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Kein Vogel singt in Moll. Ein heiterer Roman von Beverley N i c h o 1 s. Wolfgang-Kriiger-Verlag,

Hamburg. 295 Seiten. Preis 9.80 DM.

Daß man aus der Tatsache, daß jemand ein Haus kauft und dieses von den geschmacklosen Einrichtungsgegenständen seines Vorgängers befreit und nun stilgerecht adaptiert, eine wirklich amüsante Erzählung machen kann, beweist jn diesem Buch Beverley Nichols. Neben allerhand Käuzen lernt man, ohne es zu merken, ein Kapitel Wohnkultur kennen, etwas, was man heute wieder mehr pflegen sollte. Daß dieses Buch ein Engländer geschrieben hat, ist nicht verwunderlich und auch uns hat dieser britische Sinn für das Gesellschaftliche, für häusliche Tradition und Beständigkeit viel zu sagen.

Bergfrühling. Ein Skitagebuch von Alma H o 1-g e r s e n. Eduard Wancura Verlag, Wien-Stuttgart. 82 Seiten. Preis 42 S.

Goethe hat den beliebtesten Wintersport seiner Zeit, das Schlittschuhlaufen, dichterisch gestaltet. Skifahren, der Lieblingssport unserer Tage, enthält zumindest ebensoviel poetische Elemente wie das Gleiten über zugefrorene Seen und Teiche. Daß es ein Massensport geworden ist, beweist nicht das Gegenteil. Dem Einzelnen, wo er sich als solcher behauptet, erschließt das Skifahren immer wieder große und wertvolle Augenblicke. Nicht der Rekordjagd, sondern der Wechselwirkung von winterlicher Natur und Mensch ist diese schöne dichterische Buch Alma Holgersens gewidmet. Ein Heimatbuch im besten Sinn des Wortes.

Schach dem Abt. Roman von Hans Jens eh. Verlag Herder, Freiburg. 328 Seiten.

Ein interessanter, breit angelegter historischer Roman um die Gestalt des Zisterzienserabtes Ansel-mus II. Dem Autor gelingt es, ein vielgestaltiges, historische Kolorit des 18. Jahrhunderts mit einer spannenden Handlung und mit kraftvoll gestalteten Menschen aus dieser Zeit zu verbinden. Begegnungen mit markanten Persönlichkeiten der Politik und der Kunst, wie Kaunitz und Haugwitz, Gluck und Haydn, um nur einige zu nennen, und nicht zuletzt die imponierende Gestalt des Reichsprälaten selbst, sein glanzvoller Aufstieg und sein mutiges Leben machen das Buch zu einer abwechslungsreichen und erhebenden Lektüre.

Junge Blut in kalter Welt. Roman von August Karl Stöger. Eduard Wancura Verlag, Wien-Stuttgart. 568 Seiten, Preis 72 S.

Der Autor glaubt an die Jugend. Das ist ein seltener, aber um so köstlicherer Glaube, ein Optimismus, der über vieles hinweghelfen kann, was uns vom Alltäglichen bis zum Welthistorischen bedrückt und bedrängt. Die Geschichte von vier Kindern, die durch den Krieg zu Vollwaisen werden und gegen die Not der Zeit und die Bosheiten der Umweh ihren Weg suchen und finden, ist eine erfreuliche Erscheinung auf dem Gebiete der zeitgenössischen

Romanliteratur. Stöger formt mit ^yiel lieb di Gestalten dieser vier Kinder, aber 'auch der der Erwachsenen, wi deren dämonischen Widersacher. Es ist uch etwas vom Generationsproblem unserer Tage angedeutet. Dem hartnäckigen Festhalten der Aelteren ist das ehrlich Bemühen der Jüngeren gegenübergestellt,

DZA, DZA — dem Himalaja zu, Ein Bericht über die Dhanlagiri-Expedition 195J des Akademischen Alpenklubs Zürich. Verlag der „Arch“, Zürich. 73 Selten.

Himalaja ist große Mode. Expeditionsbericht gibt es fast ebenso viele wie Expeditionen. Der vorliegende Bericht zeichnet sich vor vielen anderen durch klare Anschaulichkeit und flüssige Darstellung aus. Die Freunde fremder Länder und di Freunde des Bergsteigersportes finden in diesem chmalen Bändchen, das nett illustriert ist, eine angenehm abwechslungsreiche Lektüre.

Cornelia und die Heilkräuter. Von Friedrich Schnack. Verlag Otto Walter, Olten-Freiburg im Breisgau. 178 Seiten. Preis 13.95 fr.

Ein köstlich Buch, diese fabulierend Kräuterkunde. Ein zart Liebelhandlung gibt den Rahmen für einen besinnlichen Lehrgang heimatlicher Heilkräuter. Sagenstoff, alte Ueberlieferungen, Botanisches und viele reizvolle poetische Deutungen bilden in harmonisches Ganzes. Die farbigen Illustrationen von Hanny Friei fügen sich geschmackvoll in und machen das Buch zu iner erlesenen Gab.

Ab einem Tag wi jeder andere. Roman von Joseph H a y s. Verlag S. Fischer, Berlin-Frankfurt am Main. !20 Seiten.

Ein meisterlich geschriebene Kriminalerzählung von literarischem Format. Trotz der zu bejahenden ethischen Grundhaltung kein Jugendlektür.

Solang die Wlt besteht. Roman von Henri Troyat. Stahlbergverlag, Karlsruh. 825 Seiten.

Henri Troyat (rect Leon Ttrasiow) ist in markant Erscheinung in der zeitgenössischen französischen Literatur. Für seinen Roman „L'Araigne“ erhielt r den Goncourt-Preis. All neunjähriger Knabe (1920) emigrierte r mit seiner Familie am Moskau und kam über Konitantinopel und Venedig nach Paris. Frankreich wurde eine zweite Heimat. Ein Großteil icinei Schaffens ist der Geiitigkeit dieser zweiten Heimat verpflichtet. Aber immer wi-der zieht es ihn in das Klima seinci Stammvolkes, in dai Rußland der zaristischen Zeit, du Fin d iecle mit leinen großen Kontrasten, mit leinen glanzvollen Gesellschaften und mit dem drohend gärenden Untergrund revolutionärer Zirkeln und einer brisanten Intellektualität.

Troyat legt hier ein großangelegtei Epos vor, die ieschichte von drei russischen Familien, ausgehend von 1880 bis zum Jahre 1939. Ein wuchtiger Generationsroman, bunt und vielgestaltig. Die Psyche des russischen Menschen, die polare Gegensätzlichkeit der Charaktere dieses Volkes werden anschaulich geschildert. „Solange die Welt besteht“ ist der erste '■ Teil, dieses Romanwerkes; kann aber durchaus als selbständiges Buch gewertet werden.-Es schließt mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges.

Fremde auf Erden. Roman von Henri Troyat. St.ihlbergverlag, Karlsruhe. 785 Seiten.

Dies ist die Fortsetzung des großen Romanwerkes und trägt mit der Schilderung des Revolutionsausbruches und mit der Emigration nach Frankreich vielfach autobiographische Züge. In diesem Band sind die beiden letzten Abschnitte der Trilogie — im französischen Original handelt es sich um zwei Romane („Le sac et la cendre“ und „Etrangers sur la terre“) — zusammengefaßt. Der Krieg, die Katastrophe des Kriegsendes erschüttern das soziale Gefüge des östlichen Riesenreiches. ,

Gigantisch erscheint das Fanal der Revolution. Sie bricht in Haus und Hof und Familie mit Vehemenz ein und zwingt zur Entscheidung. Die Familie Troyat hat. den Weg der Emigration gewählt. Die psychologische Reaktion auf den Verlust der Heimat und das Leben in einer ganz anders gearteten Welt wird weitverzweigt geschildert. Erst eine junge Generation findet sich wieder zu moralischer Kraft und schlägt in der neuen Heimat Wurzeln, die sie 1939 sogar mit der Waffe zu verteidigen mag.

Der König. Roman. Von Friedrich W a 11 i s c h. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 366 Seiten. Leinen. Preis 66 S.

„Dieser Roman ist eines der merkwürdigsten Bücher, die dem Verleger je begegnet sind. Dieser gesteht gerne, daß er schon nach wenigen Seiten der Verführungskraft des Manuskripts erlegen ist und daß er sich auch bei wiederholtem Lesen diesem Zauber nicht entziehen kann“, liest der Rezensent und bekennt, daß es ihm ähnlich ergeht. „Der König“ ist ein ebenso zeitgeschichtlich-aktuelles wie virtuos geschriebenes Werk voll versteckter und offener Anspielungen auf eine gesellschaftliche Gegenwart, die immer mehr zur Vergangenheit wird, ein poetisches Feuerwerk funkelnder, sprühender und blendender Formulierungen.

Berichtet wird das Los des Mannes Ulli: sein Leben als Kronprinz, regierender König und Privatmann im Exil. Ulli hegt die besten Absichten und verlugt über einen energischen Willen — was ihm jedoch abgeht, ilt jene Unwägbare, das wir wohl „Glück“ nennen, wenn uns kein besseres Wort einfällt. Nein, dieser Monarch hat kein Glück, obwohl ihm das Volk überschwenglich zujubelt und die Frauen ihn umschwärmen und verwöhnen. Seine Berater verhannlosen die Unzufriedenheit im Land, die bald in bedrohliches Glimmen übergeht und von einigen Radikalisten emsig geschürt wird. Zwar mißlingen drei Attentatsversuche, doch dann bricht die Revolution aus. Der König muß fliehen. Jäh wird er an den äußersten Rand des Daseins ausgesetzt, in das scharfe Freilicht der Einsamkeit, zwischen Sehnsucht und Selbstbetrug. Mit unterlegenen Gegentruppen die republikanische Regierung zu stürzen, schlägt fehl: Ulli wird gefangengesetzt und kann nur durch die Auslieferung der Kronutensilien sein Leben retten.

Welcher König ist gemeint? Die Thronstürze in Oesterreich, Jugoslawien, Italien, ja — um weiter zurückzugreifen — in Frankreich kommen einem flüchtig in den Sinn. Hier ließen sich manche Anklänge fixieren. Aber dai Buch ist kein Schlüsselroman, so dicht Wallisch der „Wirklichkeit“ auf den Fersen bleibt. El handelt sich nicht um ein beliebiges Königtum, da hier zugrunde geht — ein ganzes Zeitalter schwindet dahin. Daß trotz dieser politischen Perspektive der Handlung und den Gestalten des Romans nichts im engeren Sinne „Typisches“ anhaftet, scheint das schönste Lob, das man dem Verfasser aussprechen kann.

Welche Fülle epischen Materials Wallisch verarbeitet hat, läßt sich nicht in einem summarischen Ueberblick dartun. Dennoch fallen Einzelheiten auf. Man muß lesen, wie das tragisch verschattete Schicksal des Königs, des Manne ich im Weiblichen bricht: in der Gattin Christine etwa, die verhalten, fast herb anmutet und doch wieder so ausgelassen sein kann; man muß lesen, wie Staatsempfänge und Galabälle mit Silberstift gezeichnet werden, wi aus sparsamsten Strichen da Bild der Revolution ersteht.

Friedrieh Wallisch intoniert ein zutiefst vertraute! Lied neu. So wird ein Roman zum Gesang der Trauer Ober alle Vergänglichkeit, zum Gesang de Verzicht, dessen Weit da Herz rührt.

Gerhard Neumann

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