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Preußen vor dem Richterstuhl der Geschichte

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Eine Anklage ist das Buch von K o s c h. Schon der Titel will dies andeuten.

Der aus Mähren stammende Verfasser hat den Raum zwischen Rußland und der Kanalküste aus eigener Anschauung gut kennengelernt. In der Bukowina, in der Schweiz, und in Holland ist er als Hochschullehrer tätig gewesen, sein Lebensweg hat ihn mit den Kulturvölkern fast ganz Europas in enge Berührung gebracht. Eine eifrige Forscherarbeit liegt hinter ihm. Sie gab ihre Impulse auch zu diesem Buche eines Österreichers, der aus heißem Empfinden alten Unredites der vergewaltigten geschichtlichen Wahrheit zu ihrem Rechte verhelfen will. Schon mit Spannung erwarten wir das Buch, das nächstens audi auf unserem Büchermarkte zu haben sein wird.

Das Werk füllt eine Lücke aus. Man darf dabei nicht übersehen, daß es in Jahren der Verfolgung und Kriegszeit geschrieben wurde und dem Verfasser, wie er selbst feststellt, demzufolge manche Ardiive und Bibliotheken nicht zugänglich waren So ist es erklärlich, daß manche Detailfrage noch unbehandelt gelassen wurde, damit die Herausgabe nicht verzögert werde.

In sechs Kapiteln — vom friderizianisohen Zeitalter bis zur Gegenwart — wird die Politik Preußens gegenüber Österreich und gegenüber Europa dargestellt. Wir gehen da den Versuchen Friedrichs II. nach, Sardinien und Ungarn gegen Habsburg aufzuwiegeln, und verfolgen diese Minierarbeit bis zum Kaiserreich Bismarcks und bis zum Nationalsozialismus. Deutlidi wird die Linie der Entwidmung aufgezeigt und durch zahlreiche Details illustriert.

Daß das Buch gegen Preußen gerichtet ist, sagt es schon mit seinem Namen. Warum auch nicht? Preußen bedeutet hier nid das deutsche oder audi nicht das norddeutsche Volkstum, sondern den Geist von Potsdam, der von einer Dynastie und einer Herrensohidit verkörpert wurde und auch die borussische, gegen Österreich geriditete Geschichtslegende schuf. Die Wirkungen dieses Geistes liegen heute offen vor jedermanns Augen. Kosch ist maßvoll zurückhaltend in der Vorbringung seines Anklagematerials. Er begnügt sich mit einer Auswahl. Die Reihe dessen, was Österreich Preußen zuf Last legen könnte, ist mit diesem Buche nicht erschöpft. Es wäre etwa noch einiges über die preußische Gesdiiditschreibung zu sagen gewesen, die jene Herabsetzung Österreichs möglich machte, wie sie zum Beispiel von Friedrich Nicolai (1781) betrieben wurde und bis in die Tage des Nationalsozialismus sich fortsetzte. Für die geziemende Revision der preußisdien Geschichtsdarstellung ist dies Buch eine knappe und gewiß erwünschte Arbeit.

Man mag darin von diesem oder jenem, in der oder dieser Form oder jenes an dem Buche anders wünschen — sicher ist, daß das Buch jetzt einem Wissensbedürfnis, einem vielfach empfudeneft Wunsehe nach einer Korrektur des überlieferten Geschichtsbildes durch seine freimütige Darlegung der Tatsachen, entspricht. Hier kommt eben einmal die Seite der Geschichte zu Wort, von der man in den letzten Jahren so gut wie nichts vernehmen konnte.

Das beigefügte Literaturverzeichnis ist aus einer objektiven Gesamtüberschau geschaffen. Es fehlen darin noch einige einschlägige Werke,

„Preußen vor dem Richterstuhl der Geschichte.“ Zwei Jahrhunderte preußischer Eroberungspolitik in Deutschland, Österreich und Europa Von Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Kosch, Nymwegen. 199 Seiten. Nymwegen 1945. zum Beispiel die Darstellung der Großmachtbildung Österreichs und Preußens von Hantsch und Braubach in der „Geschichte der führenden Völker“, Freiburg 1933. Im ganzen bietet das Verzeichnis aber eine gute Literaturübersicht zum weiteren Studium. Es enthält preußische und österreichische sowie andere Werke älteren und neueren Datums, so gut wie durchwegs seriöse Stimmen. Kritisdie Anmerkungen zu den einzelnen Werken wären erwünscht gewesen.

So wollen wir, zusammenfassend, dem Wunsche Worte geben, daß das lebendig geschriebene Buch, das dem ehrlichen Streben nadi Wahrheit entsprungen ist, auch der Wahrheit eine Gasse breche. In seinem Vorworte schreibt Kosch: „Ohne die Wiedergeburt Österreichs kann es keine Wiedergeburt Europas geben.“ — Möge sein Buch zu dieser Erkenntnis beitragen!

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Wir fügen eine Textprobe aus dem Buche bei. „Nichts hemmte die Angriffslust des Preußenkönigs Friedrich II. Seine Parole hieß: ,Attaquez, attaquez toujours'. Sie entsprach seiner Förderung: ,Wir müssen Preußen als einen Militärstaat betrachten, alles muß darauf eingestellt sein'. Neben diesem Totalitätsprinzip verfolgte er die Taktik des Blitzkrieges. Das zeigte er sofort nach seinem Regierungsantritt. Während nodi ein österreichischer Abgesandter in Berlin weilte, um zu unterhandeln, überfiel er Schlesien blitzartig. Daß er dabei ganz Europa verwirrte und erschütterte, kümmerte ihn nicht. Ja, gerade dadurch hoffte er, Verbündete zu gewinnen. Es war ihm klar, daß sein Einmarsch ,das Signal zum Krieg in Europa gab'. Rückblickend schrieb er später in der Geschichte seiner Zeit: ,Das Feuer, das aus einem Funken in Schlesien entglommen war, griff von Land zu Land um sich, und bald stand ganz. Europa im Flammen'. Mit ,der Pest des Krieges', wie er selbst nachmals bekannte, trat Friedrich II, in die Weltgeschichte ein.

Und so konnte Macaul ay von seinem unparteiischen Standpunkt das gerechte UrteiK fällen: .Wäre die sdilesische Frage nur Friedrich und Maria Theresia angegangen, so hätte die Nachwelt den König von Preußen einer ver-abscheuungswürdigen Treulosigkeit schuldig erkennen müssen. Aber sie muß eine viel schwerere .Verurteilung über seine Politik aussprechen, die beklagenswerte Folgen für alle europäischen Nationen haben mußte und hatte ... All das Blut fällt auf das Haupt Friedrichs zurück, all das Blut, das in diesem Kriege vergossen wurde, der mehrere Jahre lang so schrecklidie Verwüstungen in allen Ländern des Erdballes anrichtete .. . Sein Verbrechen häufte das schrecklichste Unheil auf Gegenden, wo der Name Preußen vollkommen unbekannt war. Damit er einen Nachbar plündern konnte, den er geschworen hatte zu verteidigen, schlugen sich Neger untereinander an der Küste von Coromandel und Rothäute skalpierten sich an den großen Seen Nordamerikas.'

Als Mehter der Intrige verstand es Friedrich II., nicht bloß auswärtige Mächte beständig in Schach zu halten, sondern auch, und darin zeigte er seine moralische Hemmungslosigkeit und seine Freude an deutscher Zwietracht, die deutschen Reichsfürsten untereinander aufzubringen. Er schämte sich nicht, dem französischen Marschall Belle-Isle zuzurufen: ,W i e brenne ich vor Ungeduld, Sie als Sieger vor den Toren Wiens zu sehen und an der Spitze Ihrer Truppen zu umarmen, wie ich Sie an der Spitze der meinen umarmt habe.' Und ebenso war er unablässig bemüht, bald Sachsen, bald Bayern gegen Österreich einzunehmen, um die kaiserliche Macht zu schwächen und die Einheit des Reichs zu untergraben, wo immer es anging.“

Prof. Nowotny

„Gloria Dei.“ Christliche Zeitenwende. Zeitschrift für Theologie und Geistesleben. Verlag Anton Pustet, Graz. S 4.80.

Die neue vierteljährlich erscheinende Schrift steckt sich ein großes Programm. Von der Theologie und dem Geistesleben her eine christliche Zeitenwende herbeizuführen, verlangt ein bewußtes Hinführen von den Quellen zu den Menschen. Das große Vorhaben der neuen Zeitschrift wird von selbst zeigen, ob sie nicht nur tiefe theologische und christliche Gründlichkeit zu bieten vermag, sondern auch an die geistig offenen und interessierten Kreise herankommt und diese formt. Was in dem ersten Hefte musterhaft begonnen wurde, möge nach allen wichtigen theologischen Fragen hin Verbreiterung und Vertiefung erfahren. Wenn das Geleitwort auf die Salzburger Hodischulwochen hinweist, dann wäre nur zu wünschen, daß diese Hefte nicht nur die Thematik aufnehmen und vertiefen. Sie mögen auch vorbereitend den geistigen Typus des gebildeten Christen noch schärfer herausstellen, der nicht nur der Zeit Widerstand zu leisten imstande ist, sondern sie ergreifend im Geiste Gottes zu formen versteht, für sich und in der Öffentlichkeit. Die, Namen der Herausgeber: Prof. P. Dr. Alois Mager, O. S. B., Prof. Dr. Johann Fischl, Prof. P. Dr. Hugo Rahner S. J. und P. Doktor Leopold Soukup, O. S. B. bürgen von vorneherein für das Gelingen von Seiten der Zeitschrift her. Prof. Dr. Leop. L e n t n e r

„Wiederaufbau auf diristlicher Grundla-e.“ I. Bändchen. Klagenfurt 1946. Herder, Wien, 1., Wollzeile 33. 60 Seiten, S 1.50.

Unter diesem Titel gibt die „Arbeitsgemeinschaft der Akademiker in der katholischen Aktion, Klagenfurt“ eine in ihrer Art vorbildliche Broschüre zur weltanschaulichen Orientierung heraus. Den Auftakt bildet eine Zusammenstellung von Äußerungen führender Politiker unserer Tage, die alle auf die Notwendigkeit christlicher Gesinnung beim Wiederaufbau hinweisen, es folgt eine Diagnose der geistigen Nöte unserer Zeit, die diese von ihrem Ursprung her, der Abwendung des religiösen Bewußtseins vom wahren Christentum ir Individualismus und der Abwendung des weltanschaulichen Denkens vom christlichen Wahrheitsbegriff in Rationalismus, bis zu ihrer heutigen krassesten Ausprägung, dem Nietzscheismus, und dem Materialismus verfolgt. Die Verkettung zwisdien all den geistigen Erscheinungen, die in diese Entwicklungsreihe gehören, Deismus, Frei-denkertum, Josephinismus, Liberalismus, Laizismus, Monismus, wird so deutlich gezeigt, die einzelnen Strömungen werden in ihrer Bedeutung so knapp und klar umschrieben, daß dieser Teil als das Wertvollste an der Broschüre bezeichnet werden kann. Besonders treffend wird dann der „M-essjä-nismus“ in den sozialen Strömungen nachgewiesen, die sich an die Stelle des Christentums setzen wollen, mit dem Anspruch „das Heil“ zu bieten, und selbst letztes Ziel, Sinn und Zweck des ganzen menschlichen Daseins zu sein. Den Abschluß bildet eine kurze Darlegung der positiven christlichen Lehre, die besonders den christlichen Gemeinschaftsbegriff (corpus mysticum) und den christlichen Freiheitsbegriff (Gotteskindschaft) hervorhebt. Alles in allem: eine der empfehlenswertesten Publikationen ihrer Art.

Prof. Endre von I v a n k a

La Communaute' Francaise, Maurice C h e-vance - Berti n (12, rue Sedillot, Paris VIIe). — Hervorgegangen aus einer Rede, die in der Budgetdebatte der Konstituante im März 1945 gehalten wurde, bedeutet vorliegende Schrift das Bekenntnis zu Frankreichs Empire, das nidit, wie der Redner erklärte, 40 Millionen Einwohner umfaßt, sondern insgesamt 110 Millionen. Der Gedanke, daß die überseeischen Besitzungen Frankreichs nidit nur nebenbei behandelt zu werden haben, sondern in den Lebenskreis des Mutterlandes als gleichberechtigt betrachtet und audi in dieser Hinsicht die gleidie ObsorgV erhalten sollen, wird hier ausgeführt. Zu diesem Zweck hat sich auch anschließend an diese Rede in Paris ein Komitee gebildet, welches ideell und technisch auf dieses Ziel hinarbeitet. Dr. Josef Kopp'

„Der Weg mit Franziska“. Von Marguerite J a n s o n. Bühl-Verlag, Herliberg-Zürich.

Eine Plauderei um das Heranwachsen eines Kindes. Der warme Lichtkegel mütterlidier Beobachtung verfolgt Franziska von ihren ersten Regungen bis zur Entfaltung einer selbständigen, kleinen Person, Die Autorin ist eine Frau von Kultur und von hoher Bildung. Ihr Stil ist der ideale für die Gegenstände jenes abgeschiedenen Eilandes, auf dem nur zwei Lebewesen zu existieren scheinen: eine Mutter und ihr kleines Mäddien. Was sich sonst in der Welt begibt, zählt da nicht. Jene sind eine Welt für sich, und im verzauberten Sichselbstgenügen vergehen die Tage, Wochen, Monde. Ein Buch, geschrieben für die Verwandtschaft im Geiste: für Mütter. Eine Chronik, die reizende, kleine Details aneinanderreiht, alle lebendig gesehen und erl .bt. ' Die Philosophie, mit der die wenigen Tatsachen der Außenwelt behandelt werden, der Krieg, die Not der Zeit oder fremde Menschen, die gleichsam die Rolle Verwunschener in diesem Märchen spielen, ist die Philosophie des Herzens. Ein kleines Werkchen, sehr anmutig, sehr geistreich, bei aller Lebenswärme ohne die Kontur wahren Lebens. Ein Idyll, in dem selbst der Vater nur ein Schemen ist, das aber tausend kleine, liebe Dinge in sich einbezieht, von denen man sich gerne vorplaudern läßt.

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