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Aus der Chronik des Hauses Österreich

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DIE HABSBURGER-CHRONIK. Von Wilhelm

Knap pich. Verlag ..Das Bergland-Buch“, Salzburg. 3 50 Seiten. 32 Abbildungen, 19 Zeichnungen. Preis 86 S.

Das Vorwort des Buches von Knappich spricht mit Recht von einem „wachsenden Interesse der Allgemeinheit an dem Schicksal einer Dynastie, die durch fast 650 Jahre die Politik Europas in entscheidenden Phasen bestimmte und für Geschichte und Kultur des Abendlandes bedeutsam wurde". Diesem wachsenden Interesse solle das vorliegende Buch entgegenkommen, das als ein „Volksbuch“ bezeichnet wird, das die Regenten des Hauses Habsburg „ohne parteiliche Glorifizierung und gehässige Verzerrungen“ darstellen will. Es muß fairerweise zugegeben werden, daß sich das Buch tatsächlich bemüht, die jahrhundertelange Geschichte des habsburgischen Hauses objektiv und ohne Verzeichnungen wiederzugeben. Leider unterlaufen dem Verfasser eine große Zahl von Flüchtigkeitsfehlern, die natürlich den Wert des Werkes beeinträchtigen. So wird immer wieder — ein scheinbar unausrottbarer Fehler — von den Habsburgern als „deutschen Kaisern“ gesprochen (56, 113, 159, 201, 269). Bekanntlich gab es aber deutsche

Kaiser nur von 1871 bis 1918. Die Kaiser des Mittelalters und der Neuzeit bis zu Franz II. waren „Römische Kaiser“. Nodh in seinem Abdankungsdekret von 1806 bezeichnet sich Franz II. als solcher. Bei Maximilian II. sagt der Verfasser richtig, daß er das Abendmahl unter beiderlei Gestalten nahm, fügt aber nicht hinzu, daß dies ein ihm gewährtes päpstliches Privileg war (131). — Vom gleichen Kaiser behauptet das Buch, daß er ein undogmatischer Christ war (132), was es bekanntlich nicht gibt. — Bei der Schilderung der Gegenreformation (158) wird der Hinweis vergessen, daß die Habsburger ja nur den Grundsatz „cuius regio, eius religo" befolgten. Es wird ferner der Hinweis vergessen, daß der Adel Oesterreichs durch viele Jahrzehnte durch ein Privileg nicht diesem Grundsatz unterworfen war. Es wird ferner der Hinweis vergessen, daß alle jene, die auswandern mußten, ihre Habe verkaufen durften und den Erlös mitnehmen konnten. Auf S. 173 heißt es: „Allerorts verbrannte man Hexen, und die Jesuiten trieben zahlreiche Teufel aus.“ Kein Wort ist aber von dem heroischen Kampf der Jesuiten gegen den Hexenaberglauben und die Hexenverbrennnng zu finden. — Ofen war nicht 125 Jahre türkisch (180), s-ndern 150 Jahre — Maria' Theresia war nicht Königin von Ungarn (215), sondern t. .ch ungarischem Staatsrecht „König“, weshalb 1741 die Magnaten mit Recht riefen „Moria-

mur pro rege nostro.“ — Bei Schilderung des Aufenthaltes Pius’ VI. in Wien entrutscht dem Verfasser die Stilblüte: „Der Papst wurde vom Kaiser mit allen! schuldigen Ehren empfangen und über einen Monat reichlich bewirtet.“ (252.) — Der zweite Koalitionskrieg dauerte nicht von 1799 bis 1802, sondern nur bis 1801 (268). — Erzherzog Franz Karl, der Vater Kaiser Franz Josefs, wird einmal als antiliberal und der Politik abgeneigt bezeichnet (285), auf der nächsten Seite aber wieder als liberal. — Erzherzog Franz Ferdinand wird als ein Anhänger des Präventivkrieges geschildert (310), während doch die Forschung längst nachgewiesen hat, daß er einer der schärfsten Gegner desselben war. — Der spätere Kaiser Karl war zur Zeit der Ermordung seines Oheims nicht Oberleutnant, sondern besaß seit dem 1. November 1912 die Charge eines k. u. k. Majors. Aber genug der Fehlerhinweise. Mögen sie dazu dienen, daß bei einer Neuauflage die Fehler verschwunden sind.

Auf zwei weitere Mängel des Buches sei noch hingewiesen: Leider erwähnt der Verfasser mit keinem Wort die Habsburger-Gesetze von 1919 und das darin enthaltene Unrecht. Leider erwähnt dagegen der Verfasser bei vielen Habsburgern ihre Nitivitäten Und zieht daraus horoskopische Schlüsse, die er dann durch die Geschichte bestätigt sehen will, wodurch er dem astrologischen Unfug indirekt Schützenhilfe leistet. Gerade aber ein „Volksbuch" sollte sich von solchen Dingen fernhalten.

DER BRANDHOFER UND SEINE HAUSFRAU. Eigenhändige Aufzeichnung des Erzherzogs Johann von Oesterreich. Herausgegeben von Alfred W o k a u n. Mit einem Beitrag über die Persönlichkeit des Erzherzogs von Walter Koschatzky. 270 Seiten. 32 Abbildungen. Preis 135 S.

1850, wenige Monate nach der Niederlegung der deutschen Reichsverweserschaft, nach dem Scheitern so vieler Hoffnungen und Pläne, begann Erzherzog Johann die Erzählung seiner großen Liebe zur Postmeisterstochter Anna Plochl unter dem Titel „Der Brandhofer und seine Hausfrau" niederzuschreiben. Die vielen verzeichneten Darstellungen in populären Dichtungen, in. den demokratischen und liberalen Zeitungen der achtundvierziger Jahre, die immer wieder auf die bürgerliche Heirat des steirischen Prinzen hinwiesen, mögen den Erzherzog auf die Idee gebracht haben, durch eigene. Aufzeichnungen der Nachwelt zu zeigen, wie es „wirklich gewesen ist“. 1930 kamen diese Aufzeichnungen zum erstenmal im Druck heraus, das heurige Erzherzog-Johann-Jahr gab Gelegenheit, dieses schon bald vergriffene Buch wieder der Oeffentlichkeit zugänglich zu machen.

In diesen Aufzeichnungen über eine große und schwer erkämpfte Ehe (Erzherzog Johann mußte viele Jahre warten, bis er — und dann noch heimlich — Anna Plochl heiraten durfte, er mußte weitere zehn Jahre auf die Geburt eines ersehnten Kindes warten) offenbart sich der wahre Charakter dieses großen Prinzen und großen Menschen — seine Einfachheit, seine Liebe zu den Bergen, seine Abneigung gegen die Städte, seine Abneigung gegen konventionelle Ehen — viel mehr und viel besser als in so mancher Darstellung. Aus diesen Zeilen geht auch hervor, daß die Ehe mit der einfachen Postmeisterstochter gar keine Mesalliance im herkömmlichen Sinne war, sondern der Wesensart des Erzherzogs völlig entsprach. In seinem schlichten Wesen kann der Prinz allerdings nicht seine Abstammung von seinem Vater, dem berühmten Großherzog Leopold von Toskana, den späteren römischen Kaiser Leopold II., verleugnen, dessen Intelligenz, dessen Fleiß'er geerbt hat, wie auch nicht seine Verwandtschaft zu seinem Oheim Josef TL, dessen große Schlichtheit, dessen Menschenfreundlichkeit er überall nachzueifern versuchte.

Ein kurzer Beitrag über das Leben dieses großen Oesterreichers von Koschatzky. eine genaue Zeittafel ergänzen dieses wertvolle Buch. Besonders lobend müssen die farbigen Reproduktionen der dem Buch beigegebenen, entzückenden Bilder von Lofer, Gauermann, Schnorr von Carolsfeld usw. aus dem Leben des Erzherzogs hervorgehoben werden, die das Buch direkt zu einer bibliophilen Kostbarkeit machen.

GRÜNER PURPUR. Erzherzogin Leopoldina, Brasiliens erste Kaiserin. Von Olga O b r y. Rohrer-Ver- lag, Wien. 319 Seiten. 40 Abbildungen. Preis 125 S.

Das große Interesse, das immer weitere Kreise der Geschichte der Habsburger entgegenbringen, bringt es mit sich, daß auch jene Mitglieder des Erzhauses, die keine bedeutende geschichtliche Rolle spielten, ihre Biographien erhalten. So die Erzherzogin Leopoldina, Tochter Kaiser Franz’, jüngere Schwester Kaiser Ferdinands und Maria Louisens.

Wie letztere war auch Leopoldina ein Opfer der Heiratspolitik des Wiener Hofes. 1817 wurde ' sie nach Brasilien verheiratet, wo die portugiesische Königsfamilie seit ihrer Flucht vor Napoleon lebte. Ihr Bräutigam, Don Pedro, der Kronprinz, war ein moralisch recht defekter Mann. Außerdem hatte er einen großen politischen Ehrgeiz, der ihn gegen den eigenen Vater revoltieren ließ, um schließlich die .Unabhängigkeit Brasiliens und dessen Erhebung zum Kaiserreich ä la Napoleon zu erreichen.

Nach neunjähriger Ehe stirot diese erste Kaiserin Brasiliens, deren Sohn der letzte Kaiser dieses Landes wird und zu einer Zeit regiert, da in Mexiko für kurze Zeit ein Habsburger seine Herrschaft über dieses Land aufrecht zu halten sucht. Kaum jemals drang ein Wort über das Unglück ihrer Ehe über ihre Lippen. Denn wenn sie auch geistig nicht bedeutend war, so war sie dennoch eine stolze Habsburgerin, die innig an ihrem Vater hing, ihrem Mann treu war und in großartiger Haltung zu sterben verstand.

Das Buch von Olga Orby ist zu breit, aber Frauen können fast nie kurze Bücher schreiben, und so ist der Leser nachsichtig. Eine der positivsten Seiten des Buches sind die entzückenden Bildbeigaben von Thomas Ender, der Leopoldina begleitete und Brasilien in biedermeierischen Bildern einfing. Nicht minder positiv ist das schöne Nachwort Sigmund Freibergs, des Betreuers der Brasilienaquarelle Enders, der 1954 auch eine Ausstellung dieser Bilder in Sao Paulo arrangierte. — In der Zeittafel wird (fast ist man versucht, zu sagen „natürlich“) von der deutschen Kaiserwürde Franz’ II. gesprochen. Wann wird diese Verwechslung von römischen und deutschen Kaisern endlich aus der Literatur verschwinden?

OTTO VON HABSBURG. Weg, Weltbild und Werk. Von Arthur Werner. Im Selbstverlag des Verfassers. 240 Seiten. 4 Farbtafeln, 80 Abbildungen.

Arthur Werner hat endlich eine Aufgabe gelöst, die längst fällig war: eine Biographie über den Chef des Hauses Oesterreich zu schreiben. Die letzten Werke über Otto von Habsburg stammen aus den dreißiger Jahren (Zessner, „Otto von Oesterreich“; Werkmann, „Otto von Habsburg“) und sind längst überholt; Ueberholt durch die Ereignisse, die inzwischen über die Welt rollten, überholt aber auch durch die überragende Bedeutung, die inzwischen Otto v. Habsburg erlangen konnte. Denn es gibt eine seltsame Tatsache: Von all den europäischen Thronprätendenten, von all den abgedankten Königen und Fürsten — von den deutschen bis zu den rumänischen Hohenzollern, von den Karageorgewitschen bis zu den bulgarischen Koburgern, von den Savoyern bis zu den spanischen Bourbonen, von den Wittelsbachern bis zu den Romanows — spricht niemand mehr, außer verkitschte Artikel in nicht ernst zu nehmenden Illustrierten.' Es gibt nur eine einzige Ausnahme von dieser Tatsache: diese Ausnahme heißt Otto von Habsburg. Die Gründe sind zweifach: erstens hat sich die habsburgische Idee als eine der wenigen wahrhaft großen echten politischen Ideen erwiesen, deren Gültigkeit in Europa von immer mehr Menschen anerkannt wird. Und zweitens hat sich der Chef des Hauses Habsburg als der würdige und echte Vertreter dieser Idee, als eine wahre politische Kraft erwiesen, an der niemand vorbeigehen kann.

In dem Buch von Arthur Werner wird, unterstützt von zahlreichen sehr interessanten Bildern, das Leben dieses Habsburgers gezeichnet. Das schwere Leben, denn das Schicksal hat dem heutigen Chef des Hauses Oesterreich kaum ein Leid erspart.

Und der Verfasser zeichnet weiter das Programm Otto von Habsburgs, das offen zu Tage liegt in zahlreichen Publikationen, in zahlreichen Reden, in zahlreichen anderen Veröffentlichungen, zuletzt in dem Buch „Soziale Ordnung von morgen".

Und Arthur Werner weist zum Schluß mit Recht auf die unbegreifliche Tatsache hin, daß Otto von Habsburg, dessen Bedeutung heute in der ganzen Welt anerkannt ist, die Heimkehr in sein Vaterland verwehrt ist, daß seine offizielle Heimat nur negativ, in Abwehrmaßnahmen, von ihm Notiz nimmt. So erfüllt das Buch von Werner in jeder Beziehung die Aufgabe. die es sich gestellt hat.

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