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Das Biographische Wörterbuch zur deutschen Geschichte

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Mit seiner achten Lieferung hat dieses Wörterbuch, das eine empfindliche Lücke in der deutschen Lexikographie zu schließen bestimmt ist, seinen Abschluß gefunden. Anläßlich einer Einschau in die erste Lieferung und das Programm wurde in diesen Blattern bereits die Aufmerksamkeit auf dieses mutige Unternehmen gelenkt. Das vollendete Werk umschließt nun auf rund tausend Seiten zweitausend Biographien, eine Auslese, die den gewaltigen Raum von der Völkerwanderung bis zur neuesten Zeit umspannt, und mit 1197 Darstellungen vornehmlich den Regenten, Staatsmännern, Politikern und großen Soldaten zugewandt ist.

Die gestellte Aufgabe war schwer und nicht ohne Gefahr. Die erreichte Leistung ist in vielen Partien gut, oftmals vorzüglich. (Beispielsweise seien die prägnanten Kurzdarstellungen Canisius, Daun, Pius IL, Aeneas Silvius, Ottokar II., Schaefjfle, Felix Schwarzenberg, Spee, Leo Thun herausgegriffen.) Gerne vermerkt man an der Behandlung österreichischer Biographie die Ehrfurcht vor der geschichtlichen Gerechtigkeit, das gewissenhafte Bemühen, in die Tiefe der ober den Einzelmenschen stehenden geschichtlichen geistigen Probleme des alten Oesterreichs zu dringen. So, wenn in eingehender Besprechung der heute an der Universität Erlangen tätige Srbik-Schüler Professor Rößler von den Habsburgern sagt, sie seien „im Gegensatz zum Calvinismus, der anders als das Luthertum, ein neues Naturrecht sowie das politische Eigenrecht der Staatsraison und des Absolutismus durchsetzen wollte, der mittelalterlichen Ueberordnung des Rechtes über die Politik treugeblieben“, ihnen sei „skrupulöse Gewissenhaftigkeit und Rechtlichkeit, wie auch festes Gefühl der Besonderartigkeit und Würde ihres Hauses eigen gewesen“, „Eigenschaften, die sie der Kritik zugänglicher machten, aber die Reichsidee bei ihnen nur noch festigten“. Auch von den Habsburg-Lothringern vermerkt Rößler: „Die Schwerfälligkeit der alten Habsburger ebenso wie ihr Rechtssinn setzten sich auch im geistigen Erbe dieser Nachfahren durch, deren Pflichtgefühl zu ausdauerndster Hingabe an den jetzt begründeten Staat des Aufgeklärten Absolutismus und Josephinismus wurde“. An dem Sieger von Aspern und seinem Bruder, den Reichsverweser Erzherzog Johann, rühmt der Biograph ihre geistige Aufgeschlossenheit und die bei den alten Habsburgern übliche sittliche Reinheit; er nennt sie „hervorragende Vertreter des deutschen Fürstentums und politische Führer ihrer Zeit.“ Noch von der Tendenzliteratur überschattet, sind Vermerke über Kaiser Karl. So wird in der Biographie Ottokar Czernins richtig gesagt, daß Czernin in die versuchte Friedensvermittlung Kaiser Karls „eingeweiht war“, eine wesentliche Feststellung; denn Czernin war als Minister, schon gar als mitwissender Minister, der Verantwortliche und nicht der Monarch. Leider erscheint in dem von dem gleichen Biographen stammenden Lebensbild des Kaisers jener gewichtige Vermerk durch eine abseits führende Einfügung ersetzt. Nicht ohne Belang unrichtig ist die Angabe, daß der Leichnam des Kaisers in der Kapuzinergruft ruhe; was an dem verbannten Monarchen sterblich war, ist bis heute in die Heimat aus Madeira nicht zurückgekehrt. Derselbe Verfasser schreibt in seiner der Persönlichkeit Seipels gewidmeten kurzen Skizze in schwacher Andeutung der geschichtlichen Situation und der staatsmännischen Aufgabe Seipels, dieser habe „gegen die bedrohlich wachsende Inflation“ die Hilfe des Völkerbundes gewonnen. So einfach lagen die Dinge nicht. Der Staat stand unmittelbar vor seinem Zusammenbruch. Was soll es dann auch heißen, daß Seipel, „stärker als sein Gegenspieler Schober, einer katholischen Donaupolitik zugeneigt“ gewesen sei. Das rechte Maß ist auch verrutscht, wenn Georg Schönerer, in dieser Sammlung von Lebensbildern bedeutender Politiker, einen dreifach so großen Raum als der Staatskanzler und spätere Bundespräsident Dr. Renner zugewiesen erhält und Jodok Fink, doch wohl eine der markantesten Erscheinungen des österreichischen politischen Lebens nach der Jahrhundertwende, völlig übergangen erscheint. Dasselbe Uebersehen erfahren der Völkerrechtler und letzte Ministerpräsident des alten Oesterreich, Heinrich Lammasch, und so auch Alois Prinz Liechtenstein, der als Flügelmann in der vordersten Reihe der Vorkämpfer christlicher Sozialreformer stand, und schließlich als Chef der größten deutschen Partei Oesterreichs aus seinem Zeitalter nicht wegzudenken ist. Ueber Dr. Karl Lueger, den Volksführer, Kommunalwirtschaftler und großen Erneuerer Wiens als Bürgermeister, erfährt man aus dem ihm zugewiesenen mageren 30 Zeilen, daß Lueger seine Partei „mit der altklerikalen Adels- und Bauernpartei verschmolzen“ habe. Dazu sei bemerkt, daß der einzige adelige Abgeordnete der Katholischen Volkspartei, die hier eine abwegige Benennung erfahren hat, der Abgeordnete Baron Morsey war. Auch zu Dollfuß und Schuschnigg haben die Darsteller nicht die rechte Distanz gefunden. An einigen Stellen fallen Ausdrücke eines abzulehnenden politischen Jargons auf, der in einem Geschichtswerk nicht laut werden sollte, das wie dieses sonst auf guten Stil sichtlichen Wert legt. Einem Vorhaben, wie dem in diesem Werke vorliegenden steht es nicht gut, daß man in ihm antiquierte Slogans aus dem liberalen Zeitalter, wie „Klerikalismus“, „Ultramontanismus“, „Feudalklerikale“ u. a., in Gebrauch findet. Das ist schade. Wo so viel Bedeutendes geboten wird — als ein Meisterstück aus der großen Reihe trefflicher Darbietungen sei hier nur Rößlers Leibnitz-Biographie genannt — werden abstehende Bearbeitungen um so stärker empfunden.

Die unentbehrliche strenge Schlußredaktion hat sich nicht überall durchgesetzt, so daß es u. a. geschah, daß zwischen Gerhart Hauptmann und Josef Haydn ein Kaspar Hauser Platz erhalten konnte, das Nürnberger Findelkind, das zwar fünf Jahre lang die biedermeierische Neugierde des Vormärz beschäftigen konnte, aber auch unter den zweitausend Auserwählten der deutschen Staats- und Geistesgeschichte ein Findelkind überraschend seltsamen Herkommens bleibt.

Durch diese Vermerke sei der Wert der durchschnittlich hohen Gesamtleistung dieser biographischen Sammlung nicht verkleinert. Wie sollte eine Auswahl in allem maßgerecht bemessen sein, die aus 50 Generationen deutschen Volkstums die wichtigsten geschichtlichen Porträts bestimmter Berufsgruppen zu erlesen hatte. Die programmmäßige Uebersteigerung der Planer, die Erstmaligkeit des Vorhabens, die gewisse Ungleichmäßig-keit in der Stoffbehandlung durch verschiedene Federn und die Beschränkung des zugewiesenen Raumes waren natürliche Fehlerquellen, die gerechter Weise in Rechnung zu stellen sind.

Handbuch des Oesterreichischen Verwaltungsrechtes. Zweiter Band: Materiellrechtlicher Teil. Von Dr. Ludwig A d a m o v i c h, o. ö. Univ.-Prof. und Präsident des Verfassungsgerichtshofes. Fünfte Auflage. Springer-Verlag, Wien. 386 Seiten. Preis 110 S.

Das Werk bietet dem Leser einen mustergültigen Ueberblick über das gesamte materielle Verwaltungsrecht. Es ist damit für den Praktiker ein unentbehrliches Hilfsmittel für seine tägliche Arbeit, darüber hinaus aber auch für den Studenten das ideale Lehrbuch. Der Name des Verfassers macht jede weitere Empfehlung überflüssig. Gegenüber der vierten Auflage, die das formelle und materielle Verwaltungsrecht in einem Band enthalten hat, ist die Teilung in zwei Bände und die damit ermöglichte ausführlichere Darstellung hervorzuheben.

Kleine Chronik des Volkes Israel. Von Angelika Probst und Eckart Peterich. Verlag Otto Walter, Ölten und Freiburg im Breisgau. 248 Seiten. Preis 9.90 sfr.

Das kleine, handlich und geschmackvoll ausgestattete Büchlein will nichts anderes sein als eine schlichte Nacherzählung der biblischen Ereignisse. Die Sprache berührt sich oft mit dem biblischen Wortlaut. Es wird keine Textkritik und keine Literarkritik eingearbeitet, sondern versucht, den modernen Menschen an die geistige Welt der Bibel heranzuführen, zu der selber viele nicht greifen. So wird in schlichter Einfachheit die Urgeschichte nacherzählt, die Schicksale der Patriarchen mit ihrem echten volkstümlichen Scharm nachgezeichnet, dem tragischen Schicksal des Moses ein gutes Teil zugewiesen, und über Richter, Könige, Propheten der heilige Faden fortgesponnen bis zu Judith und Esther. Ein Nachwort faßt die geistige Welt Israels zusammen und ein Anhang bringt eine Zeittafel und ein reiches Nachschlagregister.

Das Buch ist den Millionen Kindern Israels gewidmet, die in den letzten Jahrzehnten hinsterben mußten. Daher bekommt diese schlichte Chronik Bekenntnischarakter. Die Darstellung erfolgt aber von christlicher Schau aus, denn das giel der Geschichte Israels ist der Messias, der von seinem Volke verkannt und verworfen wurde, weshalb die Tragödie Gottes weiter auf den Schultern dieses Volkes lastet. Wer die Chronik mit einfacher schlichtet Seele liest, wird davon tief ergriffen werden.

Aus der Romanstraße. Ein Almanach. 1945 bis 1953. Verlag Kurt Dtsch, Wien-München-Basel. 434 Seiten.

Dieser Band ist gleichzeitig als Geburtstagsgabe für den Verleger Kurt Desch gedacht. Auch wenn wir das in Rechnung stellen, will uns scheinen, daß der Name des Fünfzigjährigen etwas zu oft genannt und der Gefeierte etwas zu viel gefeiert wird. Es gibt da Berichte über erste Begegnungen und Arbeitsbesprechungen, es gibt Geburtstagsbriefe und Sympathiekundgebungen, poetische Deutungen des Verlagszeichens und vieles dieser Art. So wird auch der Unterschied deutlich zwischen der fast abenteuerlichen Gestalt des Manager-Unternehmers und dem Verleger älteren Typus, repräsentiert etwa durch Dr. Kippenberg, R. Piper, J. Hegner oder S. Fischer. — Wollte man den Gesamteindruck wiedergeben, den man beim Durchblättern dieses Bandes empfängt, so könnte man sagen: bunt, ja buntscheckig. Da so vielerlei einbezogen ist, findet man auch fast alle Elemente der Gegenwart, ihre kindlichen und hybriden, ihre hektischen und fatalistischen Züge im Spiegelbild dieses Alma-nachs. Unter jedem der 64 Photos der Verlagsautoren steht ein kurzer, freilich unvollständiger Lebensabriß. Diese vielen Gesichter zu studieren und mit ihren Beiträgen zu konfrontieren ist hochinteressant und aufschlußreich. Auch ist das Niveau, das die einzelnen Beiträge ausnahmslos halten, sehr charakteristisch: nirgends wird ein Gipfel erreicht, man gerät aber auch an keiner Stelle unter den anständigen Durchschnitt. Das Geniale, rein Poetische vom Rang etwa Hofmannsthals oder Borchardts fehlt ebenso wie das — nun, fürs andere Extrem braucht man keine Beispiele zu nennen. — Das Werkverzeichnis umfaßt 650 Titel; die Namen der Autoren, Herausgeber, Illustratoren und Ueber-setzer, denen Kurt Desch Arbeit und Brot gab, füllen 14 Druckspalten. Es ist einigermaßen rätselhaft, wie so etwas existieren kann. Denn die breite finanzielle Grundlage, auf der dieser literarische „Ueberbau“ ruht, hat der Verlag erst vor kurzem mit der Abonnementreihe „Welt im. Buch“ und ihren sechsstelligen Auflagen geschaffen. — Man wird dieses verlegerische Abenteuer aufmerksam zu beobachten haben. Zum Titel des Almanachs: „Romanstraße“ meint nicht etwa die Via Appia des Romans, sondern die Römanstraße in München, den Sitz des Verlages. Bei Kurt Desch ist eben alles anders.

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