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Romane, Romane, Romane ...

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Das Irrlicht. Erzählung. Von Horst Lang. Verlag der Arche, Zürich. 80 Seiten.

Der Fremde war Waldhüter geworden — noch mehr aber hütete er das Geheimnis einer seltenen Liebe: Liebe zu einem Mädchen, das er nie besessen hatte — das ihm die Nutzlosigkeit der vielen Lieben gezeigt hatte — das getötet worden war — das ihn im Traum besuchte und ihn nicht mehr losließ. Ist nun die Liebe oder diese tote Geliebte ein Irrlicht? Oder irrlichtert der Fremde zwischen der sanften Lehrerstochter Selma und der hochmütigen Adeligen Heloise, um Liebe und Geliebte loszuwerden? Was sich da in der Wald- und Moorlandschaft abspielt, was dort grausam endet, ist die Geschichte, die erzählt, wie unmöglich es ist, zu lieben ohne einen Gott der Liebe oder ohne den Gott der Liebe. — Horst Lange schreibt diese Erzählung behutsam, klar, edel. *

Die unsichtbare Pforte. Roman. Von Paul Schal-1 ü c k. Fischer-Verlag, Frankfurt. 244 Seiten. Preis 9.80 DM.

Ulrich Bürger ist süchtig — nach kleinen, weißen Tabletten. Zweimal war er schon in der „Hülle“, der Pflegeanstalt, gewesen zu einer Entwöhnungskur — freiwillig natürlich. Und nun ist es wieder soweit, daß er dorthin müßte, wo seine Süchtigkeit gesundgefoltert wird Freiwillig dorthin zu gehen und auf allen selbstbetrügenden Umwegen, Flüchten und Ausflüchten — das ist die „unsichtbare Pforte“: wer durch sie hindurchgeht, geht nicht verloren. — Du gehst mit deinem süchtigen Leib und deiner verzweifelten Seele durch die Straßen der Welt, Ulrich Bürger. Du weißt, daß du nur dann gerettet wirst, wenn du freiwillig dich in die „Hülle“ begibst: unter die umschaffende, harte Gnade. Deine Marter ist doppelt, denn du mußt deine Sucht verlassen und mußt dafür in diese veranstaltete Hölle gehen. Du bist dann wieder frei für dich selbst und für das 'Leben. Weißt du aber, für wie lange? Du warst ja schon zweimal dort und kennst deine heimlich-unheimliche Brüchigkeit: denn so wie du freiwillig in die „Hülle“ gehst, kannst du auch freiwillig wieder deiner Sucht unterliegen. Mit Recht hat dich dein Dichter aus der Familie „Bürger“ entstammen lassen: aus der unsinnig bürgerlichen Zivilisation unserer Gegenwart aus Stolz und Mittelmäßigkeit. Du hast viele Brüder, Ulrich Bürger — viel zu viele sind es, die genau so wie du durch die Straßen unserer Städte gehen ...

Alle Herrlichkeit ist innerlich. Roman. Von Bruce M a r s h a 11. Neu übersetzt von Jakob H e g n e r. Jakob Hegner, Ölten. 2. Auflage. 255 Seiten. Preis 12.30 sfrs.

Die amüsanteste Katechese, die man sich denken kann, ist das Leben des schottischen Pfarrherrn Smith und seiner Amtsbrüder. Sie sind immer unterwegs und in allerlei seelsorgliche, administrative und persönliche Händel verstrickt. Und vor allem: sie beten! Darum lernt man das Leben der Priester, das Verhalten dei klerikalen und der laikalen Kirche sowie allerlei Anfechtungen von innen und von außen an die christliche Religion gründlich kennen. Und lachen kann - von Herzen muß man lachen: da alles gelebt? Leben ebensoviel Ernst wie Komik ,in sich schließt - Dieses Buch ist nach dem Titel seiner amerikanischen Urausgabe 1947 bereits einmal erschienen und hieß damals „Die Welt, das Glück und Father Smith“. An manchen Stellen läßt sich streiten, ob die erste Ausgabe nicht der neuerlichen Uebersetzung vorzuziehen wäre.

Du bist schön, meine Freundin. Von Bruce M a r s h a 11. Jakob Hegner, Ölten. Uebersetzt von Jakob Hegne-r. 279 Seiten.

Auch dieses Buch von Marshall spielt unter Priestern. Diesmal während des letzten spanischen Bürgerkrieges. Es ist die Geschichte eines bischöflichen Sekretärs, der vom Glauben abfällt, in den marxistischen Büros und Fronten Dienst tut und durch die heldenhafte Liebe einer kleinen Dirne wieder zurückfindet zu sich und zu seinem (inzwischen neuen) Bischof. Die ganze Geschichte kreist um den Finger des heiligen Johannes vom Kreuz, eine Reliquie, an deren Besitz sich ein alter Volksglaube bindet: wer sie hat, wird siegen. — Im Hintergrunde steht die sehr ernste Frage an unseren zeitgenössischen Katholizismus: „Form ohne Geist“ ist Erstarrung. „Geist ohne Form“ ist spiritualisierende Verflachung. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist kirchliches Leben ausgespannt. Man könnte auch sagen: zwischen Kirchenleben ohne äußere Verfolgung und einem Kirchenleben während äußerer Verfolgung. Die hier sich zeigende Ohnmacht wird in diesem Roman humorvoll ausgesprochen: es sei zumindest immer noch etwas da, was wackeln kann, solange es uns ganz gewöhnliche Gläubige gibt.

Grünes Feuer. Von Peter W. Rainer. Ullstein-Verlag, Wien 280 Seiten.

Hier liegt ein gutes Abenteuerbuch vor. Ein Fachmann des Bergbaues gräbt in Südamerika nach Smaragden Manchmal hebt er lehrhaft den Zeigefinger und führt uns höchst seriös in sein Spezielfach ein. Im großen und ganzen aber ist das Buch eine zusammenhängende Sammlung sehr spannender Geschichten, von denen, allerdings einige an unsere Gutgläubigkeit starke Anforderungen stellen. Aber was schadet das? Man hört nicht nur Revolver knallen und Pferde galoppieren, man erfährt auch von guten Gefühlen, Freundschaft, Eheglück und Sehnsucht nach Seßhaftigkeit. Durchaus keine Lektüre, die man ablehnen müßte.

Die Foreis. Roman einer Familie. Von Maria Friederike M a u e. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln. 500 Seiten.

Eine Zeit wie die vor hundert und mehr Jahren hatte andere und in vielem mildere Probleme als die unsere. Aber der Schlag des menschlichen Herzens war deutlicher fu verspüren als heute. Gerade in der Distanz von der Gegenwart liegt ein guter Teil des Zaubers von Maria Maues Buch „Die Foreis“. Weshalb aber wählte sie den Untertitel „Roman einer Familie“? Gewiß ziehen die Generationen von der frühen lugend bis zum einsamen Alter der Hauptfigur Magdalena Forel an ihr vorüber. Und sie alle sind lebendig, glaubwürdig und blutvoll. Dennoch ist es der Roman eines Frauenherzens, einer einzigen, eben dieser Magdalena, die nie zur Erfüllung findet. Sie ist immer nur Enkelin und Tochter und Schwester; aus der Tragik ihres Beiseitestehens wächst eine stille Einsamkeit, die den Leser vielleicht mehr berührt als ein großes, leidenschaftliches Leben.

Die Epoche etwa um die Jahrhundertmitte erscheint plastisch in ihren Bedingtheiten und Ereignissen und wird überdies durch Gestalten der Musikgeschichte fixiert. Wir begegnen Robert Schumann, Klara Wieck und Felix Mendelssohn. Wir hören von ferne den Lärm der Achtundvierzigerrevolution und des anbrechenden Maschinenzeitalters. Und wir werden mit tiefen, schönen Gedanken vertraut, die ein Hinneigen von Protestanten zum Katholizismus bekunden. Schließen wir mit der Feststellung, daß hier ein ergreifendes, stilles Buch geschaffen worden ist, voll der Liebe, die der Caritas nähersteht als dem Eros.

Maurus und sein Turm. Roman. Von Franz Karl F r a n c h y. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien. 568 Seiten.

Hier ist ein Roman des Idealismus. Nicht etwa des erst nach dem Tode seines Trägers siegreichen, sondern des vollauf triumphierenden Idealismus. Irgendwo in einer Kleinstadt des Ostens verbringt Maurus Münk seine durch eine wirtschaftliche Katastrophe verdüsterte Jugend, die in der Gestalt und der Geschichte des Stadtturms ihr zwielichtiges Symbol findet. Aus Erniedrigung erkämpft sich Maurus seinen guten, geraden Weg. Der Urheber des Unglücks seiner frühen lahre begegnet ihm als Förderer und Helfer, geht aber an dem seelischen „Bankrott des Reichtums“ zugrunde. Hier liegt der Kern der schönen Dichtung. Ein reicher Kranz von Gestalten — darunter die wundervolle Erscheinung des alten Kilian Vogt und die skurrile Figur des Onkels Zölestin — umgibt in bunter Fülle die schlichte Hauptfigur dieses Romans, der nach Jahren des Erfolgs und des Verstummens erfreulicherweise nun wiedererschienen ist.

Der Schüler Gerber. Roman von Friedrich T o r-Lerg. Paul Zsolnay Verlag, Wien. 334 Seiten.

Vor bald fünfundzwanzig Jahren hat sich Friedrich Torberg mit einem Schülerroman gut eingeführt, der jetzt unter dem verkürzten Titel „Der Schüler Gerber“ wiedererschienen ist. War die Neuausgabe notwendig? Wir möchten es bejahen. Allerdings scheint sich das Verhältnis zwischen Mittelschullehrer und Schüler in diesen Jahrzehnten grundlegend geändert zu haben. Dennoch ist es verdienstvoll, aus der Perspektive des empfindsamen Schülers die Qualen aufzuzeigen, die die Hybris eines unverständigen Lehrers erzeugt. Das Erlebnis der Achtzehnjährigen wird von Torberg mit überaus scharfer Beobachtung aufs klarste und eindeutigste dargestellt. Wie die Lehrer und Schüler in diesem Roman sind, so sind sie wirklich gewesen, auf ein Jota genau. Die drastisch gezeichnete Erscheinung des bösartigen Professors Kupfer — dem wieder andere, milde gezeichnete Figuren in bester Kontrastwirkung gegenüberstehen — ist psychologisch gut fundiert. Das sinnliche Drängen der erwachten Jugend wird dichterisch erhöht. Das Ergebnis ist ein erschütterndes Buch. Prof.

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