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Adelige Damenstifte
In den sogenannten „adeligen Damenstiften“ lebte es sich nicht schlecht.
Die Damen der zur Versorgung adeliger Jungfrauen und Witwen dienenden Stifte richteten sich eine eigene Wohnung ein, hielten ihre eigene Dienerschaft, gingen frei aus und ein und reisten nach Belieben. Sie legten kein Gelübde ab und heirateten, wenn sie, obwohl vermögenslos, einen Mann fanden.
In ihrer wertvollen historischen Studie geht die Verfasserin dem Ursprung der Damenstifte, dieser „eigentümlichen Mischform“, nach, und gelangt zum Ausgangspunkt, den Kanonissenstiften. Schon ehe in den protestantischen Ländern Frauenklöster in Fräuleinsstifte umgewandelt wurden, führte der Wunsch nach einer freieren Lebensform zur Einrichtung der Kanonissenstifte, in denen wir Damen der großen Häuser als Äbtissinnen im Fürstenrang und im Genuß der Landeshoheit begegnen. Über die Einrichtung der Stifte geben ihre Statuten Auskunft. Über die des Stiftes ^chönis schreibt die Verfasserin: „Sie sind in ihrem kunterbunten Aufbau mit so wenig Logik einerseits, auf der anderen Seite aber mit so viel Inkonsequenz (man beachte nur die vielen Hintertürchen in den auf den ersten Blick hin sehr streng erscheinenden Vorschriften, für den Fall, daß eine Kanonisse die Keuschheit in Worten oder in Taten verletzen sollte), Diplomatie und Charme abgefaßt, daß ein Mann wohl kaum als Autor in Frage kommt.“
Bisher galt Maria-Schul als ältestes Damenstift in Österreich, aber Maria-Schul wurde, nachdem es seit 1654 als Erziehungsanstalt gedient hatte, erst 1792 in ein freiweltliches adeliges Damenstift umgewandelt. Das 1569 von zwei Töchtern Ferdinands I. gegründete Königliche Stift zu Hall war seiner Natur nach ein Kloster. Daß es sich Stift nannte, lag darin, daß die seelsorgliche Betreuung den Jesuiten übergeben wurde, die kein Frauenkloster bedienen durften. Hall wurde das Vorbild für das von Helena Bedarides gegründete Prager Stift zu den heiligen Engeln. Aber sie entschloß sich zu wichtigen Änderungen: zum Fallenlassen der Gelübde und zum Adelsnachweis — das Königliche Stift zu Hall stand auch Bürgerlichen offen. Das „englische“ Stift wurde 1787 mit dem auf dem Hradschin vereinigt, aber schon nach vier Jahren nötigten die fortwährenden Rangstreitigkeiten in Equipagen und Theaterlogen wieder zur Trennung. 175 5 errichtete Maria Theresia auf dem Hradschin ihr Damenstift für dreißig Stiftsplätze, deren Erlangung von der Ahnenprobe abhängig war.
Der emsigen Urkundenforschung und dem ausgeprägten Spürsinn der Verfasserin gelang es, herauszufinden, warum Maria Theresia zur Gründerin der Stifte in Prag und Innsbruck wurde. Die Lösung des Rätsels liegt in Remiremont, dem lothringischen Stift, dessen Äbtissinnen meist dem Herrscherhaus angehörten, so Charlotte Elisabeth, eine Tochter des Herzogs Leopold I., die 1703 zur Äbtissin gewählt, aber, da sie nur drei Jahre zählte, bis zu ihrem 10. Geburtstag auf die päpstliche Bestätigung warten mußte. Als Franz Stephan 1737 Lothringen mit Toskana tauschen mußte, verließ die herzogliche Familie das Stammland, und dies bewog die Kaiserin, den lothringischen Prinzessinnen einen Ersatz für Remiremont zu bieten. An der Grundsteinlegung des Hradschiner Stiftes, welche die Kaiserin selbst vornahm, nahm ihre Schwägerin, die Äbtissin von Remiremont, teil. Erste Äbtissin auf dem Hradschin wurde die älteste Tochter Maria Theresias, Erzherzogin Maria Anna. Nach dem Prager Muster gründete die Kaiserin zu Innsbruck, wo ihr geliebter Gemahl starb, ihr zweites Stift. Der lothringische Einfluß, dessen Bedeutung für die Kultur in Österreich nicht genug hervorgehoben werden kann, zeigt sich dank der Forschungen der Verfasserin in einem neuen Licht.
Das Savoysche Stift wurde von einer Prir'essin aus dem Hause Liechtenstein, Maria Theresia, der Witwe des früh verstorbenen Prinzen Emanuel von Savoyen-Carignan, Neffen des Prinzen Eugen, 1769 errichtet.
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