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Von Dürnkrut bis Sarajevo

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Als die sieben Kurfürsten des Reichs 1273 den scheinbar unbedeutenden Grafen Rudolf von Habsburg aus dem Aargau zum Deutschen König wählten, wollten sie die „kaiserlose, die schreckliche Zeit“ nach fast 30 Jahren beenden, ohne daß der neue Mann ihre während des Interregnums ausgebauten Machtpositionen allzusehr beschneiden sollte.

Ungewollt setzten sie damit den Beginn einer Epoche, die über 650 Jahre reichen sollte, einer Epoche, in der sich das Reich der Habsbur-

ger zu seiner größten Machtentfaltung ausdehnen und zweimal zusammenbrechen sollte.

Als Rudolf zu Weihnachten 1282 — vor 700 Jahren - seine Söhne Albrecht und Rudolf mit Österreich, der Steiermark, der Krain und Kärnten belehnte und die Kurfürsten zustimmten, setzte er den Grundstein für die Identifizierung des Namens Österreich mit dem Habsburgerstaat—eine Identifizierung, die später bis nach Spanien reichen sollte.

Rudolf entwickelte bereits jene Heiratspolitik, die später für die Casa Austria sprichwörtlich werden sollte, Rudolfs Gattin Anna von Hohenberg wurde „die kö- nigs- und kaiserreichste Ahnfrau der Weltgeschichte“ (Richard Reifenscheid).

650 Jahre Reichs- und Familiengeschichte der „Habsburger in Lebensbildern“ quasi statistisch aufzuarbeiten, bedeutet für den Autor, ein schier unübersehbares Netz verwandtschaftlicher Verzweigungen aufzuknüpfen. So führt das Personen Verzeichnis in Reifenscheids Buch über 400 Namen auf, von denen rund 60 Prozent aus dem Erzhaus stammen, die anderen sind die dazugehörenden Gatten und Gattinnen. Sieben Herzoge (von Österreich), vier (deutsche) Könige, 18 Kaiser und die große Maria Theresia, die „nur“ Königin von Ungarn und Gattin des Kaisers war — sie markieren die „Infrastruktur“ dieser 650 Jahre.

Die lexikalische Aufarbeitung aller dieser Habsburger macht das Buch für jeden historisch Interessierten zu einem wertvollen N achschlagewerk.

Den „Aufstieg der Habsburger“, speziell ihrer ersten beiden Vertreter, Rudolf und Albrecht, schildert auch Dorothea Wächter in anschaulicher Weise, wenn auch ausschließlich auf Macht- und Kriegsgeschichte konzentriert. In etlichen Details weicht sie von der

Reifenscheid-Darstellung ab. Auch das Literaturverzeichnis läßt etliche wichtige Werke vermissen.

Viel besser fundiert ist die Biographie, die der amerikanische Historiker Charles W. Ingrao dem „vergessenen Kaiser“ Josef I. widmet, der - 400 Jahre nach seinen mittelalterlichen Ahnen — mitten im Krieg gegen Frankreich um Spanien und Italien „einen Wendepunkt in der Entwicklung der Monarchie“ setzt. Ingrao meint, daß „die sieben Jahre zwischen der Schlacht von Höch- städt-Blindheim und dem Tod Josefs I. unbestritten zu den dramatischsten und entscheidendsten der österreichischen Geschichte“ zählen, und dokumentiert dies im Gegensatz zur bisher üblichen Darstellung.

Wieder ein Jahrhundert später steht „der gute Kaiser Franz“ am Ende des Heiligen Römischen, am Anfang des österreichischen Kaiserreichs. Er ist aber auch der Kaiser, der über die Wirren der Napoleonischen Kriege über die Restauration des Wiener Kongresses hinweg zum „Kaiser des Biedermeier“ wird, zum Kaiser, der keine Todesurteile vollstrek-

ken ließ, in einer Zeit, da diese noch zum normalen Repertoire der Justiz gehörten.

Heinrich Drimmel läßt Franz I. in . seinem schon bekannten plaudernden Stil lebendig werden. Nicht nur den Kaiser, mehr noch den Menschen und seine Zeit, eine Zeit, deren Darstellung auch heute noch unter der Animosität der Nachfolger leidet.

Urenkel jenes Franz war der Kronprinz Rudolf, dessen Persönlichkeit in all ihrer Zerrissenheit Brigitte Hamann vor vier Jahren in einer detaillierten Biographie geschildert hat.

Fritz Judtmann beschränkte sich schon 1968 auf die Untersuchung des tragischen Endes des Thronfolgers in Mayerling, als ihm bis dahin unbekannte Dokumente in die Hand kamen. Nun legt der Verlag eine Neuauflage vor, die auch auf die neuesten Forschungen zum Thema eingeht.

Das Geheimnis von Mayerling hatte Gerd Holler 1980 mit der Vermutung einer Abtreibung bei Mary Vetsera zu erklären versucht. Nach dem Erfolg jenes Buches wendet sich Holler nun dem Nachfolger in der Thronfolge

- Erzherzog Franz Ferdinand - und seinem ebenfalls tragischen Ende in Sarajevo zu.

Für den Arzt Holler ist Franz Ferdinand „eine geradezu klassische medizinische Fallstudie“, da es beim Thronfolger „infolge der Tuberkulose zu tiefgreifenden Charakterveränderungen kam“. Dies setzt in der bisher vielfach widersprüchlichen Beurteilung Franz Ferdinands neue interessante Akzente. Darüber hinaus widmet Holler der Verschwörung und dem Schicksal der Attentäter des 18. Juni 1914 breiten Raum.

DIE HABSBURGER IN LEBENSBILDERN. Von Rudolf I. bis Karl I. Von Richard Reifenscheid. Styria-Verlag Graz-Köln-Wien, 1982. 371 Seiten Ln., öS 320,-

AUFSTIEG DER HABSBURGER. Das Reich und Europa im 13./14. Jahrhundert. Von Dorothea Wächter. Türmer-Verlag, Berg, 1982. 280 Seiten, Ln., öS 226,50.

JOSEF I. Der vergessene Kaiser. Von Charles W. Ingrao. Styria-Verlag, Graz-Köln-Wien 1982. 293 Seiten, Ln.. öS 320,-

FRANZ VON ÖSTERREICH. Kaiser des Biedermeier 1815-1835. Von Heinrich Drimmel. Amalthea Verlag, Wien-München 1982, 381 Seiten, Ln., öS 248,-

MAYERLING OHNE MYTHOS. Ein Tatsachenbericht. Von Fritz Judtmann. 2. Auflage, Kremayr & Scheriau, Wien 1982. 487 Seiten. Ln., öS 298,-

FRANZ FERDINAND VON OSTERREICHESTE, Von Gerd Holler. Ueberreuter, Wien 1982. 413 Seiten, Ln., öS 380,-

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