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Die Musik in Geschichte und Gegenwart

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Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- und Auslandes, herausgegeben von Friedrich Blume. Band 2 (Boccherini bis Da Ponte). Im Bärenreiter-Verlag, Kassel und Basel. 1920 Spalten Text und XV Seiten Index.

Wer in diesem Band liest — und er eignet sich wegen der lebendigen und kultivierten Darstellungsart der meisten Mitarbeiter vorzüglich zur Lektüre —, wird eine Reihe nützlicher und amüsanter Neuentdeckungen machen. Wer kennt schon Jean Cras, den komponierenden französischen Konteradmiral (1879 bis 1932), der ein großes Opus hinterließ und unter anderem Albert Samains „Polyphem“ vertonte? Oder August Bungert, den Berater und Freund der ersten rumänischen Dichter-Königin Carmen Sylva und Verfasser einer wagnerähnlichen Tetralogie „Homerische Welt“. Genaueres über den norwegischen Virtuosen, Patrioten und Anreger Ole Bull zu erfahren, ist ebenso interessant wie die scharfe Beleuchtung Cesar Cuis, der seinen auf die russische Folklore eingeschworenen Freunden später kühl den Rücken kehrte. Und nicht nur für den Musiker, sondern auch für den Genealogen ist die weitverzweigte Musikerfamilie Casadesus beachtenswert. Da Pontes abenteuerliches Leben wird spannend erzählt und H. St. Chamberlains unheilvoller Einfluß kurz und kritisch gekennzeichnet. Diese persönliche Art der Darstellung hat große Vorteile. In den Köpfen der Fachleute wird sie sicher keine Verwirrung stiften (denn die haben ihre vorgefaßte Meinung), und für den Laien regt sie zu selbständigem Denken an.

Mit besonderer Sorgfalt sind die großen monographischen Artikel gearbeitet. Aber auch hier

•scheint uns die Lebendigkeit der Darstellung noch bemerkenswerter als ihre Solidität (die man bei einem so gewaltigen Unternehmen gewissermaßen voraussetzt). Nennen wir die wichtigsten Themen und einige Autoren: Brahms von Rudolf Gerber, Bruckner (40 Spalten) und Buxtehude (22 Spalten) von Friedrich Blume, Byzantinische Musik von Maria Stöhr (18 Spalten). Soziologische Akzente haben die umfangreichen Darstellungen von Couplet und Chanson (fast 50 Spalten), ein Büchlein ersetzen die Artikel über Chor, Choral und Chorkomposition (170 Spalten). Auch die „Randgebiete“, in jedem Sinn des Wortes, werden keinesfalls am Rande, sondern durch Fachleute mit Akuratesse behandelt (Böhmen und Mähren nebst Prag, Bulgarien, Bühnenmusik, einzelne Gelehrte, wie der siebenbürgische Volksliedforscher Gottlieb Brandsch aus Mediasch u. a.). Besonders erfreulich, daß auch Dichter und literarische Anreger nicht vergessen wurden (von Konrad Burdach über Matthias Claudius bis Jean Cocteau). Aber was für die Genannten recht ist, müßte auch für Nadja Boulanger und Bert Brecht billig sein. Von neueren Komponisten sind ausführlicher dargestellt: Edmund von Borck, Braunfels, Bresgen, Britten, Burkhard, Busoni (zwei Spalten Werkverzeichnis!), Casella, Copland u. a. — Die Ausstattung mit 64 Bildtafeln, 540 Textabbildungen, Notenbeispielen und Tabellen wird allen Ansprüchen gerecht.

Geschichte Europas und des Orients. Band 2: Das Werden des europäischen Geistes. Von Robert E n d r e s. Verlag für Jugend und Volk, Wien. 756 Seiten.

Auch vorliegenden Band instrumentiert der „historische Materialismus“, die Rückführung geschichtlicher Ereignisse auf ökonomische Elemente. Das ergab wohl Verzeichnungen gerade religiöser Tatbestände. Doch wurde diese einseitige Methode nicht immer radikal verwendet, wodurch fragmentarische Darstellungen vereinzelt blieben. Im wesentlichen wollte auch der Verfasser einen Ueber-blick. Hier liegt der Vorzug seines Werkes. Selbst abseits liegende Gebiete, wie Rußland im Mittelalter, die Mongolenreiche und Kalifate, Amerika in vorkolumbischer Zeit, sind eingesehen. Wir bewundern zudem die allseits eingestreuten Anregungen und Aspekte. In dieser Mannigfaltigkeit erinnert der Verfasser an den Geschichtsphilosophen und Historiker Richard von Kralik, der allerdings von einem anderen Apriori aus, nämlich vom Christentum, gleichfalls ein weltgeschichtliches Panorama entwarf.

Univ.-Prof. Dr. August M. Knoll *

Thomas Becket of Canterbury. By Alfred D u g g a n. Faber & Faber, Ltd., London. 228 pp.

Schon vor fünfzig Jahren füllten allein die von englischen Historikern veröffentlichten Darstellungen der Geschichte Thomas Beckets eine stattliche Bibliothek. Seither sind, nach längerer Pause, weitere Arbeiten hinzugekommen, als Ergebnis, zum Teil, eines neuen, gründlichen Quellenstudiums. Aber noch immer bilden die Gestalt des heiligen Erzbischofs und die Ereignisse, die seinem Martyrium vorangegangen sind, den Gegenstand neuer Darstellungen, namentlich von anglikanischer Seite. Hier zeigt sich ein Interesse, welches mit

dem außerordentlichen Umfang des einschlägigen, teilweise noch kaum geordneten Quellenmaterials schwerlich genügend erklärt ist. Das entscheidende Moment liegt wohl, wie auch aus dem vorliegenden Buch zu erkennen ist, auf einer ganz anderen Ebene. Durch seine Standhaftigkeit, die er mit dem Märtyrertod besiegelte, hat Thomas von Canterbury den päpstlichen Primat aufs neue zur vollen Geltung in England gebracht und damit die Sicherung gewonnen gegen die unter Heinrich II. drohende Lostrennung Englands aus der Gemeinschaft der römischen Kirche. Es war das kein ephemerer Erfolg. Es war ein Sieg, der für 360 Jahre wirksam blieb und daher, wie Duggan richtig hervorhebt, wenn auch seine Vergleichsobjekte nicht ganz glücklich gewählt sind, „höher zu werten ist als Waterloo oder Blenheim, deren Ergebnisse binnen einer Generation verschwunden waren. In dieser gefallenen Welt kann kein Sieg unvergänglich sein...“ Wer würde aus diesen Worten nicht den Ton des Bedauerns heraushören und neben der offen ausgesprochenen Bewunderung für den heldenmütigen Verteidiger der Glaubenseinheit nicht auch den leise geflüsterten Wunsch, daß sein Sieg auch die folgenden Jahrhunderte überdauert hätte und wirksam geblieben wäre bis auf den heutigen Tag?

In sachlicher Hinsicht hat Duggan wohl nur aus bekannten und allgemein zugänglichen Werken geschöpft. Aber es war offenbar auch nur seine Absicht, eines der faszinierendsten Kapitel der englischen Kirchengeschichte dem Verständnis weiter Kreise, einschließlich jugendlicher Geschichtsliebhaber, näherzubringen. Dieses Vorhaben ist ihm in sehr anregender Art und mit einem beachtenswerten Maß von Objektivität gelungen. Kurt Strachwitz

Immanuel Kant als' Philosoph und Soziologe. Von Dr. Rudolf Stemberger. Verlag Sexl, Wien-Meisenheim. 155 Seiten. Preis 24 S.

Das Buch bietet eine klare, auch die schwieri-

gen Tiefen Kants nicht verwischende Darstellung seines grandiosen Systems. Die Interpretation, die bei einer Kant-Darstellung nie zu umgehen sein wird, versucht Kants Lehre als durchaus mit dem christlichen Glauben vereinbar hinzustellen. Das soll vor allem dadurch erreicht werden, daß die metaphysischen Dimensionen, die gerade in der Kritik der praktischen Vernunft aufscheinen, besonders stark hervorgehoben werden, ja daß von ihnen aus der übrige Kant gesehen wird. Wieweit da nicht Intentionen des Verfassers Pate gestanden haben, muß dahingestellt bleiben, da der knappe Umfang der Arbeit Beweise und Belege für die vorgetragenen Ansichten nicht zuließ. Sie werden sich aber auf das allenthalben zu .bemerkende Abrücken von der so lange allgemeinen neukantianischen Kant-Interpretation beziehen können. Die sprachliche Form sucht die Verständlichkeit bis an die Grenze einer Popularisation, ohne diese aber zu überschreiten.

Dr. P. Leopold Soukup OSB. •

Frührot in Iran. Abenteuer im deutschen Geheimdienst. Von Schulze-Holthus. Bechtle-Verlag, Eßlingen. 358 Seiten.

Der Verfasser war als Nachrichtenoffizier der deutschen Abwehr in Teheran knapp vor dem Ausbruch des Rußlandfeldzuges eingesetzt worden. Die deutsche Politik im Iran beruhte auf der Hoffnung, nach einem glücklichen Abschluß des Ostfeldzuges bis zum Persischen Golf durchstoßen zu können und somit England an seiner vitalsten Stelle zu treffen. Wie im Ersten Weltkrieg, wo der berühmte legendäre Hauptmann Wasmuß die persischen Teilfürsten gegen England zum Aufstand zu bringen versuchte, wurde dies allerdings mit weitaus geringeren Erfolgen auch im Zweiten Weltkrieg versucht. Die abenteuerlichen Fahrten des Verfassers zu den verschiedenen Stämmen und ihren halbsouveränen Führern, die ganze von politischer Spannung geladene Atmosphäre Irans unter der Besetzung der englischen und russischen Truppen, spiegelt sich in dem Erlebnisbericht wider, der auch literarisch bemerkenswert geschickt abgefaßt ist. Für die Geschichtsforschung ergeben sich interessante Details einer kaum bekannten Episode des Zweiten Weltkrieges.

Dr. Ludwig Franz J e d 1 i c k *

Wir Lebendigen. Gedichte von Josef M a r-schall. Donau-Verlag, Wien-München. 85 Seiten.

Was für ein außergewöhnliches lyrisches Talent Oesterreich in Josef Marschall besitzt, ist erst vor wenigen Jahren bekanntgeworden. 1947 legte der damals schon 42jährige Dichter, bis dahin vor allem als Romancier bekannt, sein erstes lyrisches Bekenntnis vor. Das Buch „Herbstgesang“ fand viel Beachtung. Fünf Jahre später folgt nun in der vorliegenden Sammlung eine volle Bestätigung jener Urteile, die damals ein besonderes Ereignis ankündigten. Josef Marschall kann nach diesem Buch ruhig in die erste Reihe österreichischer Gegenwartsdichtung gestellt werden und braucht darüber hinaus auch im gesamtdeutschen Sprachraum erste Konkurrenz nicht zu scheuen.

Vergleiche mit Josef Weinheber hingegen scheinen von ungefähr. Marschall ist von anderer Art. Er ist nicht jener prometheische Titanide von „Zwischen Göttern und Dämonen“ und „Adel und Untergang“, vielleicht noch eher jene verbindlichere, musikalischere Spielart von „Kammermusik“ oder „O Mensch, gib acht“. Jedoch gewahrt man bei genauem Studium von Motiven und lyrischem Ausdruck deutlichere Züge, die an Guido Zernatto, Theodor Kramer oder Wilhelm Szabo erinnern; insbesondere in den starken, symboltiefen Naturgedichten und den lebhaften Bildern aus dem bäuerlichen Lebenskreis und der burgenländischen Landschaft.

Marschall baut auf einem schönen, reichen Erbe sehr eigenständig weiter. Seinen Gedichten haftet nichts Theoretisches, Fremdes oder Gewolltes an, sie stehen ganz in der besten Kontinuität lyrischer Sprachkunst unseres Landes, so sehr, wie man es in den letzten Jahren vielleicht nur noch von Christine Bustas „Der Regenbaum“ behaupten kann. Die Lyrik Josef Marschalls verdient allseitige Aufmerksamkeit; dieser Band gebe Anlaß, bisher Versäumtes nachzuholen. Dr. Hans M. L o e w

Die Vegetation der Donauauen bei Wallsee. Schriftenreihe der Oberösterreichischen Landesbau-

diiektion Nr. 11. Von Elfrune Wendelberge r-Zelinka. Wels, 1952. 196 Seiten, 16 Tabellen.

Die Auwälder gehören heute zu den am meisten durch Flußregulierungen und Stauung gefährdeten Teilen unserer heimischen Landschaft. Um so mehr ist es zu begrüßen, daß nach den schönen Untersuchungen in der Lobau durch A. Sauberer hier eine monographische Darstellung der Auen des Marchlandes gegeben wird, die die Doktordissertation der Verfasserin darstellt. Als dominierender Faktor wird die Dauer und Höhe der Ueber-schwemmung erkannt, und die ganze Vegetation ordnet sich zwanglos von den tiefsten zu den höchsten Stellen der Au. Viel schwieriger gestaltet sich dagegen die Einordnung in das statistisch floristische System Braun-Blanquets, welche

in der vorliegenden Arbeit angestrebt wird. Besonders bemerkenswert sind die Ausführungen über naturnahe Bewirtschaftung der Auwälder unter Ausschluß standortsfremder Holzarten.

Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Kühnelt *

Wagners Führer durch Nordtirol. Mit einer Kartenbeilage und einem Plan. Fünfte, verbesserte Auflage. Wagnersche Universitätsbuchhandlung, Innsbruck 1953. 360 Seiten. Preis kart. 48.50 S.

Diese durch Franz Malcher gänzlich neu bearbeitete Auflage 1953 eines immer schon beliebten Tiroler Wanderbuches kommt zur rechten Zeit. Der Stadtplan von Innsbruck ist ausreichend, ausgezeichnet die vierfarbige Landeskarte (1:600.000). Die historischen und kunsthistorischen Hinweise sind knapp, aber klar, Wallfahrtsorte und Sakralstätten sind mit Takt und Kenntnis dargestellt. Den größten Raum nehmen die Wanderungen und Bergfahrten ein. Die Einteilung in 764 Kurzabschnitte, die der Herausgeber nicht sehr wohllautend „führen“ nennt (eine freilich verständliche, gastfreundliche Geste gegenüber dem Hauptstrom der Tirol-Besucher!) fördert sehr die Ueber-sichtlichkeit. Ueber die ausdrücklich vermerkte Aussprache „Groß-Fenediger“, „Fent“, „Nafis“ u. ä. läßt sich streiten. Im ganzen ein kundiger Führer für Stadtbesucher, Wanderer und Hochtouristen. Dr. Roman H e r 1 e *

Das Einkommensteuergesetz. Von Dr. Johann Pucharski. Vierte Auflage, 602 Seiten, Preis 77 S. — Die Stempel- und Rechtsgebühren. Von Dr. Franz L a t z k a und Dr. Richard Warnung. 246 Seiten, Preis 66 S. Beide: Manz-Verlag, Wien.

Die Einkommensteuer erfaßt teils im Wege der Veranlagung, teils im Wege der direkten Einhebung (Lohnsteuer, Kapitalertragssteuer) nahezu jeden Staatsbürger. Auch die Körperschaftssteuer der juristischen Personen fußt auf ihren Grundlagen. Die Kenntnis dieses seit 1945 oft ergänzten und geänderten Gesetzes ist daher ein allgemeines Bedürfnis, dem das vorliegende ausgezeichnete Werk in jedem Sinne Genüge leistet. Es bringt neben den geltenden Bestimmungen auch jene, die für vergangene Bemessungszeiträume maßgebend sind, und gibt auch ein überaus reiches Material an Erklärungen und Entscheidungen wieder. Es wäre zu wünschen, daß dieses Standardwerk in „Loser-Blatt“-Form herausgegeben würde, damit es jeden Augenblick auf dem geltenden Stand ist. Gleichfalls einen fast jeden betreffenden Gegenstand behandelt das Buch „Stempel- und Rechtsgebühren“. Seine Wichtigkeit wird durch die immer rigorosere Praxis der Finanzbehörden, die häufig auch lange zurückliegende Gebührenverstöße nachbehandeln, unterstrichen. Auch hier erläutern zahlreiche erklärende Anmerkungen den sorgfältig gefaßten und übersichtlich dargestellten Text der geltenden (und in Geltung gestandenen) Bestimmungen. Carl Peez

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Das weite Land. Lyrische Anthologie. Länderverlag, Linz 1952. 46 Seiten.

K. E. Baumgärtel, selbst Lyriker, stellt uns auf ' knappstem Raum 76 Lyriker vor. Manche von ihnen, wie Ginzkey, Sacher, Fischer-Colbrie, Bacher, Ilse Ringler-Kellner und der mehr als Epiker wirkende Hohlbaum, sind längst gewürdigt. Die Buchreihe des Oberösterreichischen Künstlerbundes aber sieht ihre Aufgabe, auch Aufstrebenden zu helfen und stattet seine Kleinbuchreihe mit wirklichen Geschmack aus. So wird uns Otto Jungmair, der Stifter-Forscher, als Lyriker ebenso zur Ueberraschung, wie Matras und besonders Pfandler. Hanns Salaschek

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