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Toleranz für Protestanten hundert Jahre vor Kaiser Joseph IL

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Auf den großen Stadtansichten Canalettos von Wien, Dresden und Warschau kann man ablesen, welche Visionen August der Starke hatte, als er unversehens (weil sein älterer Bruder an den Pocken gestorben war) 1694 zur Regierung kam. In jungen Jahren hatte er halb Europa bereist und besonders aus Venedig und Wien starke Eindrücke mitgenommen. Eine Pracht-Wasserstraße wie den Canale Grande hat er später auch seinen Residenzstädten Dresden und Warschau zugedacht. Wozu sonst floß hier die Elbe, dort die Weichsel durch die Stadt?

Das „Augusteische Zeitalter” der beiden Herrscher Friedrich August I. und der II. brachte Sachsen zwar viele kriegerische Verwicklungen, zugleich aber die größte Entfaltung von Macht und Pracht. Dresden wurde zur Barockstadt, zum „Elbflorenz”. Wie positiv später auch die Polen im Rückblick die Zeit unter den sächsischen Königen (bis 1765) einschätzten, geht daraus hervor, daß es noch bis zum Zweiten Weltkrieg eine politische Partei gab, die einen neues wettini-sches Königreich anstrebte.

Daß die große Zeit Sachsens nicht plötzlich vom Himmel fiel, daß Sachsens Schicksal durch mehr als ein halbes Jahrtausend eng mit dem des Hauses Habsburg verflochten war, ist eines der Erkenntnisse, die man aus dem neuen Buch „Die Wettiner in Lebensbildern” gewinnen kann. Der Verfasser, Albert Herzog zu Sachsen, ist selbst Angehöriger des Hauses. Jedes dieser Medaillons ist ihm gut gelungen, die übergreifenden Entwicklungen und Zusammenhänge muß der Leser weitgehend selbst herauslesen. Der Autor ist ein anerkannter Historiker, seine Darstellung geht über eine interne Familienchronik weit hinaus.

Die erste habsburgisch-wettinische Eheschließung gab es schon 1431: Margarethe, Tochter des Herzogs Ernst von Innerösterreich und der Polin Cimburgis von Masowien, heiratete Friedrich den Sanftmütigen. Es

war wie ein politisches Programm: Beziehungen nach Süden und Osten hatten fortan Vorzug. Die folgenreichste Eheschließung war die zwischen Friedrich-August II. und Maria Josepha, der Tochter Kaiser Josefs I. 1719.

August der Starke war 1697 in Baden bei Wien katholisch geworden, um die polnische Königskrone zu erwerben. Mit Josef war er schon auf seiner Beise als junger Prinz in Wien bekannt geworden. Vielleicht hat man damals bereits über eine solche Eheverbindung gesprochen? Jedenfalls hatte August in Wien gesehen, wie man große Hoffeste feiert. Das bot er seiner Schwiegertochter zur Vermählung auch: Das Hochzeitsfest in Dresden bezog mit vielen Schiffen auch die Elbe ein. Mit dem Übertritt zum Katholizismus war der Weg frei nicht nur für politisch zweckmäßige Heiraten mit Habsburgern und Wittelsbachern. Es strömte auch die barocke Kultur aus dem Süden ein. Zugleich mußte August aber, da er das Stamm-land der Reformation nicht wieder katholisch machen konnte, fast ein Jahrhundert vor Josef II. die Toleranz gewähren.

August der Starke hatte seine Gemahlin schon deshalb auf Distanz gehalten, weil sie nicht katholisch werden wollte und Polen nie betreten hat. Mit seinen zwölf Nebenfrauen zeugte er viele, zum Teil recht begabte Kinder, darunter den Marschall Moritz von Sachsen. Friedrich August war der einzige legitime Sohn.

Als dieser 1733 zur Regierung kam, sorgte Maria Josepha für ein jähes Ende der „Mätressenwirtschaft”. Sie nahm auch an politischen Entscheidungen teil. Zur letzten ehelichen Verbindung der beiden regierenden Häuser kam es im Unglücksjahr 1866, als Osterreich und Sachsen den Krieg gegen Preußen verloren. Erzherzog Otto heiratete Maria Josepha Luise Philippine Elisabeth Pia Angela Margarethe. Sie wurden die Eltern des letzten Kaisers, Karl I. Die Treue der Sachsen zu Reich und Kaiserhaus erwies sich an vielen Stationen der Geschichte, die im allgemeinen wenig beachtet werden. So half Alb-' recht der Beherzte schon Kaiser Maximilian I. gegen die Ungarn, die 1490 Kaiser Friedrich III. aus Wien vertrieben hatten. Zwar waren die Wettiner von 1539 bis 1697 evangelisch, aber Heinrich der Fromme ging nicht mit den evangelischen Fürsten des „Schmalkaldischen Bundes” zusammen, sondern machte seine eigene Politik, die allerdings nicht gerade kaisertreu war, als er dem französischen König die Städte Toul, Metz, Verdun und Cambrai zuschanzte und die Reichsstädte Ulm und Augsburg überfiel.

Auch im Dreißigjährigen Krieg ging Sachsen seinen eigenen Weg: kaisertreu, wo es sich lohnte. Das brachte immerhin die Ober- und die Niederlausitz, die mit ihrem slawischen Bevölkerungsanteil eine erste Brücke nach Polen darstellten und in konfessioneller Mischung Toleranz erforderten. Von den Geschichtsbüchern nur am Bande bemerkt, unterstützten die Sachsen das kaiserliche Heer 1664 bei St. Gotthard gegen die Türken und waren 1683 mit 11.000 Mann beim Entsatz von Wien dabei - unter der Führung jenes Polenkönigs Jan So-bieski, dessen Nachfolger dann August der Starke wurde.

War man in der großen Politik kaisertreu und unterstützte im Wahlgremium der Kurfürsten fast immer den habsburgischen Kandidaten, so tat es andererseits der wirtschaftlichen Entwicklung Sachsens sehr gut, wenn es tüchtige Bauern und Handwerker aus Österreich und Böhmen aufnahm, die wegen ihres Glaubens vertrieben wurden. Das Jahr 1683 gilt übrigens so wie in Wien auch in Dresden und Leipzig als Beginn des Kaffeegenusses und der Kaffeehauskultur, zu dem die Meißener Porzellan-Manufaktur das nötige Geschirr beitrug.

Die beiden Söhne Friedrichs des Sanftmütigen aus der Ehe mit Margarethe von Österreich (1431) wurden zu Stammvätern der in Dresden regierenden albertinischen und der er-nestinischen Linie der Wettiner. Die Ernestiner gliederten sich immer weiter auf, und es ist auch unserem Autor nicht gelungen, ihren Stammbaum in seinem Buch auszubreiten. Mit den Herzögen von Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen symbolisieren sie geradezu die mitteldeutsche Kleinstaaterei, aber auch die bedeutenden Musenhöfe wie Weimar oder Gotha. Aus der Familie Sachsen-Coburg und Gotha gingen dann im 19. Jahrhundert die Könige von Belgien, Portugal, Bulgarien und der Prinzgemahl Albert von Großbritannien hervor: Fürwahr eine europäische Familie!

DIE WETTINER IN LEBENSBILDERN

Von Alberl Herzog zu Sachsen. Styria Verlag, Graz 1995. 592 Seiten, Abbildungen, Stammbäume, Ln., öS 420,-

Lieblich, grandios, öde, schroff - Island

Wenn es so weitergeht mit den sommerlichen Hitzewellen, werden die Touristenbomber womöglich eines Tages ihre Flugrichtung umkehren und ihre Last im Norden abladen statt irgendwo zwischen Mallorca, Kenia und den Malediven. Und dann ist auch Island verloren. Deshalb kann man den Dumont-Verlag wegen seines soeben erschienenen Island-Führers nur rügen, weil er selbst Nordsee-Fans verführen könnte, sich nicht mit Rügen zu begnügen. Er macht richtig scharfe Zähne auf die Insel des Feuers und des Eises. Mildernder Umstand: Die Autoren schrecken Massentouristen ab. Sie machen klar, daß in Island jeder Schritt vom Wege entweder Selbstmord oder Umweltfrevel ist. Sie zählen auf, was man selbst auf kleinen Spaziergängen nie vergessen sollte (in Summe eine schwache Sher-pa-Traglast). Sie halten mit Kosten und Unbequemlichkeiten nicht hinterm Berg. Wer es dann doch wagt und sich auf eine der 38 beschriebenen Routen einläßt, den erwartet Unvergeßliches. Herrliche kleine Farbfotos künden davon. Wenn man es recht bedenkt, werden wohl nur wenige die gebotenen Ratschläge nutzen. Ein Glück. Anderenfalls müßte man sich beeilen und Island besuchen, solange es ein Geheimtip ist.

KW.

ISLAND Natur und Kultur- praktische Tips. 58 Wanderungen. Von Sabine Gorsemann und Christian Kaiser: Dumont Buchverlag, Köln 1995. 240 Seiten, Fotos und Karlen in Farbe, öS 2)5,-

Ein Buch für die Freunde Adebars

Sie werden derzeit im Burgenland eifrig ausgebildet. Bis zum Herbst müssen sie ihre Flugprüfung bestanden haben. Anschließend gehen sie mit ihren Eltern auf die erste große Reise ihres Lebens. Allerdings hetzen sie nicht in den Süden, sondern gleiten. Aufwinde nutzend. Kraft sparend. Sie, die Störche. Besonders empfehlenswert für Naturfreunde im Osten Österreichs, die bei Marchegg eine der größten Stor-chenkolonien Europas vor der Haustür haben: Michael Lohmanns Storchenbuch. Viel Wissen, unaufdringlich vermittelt. Bis hin zum Informationellen, daß auch Störche selbst oft nicht zwischen Männlein und Weiblein zu unterscheiden wissen. Es gehört aber auch in die Amtsstuben, weil zum Storchen-, wie überhaupt zum Naturschutz mehr nötig ist als passive Schutzmaßnahmen.

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