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VON NEUEN BÜCHERN

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„Glaubensstreit und Türkennot.“ Geschichte Österreichs in Einzeldarstellungen. Von Prof. Franz Thaller, 62 Seiten. Verlag Styria, Graz. S 1.40.

Eine so reichbewegte Zeit, wie es die der Reformation und Gegenreformation ist, in einem schmalen Bändchen darzustellen, ist sicherlich ein gewagtes Beginnen. Es muß aber gleich gesagt werden, daß es im vollen Umfang gelungen ist, ein plastisches Bild zu geben und die wesentlichsten Kräfte aufzuzeigen. Hervorzuheben ist die gute Darstellung der Verschiedenartigkeit der Glaubensbewegungen in den einzelnen Ländern und die durch sie hervorgerufenen Probleme ins rechte Licht zu rücken und kurz zu charakterisieren. Trotzdem alle für die Heimatgeschichte wichtigen Ereignisse angeführt werden, bilden sie doch ein geschlossenes Ganzes. Die für diese Zeit so wichtige Stellungnahme zürn alten und neuen Glauben im Hinblick auf fehlerhafte Ursachen und deren Ausmerzung, ohne sich jedoch in einer nutzlosen Polemik zu ergehen, macht das Heft nicht nur zu einem guten Leitfaden, sondern ist durch die flüssige Schreibweise eine empfehlenswerte Lektüre über den Rahmen der Schule hinaus. Zu bemerken wäre, ob es angezeigt ist, den von Max II. errichteten Klosterrat als „katholische“ Behörde zu bezeichnen (S. 38), der doch sowohl durch die.Ernennung vom Kaiser wie auch durch seine Zusammensetzung eine Staats behörde war, dem die Klosteroberen Rechenschaft abzulegen hatten, wie schon aus seiner Gestellungsurkunde ersichtlich ist.

Prof. Dr. Leop. L e n t n e r

österreichische Sonette. Marie Neuhause r. Amadus-Edition, Wien, 1945.

Als seien ihre bisherigen Versbände, so viele vollkommene und kostbare Stücke sie auch enthalten, nur eine Art vorbereitender Gehschule gewesen, erfüllt sich die lyrische Begabung und Formkraft dieser Dichterin jetzt groß und bleibend in dem wahrhaft königlichen Schreiten dieser ihrer „österreichischen Sonette“. In sechzig Klinggedichten, die sie frei, meisterlich abwandelt nach Rcimfolge und Schrittmaß, deren äußere Form sie gemäß und glücklich den Bedürfnissen der inneren anpaßt, gibt sich ihr reiner, heiliger Enthusiasmus aus für diesen „Zwiegesang“, Wechselgesang zwischen Mutter und Kind, Österreich und dem Österreicher, zwischen dem Land also, dem man Namen und Geheimnis entwendet hatte, und dem angestammten Menschen, der, entwurzelt, verzweifeln möchte, bis er, getröstet und entsühnt, heim- und sich zurechtfindet zur Pflicht und zum Dienst. Zur Pflicht gegenüber den Erfordernissen der Stunde, dem seelischen und materiellen Wiederaufbau; zum Dienst an den Aufträgen, die seiner im neugeschenkten Leben harren, nicht zuletzt an dem: „zu werden, was wir sind“, es wieder zu werden und es standhaft zu bleiben gegenüber jeder Lockung und Bedrohung von außen, ein Kind dieses Landes, eines Landes der Seele, und damit ein „Kind der Welt“. Und niemals mehr den Reichtum und die Weite des „inwenigen Österreichs“ verkennend im Angesicht der äußeren, äußerlichen Armut und Egne. Ein “ vaterländischer Sang aus glühend begeistertem Herzen. Dr. Friedrich S a c h er

„Die großen Figuren der Alt-Wiener Volkskomödie.“ Von Hofrat Dr. Otto Rommel. Bindeischild-Verlag, Wien.

Die Alt-Wiener Volkskomödie ist bisher von der zünftigen Literaturgeschichte stiefmütter-lich, ja verächtlich behandelt und damit ein wertvolles Stück altösterreichischer Geistesgeschichte der Vergessenheit preisgegeben worden. Die vorliegende Abhandlung als Ersterscheinung einer Schriftenreihe, die altes österreichisches Kulturgut in Kunst, Brauchtum und Geschichte unserer Gegenwart nahebringen will, gleicht diesen Fehler aus. Mit ausgezeichneter Sachkenntnis und in fesselnder Darstellung entwirft der Verfasser ein Bild der Entwicklung der Alt-Wiener Volkskomödie, Ihre Beziehungen und Grenzen zu dem Volkstheater anderer Länder, der Commedia dell' arte, den Dramen der deutschen und englischen Wandertruppen, werden umrissen, die uralt-volkhafte Verwurzelung der Alt-Wiener Volksspiele, ihr barocker und damit ins Religiöse weisender Kern wird hier, unseres Wissens, erstmalig aufgezeigt. Plastisch treten die Figuren und Darsteller hervor, der aus Graz gebürtige Wiener Hanswurst und Prinzipal, Stranitzky, der unsterbliche Kasperl, Johann L a r oc h e, der harmlose Staberl, Ignaz Schuster-Prehauser, und die Figuranten der Kongreßzeit und des Wiener Vormärz, Dichter, Schauspieler und fahrendes Volk auf dem bunten Hintergrund der Wiener Landschaft, umgeben von österreichischer Heiterkeit und österreichischer Tragik. Und aus ihrer Mitte hervorgegangen, auf ihren Voraussetzungen fußend, die Vollender und Beender der Alt-Wiener Volkskomödie, der Idealist Ferdinand Raimund und der Skeptiker Johann Nestroy, die zur Moderne hinüberleiten. Die Broschüre ist hübsch ausgestattet und von Unterrichtsminister Dr. H u r d e s mit einem trefflichen Vorwort eingeleitet.

Dr. G. W i d m a r

„Der Götze.“ Schauspiel in fünf Akten von Udo Wolter. 127 Seiten. Homunkulus-Verlag, Bregenz 1946.

Udo Wolter nennt diese Tragödie ein Sdiau-spiel, vielleicht deshalb, weil in ihr die Entwicklung und Seelengeschichte des Diktators mehr zur Anschauung gebracht als dramatisch motiviert wird. Man wäre versucht, das ganze Stück eher einen psychologisch-moralischen Traktat über den Diktator zu nennen. Wir stehen eben doch den Geschehnissen der jüngsten Vergangenheit zu nahe, als daß wir vom Dichter schon verlangen dürften dieselben in allgemeingültiger Form zu gestalten, die zu erschüttern und zu entsühnen vermag. Der sittliche Ernst, mit dem der Autor an sein Problem herangeht, soll nicht angezweifelt werden, sein schöpferisches Vermögen aber wurde der Aufgabe nicht völlig gerecht. So bleibt es bei gut geschauten Figuren die die Psychologie derer abhandeln, die sie vertreten sollen. Die Gegenspieler — Dr. Schneidewind als Diktator und Dr. Lüders als Vertreter der Demokratie — Übermensch und Vollmensch — sind sehr gut gesehen, wenn uns auch die Machtlust des Diktators zu wenig begründet erscheint. Die Kreaturen werden blendend charakterisiert, aber das Ganze bleibt im

Grunde nur eine akademische Abhandlung innerhalb einer höheren Gesellschaftsschicht. Wir vermissen den großen Gegenpart, der „das Volk“ heißt, denn dieser Diktator wird zuerst vom Volk getragen, das Volk müßte ihn leidend und handelnd widerspiegeln und so besser diarakterisieren als die typisdien Figuren seiner herrscherlichen Umwelt. Soweit unsere Einwände. Wir zweifeln nicht daran, daß es einer geschickten Regie gelingen kann, aus diesem „Traktat“ eine interessante Haupt-und Staatsaktion zu machen. Dies kann aber nicht der Sinn des vom Autor gewollten Dramas sein. Dr. V. Suchy

„Die Eule“. Monatszeitschrift für Kultur pnd Wissensdiaft (Der junge Kreis). Herausgeber: Dr. Rudolf Schill. Verlag und Druck Styria vormals Leykam, Graz. 1. Jahrgang, Heft 1 und 2. Preis S 1.50.

Die Monatsschrift „Die Eule“, von welcher bisher zwei Hefte ersdiienen sind, nennt sich im Untertitel „Der junge Kreis“; sie stellt sich vor als Sprachrohr der Jungen, „wenn nicht an Jahren, so doch an Geist“; und sie bekennt ferner, Vlaß sich die Herausgeber vollkommen bewußt sind, „daß eine einheitliche Linie erst im Entstehen begriffen ist“. Das alles sind mildernde Umstände für eine Publikation, die sowohl auf den ersten Blick wie auch bei näherem Zusehen einen sehr bunten und uneinheitlichen Eindruck madit.- Neben gehaltvolleren Aufsätzen des 1. Teils, die zum Teil Professoren der Grazer Universität zum Autor haben (Was ist philosophische Soziologie? Die kulturellen Aufgaben der neueren Philologie) und einer Reihe wissenschaftlicher und kulturpoliti; her Versuche (Pädagogik und Lebenswirklich' eit, österreichische Siedlungsformen, Die Gräbst itte von Dante Alighieri, Unsterbliches Griec' en-land und ähnliche) stehen Kunstbetrachtungen, Gedichte und poetische Prosa, welche Durchschnittsniveau zeigen und sich kaum von jenen feuilletonistischen und halbdichterisdien Produkten unterscheiden, die auch die Spalten vieler anderer Monats- und Wochensdiriften füllen. Was bedenklich stimmt, ist die inhaltliche und weltansdiauliche Richtungslosigkeit, die uns keine besondere Empfehlung zu sein scheint. Eine Chance hätte die neue Zeitschrift vielleicht, wenn sie sich zu einem Verbindungsorgan zwischen der alten und der jungen Generation entwidceln würde. Und auch für eine bestimmte Linie wird sich „Die Eule“ mit der Zeit entscheiden müssen, und wäre es auch nur eine Niveaulinie Dr. H. A. Fiechtner

„Poesie.“ Nr. 31, Revue mensuelle des lettres, Edition Pierre Seghers, 216 Boulevard Raspail, Paris (14).

Das Bild, das wir von Amerika haben, bedarf immer wieder einer Ergänzung nach allen Seiten. Dies kommt einem bei vorliegendem Hefte so recht zum Bewußtsein. Sowohl die Novelle von dem mohammedanischen Neger, der mitten im Kriege jede Beteiligung an diesem aus rassischen Gründen ablehnt, wie bei den im. Original und in der Übersetzung dargebotenen Negergesängen, lernen wir ein anderes Amerika kennen. Interessant ist die Darstellung eines neuen amerikanischen Sozialromanes von Dos Passos, USA, „The Big Money“, der in französisdier Übersetzung erscheint und auch von vielen Kreisen Frankreichs ablehnend beurteilt wird. Typisch für ein gewisses „Auchchristentum“ in intellektuellen Kreisen, erscheint die im Kunstbericht beschriebene Prozession mit“ der Muttergottesstatue von Boulogne sur mer, die bekanntlich einen überaus großen religiösen Widerhall in allen Schichten und Kreisen Frankreichs gefunden hat und viele Bekehrungen hervorgerufen hat. Hier schreibt aber ein Kritiker: „Idi fand diese Manifestationen charmant und ich habe daran ein sehr lebhaftes Gefallen, aber ich bin niemals versucht gewesen, daran teilzunehmen.“ Der Sdireiber dieser Zeilen bietet ein bezeichnendes Bild bürgerlich-liberaler Gleichgültigkeit, die vielleicht meint, auch npch Glauben zu haben.

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