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Scheidung in der Politik

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Zu dera Buch: Männer, von denen man spricht. Von Peter Howard. Siebzehn Bildnisse englischer Politiker. M. F. Rohrer.Verlag, Innsbruck

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Zu dera Buch: Männer, von denen man spricht. Von Peter Howard. Siebzehn Bildnisse englischer Politiker. M. F. Rohrer.Verlag, Innsbruck

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Die kleinen Porträtskizzen, in welchen Howard die britischen Politiker der beiden großen Lager mit Beobachtungsgabe und Gewandtheit zeichnet, sind eine anregende Lektüre. Seinen bleibenden Wert erhält das Buch aber durch das Kapitel „Die wahr Kampflinie“, das in die Problematik des parlamentarischen, ja des politischen Lebens der Gegenwart an sich hineinleuchtet. Howard legt darin dar, daß die Trennungslinie in der Politik und zwischen den Politikern nicht mehr durch die alten Parteienbezeichnungen gekennzeichnet werden kann. Die großen Staats- und Parteimänner Englands — mochten sie audi im Innersten so gegensätzlich geartet sein wie Disraeli und Gladstone — hatten allezeit ein Gemeinsames: ihre christliche Weltanschauung.

„Wie die Führer dachten auch die Parteien selbst“, führt Howard aus, „dachte jedes einzelne Mitglied. Christliche Weltanschauung bedingte ihr Verhalten im öffentlichen und privaten Leben, auf christlicher Grundlage fußte die Demokratie und die Zwei-Parteien-Regierung.“ Daß die (britische) Form der parlamentarischen Regierung in anderen Ländern nicht so recht funktionierte, erklärt Howard sehr treffend daraus, „daß man wohl die Regierungsform, aber nicht die Weltanschauung mitübernommen hat. Frankreich hatte einen Rousseau, aber keinen Wesley, Cavour gab Italien eine liberale Verfassung, aber dieser Liberalismus trug den Geist der Hemmungslosigkeit in sich, die christlichem Denken widerspricht. Nur in christlichem Geist kann sich wahrer Liberalismus entfalten.“ In Amerika dagegen hat sich, wie in England, die Demokratie aus christlidiem Denken heraus entwickelt. Dieses christ. liehe Denken ist nun heute auch in England im Schwinden, fährt Howard fort: „Auf Seiten, der Tories und der Arbeiterpartei sind gewisse Elemente bestrebt, ans Ruder zu kommen, die rein materialistische Interessen vertreten. Eine kleine, aber entschlossene Gruppe von Leuten, die dem Prinzip einer christlichen Demokratie ablehnend gegenüberstehen, und sich zum Ziel gesetzt haben, alles auszuradieren, was uns das Christentum gegeben und England zu dem gemacht hat, was es heute ist.“ So verläuft die wahre Trennungslinie im britischen Parlament: „nicht zwischen Rechtsund Linksparteien, sondern zwischen denauf beiden Seiten vertretenen Anhängern der christlichen Demokratie und den ebenfalls auf beiden Seiten vertretenen Materialisten, die für die Machtstellung des einzelnen und die Klassenherrschaft kämpfen.“ Mit Recht verweist Howard auf die ungeheuren Folgen, die diese Auseinandersetzung zwischen den beiden Lagern in England für die Entwicklung der Demokratie Europas haben kann.

Dieser Ruf trifft den Kontinent in zwölfter Stunde. Das Gelingen oder das Unterbleiben der Re Christianisierung der kontinentalen Demokratie, an der niemand die Spuren der gleichen Entartung leugnen kann, die Howard für England beklagt, wird darüber entscheiden, ob es eine europäische Demokratie in der Zukunft überhaupt geben wird. Howard weist dem kontinentalen Leser den Weg, den die Verfechter der christlichen Demokratie selbst gehen werden müssen.

Carnuntum. Geschichte und Probleme der Legionsfeste und der Zivilstadt. Von W. Heydendorff. Obelisk-Verlag, Wien.

Das sorgfältig gearbeitete Buch bringt eine historisch einwandfreie Darstellung des Entstehens, Gedeihens und Vergehens der alten Römerstadt vor den Toren Wiens in einer auch das Interesse des Nichtfachimanms befriedigenden Fassung. Die ernste Behandlung und kritische Verwertung des literarischen und archäologischen Materials hebt sich wohltuend von der bedenkenlosen Art ab, mit der die letzten Publikationen über Carnuntum eine Zeit lang vor den abenteuerlichsten Kombinationen zu Propagandazwecken nicht zurückscheuten. Das Buch ist heute, wo noch keine Neubearbeitung des alten Camuntumführers vorliegt, auch für den Fachmann eine willkommene Zusammenstellung alles dessen, was gegenwärtig über dtie historischen Probleme Carnuntums gesagt werden kann. Die beigefügten Kartenskizzen aus den verschiedenen Zeiten der Entwicklung dieses römischen Donaukastells und die tabellarischen Übersichten über die römischen Garnisonen n der mittleren Donau dienen in dankenswerter Weise der Erleichterung des Verständnisses des Gebotenen.

Ramon Lull. Das Budi vom Liebenden und Geliebten. Eine mystische Spruchsammlung. Aus dem Altkatalanischen übersetzt und herausgegeben von L. Klaiber. Verlag O. Walter, Olten Schweiz.

Raymundus Lullus steht im Schnittpunkt der abendländisch-christlichen und morgenlän- disch-islamischon Welt des Mittelalters. Auf dem paradiesischen Eiland der Insel Majorka geboren, schöpfen sein Leben ebenso wie seine Dichtungen aus beiden Kulturkreisen. Die Kraft der Pro- venęe, zur damaligen Zeit eher ein Teil Spaniens als Frankreichs, nährt sein geistiges Leben gleich wi ihm der arabische Orient seine Geheimnisse anvertraut. Lullus gehört zum weiteren Kreis der Troubadoure, hat sich selbst als solcher gefühlt und aus ihrer Wesensart seine poetischen Werke geschaffen. Mit diesem Büchlein ist nun ein bisher verschlossener Reichtum mittela’lterlidier mystischer Poesie endlich aufgebrochen worden. Deshalb muß es als besondere Gabe beachtet und geschätzt werden, zumal auch sein reiches geistiges Erleben in einer wunderschönen Form wiedergegeben wird. Man versteht hier beim Lesen erst so recht den alten Beinamen des Verfassers „Perlenfischer seiner eigenen Seele“.

Die Adressaten des ersten Korintherbriefes.

Von P. Dr. Rud. Hundstorfer O. S. B. Sonderabdruck aus dem 91. Jahresbericht des Obergymnasiums der Benediktiner von Kremsmünster 1948. 72 Seiten.

Die Untersuchung ist als Jubiläumsgabe gedacht für die alte und berühmte Lateinschule des Stiftes Kremsmünster, die heiuer 400 Jahre besteht, und hat den Zweck, die bis heute reichlich unklare Bemerkung aufzuhellen, die am Beginn des erstem Kapitels des ersten Korintherbriefes steht. Danach ist der Brief an alle in Korinth gerichtet, qui invooant nomen Domimi … im omni loco ipsorum et nostro. Viefcdi wird der Zusatz gedeutet im Sinne eines Zirkulars chreibems wenigstens für Adiaia oder noch einen größeren Ra.um. Der Verfasser versucht nun mit sehr beachtlichen philologischen Gründen den Nachweis zu führen, daß „topos“ hier nicht mit „Ort“, sondern mit „Amtsstellung“ oder „Rang“ zu übersetzen ist. Daher waren ailso nur die Bewohner der Stadt Korinth die Adressaten des Briefes, und zwar die einfachen Christen genau so wie die verschiedenenen kirchlichen Amtsträgier. Eine ähnliche, aber deutlicher formulierte Gruppierung findet sich zum Beispiel am Beginn des Philipperbriefes. Die vorgeschlagene Übersetzung räumt tatsächlich, wenn auch nicht alle, so doch einen guten Teil der Schwierigkeiten dieses Verses aus diem Wege. Die streng wissenschaftliche Untersuchung ist methodisch tadellos durchgeführt, die einschlägige Fachliteratur wurde geschickt verwertet, kurz: eine würdige Gabe für dias altehrwürdige Stiftsgymmasium, dessen Bedeutung für Österreichs Kultur gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Einführung in das mathematische Denken, Von Friedrich Waismann. Verlag Gerolįj Wien.

Es ist sehr zu begrüßen, daß der Versuch unternommen wurde, nicht so sehr die Ergebnisse als vielmehr die Eigenart des modernen mathematischen Denkens einem größeren Publikum nahezubringen, das sich vielfach unklare Vorstellungen darüber macht. Der Anlage des Buches entsprechend werden die Grundlagen fragen verhältnismäßig kurz behandelt, in denen der Verfasser, der dem Wiener Kreis angehört hat, doch einen vom Logizismus abweichenden Standpunkt vertritt. In wohltuendem Gegensatz zu manchen in letzter Zeit über die Stellung der Mathematik erschienenen Werken bleibt es stets korrekt und zegt auch die Schwierigkeiten auf. Der grundsätzlich? Standpunkt des Buches, zu dem K. Menger ein Vorwort schrieb, ist durchaus anzuerkennen.

Die alten Götter. Novellen. Von J. Weingartner. M.-F.-Rohrer-Verlag. Innsbruck.

Daß alles Zeitliche vergänglich ist, aller Schein verblaßt und aller Trug verschwindet, um diese einfachen Wahrheiten, vor denen der menschliche Unverstand immer wieder die Augen schließt, bis sie ihm immer wieder, eines Tages trotzdem furchtbar aufgehen, schrieb der Tiroler Erzähler, Kunst- und Kultürhistoriker Josef Weingartner eine klassisch-edle Novellentrilogie mit feiner, sicherer Künstlerhand, würdig seines großen Nachbarn C. F. Meyer. Aber ob nun die „alten Götter“ und Tempel der Spätantike in Trümmer sinken, ob wir„ das Ende der Garafa“, eines blutbefleckten italienischen Renaissance- geschledites, nacherleben oder unseres „Wolf Dietrichs letzte Tage“, immer geht es dem österreichischen Priesterdichter — verhüllt — um recht aktuelle Bezüge, um neue und neueste Götter, Machthaber und Würdenträger und die Lehren ihres unausbleiblichen Falles. Die Weisheit von Grillparzers Rudolfs II. nimmt so im aufnahmewilligen Leser neuerdings Laut und Gestalt an. Urösterreichische Wehmut und Skepsis geben dem Buch den Grundton und die Grundfarbe. Es gehört gewiß zum Besten, das

Weingartner überhaupt geschrieben hat.

Ein Filmreporter erzählt. Seltsame Wege und Erlebnisse. Von H. Pebal. 32 Bildseiten, Verlag J. Leon Sen. Klagen,furt — Jahrbuch des österreichischen Films 1948/49. Von H.

Nestor, Verlag A. Lewit, Wien.

Pebals Erinnerungsbuch hat eine einmalige Gelegenheit versäumt. Im Dienste einer amerikanischen Großfirma zwischen den beiden Weltkriegen als Filmreporter bei Potentaten, Staatsmännern und Künstlern — das ergäbe den Hintergrund für eines der seltenen großen Abenteuerbücher der Weltliteratur. Tatsächlich kommen einige wenige Kapitel („Hochzeit in Tirana“, „Frau Katharina Schratt“) diesen Anforderungen nahe. Aber eine Überfülle gedanklicher Banalitäten und sprachlidier Saloppheiten (gar nicht zu reden von den zahllosen falschen Satzzeichen) ersticken jeden Aufschwung über die Grenze reportagehafter Mediokrität im Keim. Das hochinteressante Bildmaterial ist durch stümperhafte Montagen entstellt. Merkwürdig ist die politische Doppelköpfigkeit des Kapitels „Bürgerkrieg in Spanien“, Alle absatztechnischen Erwägungen in Ehren, sollte man doch meinen, daß ein Autor von so hohem Grad der Publizität darüber hinaus auch eine Pflicht zum Bekennen habe. — Dem „Jahrbuch“ H. Nestors sind die tausend Schwierigkeiten, die dem ersten österreichischen Handbuch des Fachmannes entgegengestanden sind, kaum anzumerken. Seine Stärke sind freilich vorläufig nicht die Beiträge, von denen genau betrachtet nur zwei (Dr. Viktor Matejka und Theodor Ottawa) den Ansprüchen genügen, sondern das mit Bienenfleiß gesammelte statistische und Anschriiftenmaterial; auch ist es nidit lückenlos und fehlerfrei, aber für Neuauflagen ausbau- und verbesserungsfähig. (Dort wird wohl auch über Arbeit und Aufbau des Katholischen Film- büros in Wien zu lesen sein). Im gunzen ein wertvolles Nachschlagebuch. Den verpflichtenden Titel „Jahrbuch“ wird es sich erst voll verdienen, wenn den Zahlen, Namen und Anschriften ein gleich gehaltvoller Textteil zur Seite tritt. Auch Illustrationen wären zu erwägen, aus Raumökonomie vielleicht nur aus großen öster- reichisdien Filmen des Jahres (sie würden kaum viel Platz beanspruchen).

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