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VON NEUEN BUCHERN

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Die Wiederbegegnung von Glauben und ednem Wissen ist eine der ertreulichsten Erfahrungen der Zeit, lu dem Dienst dieser Wiederbegegnung steht auch das Jahrbuch der Wiener Karholisdien Akademie, herausgegeben von Hochschulprofessor Dr. Josef Kisser (Verlag Herder, Wien 1947), wo als Leitwort die Feststellung gemacht wird: „Der Katholizismus bejaht jede Wahrheit, woher immer sie kommt.“ Diese weltoffene Haltung, dieses Ja zu allem Wahren, fließt aus der katholischen Überzeugung, daß jede Wahrheit und Wirklichkeit letztlich aus Gott stammt, wie in einem Beitrag darauf hingewiesen wird, daß die Kirche in ihrer umfassenden Seinsweite den ganzen Menschen, Leib und Seele, Sinnlichkeit und Geistigkeit bejaht. Der ganze Mensch, der an allen Stufen des Seins teil hat, sie alle verbindet, und die reiche Vielfalt seiner Wirksamkeit und seiner Gemeinschaften, ist das Thema des Jahrbuches. Eine Untersuchung über die Bedeutung und Auswirkung der rationalen und irrationalen Kräfte des Menschen in der religiösen Sphäre gibt aus dieser Sicht tiefe Einblicke in die glaubensgeschidnliche Entwicklung.

Die philosophischen Arbeiten erkennen im Ringen um das neue Gesamtbild des Menschen •line entscheidende Aufgabe der Philosophie unserer Zeit. So steht an der Spitze eine tiefschürfende Analyse der philosophischen Situation unserer Zeit, ihrer geistesgeschichtlichen Voraussetzungen und dem aus ihr emporsteigenden integralen Realismus. Dem folgt eine Prüfung des Wahrheitsbegriffes der Existentialphilosophie Heideggers an dem Maßstab der großen Philosophie der Tradition und erweist unser Wissen vom Absoluten als wahrhaft existentielles Wissen. — Die Beiträge über den Ursprung des Lebens und die Abstammungslehre zeigen, daß die erbitterten Kämpfe um diese beiden Fragenkreise nicht auf wirklichen Widersprüchen zwischen Wissenschaft und Religion, sondern auf Grenzüberschreitungen und kritiklosem Oberschätzen hypothetischer Voraussetzungen beruhten. Die erfreuliche Aufgeschlossenheit moderner Seelenheilkunde für viele Grundwahrheiten christlicher Seelenlehre und Seelsorge anerkennt ein Beitrag, der die Frage ärztlicher Seelsorge behandelt. Daß das richtige Menschenbild die Voraussetzung jeder zielführenden Erziehungsarbeit sein muß, begründet eine Studie über die pädagogische Situation unserer Zeit in vorbildlich klarer Weise.

Den aus dem christlichen Menschenbild sich ergebenden Lösungen einer Fülle brennendster sozialpolitischer und wirtschaftlicher Fragen sind die Beiträge: Wege zur Entproletarisierung durch Eigentumsbeschaffung, Der Arbeiter als Unternehmer, Das Arbeitsvertrag echt nach neuer Auffassung und Das großstädtische Siedlungsproblem gewidmet.

Im letzten Abschnitt, der den schönen Künsten gewidmet ist, wird ein junger Dichter zur hohen Aufgabe des Dichters als des Wahrers der Menschenwürde aufgerufen. Diese Worte stehen ebenbürtig neben der unvergänglichen Rede von Anton Wildgans. Daran reiht sich eine Abhandlung über die Leistungen der Literaturwissenschaft unserer Zeit und' werden an ihrer entscheidenden Aufgabe zur Erhellung der Dichtung als eines entscheidenden Weges zum Wesen des Menschen als des Ebenbildes Gottes geprüft. Weiter ist der Überwindung der Krise der Kunst aus der wiedergewonnener, christlichen Schau des Menschen, seiner Stellung in der Welt und seiner Sendung eine feinsinnige Srudie gewidmet. Ein lebendiger, aus reicher Erfahrung sprechender Beitrag über die katholische Kirchenmusik unserer Zeit schließt das Jahrbuch ab. — So erweist es sich, daß die geistigen Kräfte Österreichs durch die Unterdrückung der Vergangenheit und die Not der Gegenwart nicht gebrochen sind, vielmehr daß sie bereit sind, den Aufgaben der sich abzeichnenden großen Synthese zu dienen.

Diesem Jahrbuch gibt neben dem Vorwort von Sr. Em. Kardinal Dr. Innitzer die Mitarbeit zahlreidTer Professoren ein besonderes Gepräge. Es sind dies: Univ.-Prof Dr. Thäuren, Univ.-Doz. Dr. Leo Gabriel, Univ. Prof. Dr. Ivanka, Hochschulprof. Dr. Kisser, Univ.-Doz. Dr. Schubert-Soldern, Univ.-Doz. Dr. Niedermeyer, Ministerialrat Dr. Peter, Univ.-Doz. Dr. Nowotny, Univ.-Prof. Dr. Degenfeld, Minister a. D. Dr. L. Strobl, Dr. Kummer, Sektionsrat Dr. Mitterauer. Prof. Dr. Jungwirth, Professor Dr. H-nz, Dr. Suchy, Minister Pcrnter, Univ.-Prof. Dr. Nowak. Dr. Ulrich Schöndorfer

Römische Erinnerungen. V*n Theodor v. S i c k e 1. Nebst ergänzenden Briefen and Aktenstücken herausgegeben von Leo Sinti-f a 1 1 e r (Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Band 3). Universum-Verlag, Wien 1947. 512 Seilen, S 36.—.

Dieses Buch ist eine der repräsentativsten Erscheinungen der österreichischen historischen Literatur seit Kriegsende. Der Norddeutsche Theodor v. Sickel (1826—1908), Wahlösterreicher, (deich roß als Gelehrter wie als wissenschaftlicher Organisator, führte als zweiter Direktor ab 1869 das junge Institut für österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien in steilem raschem Aufstieg auf die Höhe und leitete von 1881 bis 1901 das frisch gegründete österreichische historische Institut m Rom, die älteste ausländische, rein historische Forschungsstätte in der Ewigen Stadt. Sein späterer Nachfolger in der Leitung des Wiener Instituts, der hochverdiente mittelalterliche Historiker und besonders Urkundenforscher Leo Santifaller, jetzt auch Direktor des österreichischen Staatsarchivs in Wien, gab nun in diesem Bande in mühevoller Arbeit und sorgfältiger Ausführung die drei Serien der bisher unbekannten „Römischen Erinnerungen“ Sickels sowie eine Reihe seiner amtlichen Berichte und Briefe, ferner Schreiben von berühmten Gelehrten an Sickel — die Namen Denifle, Döllinger, F.hrle. Ottenthai. Ratti (Pius XI.) und Sybel tauchen unter anderen auf — und eine große Zahl amtlicher Aktenstücke über das Römische Institut heraus. Die „Erinnerungen“ wurden von Sickel zwei Jahre vor seinem Tode begonnen und sind allerdings, wie fast alle solche Altersmemoiren, hier und da etwas selbstgefällig geschrieben, gehen auch über manchen Fehlschlug stillschweigend hinweg. Aber der arbeitsame Mann hat im Rahmen seiner Wissenschaft und seiner Stellung so viel gewirkt und erlebt und ist naturgemäß mit so vielen bedeutenden Männern in zum Ted vertrauten, jedenfalls häufigen Verkehr getreten, daß dies Ganze ein großes und reiches Bild der österreichischen, deutschen, italienischen, ja der europäischen Wissenschafts- und Gelehrtenwelt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bietet, wie es sonst kaum anderswo zu finden ist. Viel bisher ganz Unbekanntes und Unerklärliches lernen wir jetzt erst kennen und verstehen. Dieses Gemälde wird durch die große Einleitung Santifallers. den umfangreichen Anhang von Briefen und Akten sowie den ausführlichen Anmerkungsapparat noch feiner und deutlicher herausgearbeitet. Das Buch wird auch in Rom und sonst weit über Österreich hinaus großes Interesse finden. Mjf Freude haben wir letzthin gehört, daß auch an einer wenigstens teilweisen Ausgabe der Tagebücher des Nachfolgers Sickels in Rom, des großen Geschichtsschreibers der Päpste Ludwig v. Pastor, gearbeitet wird. Santifaller hat hier im Bereich der über allen Tageshändeln stehenden Wissenschaft gezeigt, welche wissen, schaftliche Großmacht das alte Österreich war. Woraus für uns die Lehre zu ziehen ist, daß wir daraus sowohl Pflichten als auch Rechte und Ansprüche ableiten müssen und dürfen.

Abendländische Zukunft. Kulturphilosophische Aufsätze von Dr. A. Plankensteiner. Wagnersche Universitätsbuchhandlung, Innsbruck.

Diese flüssig geschriebenen Aufsätze wollen kein System der Kulturphilosophie darstellen, sondern bestimmte Grundfragen der Gegenwart schlaglichtartig beleuchten. Gerade in Zeiten geistigen und kulturellen Umbruches ist es allen, denen der Begriff „abendländische Kultur“ noch bedeutsam ist, ein inneres Bedürfnis, alte Fragen und Lösungsversuche neu durchzudenken und sie auf ihren inneren Wert für Gegenwart und Zukunft unserer Gesittung hin zu prüfen. Aus der Zwiespältigkeit und Mannigfaltigkeit des Geistes und unserer Zivilisation zu einer neuen Synthese zu gelangen, wieder „ursprünglich“ zu werden, ohne primitiv zu sein, darin sieht der Verfasser die gegenwärtige Aufgabe.

Radiopredigten. Von Heinrich SusoBraun. Tyrolia Verlag, Innsbruck.

Es bedeutet an sich schon ein Wagnis, das Wort Gottes in die Welt hineinzuwerfen. Dies gilt um so mehr, wenn der Sprecher die Reaktion auf seine Worte nicht zu bemerken vermag. Das ist eines der Probleme von Radiopredigten. Die Zuhörer müssen nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch die Art des unsichtbar Sprechenden ergriffen werden. Dazu soll noch in leichtverständlicher Art Wesenhaftes gesagt werden. Vielleicht ist in diesem Fall eine strenge Systematik von aufeinanderfolgenden Reden ein Nachteil, weil der Sprecher nicht auf den Augenblick einzugehen vermag und jenes Moment versäumt, das die aktuellen Entscheidungen beeinflußt. Die vorliegenden Reden sind zur Situation gesprochen und zeigen, wie der Mensch der Gegenwart angesprochen werden muß. Der Innsbrucker Hochschulseelsorger P. Braun hat den Ton vortrefflich gefunden.

Sein und Erscheinung. II. Teil. Seinslehre in

Glaube und Wissenschaft. Von Karl Lugmayer. Amandus-Edition, Wien.

Hier werden einige Streiflichter zur Lehre des I. Teiles über das Wesen des Menschen geboten. Die Streiflichter sind originell, oft kühn, als Interpretation scharf, oft befreiend vereinfachend als Polemik. Es wird zwar kaum einen Fachmann auf diesem oder jenem Gebiet der lose .aneinandergereihten Streiflichter geben, der sämtliche Einzelschlüsse und -deutungen undistinguiert unterschreiben wird, aber auch keinen, der das Buch ohne klärende Anregung dankbar aus der Hand legt. Das Licht, welches in allen Streiflichtern leuchtet, ist ein zugleich christlich-transzendentes und real-humanes. Der Mensch soll sich durch das „Sein“ seiner trini-taridien Abbi!dhaftigkeit aus dem Befangen-Schein-Scin in den unpersonalen „Ersdieinun-gen“ befreien lassen.

Das Schweigen („Le Süence de la Mer“). Aus dem Französisdien von V e r c o r s. Märg. Friedr. Rohrer-Verlag, Innsbruck-Wien.

Die berühmt gewordene französische Novelle liegt hier in formschöner Übertragung vor. TJer Vorwurf ist von ergreifender Tiefe. Während der deutschen Besetzung Frankreichs vertraut Werner von Ecrennar seinen französischen Quartierleuten als Deutscher seine Liebe für Frankreich an, er glaubt an eine künftige brüderliche Vereinigung der beiden Völker, an deutsche Pläne und Verhandlungen, die diesem Ziele entgegenführen. „Niemand wird jemals aus seiner guten Handlung soviel Nutzen ziehen können, wie es Deutschland tun wird, indem es Frankreich seine Größe und seine Freiheit wiedergibt.“ Er sieht eine große, glückliche Zukunft heraufdämmern. Und dann stürzt ihn aus den Himmeln die entsetzliche Erfahrung, daß alles bewußte Täuschung sei. Irregeworden an den Führern seines eigenen Volkes sieht er alle Hoffnung zerstört; verzweifelnd an allem sucht er den Tod an der Kampffront. — Die Erzählung ist ein Meisterwerk psychologischer Darstellung, zugleich ein politischer Epilog, der heute mit erschütterndem Pathos sich an beide Völker wendet.

Schweizer Theatergeschichte, ein Beitrag zur Schweizer Kulturgeschichte. Von Eugen Müller. Verlag Oprecht, Zürich.

Aus der Schweiz stammt dieses Werk, das beweist, wie dieses Land von der Urzeit bis zum heutigen Tag ein viel zuwenig bekannter Vorkämpfer auf dem gesamten Gebiet des Theaters war. Der Autor schildert, wissenschaftlich fundiert, aber in einem volkstümlichen Erzählerton, der das Buch leicht wie eine Novelle lesen läßt, die Geschichte des Schweizer Theaters als Teil der Schweizer politischen Lokalgeschichte Dennoch bringt dieses Werk sowohl für den Theaterwissenschaftler als auch für jeden Theaterfreund anderer Länder viel Belehrendes und Wissenswertes. Ein ausführliches Literaturverzeichnis am Ende des Buches macht das Werk für den Wissenschaftler wie durch seine erzählerische Form für den Theaterlieb haber zu einem guten Berater.

Mariae Glockenspiel. Ein Liederreigen von Alfred Buttlar -Moscon. Amandus-Edition, Wien 1947.

Die moderne Mystik dieser gedankenklaren, formschönen Gedichte Alfred Buttlar-Moscons nimmt eine Sonderstellung in der religiösen Literatur unserer Tage ein. Sie ist unbeschwert von der stürmisch drängenden Problematik etwa Gertrud von Le Forts, aber zugleich weit entfernt von der sanften Idylle mancher Marienpoesie von gestern und heuie. Eine strenge Architektur ordnet den Zyklus' in vier Gedankenkreise zu sechs Liedern, von denen der erste, „Marias Erdenwandeln“, die höchste Reife der Gedanken und Künheit der Bilder birgt. Verse, wie der Schluß des „Seligen Morgens“ oder die letzte Strophe des großartig-düsteren Gemäldes „Im Schatten des Kreuzes“ („GoId-klang drang empor aus dumpfem Schacht / denn ihr Herzblut pochte ewig Ihn. / Engel lagen bebend auf den Knien: / Flammend barst das Urgewölbe Nacht.“), hat man in so vollendeter Melodie nur selten in der Gegenwartsdichtung gehört. Kreis zwei, ..Mutter der Gnaden“, und Kreis vier, „Selig gepriesen von allen Geschlechtern“, neigen mehr zu traditionellen Bildern, nur die ..Gotische Madonna“ aus dem letzteren erreicht die Monumentalität der sedis Eingangsgesänge. Überraschend kühn biegt wieder Kreis drei, „Feste Unserer Lieben Frau“, aus allen herkömmlichen Bahnen. Auf einem so kultivierten Instrument wie der Sprache dieses Dichters gewinnen selbst Füllworte wie das ominöse „so“ in ihrem antikisierenden Balladenton („die Glocke des Himmels so blau“, „... und blühen wie Herzblut so rot“) ein Eigenleben von seltsamem Wohllaut., Der Tito] des Werkes trifft nur die Musik seiner Verse. Dem aufgetanen Leser erschließt sich mehr: die Inbrunst eines modernen, tiefen religiösen Erlebnisses.

Worte ohne Lieder eines alten Musikanten. Von Viktor K eldorter. Amandus-Edition, Wien. 243 Seiten.

In er7Wungcner Muße hat Viktor Keldorfer ein Buch Verse geschrieben, nicht um den Dichtern Konkurrenz zu machen, sondern um auf einem anderen als dem gewohnten Instrument die heiter-selbstironische Weise seiner Welt- und Menschenbetradnu-ig zu spielen. Man liest in vergnüglichen Kapiteln die nicht immer neuen, doch stets ehrlichen und dadurch wirksamen Gedanken und Reimsprüche, die in ebenso schlichter als gefälliger Form geboten werden, und hinter denen, feineren Ohren nicht überhörbar, die Augustin Melodie des ewigen Musikanten erklingt.

Richtigstellung. In „Furche“ Nr. 28 wurde die Besprechung eines im Rudolf M. Rohrer- Verlag, Wien, erschienenen Buches veröffentlicht. Ein Druckfehler verstümmelte den Titel des Buches „Deutsche Märchen vor Grimm (nicht von Grimm).

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