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Neue Werke von Rudolf Henz

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Das Land der singenden Hügel. Roman. Von Rudolf Henz. Verlag Herold. Wien-München. 349 Seiten. Preis 68 S.

Ein utopischer Roman? Ein Land Nirgendwo? Auf den ersten Blick besehen, gewiß. Dieses Land, zwischen dem der „brausenden Wasser“ und jenem der „dunklen Teiche“ gelegen, ein Land, in dem die Bauern den klassischen Hexameter singen, in dem das Lebensgefühl ein kindliches, naturhingegebenes Bündnis zu schließen weiß zwischen Antike und Christentum — das ist ein Dichtertraum. Aber: gibt es nicht, wenn wir die Schleier der Phantasie lüften, allüberall Länder, gibt es nicht Menschen, die unabhängig leben wollen, dem Schönen und Guten allein untenan, das aus der Umwelt in die Herzen leuchtet und von diesen zurück; und gibt es nicht Wesen, stoffbedingt, denen das Wasser nie die sieben Farben des Herrn schimmern läßt, die das Fließende nur in Jahresspitzen, Prozenten, PS, Hoch-und Niederdruckanlagen begreifen können und, was das Ausschlaggebende ist, diesen Glauben anderen aufzwingen wollen? Nein, das ist kein utopischer Roman; es ist gewiß wohl ein spannend geschriebener Unterhaltungsroman so nebenbei (und wie arm sind wir an solchen literarisch hochstehend Werken!), aber im Kerne ist es ein kulturphilosophischer Roman, die Auseinandersetzung des Menschen mit dem Unmenschlichen, des Christen mit dem Unchristen, des Sittlichen mit der Zweckmoral. „Wir sind auf der Welt, das Unvergängliche zu bewahren“, heißt es an einer Stelle, und weiter: „Wir Christen haben uns in der Zeit zu bewähren. Nur das Vergängliche ist der Prüfstein unserer unvergänglichen Seele.“ Wenn in einem „Lande der singenden Hügel“ ein Krieg geführt wird mit dem offenkundigen Ziele der „Zerstörung eines Paradieses“, und wenn (wem fallen nicht aktuelle Gleichläufigkeiten ein) in einem, diesem Kriege folgenden „Prozeß“ diese Zerstörung des Paradieses als eine „pädagogische Aufgabe“ bezeichnet wird, so offenbart sich die Spur einer dämonischen Hintergründigkeit. Die „Bewährung in der Zeit“ für den Christen ist sowohl Widerstand als auch Beispiel. Widerstand, nicht sosehr der körperliche, der waffentragende, sondern Widerstand des Geistes. Beispiel dagegen, voran Beispiel des Körpers, als des erscheinunss-trächtigen Mediums: Absage an die Vergötzung der

Gewänder, Absage an den Zauber der Würden, Absage an die lügnerischen Mienen und die Händler des „Als-ob“. Die Erfüllung dieses Beispiels erhöht die Kraft des Widerstandes gegen jene finsteren Mächte, denen auch heute und bei uns ein Land der singenden Hügel ein Stein des Anstoßes ist, den sie am liebsten mit einem Fußtritt aus dem Wege räumen möchten. Man lese diesen Roman daher als tägliche Ermunterung.

Hanns Salaschek

Die Weltreise eines Innsbrucker Schneidergesellen vor hundert Jahren. Neu aufgeschrieben und herausgegeben von Rudolf Henz. Verlag Herold, Wien. 236 Seiten. Preis 48 S.

Der Autor gibt an, die Aufzeichnungen des Innsbrucker Schneiders Franz Obrist seien ihm, als er eben seinen Roman „Peter Anich, der Sternsucher“ vollendet hatte, mehr oder weniger durch einen Zufall in die Hände gespielt worden. Henz versteht es auf vorbildliche Art, das Ursprüngliche, Urwüchsige, in bestem Sinne Naive unangetastet zu lassen und es mit dichterischem Duktus zu einem entzückenden und wertvollen Werke zu steigern. Einmal sagte in Indien ein General zu dem wanderlustigen Innsbrucker: „Wenn Sie nicht Schneider wären, Sie müßten ein Weltreisender werden, ein Forscher und Entdecker, meine ich, Sie sind aus dem richtigen Holz geschnitzt.“ Was erlebt der Schneider nicht alles auf seiner 23jährigen Wanderschaft! Er macht — vor jetzt eben hundert Jahren — den Krimkrieg mit, besucht Südafrika, Madagaskar und Indien, bis ihn das Heimweh schließlich nach Oesterreich zurückführt. Es ist ungemein fesselnd, mit den klaren Augen dieses Mannes hinter die Fassaden zu schauen. Da sein kerngesunder Verstand die für uns fremden Völker ohne Vorbildung und ohne Vorurteil betrachtet, kann uns Obrist in den Worten von Rudolf Henz viel Erstaunliches und Bedeutsames sagen, das diese Lebensgeschichte über den Bereich einer guten Unterhaltungslektüre ins Dokumentarische erhöht. Ueberau, wohin der Innsbrucker seinen Fuß setzt, arbeitet er als tüchtiger, gern beschäftigter Schneider, und so wird das schöne Buch auch zu einem Loblied auf das Handwerk.

Der Christ und Stalins dialektischer Materialismus.

Von Rudolf K a r i s c h. Morus-Verlag, Berlin. 158 Seiten. Preis 6.80 DM.

Wer nicht eingehende Kenntnis der dominanten Thesen des Kommunismus hat, darf es nicht wagen, in die große und weltweite Auseinandersetzung einzugreifen, die heute zwischen Ost und West und ebenso zwischen Christentum und Kommunismus im Gang ist. Und wer von uns ist schon, wenn er nicht vom Fach ist, über den Inhalt jenes Glaubensgebäudes, welches in der östlichen Welt zum Rang einer Staatsphilosophie erhoben worden ist, ausreichend orientiert, zumindest so unterrichtet, daß er die Termini und die Begriffswelt des östlichen Marxismus zu verstehen vermag? Das . vorliegende Buch ist nun eine willkommene Bereicherung des Buchmarktes, weil es eine ausgezeichnete und trotz der Kürze umfassende Darstellung der kommunistischen Thesen gibt. Belegt mit vielen instruktiven Beispielen, insbesondere aus dem Gebiet der Naturwissenschaften, stellt Karisch die bewegenden Gedanken vor allem des Stalinismus heraus und gibt gleichzeitig eine wohlbelegte Antwort vom Standpunkt des christlichen Realismus, der, zwischen dialektischen Materialismus und Idealismus befindlich, bemüht ist, ohne vorgefaßte Meinung die Dinge zu erkennen und zu klassifizieren, so wie sie eben sind, in weitestmöglicher Wirklichkeitsnähe.

Im einzelnen behandelt Karisch den philosophischen Materialismus im Sinne der Theorien von Josef Stalin, das Phänomen der Dialektik als der Essenz dessen, was am Kommunismus Glaube ist, und den historischen Materialismus, der ohne Dialektik unverständlich ist (wobei hier unter „Dialektik“ nur die des Kommunismus verstanden werden soll).

Wer von kundiger Hand in ein Wissensgebiet ein-

geführt werden will, dessen Bedeutung als Folge unvermeidbarer Auseinandersetzungen im steten Wachsen ist, der greife zum Buche von Karisch, der es zudem versteht, das, was er sagen will, leicht verständlich und in pädagogisch guter Aufschlüsselung zu bringen.

Prof. Dr. Anton Burghardt *

Der Beginn der Weltgeschichte. Von Fritz Kern, mit einem Geleitwort von Prof. Dr. H. T r i m b o r n, Bonn, Francke, Bern, Sammlung Dalp, 280 Seiten.

„Die Ehrenrettung der Frühmenschheit, . . . stellt auch eine Ehrenrettung der Geschichtsschreibung dar; noch zu wenig ist die akademische Geschichtsbetrachtung sich dessen bewußt, daß Geschichte im Geschehen und nicht in seiner Beschreibung wurzelt; einer räumlichen und zeitlichen Erweiterung des Horizonts zeigt sich aber vor allem die Schule aufgeschlossen.“ Diese Worte des Bonner Prähistorikers Trimborn im Geleitwort zu diesem Werk, das aus dem Nachlaß Fritz Kerns von Liselotte Kern in der vorliegenden Gestalt herausgegeben wurde, zeigt die

gute und wohl gelungene Absicht an: Kern, der in der Schweiz, im Anthropos-Institut in Fribourg seine Zuflucht gefunden hatte, setzt hier der Wiener Schule der Paläoanthropologie, Prähistorik und Völkerkunde, Schmidt und Koppers, ein schönes Zeichen ihres Wirkens und Einflusses. Auf deren Forschungen und auf eigene Arbeiten gestützt, gelingt es ihm, in anschaulichen Bildern, die sich bestens eignen für Verwertung im höheren Unterricht, zu erzählen von der Wildbeuterwirtschaft, vom altertümlichen Glauben, von Gesellschaft und Gemeinschaft im Schweiferleben. Interessant und diskussionsreif ist der letzte Hauptabschnitt „Gelebtes Naturrecht“. Kern unterscheidet da humane Naturrechtsforderungen, die an das Gewissen appellieren, und bestiale Naturrechtsforderungen, die an den Existenztrieb appellieren Dieses Kapitel dürfte das rege Interesse von Religionslehrern, aber auch die nachdenkliche Erwägung durch die neuere anthropologische Philosophie finden. Wer sich ein farbiges und ansprechendes Bild von der Weltanschauung der Wiener Schule machen will, greife zu diesem Bande der rührigen Sammlung Dalp. — Unter den nichterwähnten Forschern fällt, unter anderen, der Name eines ganz Großen auf (er starb am Ostersonntag dieses Jahres): Teilhard du Chardin, SJ.

Univ.-Doz. Dr. Friedrich Heer *

Tiefenpsychologie. Die Entwicklung der Lehre vom Unbewußten. Von Friedrich Seifert. Eugen-Diederichs-Verlag. 327 Seiten.

Der bekannte Forscher und praktisch tätige Psychotherapeut legt in diesem Buche eine flüssig geschriebene Abhandlung über die Lehre des Unbewußten vor, wie sie sich von Freud über Adler bis Jung entfaltet hat. Die Einleitung bringt eine kurzgefaßte Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts und zeigt somit, aus welchem geistigen „Räume“ die Tiefenpsychologie herausgetreten ist. Das trägt viel zum Verständnis der neuartigen psychologischen Sicht bei. Die Trieblehre Freuds und die gesamte psychoanalytische Begriffswelt werden auch für den Nicht-fachmann gut erläutert. Sodann wird die Adlersche Lehre von Gemeinschaft und Machtstreben kurz abgehandelt. Der Verfasser ist selbst Schüler lungs und arbeitet praktisch psychotherapeutisch in seinem Sinne. So ist es ihm in diesem Buche am meisten darum zu tun, den Leser mit den wichtigsten Grundlagen der Seelenlehre Jungs vertraut zu machen. Die Lektüre des Buches ist jedem zu empfehlen, der die Tiefenpsychologie als wissenschaftliche Disziplin kennenlernen möchte. Bei der heute immer mehr überhand nehmenden Manier, breit angelegte Sammelbände über ein Fachgebiet herauszugeben, berührt es besonders sympathisch, von einem Forscher informiert zu werden, der sein Arbeitsgebiet anschaulich, doch ohne unangenehm zu popularisieren, einem breiteren Publikum zu erschließen versteht. Für Interessierte sei noch hinzugefügt: es gibt heute bereits Richtungen der Tiefenpsychologie, die den Psychismus Jungs hinter sich lassen und damit anthropologisch mehr zu rechtfertigen sind. Unangetastet bleibe allerdings die Gültigkeit einiger Strukturelemente der Jungschen Seelenlehre.

Dr med. Eva F i r k e 1 *

Der Turm des Freiburger Münsters. Von Heinrich L ü t z e 1 e r. Verlag Herder, Freiburg.

Es war in diesen Blättern schon mehrfache Gelegenheit geboten, die höchst originelle Art zu wür-

digen, in der es der Verfasser versteht, das Interesse und Verständnis für Kunst weiteren Kreisen zu vermitteln, ohne dabei in ein verflachendes Popularisieren zu verfallen. Ausgehend von konkreten Tatsachen, weiß er stets in tiefere weltanschauliche Schichten vorzustoßen. Ein außergewöhnlicher Spürsinn für das Aufsuchen literarischer Belege aller Art kommt ihm dabei zugute. Seine Betrachtungen über den Freiburger Münsterturm legen dafür wieder beredtes Zeugnis ab. Es ist zwar nicht leicht, über ein Kunstdenkmal, das schon so oft eingehend von allen Gesichtspunkten erläutert wurde, auch wirklich Neues beizubringen. Es gelang ihm, seine Absicht zu verwirklichen, den Turm als „das ungeheure Lebe-

wesen, das er ist“, deutlich zu machen, wobei das Problem über die weltgeschichtliche Bedeutung des Turmes überhaupt in mannigfachster Weise abgewandelt wird.

Abbildungen 29 und 30. einmal die heutige Ansicht, dann derselbe mit abgedecktem Turme, sind besonders wertvoll, weil sie nur zu deutlich aufzeigen, welchen Verlust das Stadtbild durch den Wegfall dieses Wahrzeichens erleiden müßte.

Univ.-Prof. Dr. Anselm Weißenhofer

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