6600805-1953_37_08.jpg
Digital In Arbeit

Aus dem Gebiet der Medizin

Werbung
Werbung
Werbung

Zwischen Angst und Vertrauen. Probleme und Bilder aus der psychotherapeutischen Praxis. Von Johanna Herzog-Dürck. 212 Seiten. (Ohne Angabe von Ort und Jahreszahl!)

An Büchern über Psychotherapie und ihre Problematik herrscht bereits ei'n solcher Ueberfluß, daß man schon von einer „Inflation“ sprechen kann. Inflation bedeutet stets auch Entwertung. In je größerer Zahl sich auch die Minderberufenen zur Darstellung eines aktuellen Modethemas drängen, desto größer muß die Devalorisierung der Werke werden. Die Verfasserin ist zwar Aerztin und Psychotherapeutin, und fußt „insbesondere auf den Erkenntnissen von C. G. Jung und Fritz Kunkel“; die Darstellung läßt jedoch nicht erkennen, daß sie sich mit der ganzen Tiefe der wissenschaftlichen Problematik auseinandergesetzt hat. Der Stil ist stellenweise schlampig, stellenweise beherrscht von der Tendenz zu auffallenden sprachlichen „Neuschöpfungen“ (Neologismen): so z. B., wenn sie p. 31 von einer „Ichaufschwellung“ spricht oder p. 88 von einer „urwirhaften“ Beziehung zur Psychotherapeutin. Der Jargon der heutigen Modepsychologie wirkt um so unerquicklicher, je weniger selbständige schöpferische Gedanken ein Werk zu vermitteln weiß. Referent meint, es sei Zeit, auf diesem Gebiete zu sagen: „Genug des Guten“ oder schon „Zuviel des Guten“!

*

Die großen Heilungen von Lourdes in ärztlichem Urteil. Von R. L e B e c. Nach dem neuesten Stand der Forschung bearbeitet und herausgegeben von Dr. med. Francois Leuret, Präsident des ärztlichen Konstatierungsbüros von Lourdes. Mit einem Geleitwort vom ordentlichen öffentlichen Univ.-Prof. Dr. med. Hubert Urban, Vorstand der neurologisch-psychiatrischen Universitätsklinik Innsbruck. Credo-Verlag, Wiesbaden, 1953. 210 Seiten. Preis 10.80 DM.

Der Verfasser des Werkes, Dr. Le B e c, ist Arzt, ebenso der Herausgeber Dr. L e u r e t und der Verfasser des Geleitwortes, Prof. Urban, Kliniker. Man würde daher allen diesen hervorragenden Aerzten Unrecht tun, wollte man ihnen unwissenschaftliche Voreingenommenheit und unkritischen Wunderglauben zum Vorwurf machen. Nach wirklich unvoreingenommenem Studium die'ses Buches kann man vielmehr nur zu dem Schlüsse gelangen, daß strengere Maßstäbe wissenschaftlicher Kritik kaum angelegt werden können, als sie die Tätigkeit der „Bureaux de constatation“ kennzeichnen. Jede behauptete Wunderheilung wird dort erst mit allen Mitteln der modernen Medizin und Diagnostik untersucht und die Anerkennung erfolgt nur, wenn eine Heilung absolut nicht „natürlich erklärbar“ ist. Ein allgemeiner Teil des Werkes behandelt zunächst die Aufgaben der Medizin bei der Feststellung einer Wunderheilung; erörtert die Rolle unbekannter Naturkräfte und Naturgesetze, das Verhältnis der Ueber-natur zur Natur und setzt sich schließlich mit allen nur möglichen Einwänden der Gegner auseinander. Ein zweiter Teil behandelt kasuistisch eine Anzahl von Heilungen als Beweismittel; unter diesen befinden sich Fälle, die außerordentlich bemerkenswert und medizinisch beweiskräftig sind. Der Anhang umfaßt sehr bedeutsames Aktenmaterial über einige der neuesten Heilungen von Lourdes. Diese Akten zeigen, mit welcher Strenge und Akribie die kanonischen Untersuchungen durchgeführt werden.

Hirn und Seele. Aerztliches zum Leib-Seele-Problem. Von Florian Laubenthai. Otto Müller Verlag, Salzburg 1953. 242 Seiten. Preis 72 S.

Der Verfasser betont zwar ausdrücklich, es habe nicht in seiner Absicht gelegen, ein streng wissenschaftliches Werk zu schreiben, sondern ein Werk von mehr allgemein verständlichem Charakter. Es kann aber anerkennend ausgesprochen werden, daß ihm eine ausgezeichnete Darstellung einer besonders komplizierten und schwierigen Materie geglückt ist, die auch wissenschaftlich einwandfrei ist. Es handelt sich freilich weniger um Forschungsresultate „aus erster Hand“; aber eine wirklich gute Darstellung von Forschungen „aus zweiter

Hand ist um so wertvoller, je seltener man eint solche findet. Minderwertige populär-wissenschaft liehe Bücher sind nur allzu häufig; gute aber sehi selten; und nur der wissenschaftlich hochqualifizierte Fachmann vermag solche zu schreiben. Dei Verfasser beschränkt sich bei seiner Darstellung im wesentlichen auf die gesicherten Tatsachen dei Anatomie und Physiologie des Gehirns; eine philo-sophische Stellungnahme zum „Leib-Seele-Problem' war nicht in seiner Absicht gelegen. Nur ar wenigen Stellen läßt er die Tiefe dieser Proble

matik ahnen; dort aber läßt er deutlich seinen Standort erkennen: Er zeigt, daß nur die Begriffe der scholastischen Philosophia perennis für eine Lösung dieser schwierigsten Probleme eine brauchbare Handhabe darstellen.

Ohne auf nähere Einzelheiten einzugehen, kann dem Buche das Zeugnis ausgestellt werden, daß es für eine Einführung in die Zusammenhänge zwischen Architektonik des Gehirns, Hirnfunktion und Seelenleben gut geeignet ist. Der Verfasser bekennt sich ausdrücklich dazu, daß die mechanistischen Vorstellungen der „Lokalisationstheorie“ für ihn einen überwundenen Standpunkt darstellen und daß die damit zusammenhängenden Probleme nur auf der Grundlage einer Einheits- und Ganzheitslehre befriedigend zu lösen sind.

*

Heilende Strahlen. Von Georg Fuchs. Sammlung „Biologie“, Verlag Brüder Hollinek, Wien, 1952. 92 Seiten. Preis 62 S.

Der Verfasser geht von der Erwägung aus, daß die großen Erfolge der Strahlenbehandlung, speziell auf dem Gebiete der Krebsbekämpfung das Interesse weitester Kreise hervorgerufen haben. In leichtfaßjlicher und didaktischer Weise erörtert er zunächst am Beispiel des Sonnenlichtes das Wesen der strahlenden Energie, schildert dann die heilende und krankheitsverhütende Wirkung der Ultraviolettstrahlung, behandelt anschließend das Wesen und die wichtigsten Erscheinungen der Röntgenstrahlung sowie der Radiumstrahlung; er zeigt besonders die diagnostische und therapeutische Bedeutung der Entdeckung von W. Röntgen und schließt mit einem Ausblick auf die vielfältigen therapeutischen Möglichkeiten, die die neueren Forschungen über die Atomzertrümmerung und die dabei freiwerdenden Energien erschließen. Das Buch schließt mit Gedanken von außerordentlicher sozialhygienischer Tragweite.

*

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Von Ernst Preißecker. In: Heilkunde für alle. Herausgegeben von Prof. Dr. Hugo Glaser. Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, Wien, 1953. 59 Seiten. Preis 9 S.

Das sehr instruktiv geschriebene Büchlein enthält eine Darstellung der normalen Schwangerschaft, der normalen Geburt und des physiologischen (normalen) Wochenbettverlaufes. Es verzichtet damit bewußt auf eine Darstellung der pathologischen Abweichungen vom normalen Verlauf und hält sich streng an den ihm vorgezeichneten Rahmen. Wenn Referent darin etwas vermißt, so liegt dies im Fehlen aller sozialhygienischen Gesichtspunkte, an denen die Probleme um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett so reich sind. Es ist aber anzunehmen, daß der Verfasser bei seinem bekannten Interesse an der sozialhygienischen Problematik in der Gynäkologie und Geburtshilfe auch diese berücksichtigt haben würde, wenn ihm der Rahmen seiner Aufgabe nicht zu eng vorgezeichnet gewesen wäre.

August Forel. Ein Arztleben im Zwiespalt seiner Zeit. Von Annemarie W e 111 e y. Otto Müller Verlag, Salzburg, 1953. 223 Seiten. Preis 62 S.

„Im Zwiespalt seiner Zeit“ — so spielt sich vor uns das Leben Foreis ab, der zwar sicher ein Gelehrter von besonders bedeutendem Format war, aber eben dadurch mehr als geringere Geister im Zwiespalt stand: im Zwiespalt zwischen dem religiösen Gottesglauben seiner puritanischen Jugend und dem wissenschaftlichen Materialismus seiner

Zeit, bis er schließlich für den Zwiespalt die seiner Zeit adäquate Lösung tand: Die völlige Lossagung von einem transzendenten Gottesglauben. Man meinte eben damals, für einen Naturforscher gäbe es keine andere Lösung. Mit Darwin hatte ja die Deszendenzlehre einen beispiellosen Siegeszug angetreten und war zur naturwissenschaftlichen Weltanschauung, zum Evolutionisrrfus geworden. Der Kampf gegen den Dogmatismus der Kirche hatte zu einem naturwissenschaftlichen Dogmatismus geführt, der aber viel unduldsamer war, als man es je der Kirche vorwerfen konnte; er mußte um so unduldsamer sein, je weniger solid das Fundament war, auf dem er stand. Schon früh zog Forel als konsequenter Denker die Konsequenzen aus der Darwinschen Lehre, die unabweisbar sind — vorausgesetzt, daß die Prämisse richtig ist: „Wenn Darwin recht hat, wenn der Mensch ein Abkömmling von Tierarten und demnach sein Gehirn auch ein Abkömmling des Gehirns von Tieren ist, wenn wir ferner mit dem Gehirn denken und fühlen, ist das, was wir beim Menschen Seele nennen, ein Abkömmling (Evolutionsprodukt) der Tierseele, mit ihr von gleicher Grundbeschaffenheit. Folglich (kann) die Psychologie... nichts anderes sein als eine Physiologie des Gehirns.“ (Pag. 36.)

Hier ist mit dürren Worten in unübertrefflicher Klarheit der geistige Zusammenhang aufgedeckt, der von Darwin über Forel zu jener Konzeption der selektonistischen Eugenik führt, die schließlich mit Sterilisation und Euthanasie willkürlich den Lebensstrom zu lenken sich vermißt.

Die Verfasserin, Assistentin am Institut für Geschichte der Medizin an der Universität Erlangen, hat das Lebensbild von Forel zweifellos richtig als das eines Großen seiner Zeit gezeichnet. Ob diese Größe, der ihre Zeit so überreich die Kränze des Ruhmes gespendet hat, auch sub specie aeternitatis von Dauer sein wird — das zu entscheiden vermag wohl erst eine spätere Zeit; ein Augenblick, vor dem nur die wahre Größe echter Ewigkeitswerte und ewiger Wahrheit zu bestehen vermag und vor dem alles vergeht, was nicht ganz echt und wahr ist. Mag ein Forscher und Gelehrter noch so „groß“ in den Augen der Welt gewesen sein: Wenn sein Werk nicht in der ewigen Wahrheit wurzelt, wird es auf die Dauer doch mehr destruktiv als konstruktiv wirken, mag es der Forscher auf seine Art noch so gut gemeint haben.

Univ.-Prof. DDDr. A. Niedermeyer *

Unsterblichkeit. Ihre metaphysische und anthropologische Bedeutung. Von Aloys W e n z 1. Verlag Francke, Bern. Sammlung Dalp, Band 77.

Der bekannte Münchner Philosoph, der in diesem bedeutsamen Werk Gehalt und Bedeutung des Unsterblichkeitsproblems und seiner Lösungen untersucht, gehört mit Karl Groos (dem wir die letzte größere Arbeit über das Unsterblichkeitsproblem verdanken) nnd Hans Driesch zu jenen Denkern, die eine Erwägung der metaphysischen Denk- und Deutungsmöglichkeiten dieses Problems für eine zentrale Aufgabe der Philosophie halten, ja in der Unsterblichkeitsfrage ein philosophisches Problem höchsten Ranges sehen, dessen Behandlung und Lösung ebenso wichtig und entscheidend ist, wie die der mit ihm ja eng zusammenhängenden Probleme der Freiheit, der Theodizee und des Leib-Seele-Zusammenhanges.

Wenzl gibt in seinem Buch aber nicht nur eine Geschichte des Problems und seiner Lösungsversuche und eine systematische Darstellung der Denkmöglichkeiten persönlicher Unsterblichkeit und der ihnen entgegenstehenden Einwände, sondern er wagt in kritischer Besonnenheit, die sich über Berechtigung und Sicherheitsgrad jede ihrer Aussagen Rechenschaft gibt, Antwort auf die aufgeworfenen Fragen zu geben, auch wenn diese Antwort oft nur eine Erwägung von Möglichkeiten sein kann.

Die Abschnitte „Ethos und Unsterblichkeit, Existentialphilosophie und Unsterblichkeit, der Prozeß gegen das Christentum, die Grundfrage der Geschichte und das Unsterblichkeitsproblem, Christentum als Sinn der Geschichte?“ des Buches enthalten nicht nur entscheidende Beiträge zur Klärung und Lösung der Unsterblichkeitsfrage, sondern sind auch entscheidende Ansätze einer wissenschaftlichen Geschichtsphilosophie.

Aloys Wenzl geht auch in diesem Werk den Weg der Philosophie von den Grenzen der Wissenschaft bis an die Grenzen der Religion und wagt auch in ihm das Bekenntnis zu metaphysischer Entscheidung durch Erarbeitung der „bestverantwortbaren“ Antworten auf letzte Fragen in synthetischer Verarbeitung aller Denkmöglichkeiten und Erfahrungsgegen-heiten. Prof. Dr. Ulrich Schöndorfer

*

Vom geistigen Menschenbild der Urzeit. Von Richard P i 11 i o n i. Verlag Franz Deuticke. 134 S.

Dies Buch des Universitätsprofessors Dr. Pittioni bestrebt sich, ausschließlich auf prähistorische Methoden gestützt, klarzustellen, was sich aus diesem Material über den Geist des Urmenschen aussagen läßt. Die senkrechte Linie der neuen Kategorientafel begreift unter dem Namen Lithikum die Kultur des Jägers, unter dem Namen Keramikum die Kultur des Bauern, unter Metallikum die ausschließende zeitliche Periode der Urgeschichte in sich. Die waagrechte Linie aber wird durch die Gruppen Werkzeugkunde, Wirtschafts-, Siedlungs- und Gesellschaftsform, Vorstellungsinhalt, Sprache, bildliche Darstellung und Beziehung zum Jenseits gebildet. Die Ausführungen überzeugen eindringlich davon, daß bereits die älteste Periode überall kausales Denken voraussetzt; sie kennt das Feuer und gebraucht es; wenn der Mensch es nicht einem Waldbrand entnahm, den ein Blitz verursachte, sondern es aus dem Steine schlug, mußte er den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung und die physikalischen Folgen seiner Handlung durchschaut haben. Je.mehr die Geräte für Graben, Stechen, Schlagen,

Schleifen, Kneten usw. spezialisiert wurden, um so mehr war ein Wissen von der Zusammengehörigkeit des Gewirkten und Verursachenden erforderlich. Das Keramikum mit seiner Bereitung von Tongefäßen aus Lehm durch Feuer, insbesondere sein Bergbau auf Feuerstein erforderte spezielle chemische Kenntnisse, so daß Pittioni diese Zeit als den Beginn des wissenschaftlichen Denkens bezeichnet. Nicht weniger groß sind die Fortschritte in der Züchtung von Getreide und Haustieren, die Gesichtspunkte der Wertung und*eine L'eberwachung der Vererbungsvorgänge voraussetzen. Trotz Weglassung aller ethnologischen Gesichtspunkte und strenger Beschränkung auf die Bodenfunde gewinnt der Verfasser durch restloses Durchdenken der jeweiligen Situation des Urmenschen erstaunlich viele Ergebnisse. Er arbeitet sozusagen die Logik des urgeschichtlichen Menschen heraus, die seinen Geräten und damit seiner Handlungsweise und Wirtschaftsform immanent ist. Die Bedeutung der Schrift liegt in der neueren Bestimmung der zeitlichen Perioden der Urgeschichte und darin, daß sie infolge ihrer nüchternen Beschränkung überaus nachhaltig bisherige entwicklungsgeschichtliche Vorstellungen vom Urmenschen unmöglich macht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung