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Donauschwaben — heute

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Ansprachen und Vorträge der 7. Studientagung des Verbandes katholischer donauschwäbischer Akademiker (Hochschüler). Wien. 880 Seiten.

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Ansprachen und Vorträge der 7. Studientagung des Verbandes katholischer donauschwäbischer Akademiker (Hochschüler). Wien. 880 Seiten.

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Einen Teil und gewiß nicht den geringsten der auslanddeutschen Tragödie bildet das Schicksal der Bevölkerung des Gebietes in der südlichen ungarischen Tiefebene zwischen Theiß, Donau, Marosch und Karpathen. Rund 400.000 Deutsche wurden durch den Vertrag von Trianon 1920 auf drei Staaten — Rumänien, Südslawien und Ungarn — verteilt; 28.000 Quadratkilometer Boden gelangte unter eine neue, durchweg nationalistische, zentralisierte Verwaltung. Eine zweihundertjährige Arbeit schien damals in Frage gestellt. Aber die Nachkommen der Pfälzer, Mosel- und Rheinfranken und Alemannen, die unter drei Habsburger Herrschern angesiedelt wurden, wußten sich auch unter den veränderten Verhältnissen durchzusetzen. Da brach der zweite Weltkrieg aus. Die fremden Meere beließen es nicht wie nach 1867 bei einer versuchten Assimilierung: 150.000 bis 200.000 Deutsche wurden 1947 in die deutsche Ostzone abgeschoben, kleinere Gruppen gelangten nach Oesterreich.

Die Studientagung der katholischen donauschwäbischen Akademiker ist zwischen dem 17. und 20. Juni in Wien abgehalten worden — schon die siebente ihrer Art. Was waren ihre Ergebnisse? Dr. Lehmann drückte es in seiner Ansprache beim Schlußgotfesdienst so aus: „Unsere Studientagung war zunächst eine Besinnung auf unsere Berufung zur Heimatvertriebenheit." Sie war „ein Aufruf zur Mitarbeit an der christlichen Gestaltung unserer neuen Heimat”, und sie ist „ein Ja zu Gottes Auftrag an uns, wie er uns aus der vielfältigen Not anspricht".

Professor Haltmeyer, dessen umfassender Essay „Heimat als Aufgabe" an der Spitze der in der vorliegenden Schrift wiedergegebenen Vorträge steht, bezeichnet als „Kernstück des Heimaterlebnisses … wie beim Familienerlebnis die Mutter als Symbol kosmischen Verbundenseins". Er weist übrigens auf einen der wichtigsten Punkte des Vertriebenenproblems, auf die Erziehung, und zwar auf die religiöse Erziehung der Jugend hin. Hier, glauben wir, fällt die Entscheidung über „Heimat als Zukunft". Ein geistiger Erwerb der Heimat ist nur über geistlichen Erwerb denkbar. Es müßte der Akademikerschaft gelingen, Priester überall dorthin zu stellen, wo Heimatverwaiste inmitten einer notwendig materiell betonten Umwelt hausen.

Auf diese Weise — am vollkommensten gelänge es freilich einer neuen Form der Bekenntnisschule — wird auch das Verhältnis zur neuen Heimat geklärt und gefestigt. Die Verfassung der Republik Oesterreich erlegt ihren neuen Bürgern mit den Rechten auch Pflichten auf, denen sich der Heimatvertriebene nicht in landsmännischen Zirkeln entziehen darf. Das drückt Professor Haltmayer deutlich genug aus, indem er Heimat nicht bloß als eine statische Gegebenheit allein, sondern „etwas Dynamisches, im Werden und Reifen Begriffenes" definiert. Auf diese Art bewahrt man sich vor der Redensart, vor Petrefakten überlebter nationalräumiger Denkweisen.

Aus den weiteren Vorträgen seien hervorgehoben: „Die Chancen der Heimatvertriebenen in der österreichischen Wirtschaft" (von Nationalrat Machunze); ..Wir und die Politik" (Dr. Schreckeis); ..Donauschwäbische Institutionen in Oesterreich" (Kreiner) — übrigens ein dokumentarischer Bericht über alle Zukunft — und die beiden kul turellen Aufsätze über die donauschwäbische Dich tung (Prof. Engelmann) und „Donauschwäbischer Kulturspiegel" (Kronfuß). Der Literaturartikel setzt in gewissem Sinne die Ausführungen Wilhelm Schneiders (Die auslanddeutsche Dichtung unserer Zeit; Berlin 1936) — die übrigens nicht frei von zeitgemäßer Tendenz sind — fort. Engelmann hat vor zwanzig Jahren bereits (Banater Monatshefte,

2. Jahrgang., Heft 1) über das „Kommende Schrifttum" geschrieben. Er wäre der Mann, die längst fällige Anthologie donauschwäbischer Literatur herauszugeben. In diesem Zusammenhänge ist es wichtig, daß, wie Kronfuß mitteilt, bereits eine donauschwäbische Bibliographie existiert — eine beispielhafte Leistung der Heimatbücherei der Donauschwaben in Freilassing. Hier liegen Aufgaben für Dissertanten. (Siehe auch den Bücherspiegel S. 53 f. der vorliegenden Schrift.) Man kann angesichts der verantwortungsbewußten, glaubensfesten Arbeit des Verbandes auf die Fortschritte bis zur nächsten Studientagung gespannt sein. Hanns Salaschek

Echte und falsche Mystiker. Von Jean Lher- mitte. Räber Verlag, Luzern. 246 Seiten. Originalausgabe des Buches „Mystiques et faux mystiques". Paris, 1952. Deutsche Uebersetzung von Oswalt von Nostitz. Preis: 12 DM.

Obwohl der Verfasser — ein katholischer Arzt — grundsätzlich daran festhält, daß es auch echte Mystik gibt, befaßt er sich in dem vorliegenden Buch tatsächlich nur mit Personen, die er für falsche Mystiker hält, denn das Allzuwenige, das einleitend über echte Mystik gesagt wird, reicht in keiner Weise aus, um deren Wesen im Gegensatz zur falschen klarzulegen. Und dieser Mangel des Buches ist nicht etwa ein zufälliger. Er hängt vielmehr aufs engste mit Dingen zusammen, die seine Substanz berühren, wie seine französischen Kritiker, insbesondere der Arzt Charles Grimbert und der Theologe Andre Combes, in „La pensėe catholique" (Paris 1953) nachgewiesen haben. Zweierlei ist es, was sie Lhermitte — bei aller Anerkennung seiner guten Absicht — ausstellen: 1. daß er mit einem Hysteriebegriff operiert, ja ihn geradezu zum Angelpunkt seiner Untersuchungen macht, der gänzlich ungeklärt und selbst in ärztlichen Kreisen keineswegs eindeutig angenommen ist, und 2., daß die letzte, eigentliche Entscheidung darüber, was wahre und was falsche Mystik sei, niemals vom Phänomen aus, sondern nur aus der genauen Kenntnis der innersten Ausrichtung und moralischen Qualität einer Seele getroffen werden kann — also gerade deshalb zuletzt niemals dem Arzt zusteht. Das Buch trägt kein Imprimatur, trotzdem es in deutscher Sprache in einem katholischen Verlag erschienen ist. Wie weise! Spine Konsequenzen könnten — ernst genommen — verheerend sein.

Dr. Herma Piesch

Die Persönlichkeit des Hochschülers. Von Vinzenz E. Neubauer. Ein experimentalpsychologischer Beitrag zum Akademikerproblem. Tyrolia- Verlag, Innsbruck. 150 Seiten.

In einer Situation wie der unseren, in welcher soviel über Hochschulreform gesproehen wird, da immer häufiger die Meinung laut wird (der Autor teilt sie), es gebe zu viele mittelmäßige, den hohen Anforderungen nicht genügende Studenten — spielen Untersuchungen wie die vorliegende eine große Rolle. Der Verfasser unternahm im Jahre 1948 an der Innsbrucker Universität auf breiter Basis Untersuchungen an Hochschülern aller Fakultäten und zum Vergleich auch an Mittelschülern. Es wurde die intellektuelle und die charakterliche

Grundstruktur der jungen Menschen mit zahlreichen Tests untersucht, wobei getrachtet wurde, auch spezifische Begabungs- und Charakterunter- schiede zwischen den Angehörigen der verschiedenen Fakultäten herauszufinden, Zusammenhänge mit den Mittelschulleistungen, den sich schon vor der Hochschule zeigenden Vorlieben für bestimmte Gebiete, auch Zusammenhänge mit der sozialen Herkunft aufzuzeigen. Die Arbeit gipfelt in der Forderung nach einer Berufsführung in Form einer psychologisch fundierten Beratung, um vielleicht einmal von einer psychologischen Eignungsuntersuchung überhaupt die Zulassung zum Hochschulstudium abhängig zu machen, wie dies ja in den USA weitgehend verwirklicht ist. Die Ergebnisse sind sehr bedeutungsvoll. Ehrlich werden die Grenzen der Psychologie, besonders der Massenverfahren, für die Erfassung des Wesentlichen der Einzelpersönlichkeit zugegeben, wenngleich der Verfasser dem Referenten doch noch etwas zu testgläubig zu sein scheint, besonders was die Möglichkeiten von Tests in bezug auf die Tiefenschichten der Persönlichkeit betrifft.

Univ.-Prof. Dr. Hans Asperger

Leib und Seele. Ein Arztroman. Von Maxence van der Meersch. Aus dem Französischen „Corps et ämes" übersetzt von Erik Sörensen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln-Berlin. 554 Seiten. Preis: 6.80 DM.

Als Referent dieses Buch zur Hand nahm, wollte sich Widerwillen regen gegen die wachsende Flut von Aerzteromanen, gegen die „Best-Seller-Kon- junktur" auf diesem Gebiete. Es schien ihm, als wäre es Zeit, damit endlich Schluß zu machen. Die ersten Seiten schienen diesem Widerwillen recht zu geben: sie schildern die „Scherze" junger Medizinstudenten im anatomischen Präpariersaal, die sich gegenseitig mit Leichenteilen bewerfen. So schien es zunächst, als sei wieder ein Machwerk vom Niveau des „Lachenden Mediziners" zu erwarten, über welches vor einiger Zeit an gleicher Stelle der Stab gebrochen werden mußte. Aber von Seite zu Seite wuchs das Interesse an diesem Buche. Es führt wirklich in packender Weise ein in die Höhen und Tiefen des ärztlichen Berufslebens, ohne je aufdringlich moralisierend zu wirken; es geht tiefgründig ein auf eine Fülle sozialhygienischer, berufsethischer und philosophischer Fragen, auf das Problem der Krise der mechanisierten Medizin und deren Ueberwindung durch eine universalistisch-anthropologische, in wahrem Sinne „psychosomatisch" Orientierte Medizin, die sich auch wieder der Schätze der Naturheilkunde besinnt, die die Lebensweise des Menschen zu sanieren sucht, anstatt an Symptomen herumzukurieren — kurz ein Werk, das sich mutig einsetzt für eine neue Auffassung vom Wesen der Krankheit und den Aufgaben des Arztes, das auch nicht die Augen krampfhaft verschließt vor den letzten metaphysischen und religiösen Hintergründen der Probleme; kurz, ein Werk, das nicht nur als Roman flüchtig gelesen sein will, sondern das verdient, studiert und beherzigt zu werden.

Haben wir bisher ein Vielzuviel an Arztromanen gehabt, so kann dieses Werk begrüßt werden als ein Wegweiser in neue Zukunftsaufgaben der Medizin — ein Werk, von dessen Art es nie genug geben kann.

Univ.-Prof. DDDr. A. Niedermayer

Rečiams Schauspielführer. Herausgegeben von Otto C. A. zur N e d d e n und Karl H. R u p p e I. Mit 32 Bildtafeln. Reclam-Verlag, Stuttgart 1953. 1124 Seiten. Preis 9.80 DM.

Von der Antike bis zur Gegenwart, von Aeschy- los bis Albert Camus reicht die Zeitspanne von fast zweieinhalb Jahrtausenden, deren wichtigste dramatische Werke — es sind mehrere hundert — in diesem „Schauspielführer” behandelt werden. Besonders wertvoll ist das Werk deshalb, weil die Verfasser sich nicht damit begnügt haben, bloß einfache Inhaltsangaben der Dramen zu bieten, sondern auch Kurzbiographien, treffende knappe Charakteristiken der Autoren, literatur- und theatergeschichtliche Hinweise, Aufführungsdaten, Werkdeutungen und kritische Bemerkungen. Dadurch erhebt sich das Buch weit über das Niveau der üblichen Schauspielführer und wird zu einem ein-

drucksvollen Panorama der Weltdramatik, gleichsam zu einer Darstellung der Entwicklung der dramatischen Kunstform aus kultischen Anfängen bis zum modernen Experimentierstück. Der erste, von Otto C. A. zur Nedden bearbeitete Teil behandelt die Dramen bis 1900, die Fortführung bis zur Gegenwart verfaßte der bekannte Theaterkritiker Karl H. Ruppel. Beiden Teilen haben die Bearbeiter gediegene zusammenfassende geschichtliche Einführungen vorangestellt. Mitarbeiter waren u. a. Johannes von Günther (russisches Drama bis 1900), Wilhelm Zentner (österreichisches Volkstheater). Der Schauspielführer will das heutige noch lebendige Theater der Kulturvölker erfassen.

Von Grillparzer hätten wohl alle Dramen einzeln behandelt werden müssen, ebenso von Hebbel. Von Schönherr wird seltsamerweise nur ein einziges Stück inhaltlich wiedergegeben. Die besonders im zweiten Teil schwierige Auswahl der Stücke wurde im wesentlichen gut getroffen. Das Werk ist mit solider Kenntnis der Materie stilistisch gut und lebendig geschrieben. Eine Erläuterung von Fachwörtern, Autoren- und Werkregister sowie viele Bilder ergänzen es. Diese wichtige Neuerscheinung ist für jeden Freund der dramatischen Literatur ein ausgezeichnetes Handbuch, das die Bezeichnung „unentbehrlich" verdient. Dr. Theo Trümmer

Reisen, Fahren, Wandern. Ein origineller Versuch, den „rasenden Reisenden“ unserer Tage zu Maß und Ziel und Besinnung zu erziehen, liegt in dem Büchlein „Wo fahr ich hin — wo bleib ich stehn?" von Hans Slapak vor (Band Wien, Jupiter-Verlag, 132 Seiten). Vierzig Tourenvorschläge für Auto und Motorrad, von Wien in die Ebene und in die Berge, von 32 bis 535 Kilometer. Saubere Skizzen, hübsche Illustrationen und ausgezeichnete Hinweise auf Landschaft und Sehenswürdigkeiten ergeben ein brauchbares, neuartiges Reisebuch. — Zur Reisezeit liegen wieder einige wertvolle neue Freytag-&-Berndt-Karten vor. Die Sonderausgaben der Touristenkarten erfuhren durch den Hochschwab (1:25.000), die Straßenkarten durch die Ausgabe 42a: von Livorno—Siena- Ancona bis Rom und Albaner See (1:300.000) und die stattlichen Länderkarten durch Jugoslawien (1:600.000) in der bekannt gewissenhaften Ausführung willkommenen Zuwachs. — Dem Anfänger im Kartenlesen ist jetzt Gelegenheit geboten, auf ebenso angenehme wie nutzbringende Art „in die Schule zu gehen": der „Grundriß der Allgemeinen Kartenkunde" von Dr. Herbert Paschinger (1. Teil: Einführung in das Kartenverständnis und in die großen Kartenwerke, Universitätsverlag Wagner, Innsbruck, 64 Seiten, 19 Abbildungen und sechs Tafeln, Preis 28 S) ist bei aller Gemeinverständlichkeit von wissenschaftlicher Gediegenheit und Gründlichkeit. Ein Büchlein für Schüler und Lehrer, Liebhaber und geübte Bergfahrer — vielleicht erspart es uns „Dachsteindramen".

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