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Schöne Literatur

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Letzte Ausfahrt. Roman von Herbert Zand Donau-Verlag, Wien-München. 400 Seiten.

Dieses Buch eines jungen Oesterreichers, aus gezeichnet mit dem Förderungspreis zum Staats preis, gehört zu den besonderen Ereignissen unse rer literarischen Gegenwart. Es macht mit eine ernsten und beachtenswerten Begabung bekannt mit einem wirklichen Dichter, wie sie selten ge worden sind in einer Zeit routiniert-vordergründi ger, merkantil-manirierter Wortstellerei. Es bring eine literarische Tat, auf die man bisher vergeben gewartet hat: die dichterische Gestaltung und da mit Ueberwindung des Kriegserlebnisses. Was bis her auf diesem Gebiet „fabriziert" wurde, wa entweder politische Sensationslektüre oder — mit unter blendende — Reportage. Dieser „Roman de Eingekesselten" ist bis in die letzte Zeile Dich tung. In den satten Farben des Unterganges, it der berauschenden Rhythmik eines grausig-heidni sehen Kultes wird das sinnlos-sinnvolle Hekatom benopfer des mechanisierten Vernichtungskriege: dargestellt und gedeutet; dargestellt in der siel bis zur äußersten Brisanz verdichtenden Atmo Sphäre des Kessels, jener für uns alle symbolischer Situation.

„Letzte Ausfahrt" ist mit keinem aller bisher er schienenen Kriegsbücher zu vergleichen, ja es is in diesem Sinne gar kein Kriegsbuch, es bring: keine Erlebnisberichte, es hat keine Tendenz unc streng genommen auch keine Handlung. Es wirk: eher wie ein Gemälde, etwa von Hieronymu; Bosch oder wie eine Symphonie oder wie ein Ge dicht, vielleicht von Baudelaire. Man ist nicht er schreckt, nicht erzürnt und schon gar nichl heroisch erhoben, die Dichtung rollt vor derr Leser ab wie das Schicksal selbst, unerbittlich und groß.

Zands Roman ist ein Musterbeispiel des trän szendenten Realismus. Es gibt nichts Realistischere; als die Szenen im Schützengraben, beim Sturmangriff, in der Etappe, im Stab, und doch sie sind höhere Wirklichkeit, herausgehoben aus der Zeil und hineingestellt in die zeitlose Welt, wo sich Diesseits und Jenseits überschneiden, ineinander aufgehen.

Herbert Zand gehört auch zu jenen wenigen jungen Oesterreichern, die sich über einen österreichischen Verlag der Oeffentlichkeit erstmals vorstellen konnten. Auch das sei anerkennend vermerkt. Dr. Hans M. Loew

Die Mutter der Weisheit. Roman eines Jahres. Von Henry Benrath. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1953. 256 Seiten. Preis 11.80 DM.

Eine Neuausgabe, die erfreut. Dieser Roman 'gehört in die Reihe glänzender gesellschaftskritischer Darstellungen, die im Gesamtwerk Benraths als eine Art von „Comėdie humaine" eine wesentliche Richtung seines Schaffens bezeichnen und sich einen großen Leserkreis gewonnen haben. Der Dichter verwertet Selbsterlebtes aus seiner Studienzeit in einer kleinen deutschen Universitätsstadt, hier Philippinenthal genannt. In schöner Ausgewogenheit von Ernst und Humor werden die Begebnisse, welche die Arbeit an einer Dissertation auslöst, mit stilistischer Eleganz erzählt. Die Handlung, die vor dem ersten Weltkrieg spielt, ist zum großen Teil in souverän geführte Dialoge aufgelöst. Die weltmännische Ueberlegenheit und die gelöste Heiterkeit bezaubern. Es ist eine geistreiche Komödie mit einer Reihe lebensvoller Gestalten, Professoren. Studenten. Menschen aus verschiedensten Gesellschaftsschichten. allen voran die köstliche Studentenmutter, Frau Mulch, mit ihren drolligen Weisheitssprüchen. Man vergißt sie nie. Des Dich-

ters aufgeschlossene Beobachtung des Menschlichen in seinen vielfältigen Aeußerungen, seine Kunst der treffenden Porträtierung werden hier offenbar. Man liest immer wieder mit Vergnügen in diesem Buch. Dr. Theo Trümmer

Der Sänger, nicht das Lied. Von Audrey Erskine L i n d o p. Verlag Paul Zsolnay, Hamburg. 417 Seiten. Preis 78 S.

Ein kleiner Ort in den Bergen Mexikos ist der Schauplatz dieses (aus dem Englischen übersetzten) Romans, der den Kampf des jungen irischen Priesters Pater Keogh gegen den Gangster Anacleto zum Inhalt hat. Anacleto versucht zuerst den Priester zum Verlassen des Ortes zu bewegen, greift dann zu allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, um ihn zu vernichten und zwingt ihn fast zum Bruch seines Gelübdes. Zuletzt gehen beide zugrunde, der Priester kann den Sieg seiner Sendung nicht mehr erleben. Soweit die „story"; aber man wird nicht recht froh bei diesem Buch und kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Lindop das Thema deshalb nicht bewältigen konnte, weil ihm selbst die echte Ueberzeugung mangelt. Von den vielen Gesprächen, die Pater Keogh mit dem Banditen führt, reicht nur eines in jene Tiefen, die man bei einem Priesterroman erwartet. Dazu kommt noch, daß die beiden Hauptgestalten, und hier vor allem die Figur des Priesters, flach und farblos gezeichnet sind. Auch die übrigen Gestalten, Bewohner des Dorfes, konnte Lindop nicht verlebendigen. Ein Buch, das die Reihe der Priesterromane keineswegs bereichert.

Elfriede Taschner

Werke. Von Theodor Storm. Welt im Buch. Verlag Kurt Desch, München-Wien-Basel. 1213 Seiten.

In diesem Band sind die schönsten Erzählungen Storms (wir vermissen keines der Meisterstücke) von 1848 bis 1888 gesammelt. Beim Wiederlesen wird man der ganz außerordentlichen Einheitlichkeit dieses Werkes gewahr. Schon in dem allerersten Stück „Im Saal" sind alle Motive angeschlagen und alle erzählerischen Kunstgriffe des späteren Meisters der Novelle angewendet: der charakteristische Rahmen, der gedämfte, aber nachdrückliche Vortrag, die immer wieder ergreifende Melodie des „Es war einmal" und „Wie’s daheim war", Meeres- und Waldesrauschen, junge, meist in schmerzlichem Verzicht endende Liebe zu noch jüngeren Mädchenkindern, und jene panische Trauer, jenes ganz im Irdischen verhaftete Weltgefühl, das Storm in einigen Gedichten (die in diesem Band ausgespart sind) mit fast programmatischer Schärfe ausgesprochen hat. Gunter Groll hat in einem Nachwort versucht, das traditionelle Storm-Bild ein wenig zu korrigieren und eine gewisse Distanz zwischen dem Leser und dem alten Zauberer zu schaffen. Das ist etwas ungewöhnlich, aber interessant und bemerkenswert. Der Verlag hat mit diesem sorgfältig ausgestatteten, wohlfeilen Dünndruckband eine Meisterleistung vollbracht. Weitere Bücher dieser Art (Flaubert, Fontane. Gogol, C. F. Meyer) sollen folgen.

Prof. Dr. H. A. Fiechtner

„Kirchliche Architektur Oesterreichs durch die Jahrhunderte." Herausgegeben von der Aktiengesellschaft der Vöslauer Kammgarnfabrik. Im Eigenverlag.

Ein großes industrielles Unternehmen wirbt mit dieser Publikation unter seinen „Freunden in aller Welt" für Oesterreich durch eine repräsentative Vorführung österreichischer Baukunst. Der Band ist eine erfreuliche Ueberraschung. Die adeligsn Mäzene von einst sind tot, Menschen einer neuen Zeit und doch Geistesverwandte melden sich hier als beispielgebende Nachfolger zur Stelle. Mit wissenschaftlicher Sachlichkeit ausgestattet, reiht dieses Kunstbuch an einen Abriß österreichischer Kunstgeschichte 68 gutgewählte Tafelbilder an, die, beginnend mit Beispielen aus Großschöpfungen der Romanik auf österreichischem Boden, bis zu den modernen Meisterwerken kirchlicher Architektur — Clemens Holzmeisters Kreuz- schwesterninstitut in Linz, Karl Ho leys Kirche in Güttenbach,' Burgenland, und Peter Behrens' Theologische Fakultät in Salzburg — eine anschauliche Einführung in das große Thema vermitteln. „Wir wollen mit dieser Bilderauswahl unseren Freunden vor Augen führen" — sagen in ihrem Vorwort die Herausgeber —, „wie Oesterreichs Landschaft durch das jahrhundertelange architektonische Schaffen der Kirche in edelstem Sinne bereichert wurde.” Ein dreisprachiger Begleittext verdolmetscht das Bildmaterial der Arbeit. Im ganzen ein vornehmes Bekenntnis zu den geistigen Verpflichtungen des Besitzes.

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