Monarchin der Reformen

19451960198020002020

Vor 300 Jahren wurde Erzherzogin Maria Theresia Walburga Amalia Christina geboren. 40 Jahre lang regierte sie ein Imperium, von Böhmen bis Norditalien.

19451960198020002020

Vor 300 Jahren wurde Erzherzogin Maria Theresia Walburga Amalia Christina geboren. 40 Jahre lang regierte sie ein Imperium, von Böhmen bis Norditalien.

Werbung
Werbung
Werbung

Bis heute haben wir in Österreich keine definitiv gleichberechtigte Stellung der Frau in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft geschafft. Umso unbegreiflicher scheint es, dass vor fast drei Jahrhunderten vier Jahrzehnte lang, und zwar von 1740 bis zu ihrem Tod im Jahr 1780, eine Frau ein Reich, oder besser gesagt, ein Imperium regierte, das von Böhmen über Wien bis Norditalien reichte. Maria Theresia war eine Frau, die sich nicht nur unter Männern behaupten musste, sondern in der Männerwelt von Fürsten und Königen.

Erzherzogin Maria Theresia Walburga Amalia Christina wurde am 13. Mai 1717 als zweites Kind Kaisers Karl VI. und seiner Ehefrau Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel in Wien geboren. Ihr älterer Bruder Leopold Johann, 1716 zur Welt gekommen, starb noch im selben Jahr. Maria Theresia war die älteste von drei Töchtern, ihr Vater der letzte männliche Nachkomme des Hauses Habsburg.

Schon im Jahr 1713 hatte Karl VI. die "Pragmatische Sanktion" erlassen, die besagte, dass die älteste Tochter die Nachfolge antritt, wenn ein männlicher Nachkomme fehlt. In England und Skandinavien war man damals emanzipierter, dort war das Erbfolgerecht der Frauen bereits bekannt.

Kaiserin -oder nicht Kaiserin?

Immer wieder wird diskutiert, ob Maria Theresia nun Kaiserin gewesen sei oder nicht. Sie erreichte nach dem Tod des Wittelsbachers Karl VII. im Jahr 1745 jedenfalls die Wahl und Krönung ihres Ehemanns Franz I. Stephan von Lothringen zum römisch-deutschen Kaiser. Und es wäre nicht Österreich, wenn man Maria Theresia, obwohl sie nicht gekrönt wurde, gleich nach der Wahl ihres Ehemanns nicht mit Kaiserin angesprochen und betitelt hätte. Und so wird sie im sogenannten "Großen Titel" nach dem Tod des Vaters ihrer sechszehn Kinder im Jahr 1765 auch Kaiserin genannt: "Maria Theresia, von Gottes Gnaden römische Kaiserin, Wittib, ".

Wie auch immer, leicht hatte es Maria Theresia in der spätbarocken Welt nie, obwohl sie sofort zu einer machtbewussten Herrscherin geworden ist, die von ihren Gegnern auf den anderen europäischen Thronen zuerst unterschätzt, später aber respektiert wurde, so dass König Friedrich II. von Preußen achtungsvoll meinte: "Einmal haben die Habsburger einen Mann, und dann ist es eine Frau."

Maria Theresias Imperium wurde nach dem Tod ihres Vaters als leichte Beute angesehen, weshalb es Friedrich II. sofort angriff und das reiche Schlesien eroberte. Der bayerische Kurfürst akzeptierte die "Pragmatische Sanktion" nicht und marschierte ein. Es begann der Österreichische Erbfolgekrieg, an dem sich auch Frankreich sowie Sachsen beteiligten und der im Jahr 1748 endete, in dem Österreich neben Schlesien die Herzogtümer Parma und Piacenza sowie Guastalla verlor. Das Militär erwies sich, wie zum Ende der Habsburger Monarchie vor dem Ersten Weltkrieg, als schlecht ausgebildet und leicht besiegbar.

Schließlich gelang es Maria Theresia, sich als rechtmäßige Thronerbin zu behaupten und ihre Macht zu festigen. Inzwischen hatte sie nach drei Mädchen auch einen Thronfolger geboren, den späteren Kaiser Joseph II. Nach ihm kamen weitere zwölf Kinder zur Welt. Zehn erreichten das Erwachsenenalter. Maria Theresia war nach der Heirat fast zwanzig Jahre durchgehend schwanger. Jedes ihrer Kinder hatte einen eigenen Hofstaat mit Kammerdiener, Kammerfrauen und anderen "Bediensteten". Bekannt war, dass Franz Stephan seine Ehefrau dennoch betrog, beispielsweise mit Sängerinnen, aber auch mit den Gräfinnen Auersperg, Colloredo und Pálffy, weshalb Maria Theresia einer Kammerfrau angeblich den Rat erteilte: "Mein Kind, lass' Dich warnen! Heirate nie einen Mann, der nix zu tun hat!"

Die -vor Liebeskummer nicht gefeite -Herrscherin, die vom Gottesgnadentum überzeugt war, glaubte an ihren katholischen Gott und ließ Protestanten und Juden schon einmal aus den östlichen Landesteilen vertreiben, was zu den dunklen Kapiteln ihrer Herrschaft gezählt wird. Zu den helleren gehören die unbestritten richtungsweisenden Reformen, die Maria Theresias Dynastie überlebten und deren es nicht wenige gibt.

Am Anfang ihrer Reformen stand im Jahr 1742 die Schaffung der Haus-, Hof-und Staatskanzlei. Der Erbfolgekrieg hat deutlich gemacht, dass das Heer zu reformieren war, das preußische, der einstige Gegner, wurde zum Vorbild. Im Jahr 1751 wurde in Wiener Neustadt die -bis heute bestehende - Theresianische Militärakademie gegründet.

Progressive Reformen

Die Justizreformen waren erstaunlich progressiv. Die Patrimonialgerichtsbarkeit der Grundherren und die Kompetenzen der Stadtgerichte wurden stark eingeschränkt, ein Höchstgericht wurde geschaffen. Im Codex Theresianus wurden die Rechte der Länder gesammelt und mit der Constitutio Criminalis Theresiana ein einheitliches Strafrecht geschaffen. Auf Drängen ihres aufgeklärten Beraters Joseph von Sonnenfels und ihres reformfreudigen Sohns wurde im Jahr 1776 die Folter abgeschafft.

Zu den wichtigsten Reformen gehörten zweifellos jene der Bildungspolitik. Maria Theresia führte im Jahr 1774 die generelle Unterrichtspflicht ein. Auf dem Land wurden für die sechs- bis zwölfjährigen Kinder einklassige Volksschulen eingerichtet, in den Städten wurden Hauptschulen mit drei Klassen geführt. Weitere Schulen und Akademien wurden für bestimmte Berufszweige gegründet, die Universität übersiedelte von der konfessionellen in die staatliche Verantwortung.

Maria Theresia, die versuchte, ihre Kinder stets vorteilhaft zu verehelichen, war nicht zuletzt Bauherrin und das Schloss Schönbrunn -ihr Lieblingsschloss - verdankt ihr sein heutiges Aussehen.

In den letzten Lebensjahren beanspruchte Joseph II., seit dem Jahr 1765 Mitregent, immer mehr Macht. Am 29. November 1780 starb Maria Theresia dreiundsechzigjährig an "Wassersucht, Katarrh und Brand". Der Doppelsarkophag mit den sterblichen Überresten Maria Theresias und Franz Stephans steht in der Wiener Kapuzinergruft.

Der Autor ist Jurist und Schriftsteller.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung