Der Kampf der Kaiserin

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Wie sich Maria Theresia gegen zahllose Widerstände von Innen wie Aussen mit Konsequenz und Beharrlichkeit ihr Reich sicherte. Maria Theresia "Der Grossen" zum 300. Geburtstag am 13. Mai 2017.

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Wie sich Maria Theresia gegen zahllose Widerstände von Innen wie Aussen mit Konsequenz und Beharrlichkeit ihr Reich sicherte. Maria Theresia "Der Grossen" zum 300. Geburtstag am 13. Mai 2017.

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Eigentlich sollte man diese Selfmade-Monarchin "die Große" nennen. Ihr Vater Karl VI. hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihre Erbfolge zu sichern, und zugleich alles getan, um sie zum Regieren ihrer Länder unfähig zu machen. Der Kaiser erzieht zwar den Schwiegersohn Franz Stephan von Lothringen für die Regierungsgeschäfte - nicht aber die Tochter! Als Karl VI. 1740 stirbt und mit ihm das Geschlecht der Habsburger im Mannesstamm erlischt, ist Maria Theresia 23 Jahre alt, hat mit Franz Stephan drei Töchter, ist zum vierten Mal schwanger und nach allgemeiner Ansicht nicht regierungstauglich.

"Ach, ade meine Jugend!", soll sie bei der Nachricht vom Tod ihres Vaters ausgerufen haben. Karl VI. hinterlässt leere Staatskassen, ein desolates Heer und ein Bündel "feierlicher Verträge", mehrfache Bestätigungen der Pragmatischen Sanktion von 1713, welche die weibliche Erbfolge für zulässig erklärt, und deren Autogramme zwar für ein Stammbuch europäischer Herrscher taugen, politisch aber das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind.

Preussische Steilvorlagen

In Berlin hat nahezu zeitgleich der um fünf Jahre ältere Hohenzoller Friedrich II. den Königsthron des aufstrebenden Landes Brandenburg-Preußen erklommen. Er liefert seiner Kollegin in Wien sofort eine Steilvorlage nach der anderen. Zum einen geht er daran, seinen Staat in einen neuen politischen Aggregatzustand zu versetzen, schafft die Folter ab und toleriert neben der eigenen lutherischen noch andere christliche Konfessionen; zum anderen zieht er vergilbte Erbansprüche aus der Lade, rückt in Schlesien ein und schnappt sich diese reichste aller österreichischen Provinzen.

In der Zwischenzeit erinnert sich der bayerische Kurfürst Karl Albrecht, dass er der Schwiegersohn des längst verstorbenen Kaisers Josephs I. ist und Ansprüche auf die böhmische Krone hat. Auch andere europäische Mächte entdecken, dass ihnen Teile des habsburgischen Imperiums "zustehen". 1741 rücken Sachsen, Bayern und Franzosen in die österreichischen Erblande Oberösterreich und Böhmen ein, und das mittlerweile so wie Frankreich von Bourbonen regierte Spanien nimmt sich die italienischen Länder der Habsburger. Dagegen steht Maria Theresia mit leeren Kassen und einem verlotterten Heer da, dessen viele Völkerschaften einander nicht verstehen, geführt von alten Generälen. In dieser aussichtslosen Situation setzt sie auf die Ungarn. Deren Magnaten sind in Preßburg, der alten Krönungsstadt des Königreichs, eigentlich zum Reichstag zusammengekommen, um der Habsburgerherrschaft den Laufpass zu geben. Maria Theresia eilt aus dem Wochenbett nach Preßburg, sie hat soeben ihren ersten Sohn Joseph zur Welt gebracht.

Das Kind im Arm (zumindest nach einer wunderbaren Legende), appelliert sie mit tränenerstickter Stimme an den Edelmut der Adelsversammlung und sagt den ungarischen Ständen allerlei weitere Privilegien zu. Die Stimmung kippt, der Reichstag schließt mit "Éljen"-, also Heilsrufen. Die Magnaten krönen sie formell zur Königin von Ungarn, stellen 20.000 Soldaten zur Verfügung, und dem tüchtigen General Ludwig Andreas Graf von Khevenhüller gelingt es, die Hauptstadt Bayerns einzunehmen.

Just an dem Tag, als die Österreicher 1742 München erobern, wird der Wittelsbacher Karl Albrecht in Frankfurt zum Kaiser gekrönt - als erster Nicht-Habsburger seit 1440! Doch seine Zeit ist auch schon wieder vorbei, denn das Blatt wendet sich. England und Holland sind am Weiterbestand des europäischen Gleichgewichts interessiert und sponsern die österreichische Kriegsführung. 1745 stirbt der Wittelsbacher Kurzzeitkaiser Karl Albrecht. 1748 gibt auch "Fritze" Ruhe und bestätigt die Pragmatische Sanktion. So enden zwei Schlesische Kriege und ein österreichischer Erbfolgekrieg. Friedrich II. darf den Großteil Schlesiens behalten und wählt dafür gemeinsam mit den anderen deutschen Fürsten Franz Stephan zum Kaiser Franz I.

Diese Kriege und der nachfolgende noch viel schlimmere bringen eine Generation gebildeter Europäer zum Nachdenken darüber, wie denn die Zeiten und Staaten besser beschaffen sein könnten, in denen sie leben. So nährt der Krieg die Aufklärung

Herrscherin und Hobbykaiser

Maria Theresia übernimmt die Zügel der Herrschaft und hält sie straff in der Hand, während ihr Gemahl seinen teuren Hobbys wie der Kuriositätenkammer und der naturwissenschaftlichen Sammlung, die das spätere Kunsthistorische Museum begründet, und diversen Liebschaften frönt. Sie holt sich den Stardiplomaten Wenzel Anton Graf Kaunitz als Kanzler, der ihr rät, die Allianzen zu wechseln. Denn er hat eine Annäherung zwischen Preußen und England bemerkt, die auch die Franzosen beunruhigt. 1756 schließen Österreich und Frankreich ein Bündnis -eine historische Premiere! Auf der Stelle rückt daraufhin Preußen ins inzwischen mit Österreich verbündete Sachsen ein. Österreich schießt zurück, und mit ihm Frankreich, Schweden und Russland, die alle keine weitere Expansion Preußens wollen. Friedrich II. wird von den Briten unterstützt, die das Ganze zum Kolonialkrieg gegen die Franzosen in Nordamerika und Indien ausweiten, wodurch daraus der erste eigentliche Weltkrieg wird! 1763 endet der Siebenjährige Krieg in Europa mehr oder weniger aus allgemeiner Erschöpfung mit einer Pattstellung. Dafür musste mehr als eine halbe Million Menschen durch unmittelbare Kriegshandlungen allein auf dem europäischen Festland sterben.

Die fruchtbare (16 Kinder!) Kaiserin (als Gemahlin des Imperators führt sie diesen Titel) verheiratet ihre Kinder in politisch wichtige Fürstenhäuser. Den ältesten Sohn Joseph zunächst an eine Prinzessin von Spanien, nach deren Tod an eine bayerische Prinzessin; Sohn Leopold mit Maria Ludovica, der Tochter des bourbonischen Königs von Spanien; Tochter Maria Christina an den hochtalentierten Albert von Sachsen-Teschen, dem Wien die Albertina verdankt. Und da ist dann noch das Nesthäkchen Maria Antonia oder auch "Antoinette", das 1770 zur Verfestigung des austro-französischen Pakts als weinende 14-Jährige mit dem einfältigen Kronprinzen Ludwig von Frankreich verheiratet wird Bereits 1765 ist Franz I. Stephan gestorben, die 48-jährige Maria Theresia hat sich die Haare abschneiden lassen und schwarze Witwenkleidung angelegt. Nie wieder wird die "Imperatrix vidua", die Kaiserinwitwe, anders als in Schwarz gesehen werden. Ihr ältester Sohn wird als Joseph II. in Frankfurt zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt, mittlerweile ein Kasperltitel ohne reale Macht, mit bloß symbolischem Ansehen. Dennoch ist der Weg frei für tiefgreifende Reformen. Doch diese Geschichte mag ein anderes Mal zu erzählen sein...

Martin Haidinger ist u. a. Autor des Buches "Franz Josephs Land. Eine kleine Geschichte Österreichs"(Amalthea 2016). Darin werden auch Maria Theresia und ihre Zeit breit behandelt.

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