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Gestalten, Geschichte, Gewalten

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EIN LEBEN FÜR DIE ANDEREN. Von Viktor G e r a m b. Österreichischer Bundesverlag, Wien. 200 Seiten, 14 Abbildungen. Preis 60 S.

Aus dem Nachlaß des verdienten Gründers und jahrzehntelangen Vorstandes des Steirischen Volkskundemuseums, Viktor Geramb, hat Oskar Müllern, einer seiner getreuesten Schüler, mit viel Geschick und Feingefühl die Beziehungen Erzherzog Johanns zur Steiermark darzustellen gewußt. Gerade die volkskundlichen und geographischen Teile, aber auch die Bemühungen des Erzherzogs um das Volkslied und die Volksmusik (die schon vom Jahre 1802 an datieren) leuchten in hellem Licht auf.

DER HERR MIT DEN DREI RINGEN. Von Arthur Maximilian Mille r. Herder- Verlag, Freiburg im Breisgatts-jsSeMR Seiten, 8 Abbildungen. Preis 18.80 DM.

Der Verfasser dieses bemerkenswert spannenden und farbigen Romans stammt aus dem Allgäu. Er gibt einen Abschnitt aus der Geschichte der Reichsabtei Ottobeuren, stellt in den Mittelpunkt die Persönlichkeit des Abtes Rupert Neß, der sich, als er zu seiner Würde berufen wurde, kein Wappen mehr suchen mußte. Ruperts Vater, ein Schmied, führte als Familienwappen bereits die drei Ringe. Ihnen gab der Sohn eine über das Familienzeichen hinausweisende, Diesseits und Jenseits verbindende Deutung: imersten Ring fühlte er sich in Gott Vater, im zweiten in Gott Sohn, im dritten in Gott Heiligem Geist. „Ich will fortan nichts tun und sagen als nur Dich allein, Du unbegreifliche Dreieinigkeit.“ Rupert Neß begegnete den Großen seiner Zeit: dem Kaiser Karl VI., dem Prinzen Eugen. Er war der mutige Erbauer des heutigen Klosters.

AUF DEN FLÜGELN DES WINDES. Von Hermann Schreiber. Paul-Neff- Verlag, Wien. 483 Seiten. Preis 108 S.

Hier leben, sehr gewandt gestaltet, das erste und das zweite Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts auf, jene in vieler Hinsicht so bewegte und so eigentümliche Zeit ungewöhnlicher Menschenschicksale. Ali die 18jährige Isabelle von Stoll ihr Elternhaus verläßt, schreibt man das Jahr 1807, als sie in das winterlich stille Weimar zurückkehrt, 1814. Gegenspielerin Isabelles ist die Fürstin Bagration, eine der glänzendsten Figuren dieser Epoche: aber mehr als die leuchtenden Namen und mehr als die äußerlich bewegte Handlung spricht die zwar zurückhaltende, aber aufrichtige Romantik einer Zeit, in der die Herzen noch den Flügeln des Windes ihre Träume anvertrauen konnten.

KÜSSNACHTER GESCHICHTENBUCH. Von Eduard von Tunk. Verlag Kreien- bühls Söhne, Küßnacht am Rigi. 160 Seiten.

Natürlich denkt, wer Küßnacht sagt, an die hohle Gasse, „es führt kein andrer Weg“. Unser Landsmann, den wir bereits als Autor der Illustrierten Welt-Literaturgeschichte (1954) und als Mitverfasser der Weltgeschichte vorgestellt haben, verstand es überaus gut, sich in den Gemarken von Küßnacht-Immensee-Merlischachen umzuschauen, typische, oft von den Zaubern der Geschichte umwitterte Gestalten vorzustellen und bei aller Intensität der psychologischen Schau doch in der Sprache so einfach zu bleiben wie ein Gotthelf.

ES MUSS NICHT IMMER KAVIAR SEIN. Von Johannes Mario Simmel. Schweizer Druck- und Verlagshaus AG., Zürich. 606 Seiten. Preis 18.50 sfr.

Der Mitarbeiter des „Quick“, routinierter Romanschreiber und Verfasser von Theaterstücken, ein gebürtiger Wiener, Jahrgang 1924, hat in dem Roman, der bereits in der Zeitung als Fortsetzungsroman erschienen ist, mit beträchtlichem Aufwand von Verwicklungsszenen (für die nachher der Film sich erkenntlich zeigte) das Leben eines Geheimagenten geschildert. Das Beste an dem Buch ist der durchschimmernde Humor, wenngleich es in jenen Zeitläufen, von denen die Rede ist, nichts zum Lachen gab. Aber, freilich, heute, wer denkt noch daran!

DIE DUBARRY. Von Stanley L corn i s. Biederstein - Verlag, München. 316 Seiten. Preis 16.80 DM.

Die dem Werke angefügte Bibliographie (durchweg aus französischen oder englischen Quellen) deutet an, daß sich der Autor bei seiner Lebensgeschichte der Jeanne Marie Bėcu, die hinlänglich Me- möirenschreiber und Erzähler, vorwiegend im 19. Jahrhundert, angezogen hat (ja sogar in die Operette ist sie durch Millöcker gestiegen, und 1931 fand sich Mackeben bestimmt, eine Neubearbeitung dieser Operette vorzunehmen), doch auf die historischen Grundlagen stützte. Zuweilen schmeichelt er der Hauptfigur,

dann wieder verhält er sich merkwürdig kühl: das ist wohl die bei Loomis immer geschickt gelenkte, als Ausgleich gedachte Berechnung.

EINER GEGEN ALLE. Von Gerhard S i m s o n. Verlag C. H. Beck, München. VIII/369 Seiten, 5 Abbildungen. Preis 9.80 DM.

Das Buch ist im Jahre 1951 als Essaysammlung unter dem Titel „Fünf Kämpfer für Gerechtigkeit“ herausgekommen; die vorliegende Ausgabe hat der Autor, Referent im schwedischen Innenministerium, aber geborener Berliner, neu bearbeitet und auch erweitert. Christian Thomasius: der Sieger über den Hexenwahnsinn; Georges Picquart, der Chef der Statistischen Abteilung des französischen Kriegsministeriums, den Maurice Barres, der Nationalist, so verhöhnt hat, Picquart, in den Dreyfus-Prozeß verwickelt: Kämpfer wider den Rassenwahn; Cesare Lombroso, bekannt durch seine Lehre vom „gebore-

nen Verbrecher“ (Franz von Liszt hat ihn bekämpft und die soziologischen Verbrechensursachen ins Treffen geführt);

bunden blefet; undschließlich der edle Fridtjof Nansen: sie alle treten noch einmal vor uns hin, und jeder hat eindringliche Fragen ans Gegenwärtige zu stellen.

DER MALERFÜRST. Von Hermann Behr. Isar-Verlag, München. 376 Seiten, 22 Abbildungen. Preis 16.80 DM.

Als Lenbach — denn sein Leben wird hier erzählt — zur Akademischen Kunstausstellung in Berlin 1874 ein Bild Wilhelms I. bringt (nach 1866 und 1870/71 hieß er bei Eifrigen teils Wilhelm der Große, teils Heldenkaiser) und ein Großväterchen abbildet mit kindischem Blick, ist die patriotische Öffentlichkeit schockiert. Man will sein „Ideal“ — wie es wenig mehr denn zwei Generationen später das „Haus der Deutschen Kunst“ wieder zur Schau stellte. Aber wie Wilhelm 1. hat man auch Lenbach oft falsch eingeschätzt, und so mancher, der Lenbach sagte, dachte sogleich an Bismarck mit der Pickelhaube. Es mag uns genügen, daß Menzel gesagt hat: „Er war einer der größten“, und es wiegt demgegenüber weder die eine Übertreibung der „Deutschen Tageszeitung“, die Lenbachs Werk als „nationales Heiligtum“ rühmte, noch die Untertreibung Max Liebermanns: „’n janz jeschickter Photograph, sonst jar nischt!“ Den Autor Hermann Behr, ein gebürtiger Hesse, Jahrgang 1915, haben wir unseren Lesern bereits gelegentlich der Besprechung des Romans „Der Wolf von Laekvere“ (1958) als realistischen, die Spannungen weit verteilenden, in der Erzähltechnik beachtlichen Könner vorgestellt. Alle diese Eigenschaften, zu denen hier noch ein gewisser Reportagestil tritt, bewähren sich wieder.

DIE STAFETTE. Historische Miniaturen. Von Bruno Frei. Aufbau-Verlag, Berlin. 376 Seiten, 18 Abbildungen. Preis 9 DM.

Die ideologische Linie dieser in realistischem, bewußt nüchternem Berichtston geschriebenen Erzählungen ist dem Leser nach kurzer Zeit völlig klar, ob es sich um Tu Fu, um Voltaire, um Liebknecht, um Ossietzky, um Gabriela Mistral handelt. Merkwürdigerweise taucht in dieser Runde auch Kant auf — von Berta von Suttner hat man es thematisch erwartet. Es geht um den Gedanken des Friedens, und darum, zu zeigen, wie von der Urzeit bis zur Gegenwart um ihn gerungen werden mußte. Mit welchem Erfolg, das haben wir erlebt, und wir fürchten, das werden wir noch erleben.

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