken gehabt, Ln Buch herauszugeben, das in Wort und Bild für Österreich werben soll. Der Plan z u diesem Werk t durchaus originell. Et handelt sich hd r weder um Populärwissenschaft, noch um einen Reite, führet oder g-ar um politisdie Propaganda, vielmehr um ein „illustriertes Feuilleton“, das von einer Menge wissenswerter Dinge auf das an. mutigste erzählt und das so nebenhin dem Fremden ein Vorstellung vom gewaltigen Reichtum der österreichischen Kultur, einiges von der Ge. chichte des Lindes, ein Panorama seiner mannigfaltigen Schönheit, Wichtiges über seine Wirt, schuft darbietet.

Die Leitung des Bandes hat Emst Marboe gehabt. Zu den Mitarbeitern zählen namhafte Schriftsteller, wie Arthur Fischer-Colbrie, Fritz Heer, Erik Graf Wickenburg. Die Buchillustration, ein wesentlicher Reiz der liebenswürdigen Veröffentlichung, ist durch Epi Schlüsselberger, Elli Rolf, Eugenie Pippal-Kottnig und Han Robert Pippal besorgt worden. Dieser Bebilderung gilt zunächst unser Lob. Sie ist bezau. bernd, ob es sich um besonders angefertigte Silhouetten oder um Reproduktionen berühmter Gemälde dreht. Die Wiener Staatsdruckerei hat ihrem Ruf Ehre gemacht. Es sei ferner betont, daß sich die Illustrationen harmonisch zum Text fügen; daß ihnen ein deutlicher künstlerischer Leitgedanke innewohnt: die Anmut, die Lieblichkeit Österreichs und seiner Menschen zu zeigen, dabei aber auch die historische Größe eines seiner stolzen Überlieferung verpflichteten Staatswesens darzutun.

Am besten hat mir der mittlere Teil gefallen, die von Bundesland zu Bundesland fortschrei, tende Schilderung über Land, Volk und Tracht, ine herzerquickende Fahrt, die sicher jedem, der sie vorerst auf dem geduldigen Papier unternimmt, Lust macht, sie in der Wirklichkeit zu wiederholen. Unter dem Titel „Von der ersten zur zweiten Republik“ empfangen wir eine kurze Geschichte Rumpfösterreichs seit 1918, dann einen Überblick über seine Wirtschaft, hierauf wohlgelungene Feuilletons über Messe und Mode, Wien im Wiederaufbau, ferner über die „künstlerischen Spezialitäten“, wie die Sängerknaben, die Spanische Hofreitschule, einen etwas

Karl der Große. Von J. Calmette.

M.-Fr.-Rohrer-Verlag, Innsbruck,

In der Reihe von Büchern über Karl und seine Epoche, die in Frankreich immer wieder zu er. schemon pflegen — seit Galmette (1945) etwa Halphen (1947), vorher Kleinklausz (1934) usw. — , ist diese Biographie durch ihren angenehmen Erzählerton ausgezeichnet, der sie für breitere Leserschichten geeignet macht. Sie ist wissenschaftlich gut fundiert, allerdings im Sinne jener älteren Darstellungen, die sich nur wenig bemühen, in die tiefe und erst heute wieder sehr zeitnahe Problematik der karolingischen Epoche einzudringA Wer jetzt ein solches Buch zur Hand nimSr, tut es ja wohl kaum mehr im Geiste der Generationen vor dem ersten Welt, krieg, sondern mit der Frage nach Wesen und Triebkräften eines Menschentums, das die Idee de christlichen Abenland.es ein erstes Mal zu realisieren versuchte, und zwar mit den Mitteln militärischer Macht; auch sind wir hellhöriger geworden für die verschiedenartigen Konstruktionsfehler solch eines eilfertig zusammengefüg- ten Großreiches, für die Diskrepanz zwischen den Dekreten der Zentralgewalt und der bitteren Wirklichkeit. Dennoch ist die Tatsache der Übersetzung des Buches und seiner technisch sehr gelungenen Ausstattung ein Verdienst des Ver. kges. Weniger Verdienste hat sich leider die Übersetzerin um die korrekte Wiedergabe von Fachausdrücken erworben. Auch wtas das Stilistische betrifft, wird die allzu wörtliche Über. Setzung vielfach zu einer Verzerrung, die den Leser oft ärgerlich, manchmal aber auch heiter stimmt. Für die Beschriftung der Bildbeigaben hätte unbedingt ein Kunsthistoriker zu Rate ge- zogen werden müssen.

Priv-Doz. Dr. Heinrich Fichtenau

Die Pfarrei in der neueren Gesetzgebung der russischen Kirche. Von Dr. Methodius P r i- chodjko von Moskau O. F.M. Cap. Verlag A. Weger, Brixen. 296 Seiten.

Die Arbeit, eine Dissertation zur Erlangung des kanonischen Doktorgrades an der römischen Gregoriana, stellt einen interessanten Beitrag zur Geschichte und Erforschung des modernen russischen Kirchen rechtes dar. Hauptgegenstand ist eine systematische Darstellung des vom allrussischen Konzil der orthodoxen Kirche geschaffenen Pfarrstatuts unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung der Pfarrorga- nisation in der russisch-orthodoxen Kirche. Die Ereignisse der russischen Revolution von 1917 stellten auch die orthodoxe Kirche Rußlands auf optimistischen Bericht über die österreichische Kücha, Lockendes über Bäder, Sport und Jagd (hier ganz im Einklang mit den Tatsachen). Das Buch klingt aus in ein „Nooturno“, das die Katastrophe und die Verwüstungen nach dem Anschluß darstellt, und in ein Bekenntnis zu Österreich, dem „Jedermannsland“, zum Geist der Salzburger Festspiele, der Welt Verbundenheit und der Weltoffenheit aus christlichem, europä. ischem Geist.

Auch im ersten Teil, der sich — was auf den gesamten Band passen würde — „Illustriertes Feuilleton Österreich“ nennt, sind die meisten Abschnitte vortrefflich geraten, so „Land der Musik", „Ringstraße“, „Wiener medizinische Schule“, „Barock in Österreich“. Wider manche historische Ausführungen hätten wir Einwände; der Text m'üßte durch Fachkundige durchgesehen werden, zum Beispiel der nicht der heutigen Forschung entsprechende über dtas Türkenjahr 1683. Eine schmerzliche Lücke wäre in den folgenden Auflagen zu vermeiden: wir vermissen ein Kapitel über österreichische Literatur. Der verdiente Erfolg des Budies, das nach wenigen Monaten in einer zweiten Auflage erschienen ist, läßt uns noch zahlreiche weitere Neuauflagen erhoffen, in denen unsere Wünsche er füllt werden könnten.

Sieht das österreichbuch sein Thema, von Wien aus und unter dem Aspekt des internationalen Publikumgesdimacks, so blickt „Schatzkammer Österreich“ auf Land und Leute aus der Vielgestaltigkeit der Bundesländer und mit der Ausrichtung auf die eigene Heimat, dann auf den deutschen Sprach- naum im Reich und in der Schweiz. Die Mitarbeiter sind führende Politiker, Männer der Wirtschaft, Gelehrte und nur in der Minderheit Schriftsteller, Journalisten. Der Ton ist ernst, nichts vom Feuilleton. Dafür sind die Bilder im guten hergebrachten Geschmack: ausgezeichnete, künstlerisch hochwertige Photographien, die Österreichs Schönheit zeigen. Der Text ist ungleichwertig. Neben den zumeist sehr guten knappen Beiträgen der Politiker und der Wirtschaftsleute stehen ausgezeichnete und einige weniger kleine Studien Fachkundiger.

Univ..Prof. Dr. Otto Forst de Battaglia eine andere Ebene. Der zaristische staatskirchliche Einfluß verschwand. Das Patriarchat wurde wiederhergestellt und alle Anzeichen wurden von den Vätern des allrussisdien Konzils (1917—18) dahin verstanden, daß der Kirche ein neuer Weg zu einer freien, vom Staate unabhängigen Entwicklung nunmehr offen stand. Der Widerstreit von geheiligter Tradition und fortschrittlicher Reform trat auf diesem Konzil in versdiiedener Weise zutage. Eines der interessantesten Ergebnisse stellt zweifellos das Pfarrstatut dar, worin der Versuch gemacht wurde, der Gemeindeseelsorge eine moderne Form zu geben. Die weitere Entwicklung der Kirche in Rußland trug allerdings dazu bei, daß das Pfarrstatut in der beschlossenen Form nicht zur vollen Auswirkung gelangte. Dennoch aber stellt es in seiner Gänze einen beachtlichen Versuch organisatorischer und rechtlicher Erneuerung auf einem Teilgebiet dar, auf dem die Kirche unmittelbar mit dem gläubigen Volk in Beziehung tritt. Der Schwerpunkt der Arbeit des Verfassers liegt auf der rechtsdogmatischen Darstellung des Pfarrstatuts. Er hat sich in anerkennenswerter Weise der Lösung dieser Aufgabe unterzogen. Wer etwas mit den Problemen der Ausbildung der Gemeindeseelsorge in der byzantinisch-slawischen Kirche vertraut ist, wird die Umsicht und Gründlichkeit des dogmatischen systematischen Teils dankbar hervorheben. Der Rechts- gesdhichte wird daneben allerdings nur der zweit Platz eingeräumt, wodurch eine Reihe von Werken, darunter die Forschungsergebnisse von Felix H. Sdimid, ohne eingehendere Verwertung geblieben sind.

Univ.-Prof. Dr. W. M. Plöchl

Einführung in die Kollektivpsychologie. Von Charles B 1 o n d e 1. Humboldtverlag, Wien 1948. 223 Seiten.

Das ausgezeichnet geschriebene Buch stellt, wie zu hoffen ist, den ersten Baustein zur Füllung einer der störendsten Lücken in der mitteleuropäischen psychologischen Fachliteratur dar: wir meinen damit die Ignorierung der so wertvollen und vielseitigen Leistungen der französischen Psycho- logeh. Leider ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß auch die deutsche Literatur dieses Gebietes in Frankreich nur sehr geringe Verbreitung findet. Blondei zeigt, nach einer eingehenden Kritik Dürkheims und Tardės, daß „alle geistigen Phänomene ein kollektives Element mit sieb führen, obgleich sie immer im individuellen Bewußtsein eingeschlössen sind". Diese Einführung des soziologischen, kollektiven Moments in die Psychologie ist ein äußerst wertvoller Gedanke, der reiche neue Perspektiven eröffnet. Leider ist er hier etwas einseitig auf die Spitze getrieben and auch in der Richtung der extremen Bewußtseinspsychologie ausgearbeitet. Interessant wäre es, die vom Verfasser gewonnenen Einsichten, durch tiefenpsychologische Erkenntnisse zu ergänzen. Bei C. G. Jung wären in dieser Richtung wertvolle Ansatzpunkte zu finden. Von einer Analyse des für unsere totalitäre Epoche o brennenden Problems der Vermassung des Menschen ist hier leider auch nichts zu finden. Trotz dieser Schwächen erscheint die Arbeit aufschlußreich und lesenswert.

Dr. Igor A. Caruso

Die Pest. Roman von Albert Camus. Abendland-Verlag, Innsbruck.

Die Pest überfällt die moderne Stadt Oran an der Westküste Afrikas, die durch hunderterlei Fäden mit der großen Welt bisher verbunden war. Alle Kommunikationsmöglichkeiten zu Was ser und zu Lande sind jäh unterbunden. Die Bewohner sind auf sich allein gestellt. In einem fast nüchtern anzusprechenden Bericht soll die Wirkung dieser Seuche auf den seelischen Zustand der verschiedenen Menschen geschildert werden. Im Mittelpunkt stehen zwei Persönlichkeiten, ein Arzt und ein Priester. Sie kämpfen gegen das schleichende Übel, jeder in seiner Art. Der Arzt bietet die Kunst seiner Wissenschaft und die Kraft seines Willens auf. Unter höchsten persönlichen Opfern führt er diesen Kampf, dessen Sieg er auch erleben wird. Eindringlicher, wenn auch scheinbar etwas in den Hintergrund gedrängt, wirkt die Persönlichkeit des Jesuitenpaters Paneloux. An der persönlichen Einstellung wird der Sinn der Vorgänge offenbar, den die Reklame des Umschlages entweder verschweigen will oder nicht versteht. Hier wird die höchste Frage des Theodizee klar zur Diskussion gestellt, als Paneloux in seiner großen öffentlichen Predigt zum Höhepunkt des Wiitens der Pest davon spricht. Wie ernst es dem Autor gerade damit ist, zeigt deutlich jene Szene, in der ein Freund des Arztes sie vor ihm wiederholt und dieser sie nicht beantwortet. Das Wüten dar Pest ist für Camus nur dier gewaltige dichterische Vorwurf, um jenes hintergründige Geschehen unserer Tage zu ver- anschiaulidien, in denen „der Pestengel, schön wie Luzifer", durch die Straßen der Welt zieht. Er ist mehr als das blindwütige Töten, er ist das Werkzeug Gottes, durch das die göttliche Liebe offenbar wird und an der auch die Menschen sich zai bewähren haben. Um diese Entscheidung bewegen sich die vielen Gestalten des Buches, der Journalist und der kleine, vom zukünftigen Ruhm träumende Angestellte ebenso wie jener, eindeutig dunklen Geschäften n wh- gehende Mann, der sein Dasein nur jener trüben Situation verdankt und mit ihr auch ein Ende finden muß. Die Lösung vollzieht sich mit dem Aufhören dieser Seuche in dem Augenblick, als der große Prediger durch seinen persönlichen helfenden Einsatz als einer der letzten den Tod findet. Die Pest von Oran könnt also erst aufhören, als die Worte seinor Predigt durch seine eigene dienende Liebe zur Tot geworden waren. Damit wird auch klar, was eigen dich diese Pest bedeutet, daß sie nicht niur eine Stadt in Afrika ergriffen hat, sondern die Weit hier in unseren Tagen, und was den Untergang herbeiführen oder aufhailten kann. Dias ist weder die Kunst des Technikers im spezifischen Sinn noch ein dunkles Faitum, sondern die groß und entschiedene Hingabe der Liebe. So führt Camus hinein in die letzten Abgründe unseres menschlichen Denkens und zeigt das Geheimnis ihrer Überwindung. Hier ist nicht mehr Historie, sondern veranschaulichte Metaphysik.

Dr. Leopold L e n t n r

Die Gedenktafeln Wiens. Von H. M a r k L A.-B.-Z.-Verlag, Wien.

Der Verfasser, als begabter Heimatlichtbildner seit Jahrzehnten bestens bekannt, hat in den letzten Jahren mehrfach auch erfolgreidi zur Feder gegriffen. Der vorliegende, gut ausgestattete Band gibt eine erschöpfende Übersicht über alle — gegen 350 — Wiener Gedenktafeln und enthält, zum Unterschied von ähnlichen — übrigens ganz unvollständigen und auch schon sehr weit zurückliegenden — Arbeiten, auch die in Höfen und Hausfluren oder sonst im verborgenen angebrachten und daher so gut wie unbekannten Erinnerungszeichen. Dem Text einer jeden Tafel ist eine kurze Erläuterung angefügt. Leider ist dabei bezüglich der Gedenktafel am Loos-Hause der Verfasser der schon bis zum Überdruß oft widerlegten Geschichts- fälschung aufgesessen, und so lesen wir hier wieder einmal von „Johann Pollett, durdi dessen standhaftes Verhalten gegen ein Mitglied des Kaiserhauses am 13. März 1848 ein Blutbad unter den vor der Burg angesammelten Wienern vermieden wurde“. Abgesehen von diesem Schönheitsfehler kann das Budi jedem Wiener und Freunde Wiens bestens empfohlen werden.

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