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Von Musik und Musikern

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Christoph Willibald Gluck. Von Roland Tenschert. Verlag Otto Walter AG, Ölten und Freiburg im Breisgau. 238 Seiten.

Das Hauptgewicht der Darstellung liegt auf dem durch den Untertitel des Buches — „Der große Reformator der Oper“ — bezeichneten Thema. Ein kürzerer zweiter Teil (S. 169 bis 215) enthält nicht nur „Dokumente des Lebens“, sondern auch wichtige und wenig bekannte Selbstzeugnisse Glucks sowie zeitgenössische Urteile über seine Kunst, höchst lehrreich und unterhaltsam zu lesen. Wie die meisten Bände dieser Musikerreihe ist auch der vorliegende mit Zeittafel, Werkverzeichnis, Literaturnachweisen und Register ausgestattet. •

Richard Strauß. Von Otto E r h a r d t. Verlag Otto Walter AG, Ölten und Freiburg im Breisgaü. 384 Seiten. Preis 15.80 sfr.

Obwohl Vertrauter des Meisters und Regisseur vieler Strauß-Opern, spricht der Autor recht objektiv, offen und kritisch über Einzelheiten. Für die gültige, wirklich objektive Gesamtdarstellung fehlt ihm die Distanz. Aber die Zeit hierfür wäre gekommen. Der Autor kennt viele interessante Details, weiß zu ergänzen, rückt manches in neues Licht und ist immer interessant. Das Kapitel „Mensch und Persönlichkeit“ ist besonders aufschlußreich. Straußens „innere Erscheinung“ ist mit „Zweiseitigkeit“ gut charakterisiert (naiv und raffiniert, intuitiv und kritisch usw.). Auch der sich selbst deutende Schriftsteller kommt zu Wort, u. a. mit seinen letzten Aufzeichnungen vom 19. Juni 1946, in denen sich Strauß als „Der griechische Germane“ bezeichnet. — Dem vollständigen Werkverzeichnis und 182 Anmerkungen ist noch eine Discographie auf etwa einem Dutzend Seiten beigefügt. Leider fehlt ein alphabetisches Personenregister.

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Hugo Wolf. Von Magda von Hattingberg. Eduard Wancura Verlag, Wien. 160 Seiten Preis 60 S.

Der Verlag betont, daß das Büchlein gerade zurecht kommt, um an den Meister zu erinnern, der „heuer unser musikalischer Jahresregent“ sein wird. Viel mehr ist freilich zugunsten dieser wohlgemeinten und einfühlsamen Skizze nicht zu sagen. In der üblichen Darstellungsart ziehen Leben und Schaffen Hugo Wolfs von „Heimat und Kindheit“ bis „Manuel Venegas“ an uns vorüber. Einzelnes wird herausgegriffen und aus der Nähe beleuchtet. Zeugnisse der Freunde, weniger bekannte Briefstellen und 16 Bilder verleihen dem Büchlein einen gewissen intimen Reiz. *

Französische Musik. Von Armand H i e b n e r. Otto Walter AG, Ölten und Freiburg im Breisgau. 277 Seiten.

Eine der ganz wenigen deutschsprachigen Dar-

Stellungen dieses großen und fesselnden Stoffkreises, und eine ausgezeichnete dazu: kultiviert, kenntnisreich und unterhaltsam geschrieben. Die Methode ist sehr frei und wechselt von Autor zu Autor. Lediglich in der Chronologie ist eine gewisse Konsequenz gewahrt (von den ersten Pflegestätten der Gregorianik in Toul und Sois-sons bis zur „Jeune France“ und Messiaen). Je näher der Gegenwart, desto ausführlicher geraten die einzelnen Porträts. Diese sind vor allem des

Verfassers Stärke. Als Beispiele: das romantische Leben des Hector Berlioz, die liebenswürdige Charakteristisch Chabriers, die Ehrenrettung Faures, ein beherzigenswerter Hinweis auf Andre Caplet, den man nur als Debussy-Dirigenten kennt und vieles andere. Der Verlag wußte, was für ein wertvolles Manuskript er in die Hand bekam und hat dem Buch die entsprechende Ausstattung gegeben.

Kleines Wörterbuch für Musikgespräche. Von Paul Fechter. C. Bertelsmann-Verlag, Gütersloh. 368 Seiten. Preis 1 DM.

Für „Unmusikalische“ bestimmt, aber doch mit der Sorge kompiliert, daß auch der Fachmusiker hineinschauen könnte. Hierfür hat der vorsichtige Autor eine „Gelernte“, seine Tochter, zu Hilfe genommen, so daß also die Demarkationslinie zwischen Plauderei und Fachsimpelei gewissermaßen en famille festgelegt werden konnte. Das Ergebnis: alles Zünftige ist, gemessen am Umfang der einzelnen Artikel, hieb- und stichfest. Aber so frei, wie bei seinen Ratgebern für Literatur- und Kunstgespräche konnte der Autor nicht mit seinem Stoff schalten. Man soll vom Apfelbaum keine Feigen verlangen, aber: wie hübsch wäre es, wenn einmal ein wirklich „Unmusikalischer“ sein Herz ausschüttete (es brauchte kein dickes Buch zu werden!). Dr. Helmut A. F i e c h t n e r

Ursprung und Gegenwart. Von Jean G e b s e r. Erster Band: Die Fundamente der aperspektivischen Welt. Beitrag zu einer Geschichte der Be-wußtwerdung. Mit sechzehn Vignetten, zwanzig Abbildungen und einer „Synoptischen Tafel“. — Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt. 541 Seiten.

Gebser hat schon in seinen anregenden früheren Büchern immer wieder den Versuch unternommen, das große gemeinsame Strukturgesetz unserer Zeit zu schildern. Die „Abendländische Wandlung“ behandelt den naturwissenschaftlichen Aspekt dieser Frage, das vorliegende Buch ergänzt dieses Bestreben nach der geisteswissenschaftlichen Seite, genauer nach der Seite der Sprache hin. Im Gegensatz zu den großen Kultur-

philosophen von Görres über Bachofen bis zu Klages und Spengler ist Gebser .weder ein Prophet des Unterganges, noch preist er das am Anfang der Zeiten verlorene Paradies. Er blickt einem Uebergang ins Auge: dem Uebergang des sterbenden Aeons, formelhaft perspektivisches Zeitalter genannt, zu den neuen Ufern eines aperspektivischen Weltalters. Weitausholende historische Empirien über das Sichselbsterkennen des menschlichen Bewußtseins und dessen besondere Wandlungen in seiner Auffassung von Raum und Zeit sind in synoptisch überschaubaren Kategorien ausgegliedert. Der tragende Grund ist die Etymologie, die teils intuitiven Zusammenhängen nachhängend, teils bereits durch Philologen erarbeitetes Material ausbreitend, dem Verfasser ohne Zweifel bedeutende heuristische Möglichkeiten erschließt, die Fundamente unseres neuen Zeitschicksals bloßzulegen, für das Gebser eine Reihe hochbedeutsamer Formeln gefunden hat, die zu erproben unsere Forscher nur allzu sehr reizen wird. Erst der zweite Band wird ja zu Gebsers eigentlichem Anliegen, den Grundlagen des Aperspektivischen kommen. Erst von diesem zweiten Band aus wird das ganze Gedankengebäude überschaut und richtig beurteilt werden können. Bis jetzt sieht man die weitausholende große Geste des Denkers, der es mit diesem Werke wagt, das Zeit- und Raumbewußtsein in großen Linien als geschichtliches Schicksal darzulegen. Es muß den Etymologen überlassen bleiben, über die Methodik Gebsers zu Gericht zu sitzen. Versucht man, Gebsers Formeln unseres neuen Aeons auf den Grund zu schauen, dann erkennt man in ihnen die Ideen aller Mystik wieder, die nun erst aus der Tiefe des Seelengrundes in die freie und auch gefährliche Gipfelhöhe des Geistes erhoben werden. „Erfüllung der Zeit“, „Ganzheit von Ursprung und Gegenwart“, das erinnert an die große Idee der Romantiker vom „bewußten Enthusiasmus“, mag auch der alte Enthusiasmus einer neuen Anschauung vom Göttlichen in Gebsers aperspektivischen Kategorien Platz machen. Ein auf jeden Fall höchst bedeutsames Buch, dessen Fortsetzung mit Spannung und bedeutenden Hoffnungen erwartet werden kann.

Univ.-Doz. Dr. Robert M ü h I h e r *

Der alte Herr. Von Julius Kretschmer. 99 Seiten. — Ausfahrt. Von Hans L e b e r t. 131 Seiten. — Petelka kommt heim. Von Ernst Hammer. 109 Seiten. — Mit Zeichnung von Hans F r o n i u s. Kleine Leykam-Reihe. Leykam-Verlag, Graz, 1952.

Julius Kretschmers vier Geschichten umspannen eine erstaunlich weite Klaviatur, von der feinen Ironie in der Fischeridylle „Der alte Herr“ über den sanften Epikuräismus im „Bräutigam“ und die ergreifende Kerkertragödie „Der Miklos“ bis zum Satyrspiel „Die Maturafeier“ — das Problem „alter Herren“ in vier Sätzen einer sehr tief musizierten Sonate. — Das stärkere Erzählertalent mag Hans Lebert sein, -doch steckt es noch in brodelnder Gärung, die in düsteren, krassen und trostlosen Aspekten schwelgt. Die letzte der vier Erzählungen, „Der grüne Fleck“, turnt akrobatisch vom Mittelalter in den Bombenkrieg; sie ist ein Genieblitz. — Ernst Hammers „Petelka“ ist ein Heimkehrer aus der Emigration, der racheschnaubend ankommt und resigniert wieder abgeht; ein großes Thema, zu dem leidet der Atem des Autors besonders gegen Ende zu nicht reichte. — Die verdienstvolle, sehr schön ausgestattete Leykam-Reihe erhält von den atmosphärendichten Zeichnungen Hans Fronius' ihre besondere Note. Dr. Roman H e r 1 e

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Eine englische Rhapsodie. Von Francis Brett Young. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien. 493 Seiten.

Ein englischer Oberst sieht sich, bald nach seiner Rückkehr aus dem ersten Weltkrieg, durch den Tod des Vaters veranlaßt, der Soldatenlaufbahn Lebewohl zu sagen und den Familienbesitz, ein ausgedehntes, aber arg heruntergekommenes Gut in Worcestershire in eigene Regie zu übernehmen. Er versteht nichts von Landwirtschaft und wenig von finanziellen Dingen, und sein kompromißloses Festhalten an den besten Traditionen seines Standes macht es ihm doppelt schwer, sich mit der neuen Zeit und all ihren wirtschaftlichen und sozialen Umschichtungen abzufinden. Wie ihm das schließlich doch gelingt, dank seiner Gradlinigkeit und Charakterstärke und dank insbesondere der Hilfe seiner gütigen und klugen Frau, das wird hier mit einer Meisterschaft erzählt, die Francis Brett Youngs Ruf als eines der bedeutendsten englischen Romanciers neuerlich bestätigt. Der Autor kennt und liebt die Menschentypen, die er be-a schreibt, er kennt und liebt den eigenagen Zauber der englischen Landschaft und des englischen Landlebens, wie es damals noch war, und das gibt diesem Buch einen Scharm, dem kein Leser sich wird entziehen können. Sehr bemerkenswert ist auch die Leistung des Uebersetzers, dem es gelungen ist, alle Schattierungen der Originalsprache und die feinsten Nuancen des englischen Humors in ausgezeichnetem Deutsch wiederzugeben.

Kurt Strachwitz

Der Reporter Gottes. Eine Hörfolge in zehn Kapiteln. Von Stefan Andres. Verlag Josef Knecht. Carolusdruckerei, Frankfurt am Main. 220 Seiten.

In diesem Werk hat der Dichter Stefan Andres versucht, eine Sinndeutung des aktuellen Christseins, der gegenwärtigen Begegnung mit Christus zu geben. Ein Rundfunkreporter begleitet Jesus, der soeben die Erde betrat, um nach dem Rechten zu sehen, zu den verschiedensten Menschengruppen und macht sich zum Vermittler des Geschehens,

das sit.Ii in und mit den Menschen ereignet. Der GegcneinanJerprall der Erscheinung des Herrn imd der modernen Zeit ist fesselnd, die Aussage kräftig und unzweideutig. Jeder, dem die Aktualisierung des Christuserlebnisses ein Anliegen ist, wird die zehn Kapitel mit Gewinn lesen. Anderseits aber: dieses Buch ist weniger Dichtung als Pamphlet und Predigtversuch zum Teil im Gassenjargon. Der Gewinn, die Erschütterung, liegt in der einen Idee, wie es wäre, wenn uns Christus \or unserem Hause oder im Büro begegnete. Die zahllosen Menschentypen, die in dieses Geschehen hineingeblendet werden, bleiben unverdichtet, schattenhaft. Da das Christsein nicht eine Sache von Typen, sondern von einmaligen Einzelmenschen ist, geht ein Teil der oft blendenden geistig-religiösen Auseinandersetzungen am Einzelnen vorbei. So anregend der gutausgestattete Band ist, so sehr vermissen wir die Kraft des Dichters: ein Roman zu diesem Thema aus Andre-sens Feder hätte bestimmt tiefer gewirkt

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