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Von der Römerzeit zur Aufklärung

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Noricum, Baiern und Oesterreich. Von Ignaz Zibermayr. 2., verbesserte Auflage. Verlag Ferdinand Berger, Horn. 555 Seiten. 4 Karten.

Zwölf Jahre nach dem in Fachkreisen viel diskutierten Erscheinen seines Buches legt nun in unermüdlicher Schaffenskraft der verdiente Autor eine Neusfbeityng. vor. Jnr Aufbau.- hat Z. wenig ge-

änfer Vorzeit des Regmim noricum bis zum Jahre 1918 — teilt er in fünf große Abschnitte. Der erste umfaßt die keltische Epoche, die Römerzeit bis zum Zusammenbruch des Weltreiches und das erste Einströmen christlichen Gedankengutes (8 Kapitel). Abschnitt II. der längste (22 Kapitel), beschäftigt sich mit der bis heute nicht eindeutig geklärten Herkunft der Baiern und ihrer Christianisierung. Abschnitt III (12 Kapitel) ist der karolingischen Ostmark und ihren drei Grafschaften gewidmet. Der IV. Abschnitt setzt sich mit der Ungarnzeit und dem angeblichen Erzbistum Lorch auseinander (3 Kapitel). Abschnitt V endlich führt die Geschichte des Herzogtums Oesterreich und später der Länder ober und unter der Enns bis zum Zusammenbruch der Habsburgermonarchie. Den Beschluß bildet eine Zusammenfassung, die den verfassungsgeschichtlichen Kern des Buches bebandelt. Ein ausführliches Register und vier übersichtliche Karten erleichtern die Benützung des monumentalen Werkes.

Schon die Bewältigung des z. T. nur schwer deutbaren Quellenbestandes ist eine außergewöhnliche Leistung. Freilich bewirkt dies auch eine erhöhte Gefahr, den Aussagewert der Quellen zu überspannen. Dies gilt vor allem für die beiden ersten Abschnitte, auf die hier kurz näher eingegangen sei.

So nimmt Z. an, daß entsprechend der spätantiken Diözeseneinteilung, die seit dem Konzil von Nicaea auch für die christliche Organisation maßgebend war, Sirmium Ausgangspunkt der christlichen Mission gewesen sei. Dafür besteht kein Grund, denn die Mission geht oft andere Wege und richtet sich nicht nach staatlichen Grenzen. Viel eher war — wie auch ! der Kirchenbau zeigt — Aquileia das Zentrum der christlichen Mission. Ebenso ist auch die Annahme, daß I.auriacum Sitz des Statthalters und damit auch Metropolitansitz war, nicht zu beweisen. Dafür spricht weder die Bezeichnung urbs in den mittelalterlichen Quellen noch der Ausdruck pontifex für den Geistlichen in der vita Severini.

Von besonderem Wert ist die subtile Untersuchung der Florianuslegende. Für das Weiterleben über die Zeit der Völkerwanderung spricht auch der Befund der Grabungen im Stift St. Florian, wo L. Eckhart tatsächlich römisches Mauerwerk gefunden hat (Oberösterr. Heimatbl. 1954. S. 187 ff.). Eine gewisse Stütze für das Weiterleben christlicher Gemeinden gibt auch das Ergebnis der Grabungen auf dem Georgenberg im oberen Kremstal, die der Verfasser durchführte, wo ein Kultkontinuum bis auf den heutigen Tag wahrscheinlich ist (Tempel des keltischen Teutates, frühchristliche Kirche, Holzkirche des 9. und 10. Jahrhunderts, Kirche des 12. Jahrhunderts bis zur barockisierten gotischen Kirche der Jetztzeit).

Trotz der von verschiedenen Seiten erhobenen Einwände hat der Verfasser an der These der Herkunft der Baiern aus dem Schwarzmeergebiet festgehalten, obwohl das mega ethnos der Baianoi in der antiken

Literatur sonst nicht aufscheint. Die Ansicht von der frühen Besetzung Ufernoricums durch die Baiern hat jetzt eine Stütze durch die von A. W. Jenny, Ae. Kloiber und dem Verfasser durchgeführten Grabungen in Lauriacum erhalten. Einerseits gelang es, im Bereich der Zivilstadt tatsächlich eine nach-römische Besiedlung festzustellen, anderseits konnte Afe. Kloiber germanische, und zwar frühbairische Gräber (frühes 7. Jahrhundert) freilegen (vgl. F. i L. I. II, IV/V). Doch reichen diese Funde noch nicht aus, um Lorch als erste bairische Hauptstadt zu beweisen. Sicher ist dagegen, daß die Restsiedlung von Lauriacum durch die Awaren vernichtet wurde, und damit ist auch die These vom Druck aus dem Osten, der zum Abhängigkeitsverhältnis der Baiern von den Franken führte, archäologisch z. T. untermauert.

Der oft schwierige Stoff ist in dem großen Werk ausführlich behandelt. Das überaus anregende und flüssig geschriebene Buch wird noch auf Jahre hinaus Gegenstand der Forschung bleiben und hat diese — ob man zustimmt oder ablehnt — auf alle Fälle befruchtet und belebt, und dafür sei vor allem dem hervorragenden Gelehrten gedankt.

Dr. Hermann Vetters

Privilegium Mains. Die Geschichte einer Urkunde. Von Alphons L h o t s k y. „Oesterreich-Archiv.“ Verlag für Geschichte und Politik, Wien. 91 Seiten. Preis 48 S.

Der Wiener Verlag für Geschichte und Politik hätte für den Beginn seiner neuen Publikationsreihe „Oesterreich-Archiv“ nach Thema und Autor keine bessere Wahl treffen können! Der „Gegenstand dieser Erzählung“ ist der Komplex jener fünf beziehungsweise sieben Urkunden, die seit Jahrhunderten Mittelpunkt heftiger staatsrechtlicher, wissenschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen waren. Allein in den letzten Jahrzehnten wurden über sie Urteile gefällt, die zwischen gefälschtem „Machwerk“ und großartigem Ausdruck „des modernen Staatsgedankens gegen den überlieferten Reichsgedanken“ schwankten.

Professor Alphons L h o t s k y, der Ordinarius für österreichische Geschichte an der Universität Wien, war nun zur zusammenfassenden Darstellung der mit der Entstehung und Wertung des Privilegium Maius zusammenhängenden Probleme geradezu prädestiniert. Er hat sich mit ihnen schon in mehreren Arbeiten beschäftigt und einige aufschlußreiche Untersuchungen seiner Schüler in dieser Richtung angeregt. So ist diese auf immensem Fachwissen basierende und mit offensichtlicher Freude am Thema verfaßte — laut Vorwort vor allem für die Mittelschullehrer-schaft bestimmte — Schrift auch eine von der gesamten „engeren und engsten Fachgenossenschaft“ dankbarst begrüßte Uebersicht geworden, die wahrhaftig „manches Neue enthält und vom Alten vielerlei, was selbst guten Kennern der Materie nicht geläufig sein dürfte“.

Der Verfasser behandelt zunächst den Beginn der rechtlichen Anfechtungen des Maius, die auf die Behauptung des Hochstiftes Bamberg, daß seine alten Kärntner Besitzurgen nicht der Landeshoheit der Habsburger, sondern dem Reich unterstehen — also auf politische Gründe —, zurückgehen. Der Inhalt und die Vorlagen der Fälschungen aus der Kanzlei Herzog Rudolfs IV. (1358/59). ihre Aufnahme durch

Kaiser Karl IV. und die Bestätigung der Freiheitsbriefe durch die Kaiser von Friedrich III. bis ' Karl VI. werden im folgenden Abschnitt behandelt. Dabei wird klar und ausdrücklich betont, daß „alle wesentlichen Forderungen des Maiuskom-plexes“ bereits in dem den Babenbergern 1156 von Kaiser Friedrich I. erteilten Privilegium Minus und im Privilegium de non evocando Karls IV. für die Habsburger gegeben sind. Die merkwürdigen Urkunden Casars und Neros zugunsten Oesterreichs haben daher Karl IV. wohl stutzig gemacht, grundsätzlich aber hat er die Ansprüche seines begabten und ehrgeizigen, sich in der Goldenen Bulle übergangen fühlenden Schwiegersohnes nicht zurückgewiesen. Diesem ging es, abgesehen von kleinen Eitelkeiten, vor allem darum, die seinerzeit den Babenbergern gewährten Vorrechte auf das Land als solches zu übertragen. Lhotsky hält es übrigens, im Gegensatz zu Konrad Heilig, nicht für ganz sicher, daß Rudolf das Minus anläßlich der Fälschung vernichtet hat, das nicht einmal mehr im Besitz Albrechts I. (1299) nachzuweisen ist. Die Beurteilung des Minus und Maius durch die Historiographen und Juristen bis 1800, die geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzungen um die Echtheit des Maius, für die sich der damalige Vizedirektor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Josef Chmel, aus patriotischen Gründen mit rührender Intensität einsetzte, und eine Zusammenfassung der verschiedenen Deutungsversuche des Maius sind die weiteren Abschnitte der Arbeit. Im Anhang werden die Texte der österreichischen Freiheitsbriefe, deren Originale übrigens im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv ausgestellt sind, wiedergegeben.

Die Frage der österreichischen Freiheitsbriefe hat — wie bereits erwähnt — als politische begonnen. Nach ihrer Klärung durch die Geschichtswissenschaft ist sie wiederum eine solche geworden, da eine gewisse Richtung „das Phänomen der österreichischungarischen Monarchie in äußerst einfacher Weise auf einen gelungenen Schwindel“ zurückführte. Von hier bis zur „Negation einer Berechtigung Oesterreichs zur staatlichen Selbständigkeit“ war es dann nur noch ein Schritt. Die Gegenseite vertrat dafür die Meinung, daß dem Maius für die Eigenstaatlichkeit und Loslösung Oesterreichs vom Reich eine ungeheure Bedeutung zugekommen sei, die es fast als „Magna Charta“ Austriae erscheinen ließ. Es ist ein erfreuliches Zeichen der Entideologisierung zumindest der Geschichtswissenschaft unserer Zeit, wenn sich nun die Ueberzeugung durchzusetzen beginnt, daß die Entwicklung Oesterreichs zum selbständigen Staat nicht die unmittelbare Folge von Privilegien — seien sie nun kleiner oder größer gewesen —.sondern nach den vom Verfasser zitierten Worten Theodor Mayers „das Ergebnis der histo- i rischen Ereignisse war“.

So erweist es sich denn doch immer wieder, daß vorbildliche, von Ressentiments ungetrübte Geschichtswissenschaft sehr wohl imstande ist, über die speziellen Forschungsprobleme hinaus zu für die Sicht auch großer geistiger und politischer Probleme wesentlichen Aussagen zu gelangen. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist diese „Geschichte einer Urkunde“. Autor und Verleger sind zu ihr, die trotz ihres nicht allzu niedrigen Preises in den interessierten Kreisen nicht nur viele Leser, sondern auch Besitzer finden möge, gleichermaßen zu beglückwünschen.

Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus. Von Hans Sturmberge r. „Oesterreich-Archiv.“ Verlag für Geschichte und Politik, Wien. 47 Seiten.

Sturmberger, dem die österreichische Geschichtsschreibung ein ganz ausgezeichnetes Werk über Georg Erasmus Tschernembl (1567 bis 1626), den Führer der evangelischen Landstände Oesterreichs ob

der Enns, zu verdanken hat, legt hier an der Person Kaiser Ferdinands II. die Gründe für die Entstehung des Absolutismus in Oesterreich dar. Die Leitmotive im Leben Tschernembls waren Religion, Libertät und Widerstand, bei seinem kaiserlichen Antipoden dagegen Religion, Staatsräson und Gottes-gnadentum. Es ist dem Verfasser nun aus seiner großen Vertrautheit mit jener Zeit und all ihrer Problematik eine äußerst überzeugende und objektive Zeichnung jenes Habsburgers gelungen, der — nach dem Urteil seiner Zeitgenossen, ja sogar seiner Gegner, von Natur aus „sanfftmüethig“ und skrupulös veranlagt — sich in der religiösen Sphäre unbeugsam und frei von jeder Menschenfurcht erwies. In seiner Katholizität lag die Hauptquelle seines Absolutismus, den er, zum Unterschied von den Versuchen seiner Vorfahren, auch tatsächlich durchsetzen konnte. So war die Gegenreformation — abgesehen von allen religiösen Zielen und Belangen — auch eine mächtige Triebkraft zum fürstlichen Absolutismus. Alle diese schwierigen geistesgeschichtlichen Fragen werden in der aus einem Vortrag erwachsenen Studie Sturmbergers so klar und übersichtlich dargestellt, daß deren Lektüre im besten Sinn des Wortes belehrend und anregend zugleich wirkt.

Dr. Erika Weinzierl-Fischer

Maria Theresia. Von Peter Reinhold. Insel-Verlag, Wiesbaden. 3 56 Seiten mit 10 Bildtafeln.

Die Aufgabe, innerhalb der heute schon so umfangreich gewordenen Maria-Theresien-Literatur einem Buche eine besondere Note zu geben, sucht der Autor dadurch zu erfüllen, daß er die persönlichen, gemüthaft -sympathischen'“ZügV!- der' großen Herrscherin sowie der Menschen, mit denen- sie afn meisten in Berührung kam, ihrer nächsten Verwandten und ihrer engsten Mitarbeiter, in den Mittelpunkt stellt. Das Streben, den Lebenslauf der Herrscherin in chronologisch epischem Flusse vorüberziehen zu lassen, führt dazu, die Jahre ihrer Kriege und die Ereignisse an ihrem Hofe besonders ausführlich zu schildern. Daß dabei der eigentliche Ertrag ihrer Leistungen und ihrer Zeit, die Vollendung der Staatspersönlichkeit der Großmacht Oesterreich, die Reform der Verwaltung, die Kulturleistungen auf den Gebieten der Schule, der Rechtspflege, der Medizin, der schönen Künste usw., bedauerlicherweise zu kurz kommt, versteht sich fast von selbst. Auch eine ganze Reihe von Flüchtigkeitsfehlern wollen wir nicht unerwähnt lassen. — Trotzdem muß hervorgehoben werden, daß dieses Buch des inzwischen verstorbenen Autors ansprechend, humorvoll, stellenweise sogar launig und mit viel Liebe geschrieben wurde, die keineswegs kritiklos oder gar blind zu nennen wäre. Es wird unter den Lesern bestimmt zahlreiche Freunde finden.

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