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Marxistische Filmtheorie

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Wenn das Positive dieses bedeutenden Buches vorweggenommen werden darf, so verlangt vor allem die Autorität des Autors Achtung. Bela Baläzs hat schon vor einem Vierteljahrhundert, zu einer Zeit also, da sich die Filmliteratur fast ausnahmslos noch in Monographien über die Henny Porten und Reportagen über den Betrieb in Hollywood erschöpfte, in einer unerschrockenen frühen Ästhetik des Stummfilms („Der sichtbare Mensch“, Wien 1924) die These von der „neuen Kunst“ des Films und dem Anbeginn der visuellen Kultur verfochten. Er hat diese seine Theorie, die seither längst in alle Winkel der praktischen Produktion hineingeblitzt und -gedonnert hat, über mannigfache Wandlungen, die ihm das Aufkommen des Tonfilms aufgezwungen hat, unterbaut und erweitert. Das vorliegende Buch des im Vorjahr Verstorbenen darf als die Summe der Lebensarbeit eines dem Film mit der kühlen Glut des Schöpfers und des Betrachters, des Künstlers und des Wissenschaftlers hingegebenen Filmbesessenen gelten — ein Sonderfall in der Geschichte des Films, der nur in dem Regisseurtheoretiker Pudowkin ein Gegenstück hat.

So sind denn auch über das ganze Buch tiefreichende Erkenntnisse und glitzernde Weisheiten zur Ästhetik und Soziologie des Films verstreut. Einige Fachausdrücke, wie zum Beispiel die prägnanten Bezeichnungen „Mikrophysiognomie“, „asynchroner Ton“ und anderes, werden wohl bald zum unentbehrlichen geistigen Rüstzeug des Fachmannes gehören. Das Buch ist in einer klaren, sauberen Sprache geschrieben und bietet eine Fülle von Anregungen für Theorie und Praxis.

Der Aufbau des Werkes ist nicht einheitlich. Neben Teilen, die wie gedanken- und formschöne selbständige Essays anmuten („Das Drehbuch“, „Held, Schönheit, Star und der Fall Greta Garbo“, „Weg und Ziele des Sowjetfilms“) stehen merkwürdig bläßliche, ja banale Fragmente und Füllsel, wie „Bemer-

Robert Schumann. Eine Bildnisstudie. Von Ernst Müller. Musikerreihe, Band VII. Verlag Otto Walter AG, Ölten. 209 Seiten.

Der Untertitel ist treffend: weder eine detaillierte Biographie noch musikphilologische Werkanalyse, sondern der geglückte Versuch eines psychologischen Porträts, verbunden mit einer einfühlsamen Interpretation der wesentlichen Züge der Schumannschen Musik. Immer wieder kommt Schumann — als sein eigener, bester Interpret — zu Wort. Am Eindrucksvollsten: wie sich das Talent diese9 gefühlsbetonten „Romantikers“ und Tagträumers gesetzmäßig, fast systematisch entfaltet: von 1829 bis 1839 schreibt er ausschließlich für das Klavier, 1840 ist das Liederjahr, 1842 das der Kammermusik, 1843 folgen die Oratorien ... Das geht so bis zum Jahr 1849; dann wird das Werkverzeichnis bunter. Besonders dankbar sind wir dem Autor, daß er über Schumanns letzte Zeit fast nur direkte Zeugen sprechen läßt: Ärzte sowie die nächsten Angehörigen und Freunde. Der zweite Teil des Buches (Seite 181 bis 204) enthält — sehr zu begrüßen! — kurze Proben aus Schumanns schriftstellerischem Werk. Hier sei dem Wunsche Ausdruck gegeben, bei einer etwaigen Neuauflage davon noch mehr vorzufinden. — Immer wieder bewundert man die geschickte Leitung der „Musikerreihe“, die das Schema vermeidet und für jeden Künstler den richtigen, oft wesensverwandten Interpreten findet.

H. A 1 b e r t

Allgemeine Geschichte. Daten und Ereignisse. Von WK renn. Verlag Leitner & Co, Wels. 415 Seifen.

Mit traurigem Recht meint das Vorwort dieses Buches, daß die Generation, welche ihre Bildung noch in der Monarchie erhalten hat, eine viermalige Änderung der Geschichtsauffassung erlebte. Tacitus schrieb seine „Annalen“ noch „Sine ira et studio“. Ein Weg dazu ist das vorliegende Werk. Es befleißigt sich hoher Vorurteilslosigkeit. Fanatiker werden sogar finden, zu sehr. Mitnichten! Wer an die Jugend, wer an den Jugendbildner herantritt, trägt eine ungeheure Verantwortung. Geschichte soll begeistern, ja, aber zum Menschlich-Schönen. Es gibt Tatsachen, die in der Geschichte unverwischbar bleiben. Diese Fakten werden vom Autor gegeben. Am linken Rande jeweils die Jahreszahl, anschließend in knappstem Stil die Ereignisse. Daß die Gekungen zum Farbfilm und zum plastischen Film“ oder „Musikalische Kunstformen“. Allgemein ist dem Buch auch die Einteilung in Kapitel und betitelte kurze Unterabschnitte nicht gut bekommen. Sie drückt dem Werk, vielfadi zu Unrecht, den Charakter des Flüchtigen, Aphoristisdien auf.

Der Haupteinwand aber gilt dem weltanschaulichen Blickpunkt des Marxisten russischer Prägung. Nicht nur, daß die nationale Filmlandkarte des Autors einseitig der östlichen Hälfte zugewandt ist — kaum ein positives Zitat des amerikanischen oder des verdienstvollen alten skandinavischen Films, nur vage Spuren vom französischen, englischen und deutschen Film, kein Wort vom italienischen Nachkriegsfilm —, nicht nur, daß es von gewaltsam angewendeten marxistischen Hausbegriffen, wie Gesellschaft, Entwicklung und Fortschritt, strotzt, muß der Autor an einer Stelle geradezu verlegen verstummen, weil er den kultischen Ursprung der alten Künste nicht wahrhaben will; Seite 13: „Wir kennen jene gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstände nicht, innerhalb derer jene Künste entstanden sind, und wir wissen nichts vom Zustand des menschlichen Bewußtseins, aus dem heraus sie geboren wurden. Deshalb findet die einzige sichere wissenschaftliche Forschungsmethode, der Marxismus, hier nicht genügend Stützpunkte. Unsere Gelehrten arbeiten im wesentlichen mit Hypothesen und gewagten Spekulationen.“

Mit diesem hartnäckigen Verfechten einer einseitigen Doktrin verliert das Buch viel von seinem inneren Schwung und Weitblick, der im anderen Fall vielleicht den Autor befähigt hätte, die erste gültige kompendiöse Ästhetik des Films in deutscher Sprache zu schreiben. Eine große Gelegenheit ist versäumt. Und es ist bei einem Blick auf die heutigen Fm-autoren ringsum nicht abzusehen, wann sie nun endlich genützt wird.

Dr. Roman Herle schichte nicht nur aus Schlachten besteht, ja, daß soziale und kulturelle Probleme diesen vorangehen, ist wohltuend berücksichtigt. Dichtung, Philosophie, Naturwissenschaft schlagen die besseren Schlachten. Die neueste Zeit (Ereignisse des zweiten Weltkrieges) ist richtigerweise nur eine Aufzählung von Daten, ohne Motiven, ohne Reflexion. Denn uns stehen die bezüglichen Archive nicht zur Verfügung. Es ist auch die Frage, ob manche Wahrheit „erlaubt“ wäre. Kartenskizzen (Österreichs Entwicklung besonders) und vortreffliche, synchronistische Zeittafeln, Herrschertabellen, Verzeichnis der Päpste, Worterklärungen und Register machen das Buch vollends zu einem unentbehrlichen Nachschlagewerk für Schule und Haus.

Hanns Salaschek

Leben und Liebe Alexanders von Battenberg. Von Egon Caesar Conte C o r t i. Verlag Anton Pustet, Salzburg. 448 Seiten mit 15 ganzseitigen Bildtafeln.

Das Leben Alexanders von Battenberg hat eine romantische Note, die im späten 19. Jahrhundert überraschend wirkt. Von seiner morganatischen Abkunft an über die kurze

Herrschaft in Bulgarien, seine vergebliche Werbung um die deutsche Kaisertochter und seine eigene morganatische Vermählung zieht sich eine Linie von ungewöhnlichen und die Phantasie anregenden Begebenheiten. Daß seine Bestrebungen nicht selten scheiterten, daß Prinz Battenberg schließlich im besten Mannesalter starb, ergänzt sein Lebensbild durch tragische Tönung. Da Alexander von Battenberg zu allen europäischen Höfen in intimer Beziehung stand, erschließt diese Darstellung seines Lebens nahe Kenntnisse über persönliches Denken, Fühlen und Handeln der höchststehenden Persönlichkeiten seiner Zeit. Das Werk, das jetzt in einer Neuauflage vorliegt, vermittelt ein besonders reichhaltiges geschichtliches Material und dadurch ein wirklich eingehendes Bild.

Carl v. Rauenthal

Kultus als Hellsweg. Von Fritz Leist. Zur Überwindung der Heillosigkeit unserer Zeit. Herausgegeben vom Institutum Liturgi-cum, Salzburg, der Schriftenreihe In viam sa-lutis. Verlag Rupertuswerk St. Peter, Salzburg. 61 Seiten.

Lange sdion ist keine so wichtige und wertvolle liturgische Studie erschienen wie diese. Es ist mit keinem Wort übertrieben, wenn von diesen Seiten behauptet wird: „Eine hochaktuelle Schrift. Sie trifft in die Lebensmitte des Menschen von heute und hellt — viel mehr, als das Thema es ahnen läßt — den Sinn dieser Zeit und ihres inneren Leidens auf: beglückend, erlösend!“ Wer immer es mit sich und der Arbeit an den Menschen ernst meint, wird diese Schrift mit großer Dankbarkeit nach der Lektüre aus den Händen legen, um noch oft nach ihr zu greifen.

Theodor B 1 i e w e i s

Grundriß des katholischen Kirrhenrechts,

Rechtsgeschichte und System. Von Godehard J. Ebers. Verlag Manz, Wien. 480 Seiten.

Endlich wurde mit vorliegendem Grundriß jene fühlbare Lücke in unserem kirchenrechtlichen Schrifttum ausgefüllt, welche dadurch entstanden war, daß die ehemals weitverbreiteten und die österreichischen Rechtsverhältnisse besonders berücksichtigenden Lehrbücher von Groß (8. Auflage 1922), Haring (3. Auflage 1924) und Posch] (3. Auflage 1931) nicht nur seit langem vergriffen, sondern auch durch die inzwischen fortgeschrittene Rechtsentwicklung im kirchlichen wie im weltlichen Bereich — ich erinnere hier nur an die Papstwahlordnung von 1945, die Änderung des Canon 1099, 2, oder an das Konkordat von 1933 — weitgehend überholt sind. Infolgedessen ist es ungemein zu begrüßen, daß der hochangesehene Innsbrucker Kirchen rechts-ordinarius Prof. Ebers, seine über vierzigjährige akademische Lehrerfahrung verwertend, ein Werk herausgebracht hat, das nicht nur für die Studierenden der juristischen und theologischen Fakultäten einen überaus klaren und gründlicher Führer durch die weiten Gebiete des Kirchenrechtes darstellt, sondern welches nicht minder als dem neuesten Stande entsprechende Zusammenfassung, als stets verläßliches Nachschlagewerk (mit gutem Register) dem praktischen Juristen und Seelsorger wertvollste Dienste erweist, überdies wird das ausgezeichnete Buch dem großen, am katholischen Kirchenrecht interessierten Personenkreis höchst willkommen sein, da es die Grundlagen und die gesdiiehtliche Entwicklung dieses Rechtsgebietes in systematischer und ersdiöpfender Weise behandelt. Darüber hinaus aber werden alle Freunde der Geschichtswissenschaft die im ersten Teil des Werkes gebrachte „Kirchliche Rechtsgesdiichte“ besonders dankbar entgegennehmen (die ausführlichste bisher über diesen Gegenstand in deutscher Sprache veröffentlichte Zusammen-sdiau), welche die fast zweitausendjährige Entwicklung des kirchlichen Redites von den Anfängen des Christentums bis zur Gegenwart mit Meisterhan'd zeichnet.

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