6540262-1946_37_02.jpg
Digital In Arbeit

Die Babenberger — die Schöpfer Österreichs

Werbung
Werbung
Werbung

Länger als ein halbes Jahrhundert hatten die Ungarn mit ihren verheerenden Einfällen ganz ,Europa in Schrecken versetzt, ehe es der um König Otto I. gesammelten Macht der deutschen Stämme gelang, sie am Lech-feld, südlich Augsburg, am 10. August 955 zu überwinden. Dieser glorreiche Sieg über den Feind des abendländischen Christentums, der ja auch öfter vor den Toren Roms erschienen war, begründete die Größe Ottos I., machte ihn des römisdien Kaisertums würdig und war der Beginn und die Voraussetzung der gesamten Ostpolitik der salischen Könige. Den Laurenzitag sollten besonders die Österreicher in ehrfürchtiger und dankbarer Erinnerung behalten; denn eine seiner bedeutsamen Folgen war die Gründung der „marca orientalis“, der „Mark im Osten“, aus der sich Österreich entwickelte, dessen.Namen einst in der ganzen europäischen Welt zu Ruhm und Ehren kommen sollte, als er der Name des Geschlechtes wurde, das in zäher Ausdauer und unverwüstlicher Kraft den Donauraum politisch und kulturell gestaltete, ihn an die blühenden Ufer, des Rheins, in die Ebenen Italiens und in die reichen Gefilde der burgundischen Niederlande und schließlich nach Spanien und • über die Meere trug.

Nichts deutete zunächst darauf hin, daß diesem Namen eine so große Zukunft, bereitet werden würde. Als er im Jahre 996 zum erstenmal urkundlich auftaucht, bedeutet er nicht mehr als die Gegend an der Ybbs und Isper

Name „Austria“ übernommen, der im Jahre 1136 zum erstenmal belegt ist und zwanzig Jahre später als offizieller Name des Herzogtums auch von Reichs wegen bestätigt wurde. Otto von Freising, der berühmte Bruder Heinrich Jasomirgotts, einer der gelehrtesten Männer des deutschen Mittelalters, hat jene Mönche aus dem austrasischen Kloster Morimond nach Heiligenkreuz gebracht, in dessen Gründungsurkunde der Name „Austria“ zuerst erscheint, als sich Markgraf Leopold III., der Heilige, als „marchio Austriae“ und nicht mehr als „marchio in Oriente“ bezeichnet.

Der Weg von der „marca orientalis“ zum „ducatus Austriae“, von der Mark im Osten zum Herzogtum Österreich, bezeichnet also das Werden eines Landes, das sich aus den Beziehungen seiner kleinen und schwachen Anfänge zu einer eigenen in sich geschlossenen Lebensform entfaltet, bezeichnet, aber auch das Wachsen und Erblühen jenes edlen Geschlechtes der Babenberger, das sich mit dem Schwerte in der Hand, noch mehr aber durch eine einzigartige kulturelle Leistung seinen Aufstieg in den Reichsfürstenstand erkämpft und dem Lande, dessen Schicksal in seine Hände gelegt ist, zu einer überragenden Stellung, im Kreise der alten Reichsfürsten-'tümer verhilft. Die Babenberger haben Österreich geschaffen. Sie haben aus der Mark das Land gemacht, in zäher Tapferkeit seine dauernden Grenzen im Norden und Osten gezögen, wo sie lange Zeit umstritten waren. Sie haben den Bereich ihrer Herrschaft ausgedehnt über den Boden, der des Pfluges harrte, und die Wälder, die sich finster und trotzig den bodensuchenden Siedlern entgegenstemmten. Sie trugen ihr glückhaftes Schicksal in das Herzogtum Steiermark, das sich ähnlich wie Österreich aus einer kleinen Mark an der Mur entwickelt hatte, bis in die Krainer Berge hinein. Als Luitpold I. um 976 die Mark im Osten betrat, erstreckte sich sein Machtbereich höchstens bis an den Wienerwald und den Lauf der großen Tulln und im Norden bis an die Grenzen des undurchdringlichen Nordwaldes, der das ganze Waldviertel bedeckte. Als sein letzter Nachkomme, Friedrich der Streitbare, im Jahre 1246 sein abenteuerliches und kampferfülltes Leben auf dem Schlachtfeld an der Leitha endete, hinterließ er ein Erbe, um das sich Könige stritten. Daß dieses Geschlecht durch 250 Jahre in ununterbrochener Erbfolge regierte, war eine der gütigen Gaben Gottes für unser Land, das die unglücklichen und verhängnisvollen Folgen, die mit dem erbenlosen Tode eines Herrscherhauses verbunden zu sein pflegten, erst dann zu spüren bekam, als es bereits in sich fest gefügt war und auf die Dauer nicht mehr zerrissen werden konnte. Diese vielen Jahre einer steten und geradlinigen Entwicklung aller dem Lande innewohnenden Kräfte hat es in seinem einheitlichen Wesen gestaltet, es mit dem ganzen Reichtum einer hohen materiellen und geistigen Kultur erfüllt, es vor Erschütterungen und Spaltungen bewahrt.

Die Stammgüter der Babenberger lagen im Donaugau, zwischen Donau und Böhmerwald, im anschließenden Nordgau und im Traungau. Von dorther dürften auch die meisten der Bauern stammen, die für die Besiedlung des Ostlandes in Betracht kamen. Ihr Eigenbesitz in der Mark war zunächst gering und wurde weit übertroffen von den Gütern hochfreier bayrischer und fränkischer Edler, der bayrischen Kirchen und Klöster. Das Bistum Passau vor allem, dessen Diö-zesanbereich sich in Wiederbelebung alter karolingischer Rechte über die ganze Mark erstreckte, war an fruchtbarem Boden besonders reich begütert. Erst nach dem Jahre 1000, als Markgraf Heinrich I. (994 bis 1018) aus dem Königsgut zwischen Kamp und March und zwischen Wienerwald und

Leitha reichlich begabt wurde, begann ihre grundherrliche Stellung überragend zu werden rnd sie wurde es noch mehr, als nach dem Aussterben zahlreicher adeliger Geschlechter die Babenberger in deren Erbe eintraten. Nicht darauf aber beruhte ihre herrschaftliche Stellung, sondern auf ihrem Amt als Schützer und Bewahrer des Rechts und als Führer des Heerbanns bei der Erweiterung und Sicherung der Grenzen. Immer wieder hat die Reichsgewalt entscheidend eingegriffen, wenn es galt, mit gefährlichen Vorstößen von Mähren oder Ungarn her -fe't'.g zu werden. Erst König Heinrich III. gelang es, in Verein mit dem Markgrafen Adalbert (1018 bis 1055) den Ungarn einen Frieden aufzuzwingen (1043), der die March-Leitha-Grenze sicherte und die Oststeiermark für die Mark an der Mur rettete. Eine Zeitlang mußte an der Leitha und March sogar eine eigene Mark zur Sicherung des neugewonnenen Bodens eingerichtet werden.

Die Behauptung des Wiener Beckens hat die Zukunft Österreichs entschieden; denn der Besitz des Angelpunktes dreier natürlicher Räume, die zugleich Volks- und Staatskörper umschlossen, stellte Österreich in die engste schicksalhafte Beziehung zu den böhmischen und ungarischen Verhältnissen. Was Österreich geworden ist, verdankt es vor allem der beherrschenden Stellung in diesem Zentralraum, der ihm die Sicht in neue Welten erschloß, es aber auch schicksalhaft in die Entwicklung dieser Nachbarländer verflocht. Von.hier aus ist die bodenständige politische und kulturelle Aufgabe der Zukunft zu erkennen. Darauf beruht aber auch seine eigenstaatliche Kraft. Mehrmals wurde in der Folgezeit versucht, Österreich aus dieser Stellung zu verdrängen, ihm mit der Entreißung dieses Herzstückes die eigenstaat; liehe Lebensfähigkeit zu untergraben. Daß alle diese Versuche fehlschlugen, ob sie nun von Böhmen oder Ungarn aus unternommen wurden, ist das Verdienst der Babenberger und ihrer würdigen Nachfolger, der Habsburger, denen es schließlich gelang, die politischen Gestaltungskräfte der zentralen Lage Österreichs zur höchsten Wirksamkeit zu entfalten.

Vorerst kam der neue Gewinn der herrscherlichen Machtstellung der Babenberger der Mark und der “ Vollendung der Besiedlung zugute. Erst die Sicherung der Grenzen nach Norden und Osten hat die Besiedlung der waldreichen Gebiete im Waldviertel und in der Oststeiermark ermöglicht, deren Vorgang durch die erfolgreiche Forschungsarbeit von Karl Lechner und Fritz Posch in weitem Ausmaß geklärt worden ist. Die Markgrafen werden erst jetzt so recht die Herren im Lande, da sie durch Gewinnung der Vogteirechte über den ausgedehnten kirchlichen Besitz und die Herabdrückung der hochfreien Geschlechter in die Ministe-rialität die mannigfachen Lücken ihrer Herrschaft ausfüllen.

Mit der inneren Kraft wuchs auch die Bedeutung Österreichs für das Reich. Die Markgrafen erwiesen sich dabei immer als treue Anhänger des damaligen Reichsgedankens. Ernst der Tapfere (1055 bis 1075),' den die Hersfelder Annalen „den ausgezeichnetsten Mann im Reiche“ nannten, gab sein Leben für die Sache Heinrichs IV. im Kampf mit den aufständischen Sachsen. Als aber die kirchenpolitische Auseinandersetzung zwischen Imperium und Sacerdot um im Investiturstreit das Reich in Partien spaltete, finden wir Markgraf Liutpold II. (1075 bis 1096) bald auf der Seite d:r Reformpartei, zu der sich auch die großen Bischöfe des Ostens, Gebhard von Salzburg und Altmann von Passau, bekannten. In dem unausbleiblichen Konflikt kam Österreich in eine kritische Lage, als Kaiser Heinrich IV. die Babenberger absetzte und die Markgrafschaft Herzog Wratislaw von

Uns aber ist das wahre durchdringende Gefühl unserer Gegenwart und die mächtige Ahnung der Vergangenheit, und daß sie beide eins sind — ja das, was allein menschenwürdig ist: der Glaube an u n s selber, alles das ist uns nur in schweren Schicksalsstunden gegeben, es muß wieder und wieder einem bösen, finsteren Geist, der uns niederhält, mit einer Schüssel Blutes abgekauft werden. Es ist, als ob ein Aderlaß immer wieder uns den Kopf freimachen müßte, daß wir erkennen und lieben können. Ein solcher ist über uns gekommen, nun ist Österreichs Antlitz für uns wieder hervorgetreten. So gut wird's den ändern Völkernl Den Schweize.n strömt frei ihr Blut durch die Adern, und in Vergangenheit und Gegenwart gedenken sie des Gemeinsamen, obgleich sLe verschiedene Sprachen reden, so aber auch in dem großen amerikanischen Staat denen, die aus vielen Völkern zu einem Volk gemischt sind und vielfältigen Blutes doch eine Erde lieben und unter ein kaum hundertjähriges Gesetz sich mit Freude schmiegen. Unser Schicksal aber ist härter, unsere Sendung besonderer: uralter europäischer Boden ist uns zum Erbe gegeben, zweier römischer Reiche Nachfolger sind wir auf diesem, das ist uns auferlegt, wir müss.en es tragen, ob wir es wollen oder nicht: heilig und schicksalsvoll ist der Heimatboden!“ Hugo v. Hofmannsthal: .Berührung der Sphären“ (österreichische Bibliothek) in nächster Nähe des bayrischen Herzogtums. Aber schon 50 Jahre später umfaßt er die ganze Mark, die man in den lateinischen Urkunden und Chroniken als „marca“, „plaga“, „pars“ oder „regio orientalis“ oder einfach als „Oriens“ zu bezeichnen pflegte, womit man doch nichts anderes als seine Lage zum bayrischen Herzogtum kennzeichne. „Ostarricbi“ freilich war eine bodenständige Schöpfung, die vielleicht noch in karolin-gische Zeit zurückgeht, ein eigener volkstümlicher Landschaftsname, der in deutlicher Abhebung von Bayern das Aufkommen eines eigenen Landesbewußtseins frühzeitig genug charakterisiert. Als der Markcharakter dieses Landes an der Donau immer mehr verschwand, als nach Vollendung des großen Werkes der Wiederbesiedlung die Kennzeichen eigenen politischen Wesens immer deutlicher in Erscheinung traten, als die Macht der Markgrafen sich siegreich durchgesetzt und die Kräfte des Landes in den Dienst selbständiger und bewußt erfaßter Aufgaben einbezogen hatte, wurde auch an Stelle der unbestimmten reg'onalen Bezeichnung aus alter gelehrter Uberlieferung der Böhmen zusprach, der in der Schlacht bei Mailberg 1080 Sieger blieb, aber sich trotzdem nicht durchzusetzen vermochte. Die Babenberger behaupteten sich nicht nur, sondern stiegen noch weiter empor, als Leopold III. (1096 bis 1-136) durch seine Ehe mit der Kaisertochter Agnes, der Witwe Friedrichs von Schwaben, in enge Verbindung mit dem sächsisdien Königshaus trat. Da auch die künftigen Stauf er-könige mit den Babenbergern verwandtschaftlich verbunden waren, ergaben sich enge Beziehungen zur Reidispolitik, die den Markgrafen unerhörte Aussichten eröffneten. Der hochstrebende Herzog Heinrich der Stolze von Bayern und Sachsen, der sich stark genug fühlte, dem Königtum Konrads III. zu widerstehen, verlor seine Herzogtümer, von denen Bayern an Markgraf Leopold IV. (1036 bis 1041) gegeben wurde. Damit kam Österreich in eine Abhängigkeit von dem Herzogtum, die es hie vorher so aufdringlich .erlebt hatte, ja es schien, als sollte das Schicksal des Landes in dieser engen Verknüpfung mit den großen Problemen der Reidispolitik eine Wendung nehmen, die es aus der eingeschlagenen Richtung seiner politischen Entwicklung drängte. Die Reidispolitik König Friedrichs I. verlangte jedoch die Versöhnung der-Weifen mit dem Reidisgedanken, die Beendigung eines verheerenden inneren Krieges. Heinrich II. Jasomirgott mußte sich dem Willen des Königs und der Fürsten beugen und Bayern wieder herausgeben. Er verlor das Herzogtum, aber nicht seine Würde, die in seinem Hause befestigt wurde, als am 8. September 1156 die Grafschaft Österreich zum Herzogtum erhoben wurde. Damit war nun Österreich vollständig von Bayern getrennt und fortan nur dem Reiche verpflichtet als eines seiner vornehmsten Glieder.

Als Heinrich Jasomirgott seine herzogliche Residenz in Wien aufschlug, erfüllte er damit eine raumpolitische Forderung und schuf damit gleichzeitig einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt, der in der Folge in jeder dieser Beziehungen kraftvoll und glänzend zur Geltung kam. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichten die Babenberger, als sie die blühende Markgrafschaft Steiermark als Reichslehen erhielten. Der letzte Traungauer Herzog Otakar IV. hatte schon 1182 in der Abmachung auf dem Geargenberg bei Enns die Babenberger zu Erben seines reichen Eigenbesitzes eingesetzt und 10 Jahre später fällt ihnen nun auch die Herrschaft im Lande zu. Österreich und Steiermark bleiben zwei voneinander getrennte Länder, verbunden nur in der Person des Herzogs, der über beide herrscht, auch stehen hohe Gebirgszüge einer engeren Verbindung lange Zeit hindernd im Wege; für Österreich ist die Steiermark aber das Tor des Südens in eine neue Welt.

Wie hatte sich doch das Antlitz der österreichischen Landschaft in diesen zweihundert Jahren verändert! Weit und breit ist das Land kultiviert. Die ödungen sind verschwunden, den Wäldern wurde fruchtbarer Boden abgerungen. An den vielbegangenen Straßen erheben sich Märkte, die bereits stadtähnlichen Charakter annehmen. Dörfer und Weiler, nicht viel weniger als heute, zumeist an Wasserläufen gelegen inmitten wohlbestellter Äcker und grüner Wiesen, zeugen von der Fruchtbarkeit und dem Fleiß einer Bevölkerung, deren Ahnen zumeist aus Bayern und Franken in die Mark im Osten verpflanzt worden waren. Sie waren dienst- und zinspflichtig den Herren oder Kirchen, auf deren Boden sie saßen, diese Leistungen waren jedoch nicht so groß, daß sie ihren Wohlstand und ihre Lebensfreude beeinträditigt hätten. Auf steilen Felsen ragten die zahlreichen Burgen der ritterlichen Dienstmannen des Herzogs und besonders der östliche Teil des Landes, der so lange feindlichen Einbrüchen offenstand, war durchzogen von einem Gürtel befestigter Plätze, von „Wartbergen“ und „hohen Warten“, von denen noch in der Neuzeit nach der Väter Sitte Feuerzeichen nahende Feindgefahr verkündete. Abgeschieden von der Welt erhoben sich auf Bergen (Melk, Göttweig) oder in der Einsamkeit gerodeter Waldungen (Heiligenkreuz, Zwettl, Lilienfeld, Geras, Seinenstet-ten usw.) die friedlichen Stätten mittelalterlichen Geisteslebens, die Klöster der Benediktiner, Zisterzienser und Prämonstra-tenser, vom frommen Sinn der Großen des Landes ins Leben gerufen. Aus Bayern, Schwaben, Franken, ja sogar aus Lothringen waren die ersten Mönche gekommen, die nicht nur die tiefreligiöe Gesinnung reformierten Ordensgeistes mitbrachten, sondern auch eine neue künstlerische Gestaltungskraft, die sich in den Kloster- und Kirchenbauten, in den kultischen Gegenständen und Gewändern, in Malerei und Plastik auswirkte. Unter diesem mächtigen und eindrucksvollen Antrieb konnte sich in Verbindung mit anderen Motiven ein bodenständiges Kunstschaffen entwickeln. Es war eben immer so, wie in frühhabsburgischer Zeit der selbstbewußte und heimatliebende Ritter aus dem Waldviertel sang:

„Dünkt dem Ostermann was schick, • Nimmt er's, macht ein Meisterstück Draus. Und darin ist nichts gleich Steiermark und Österreich.“

Angesichts 3er uberragenden Bedeutung, die den Klöstern als Stätten der Bildung, wirtschaftlicher Tätigkeit, sozialer Hilfsbereitschaft als Herbergen und Spitäler eigen war, ist es zu verstehen, daß diese Länder aufblühten und bald zu den schönsten des Reiches zählten. Schon meldeten sich auch die Mendikantenorden der Franziskaner und Dominikaner an, die im XIII. Jahrhundert in die Städte einzogen und sich an das aufstrebende Bürgertum wandten.

Die Herzöge Leopold V. (1177 bis 1194), Friedrich (1194 bis 1198) und Leopold VI. (1198 bis 1230) sind bekannt als die edelsten Repräsentanten der ritterlichen Kultur des Mittelalters. Ihr Sinnen und Trachten geht ins Weite. Mit gläubiger Inbrunst schließen sie sich samt ihrer Ritterschaft der großen abendländischen Bewegung an, die mit dem tragischen Kampf um die heiligen Stätten der Christenheit ein Kulturideal verteidigt, das ein einigendes Band um die Völker Europas schließt. Während sie mit freigebiger Hand ihren klösterlichen Stiftungen in Österreich und Steiermark die religiöskulturellen Aufgaben erleichtern, zwingt sie ihr frommer und ritterlicher Sinn immer wieder zu gefährlichen Wagnissen gegen das Vordringen widerchristlichen Unglaubens. In Palästina, in Ägypten, aber auch in Spanien weht das rot-weiß-rote Banner über eroberte Bollwerke der Sarazenen. Eine neue Welt tut sich auf, die über die Grenzen enger heimatlicher Erfahrung reicht und die Phantasie mit einer Fülle aufregender und betörender Bilder bereichert. Aus Konstantinopel bringt der glorreiche Leopold VI., der Stifter von Lilienfeld, seine Gemahlin mit, die die Mutter der letzten, wenig glücklichen Sprossen seines ruhmreichen alten Geschlechtes werden sollte. Die hohe Zeit des Mittelalters stellt sich in diesen drei Babenbergern mit all der Glut ihrer satten Farbigkeit dar. Ihr Hof zu Wien war ein Sammelplatz der Dichter, ein Ort heiterer Lebensfreude, eine Stätte höfischer Tugend und Bildung. Reinmar, der Alte, sang dort seine Lieder und sein unvergleichlicher Schüler, Herr Walther von der Vogelweide, nahm von hier seinen Weg in die deutschen Lande. Der Wiener Hof der Babenberger entfaltete nicht weniger Glanz als der Hof der Thüringer Landgrafen, ja er übertraf ihn durch seine Lage in einer Stadt, die nadi Köln als die volkreichste des ganzen Reidies galt. Diese StadtanderDonau begann die Gunst ihrer zentralen Lage an dem Kreuzungspunkt der großen Übcrlandstraßen auszunützen. Hier trafen sich die Kaufleute aus Ungarn, Polen, Böhmen, Süddeutschland und Italien. Herzog Leopold VI. hat ihren Wohlstand durch ein Stapelredit gefordert, das die fremden Kaufleute zwang, ihre Waren in Wien zum Kaute auszubieten und sie einheimischen Kaufleuten zur Weiterbeförderung zu überlassen, so daß diesen der ganze reiche Gewinn eines bedeutenden Zwisdienhandels zufiel. Ein eigenes Stadtrecht, das später auch an Enns verliehen wurde, beförderte den Ausbau bürgerlichen Lebens. Diese Stadt sah die Heere der Kreuzritter durch ihre Straßen ziehen, sie sab den fremdartigen Einzug der griediischen Prinzessinnen, die die letzten Babenberger aus dem Morgenland mit heimbrachten, ein buntes und bewegtes Leben, eine reiche Folge lebhafter Eindrücke, ein Schauspiel eigener Art an der Brücke der Völker.

Wie sollte nicht auch das Volk davon ergriffen werden, in dem die alten Weisen heroischer Mär erklangen von König Etzel und Markgraf Rüdiger, von Dietrich wn Bern und König Rother, von Gudrun und Kriemhilde, in denen sich verehrungswürdige Erinnerungen an sagenhafte Zeiten erhielten, als die Völker durch Noricum wanderten. An der Donau fand der Spielmann einen empfänglichen Zuhörerkreis, eine Welt natürlicher Freude an Sang und Sage und aus dieser Welt wuchs er selbst zu seiner größten Sdiaffenskraft empor.

Gewiß gab es im Rhythmus des Lebens auch in Österreich schlimme und mühselige Zeiten in dieser hochgemuten und gesegneten Epoche unseres geschichtlichen Lebens, aber vorherrschend ist doch der Eindruck von Ordnung und Sicherheit des Lebens und fortschreitender Entfaltung der Volkskraft in der Gewinnung des Bodens und im Ausbau des gewonnenen Lebensraumes.

Die lange Reihe der Babenberger beschließt endlich Friedrich II, der Streitbare (1230 bis 1246). Er stiebt in vielem von seinen edlen Ahnen ab. Er ist vor allem keine harmonische Persönlichkeit und leicht temperamentvollen Ausbrüchen übergroßen Selbstbewußtseins unterworfen. Die Zeit, in der die gepriesenen Tugenden mittelalterlicher Lebensauffassung zu wanken beginnen, hat mehrere solcher fürstlidier Erscheinungen hervorgebracht. Seine unmittelbaren Vorgänger hielten treu zum staufischen Königtum, während er so handelt, als wäre sein Territorium eine eigene staatliche Größe, in der sich sein absoluter herrscherlicher Wille durchsetzen soll. Daher kommt er in heillose Zerwürfnisse mit dem Adel, mit dem Klerus und mit dem Kaiser. Von allen Seiten erheben sich Klagen wider sein herrisches Wesen. Der Konflikt mit dem Kaiser, der seinen Namen trägt, steigert sich bis zur Feindschaft, die sich zum Unheil des Landes und des Herzogs auswirkt. Kaiser Friedrich nimmt dem letzten Babenberger seine Herzogtümer, trennt Österreich von Steiermark durch die Bestimmung, daß beide Lände nie mehr in einer Hand vereinigt sein dürfen, unterstreidit diese Verfügung durch Bestätigung und Erweiterung der Privilegien des steirischen Dienstadels. Er zerstört die Einheit des Territoriums durch Erhebung Wiens zu einer reidisunmittclbaren Stadt. Es ist der Versuch, eine Entwicklung rückgängig zu machen, die Österreich dem Reich zu entfremden schien. Schon Leopold VI. hatte seine landesherrlidie Stellung und Befugnis mit Nachdtuck zur Geltung gebracht, ja sich nicht gescheut, seine landesfürstliche Macht „von Gottes Gnaden“ abzuleiten, er hat Österreich die kirchliche Unabhängigkeit von Passau verschaffen wollen, sein Sohn kennt nichts als Österreich und seine Politik schlägt in die Richtung eines betonten eigenstaatlichen österreichischen Interesses.

Die kaiserliche Macht bringt den leidenschaftlichen Herzog in äußerste Bedrängnis, drängt ihn in den letzten Winkel seines Herzogtums, aber von Wiener Neustadt aus, der „Allzeit getreuen“, gelingt dem Verfolgten die Wiederaufrichtung seiner Herrschaft durch kluge und tatkräftige Ausnützung der Not, in die der Kaiser durch sein Zerwürfnis mit dem Papst gerät. Der Kaiser sdieint schließlich sogar willens zu sein, seine ursprüngliche Politik gegenüber Österreich, die ja nicht nur vom Interesse des Reiches, sondern auch seiner eigenen dynastischen Machtstellung diktiert war, vollständig zu ändern und Österreich eine besondere reichsrechtliche Stellung wie sie das Königreich Böhmen besaß, zuerkennen zu wollen. Schon ist die Urkunde ausgestellt, die Österreich, Steiermark und Krain zu einem Erbkönigreich zusammenfaßt, in dem die Primogeniturerbfolge gelten soll, so daß sich schon damals die Grundzüge einer österreichischen Gesamtstaatsidee abheben, aber die Ausführung des Entschlusses sdieitert an der Weigerung der Schwester des Herzogs, Gertrud, ihre Hand dem gebannten Kaiser zum Ehebund zu reichen, die gelockerte reichsrechtliche Verbindung durdi eine dynastische zu ersetzen.

Es bleibt dahingestellt, wie weit diese umgestaltenden Pläne des Herzogs aus seinem eigenen landesfürstlichen Bewußtsein entspringen ctder der besonderen Stellung gegenüber Böhmen und Ungarn zuzuschreiben sind, mit denen er sieb in vielen kriegerisdien Zusammenstößen auseinanderzusetzen hat und denen er von der Grundlage gleichberechtigter Würde und gesammelter Kraft begegnen will, jedenfalls läßt er sich von keinem anderen Gesichtspunkt leiten, als dem, den ihm die besondere Lage Österreichs vorschreibt. Er sieht sich auch im Kampfe gegen das heranziehende mongolische Üngewitter auf seine eigenen Kräfte angewiesen. Während sich das Reidi ängstigt, aber nicht erhebt, zieht er mit dem ihm eigenen tollkühnem Mut dem gefürchteten, scheinbar unbesiegbaren Feind entgegen und verwehrt ihm den Einbruch. König Beia von UngÄn hatte ihm dafür einige Grenzgebiete um ö d e n-burg und Raab überlassen und im Kampf um sie ist er am 15. Juni 1246 unweit von Wiener Neustadt an der Leitha gefallen.

Die Chronik des Klosters Garsten vermerkt dieses Ereignis mit dem beweglichen Seufzer: „Österreich und Steiermark, gleichsam ein einziges Land, sitzt im Staube, traurig und seufzend, seines Herrschers und Erben beraubt.“ Herr Ulrich von Liechtenstein weiß zu berichten: „Nach ihm erhub sich große Not in Steier und Österreich. Mancher ward arm, der früher reich war. Es geschah viel Unbill; man beraubte die Länder Tag und Nacht, wovon viele Dörfer wüste liegen. Die Reichen nahmen den Armen ihr Gut, womit sie ihre Würdigkeit verloren.“ Die Zwettler Chronik bemerkt zum Jahre 1246: „Darnach war Österreich seines eigenen Fürsten und rechten Erben beraubt und ging in die Hände anderer Fürsten über zum Unglück von Land und Leuten.“ Es beginnt der heiße and zerstörende Kampf um das reiche Erbe, der ein Kampf um Österreichs Dasein und das Gestaltungsprinzip Mitteleuropas ist. Die Habsburger, die diesen Kampf gewinnen, werden das Werk der Babenberger fortsetzen und es vollenden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung