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Klänge und Gestalten

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Auf den Spuren Mozarts. Von Henri Gheon. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln. 452 Seiten. Preis 98.80 S.

Das (gut übersetzte) Buch ist ein eindrucksvoller Beweis für die Kontinuität und das hohe-Niveau der französischen Mozart-Forschung sowie für die Mozart-Verehrung der Franzosen, die mit Stendhal und Ingres, Delacroix und Balzac begann und für welche die Societe des Etudes Mo-zartiennes und die Societe Philharmonique de Reims lebendiges Zeugnis ablegen. Unmittelbarkeit, Lebendigkeit, liebevolle Verehrung sind auch die Kennzeichen des Buches von Gheon, dessen besonderes Interesse der rätselhaften menschlichen Person Mozarts gilt. Selbst dessen persönlichste Aussagen, die Briefe, stellen ein Gewebe von Widersprüchen dar. Mozart erscheint hier als zartfühlend und derb, scharfsichtig und harmlos, leichtfertig und bedächtig, treu und unbeständig, lebenshungrig und resignierend, zutunlich und spöttisch, unverstellt-naiv und komödiantisch. Aber alles ist überglänzt von ..Edelsinn, Lebenskraft und Jugendlichkeit“. Nachdem der Autor Mozarts Lebensweg und seine Werke in elf umfangreichen Kapiteln dargestellt hat, versucht er in einem allgemein gehaltenen Abschnitt und in dem Epilog das Fazit seiner Untersuchung zu ziehen. „Wenn man nur den Menschen betrachtet, so stehen wir einem Fall von Kindlichkeit gegenüber, die niemals aufhörte, und einer dauernden Neigung, sich von innen wie von außen beeinflussen zu lassen.“ In seinem Wesen hat die Natur alles reduziert, ja zerstört, was das Einströmen der Begabung hätte hindern können. Seine Sendung war. nichts zu verwerfen, sein menschliches Ich zurücktreten zu lassen, denn sein Wesen war: sein Genius. Das klingt, verkürzt und auf eine Formel gebracht, vielleicht phrasenhaft und romantisch. Aber es gründen sich alle Thesen Gheons auf sorgfältige Untersuchungen und tiefsinnig-erhellende Ueberlegungen, insbesondere wenn er theologisches Gebiet betritt (etwa in seiner Deutung von Begabung-Gnade-Charisma). Ebensowenig ist es möglich, in kurzen Worten zu sagen, was Gheon unter Mozarts Funktion als „Kulturbringer“ versteht. Mögen viele Gelegenheit haben, das alles selbst nachzulesen. Ihr Mozart-Bild wird durch neue, bedeutende und ergreifende Züge bereichert werden.

Georges Bizet. Von Paul Stefan. Humboldt-Verlag, Wien (Lizcnsausgabe für Oesterreich in Vereinbarung mit dem Atlantis-Verlag, Zürich). 264 Seiten. Preis 59 S.

In dem Verzeichnis der Bücher und Artikel über Bizet am Ende des Buches finden sich kaum deutschsprachige Arbeiten. So kommt der Studie von Paul Stefan zunächst einmal das Verdienst zu, viel unbekanntes Material zum ersten Male vor dem deutschen Leser auszubreiten. Dieses wird bereichert durch eigene Forschungsergebnisse und dargestellt in jener lebendigen Art, die wir aus etwa einem halben Dutzend früherer Bücher des bekannten Wiener Kulturkritikers kennen, der in der „heroischen Zeit“ der Neuen Musik (1921 bis 1938) Herausgeber des „Anbruch“ war und 1943, viel zu früh, in New York starb. — Wie war es also wirklich mit „Carmen“? Fiel die Oper durch oder war sie ein Erfolg? Ist Bizet von seiner Zeit gerecht oder schlecht behandelt worden? So viele Zeugnisse, so viele widersprüchliche Antworten. Hier scheint die Wahrheit wirklich einmal in der Mitte zu liegen (wo sie sonst meist nicht zu finden ist): „Einigen Biographen und Kritikern blieb es vorbehalten, zu versichern, es sei Bizet eigentlich nicht gar so schlecht gegangen. Sie bedenken nicht, daß eine so empfindliche Natur wie die seine an der Zeit, an der Teilnahmslosigkeit der Menge, der Unvollkommen-heit der Aufführungen, der Unsicherheit der Existenz, der LTeberfülle der Brotarbeit, gerade genug gelitten hat.“ Und wie steht es mit Spanien? War Bizet dort und hat er Volksmusikmotive benützt? Nichts dergleichen. Man wollte ihn zu einer Reise animieren, aber Bizet sagte: „Cela me generait!“ Eine echte Künstlerantwort. Was sich an Spanischem in „Carmen“ findet, ist kaum der Rede wert, und die berühmte Habanera ist kubanisch und stammt von Yradier, dem Autor des bekannten Schlagers „La Paloma“. Ueber den weltberühmten Torero-Marsch aber hatte Bizet seine eigene Meinung. Wenn er dem Publikum gefällt — „tant pis“. Was Bizet bei anderer Gelegenheit gesagt haben soll, eignet sich nicht für den Druck. Die Frage von Bizets großem Nachlaß kann auch Paul Stefan nicht endgültig klären, immerhin werden wir mit etwa einem Dutzend dramatischer Werke Bizets bekannt gemacht. Nach dem nüchternen Urteil Paul Stefans hat man den Eindruck, daß — außer den bekannten — sich im Nachlaß kein chef d'oeuvre inconnu befindet. — Die kulturhistorischen Partien in dem Buch sind etwas breit geraten, doch ist man für viele Details dankbar, so zum Beispiel über die Librettofabrik Meilhac-Halevy, deren Produktion von der „Schönen Helena“ bis zur „Lustigen Witwe“ reicht. Von besonderem Reiz sind die — sparsam und dezent eingestreuten — persönlichen Reminiszenzen des Autors.

Klänge und Gestalten. Von Hans Schnoor. Verlag Franz Schneekluth, Darmstadt. 334 Seiten. Preis 11.80 DM.

Diesen „Wegweiser zur lebendigen Musik für Konzertfreunde und Funkhörer“ hat der Verfasser, der fast ein Menschenalter in Dresden als Musikkritiker tätig war, wohl zum größten Teil aus älteren Manuskripten und Musikfeuilletons zusammengestellt. Aber wir verzichten gern auf Systematik und Vollständigkeit zugunsten größerer Lebendigkeit der Darstellung. Nach zwei knappen Siiten über „Kunst in unserer Zeit“ von Wilhelm

Sagen aus dem südlichen Waldviertel. Gesammelt, dem Volksmunde nacherzählt und herausgegeben von Fritz Rotzer. Buchschmuck und Buchgestaltung von Franz Traunfellner.

Es liegt kein umfangreicher Band vor und dennoch finden sich in ihm siebzig Sagen aus dem Umkreis des Weiten- und. Yspertales. Der verdienstvolle Herausgeber dankt nicht mit Unrecht vor allem den Kindern der Hauptschule in Pögg-stall, die ihm vornehmlich halfen, köstliches und kostbares Sagengut zusammenzutragen. „So bietet diese Sammlung Gewähr dafür, daß die Sagen heute noch nacherzählt werden“, heißt es richtig im Nachwort, und das ist ja wohl das eigentliche und wahrhaft erstrebenswerte Ziel. Ausgezeichnete Holzschnitte hat Franz Traunfellner beigesteuert, die sich aufs glücklichste den Texten anpassen. Dieser prächtige Künstler ist ja selbst Waldviert-ler. Sie sagen in ihrer Gedrängtheit das aus, was sie sagen müssen. Von den eingestreuten Gedichten Franz Würmls gefällt uns das in der Mundart abgefaßte am besten.

Afrikanische Tragödie. Roman. Von Doris L e s s i n g. Verlag C. Bertelsmann, Gütersloh 1953. 312 Seiten.

Das afrikanische Rassenproblem, dessen Aktualität — Malan einerseits, Mau-Mau anderseits — nicht übersehen werden darf, wird von einer in Afrika ansässigen jungen Engländerin mit grellen Lichtern erhellt. Ungeachtet einiger Einwände, die man gegen die Form der Rahmenerzählung und die Gestaltung des tragischen Endes machen könnte, handelt es sich hier um ein sehr lesenswertes Buch, sowohl im Hinblick auf das Problem selbst wie auch im Sinne des Künstlerischen.

Der Kronenerbe. Von Julius Z e r z e r. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz. Preis 69 S.

Es ist so, als ob in dem kurzen, traurigen Leben des Knabenkönigs Ladislaus Postumus niemals die Sonne geschienen hätte. Er muß die Krone tragen und möchte noch spielen, er soll regieren und möchte noch träumen. Wo eine Männerfaust Ordnung schaffen soll, wenn die Fürsten unbotmäßig sind, tändelt eine schmale Knabenhand. Im Reich die Fürsten, von außen die Türken. Und der junge König weiß, daß er handeln soll. Er will auch, aber da sind die Ratgeber, die sich hassen, die sich bekämpfen und die ihren jungen König verraten. Und als er sich endlich zum Handeln aufraffen will, nimmt ihm der Tod das Zepter aus der Hand. „Die Lagerpest“, sagen die Leute...

All die sinnlose Tragik, dieses kurzen, armen Lebens weiß Zerzer in seinem Roman so eindringlich darzustellen, daß man meint, die ganze Düsternis, dieses ganze Weinenwollen und Nicht-dürfen selbst zu erleben. Zerzer hat sich mit diesem Roman um den Enrica-Handel-Mazzetti-Preis beworben, bei dem die Forderung gestellt wird, das historisch glaubhafte Bild einer Persönlichkeit oder einer Epoche der österreichischen Geschichte zu zeichnen. Wenn der Autor sich gerade diesen mehr als spröden Stoff wählte, so zeugt das von seiner Sicherheit; wenn ihm unter mehr als fünfzig eingereichten Arbeiten einstimmig der erste Preis zuerkannt wurde, so ist das der eindeutige Beweis für das hohe Können des Verfassers. Hier hat einmal eine Jury einem Würdigen den ersten Preis zuerkannt.

Reines Wissen, reines Wollen. Von Pius F a n k. Fährmann-Verlag, Wien. 64 Seiten.

Ein kleines, fast unscheinbares Buch. Von wesentlichem Inhalt: sein Thema ist die sexuelle Aufklärung der männlichen Jugend. Dementsprechend lautet auch sein Untertitel: „Für Buben im Reifen.“ Es könnte aber noch darunter stehen: Für Eltern, Erzieher, Beichtväter. Zu gerne

Furtwänglei gibt der Autor im Einleitungsk-pitcl einige Gedanken zum besten, die im letzten Abschnitt über zeitgenössische Musik ergänzt werden. Er vertritt Riemanns Ueberzeugung von der „durchgehenden Gleichförmigkeit der Musik aller Zeiten“. (Aber diese gilt „absolut“ nicht einmal für die 350 Jahre der deutlich übersehbaren abendländischen Musikentwicklung!) Auch ist die These von der direkten Relation zwischen Lebendigkeit einer bestimmten Musik und ihrer Publikumswirkung bedenklich. Nehmen wir noch vorweg, daß die Neue Musik im allgemeinen nicht günstig wegkommt (Schnoor zitiert Alfred Einstein über Schönberg: „These ohne Beweis“ und spricht selbst von einem „Fall von interessantester Geistesverwirrung“), so bleibt viel Originelles und Originales, an dem man seine Freude, zumindest gute Unterhaltung hat. Charakteristisch sind: des Autors vorbehaltloses Bekenntnis zu Schumann und Pfitzner, die Verteidigung von Berlioz und der Titel „Sonne und Nebensonnen“ (über Richard Strauß). Ein wenig kurios nimmt sich der — übrigens recht interessante — Bericht über einen Besuch bei Strawinsky in dieser Umgebung aus. Eigenstes bietet der Autor etwa in dem Kapitel über das Dirigieren, das an der FreischützS-Ouvertüre exemplifiziert wird. Einige störende Druckfehler: Wozzak, Tscherpnin, „zwölfte Musik“ (wohl eine Fehlleistung für Zwölfton-Musik). Man sieht: der Schutz vor dem Druckfehlerteufel ist auf jenem Gebiet nicht mehr wirksam, dem auch der Autor seine Sympathie versagt. Das gleiche gilt, in bezug auf Vollständigkeit und Sicherheit der Angaben, für das Verzeichnis „Komponisten und Werke“ (S. 297 bis 332) mit Angabe der einzelnen Sätze, der Spieldauer und der Besetzung.drücken“ sich bis heute alle Arten von Erziehern davor, im kritischen Alter der Buben diesen die entsprechenden Unterweisungen zu geben. Die Folgen sind nur zu oft verheerend: religiöse Kinder werden leicht in den Gedanken verfallen, mit ihnen gehe etwas Sündhaftes vor, nichtreligiöse Kinder noch leichter in wirkliche Sünden fallen. Ein richtiges Wort zur richtigen Zeit kann manche „schiefe“ Entwicklung aufhalten, die sonst später scheinbar unentwirrbar wird. Das kleine Buch, das in erster Linie für reifende junge Buben geschrieben ist und ihnen in die Hand gegeben werden sollte, ist ein richtiges Wort zut richtigen Zeit. Es zeigt aber auch den Erziehern, vor allem den geistlichen, welchen Weg sie einschlagen sollen, um zum großen Helfer der Jugend zu werden. Ein kleines, aber sehr gutes Werk.

Es gibt viele Religionen... Ueber die absolute Wahrheit des Christentums. Von Josef T h o m e. Verlag Josef Knecht, Carolusdruckerei, Frankfurt am Main 1953. 48 Seiten.

Der Ton dieses Büchleins wirkt in seiner Versöhnlichkeit sehr wohltuend. Es wird nachgewiesen, daß alle großen, auch die heidnischen, Religionen einen, wenn auch ganz kleinen, Teil der Wahrheit besitzen, die in ihrer Vollheit nur im Evangelium zu finden ist. Die letzte Erkenntnis, „daß wir nichts in den Religionen der Menschheit haben, das an Christus heranreicht“, wird jedoch nicht bewiesen oder annehmbar gemacht, sondern wirkt, auf Zweifler und Andersdenkende eher als eine Behauptung. Hätte der Verfasser den ersten Teil etwas straffer behandelt und einige seiner Ausführungen gekürzt (z. B. die in diesem Zusammenhang kaum notwendig erscheinende Meinung über die Zweigeschlechtigkeit der Gottheit), so wäre es ihm möglich gewesen, den Nachsatz über die „absolute Wahrheit des Christentums“ ausführlicher darzustellen.

Wir erhalten vom Rechtsvertreter der Buchautorin Maria Lang-Reitstätter folgende Berichtigung nach dem Preßgesetz:

„Sie schreiben: ,In ihrem Buch ist nicht die Rede von Gott, von Religion.' Dies ist unrichtig. Richtig ist, daß im Buch ,Die Schule im Umbruch. Der Rosentalplan“. wiederholt im zustimmenden Sinne die Rede von Gott und Religion ist, und zwar z, B. S. 43, 46, 51, 53, 59, 91.

Sie schreiben: .Statt Religion Lebensbildung.' Das ist unrichtig. Richtig ist, daß in obigem Buche in diesem Zusammenhang von Lebens b i 1 d u n g überhaupt nicht gesprochen wird. Es wird vielmehr .Lebensführung' als Unterrichtsfach für die letzte Klasse der Pflichtschule gefordert, ohne die Religion zu beeinträchtigen.

Sie schreiben: .Statt Christus Feuchtersieben.' Dies ist unrichtig. Richtig ist, daß in obigem Buche nirgends Feuchtersieben statt Christus gesetzt, sondern lediglich dieser österreichische Pädagog, Dichter und Arzt, Staatssekretär im österreichischen Unterrichtsministerium, an einigen Stellen des Buches ohne Gegnerschaft zu Christus zitiert wird.

Sie schreiben: .Statt Katediismus Knigges Umgang mit Menschen.' Dies ist unrichtig. Richtig ist, daß in obigem Buche nirgends Knigges Werk an Stelle oder im Gegensatz zum Katechismus genannt, sondern lediglich als Werk zur Lebensführung zitiert wird.“

In der Buchbesprechung „Gefahren populärer Geschichtsschreibung“ in Nummer 42 der „Furche“ unterlief ein Druckfehler: der Befreiungskrieg der Polen war 1830/31, nicht 1880/81.

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