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VON NEUEN BÜCHERN

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Die Verfasserin nennt ihr Werk * selbst ein „besinnliches Nachschlagbüchlein für den Unterricht an Frauenberufsschulen für die Hand der Lehrerin.“ Was sie mit diesem Buch geben will, hält Dr. Harmer: aus reichem Wissen und warmen Herzen eine Fülle von Anregungen, die, von den Lehrenden klug aufgegriffen und genützt, der charakterlichen Heranbildung der Schulerinnen wertvolle Dienste leisten können. Schon die Lehrmethode, die eingangs behandelt wird, löst sich vom üblich Lehrhaften, Doktrinären und gibt in einer aufgelockerten Art der Auseinandersetzung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen die Möglichkeit, den jungen Geist zum eigenen Finden, das junge Herz zum Miterleben aufzurufen. Harmer packt das Leben, wie und wo immer es sich dem werdenden Charakter stellt: in Schule, FamiKe und dem eigenen Ich. Mit streng logischen Abgrenzungen und Argumenten kommt mar. ihr nicht bei. Es geht von ihrem Buch eine große, zur Aktion drängende Liebe aus, die alle pedantischen Einwendungen überrennt.

So gibt zum Beispiel das Kapitel „Verantwortlichkeit“ einen weitgespannten Aufriß von dem Einfluß, den auch kleine Dinge und Taten kleiner Leute auf das große Kreisen der sittlichgeistigen Kräfte in der Umwelt des Menschen üben. Solch ein Appell an das Begreifen der Jungen tut not, denn kaum an etwas gebricht es unserer Zeit so sehr wie an dieser bewegten und bewegenden Herzenswärme, auf der sich das Einstehen des einen für den anderen gründen soll. Ebenso prächtig wird die Erziehung zur „Wahrhaftigkeit“ behandelt. Alle die anfänglich harmlosen Quellen der Tatsachenfälschung werden aufgedeckt, aus denen der Hang oder die Gewohnheit des Lügen wuchert. Hier spricht eine erfahrene Pädagogin, der di letzte Herzfalte der jungen Seele sich enträtselt hat und die in Liebe und Ehrfurcht vor dem Ringen um Reife zum getreuen Eckhardt wird, um den Mut zum Wahrsein wieder in das Zentrum des Lebens zu stellen. Ist das Buch wirklich nur für solche geschrieben, die erst etwa werden wollen?

In der Erziehung zu „sozialem Fühlen und Handeln“ gibt die Verfasserin durch eine Fülle von Überlegungen Stoff zum Nachdenken und zur Gesinnungsbildung in bezug auf die Gemeinschaft. Wohl muß das Urteil der Jungen durch das ergänzende Wirken der Lehrkraft über das rein Vorstellungsmäßige hinausgeführt werden und, am Tatsächlichen geschärft, Antrieb zu echter sozialer Haltung geben. Gerade in diesem Zusammenhang braucht ja der Lebenskundeunterricht an sich ebenso praktische Einweisung in das Widitigste aus dem sozialen Recht und in aktuelle soziale Probleme, wie auch seine Vertiefung ins Anschauliche etwa durch Exkursionen in Betriebe oder durch gelegentliche Caritasgänge mit der Lehrerin. Es kommt einem bei der Lektüre dieses Kapitels der Gedanke, daß der Unterricht unserer Jungmädchenwelt und vielleicht unserer Jugend überhaupt in manchem geändert werden müßte, nicht von den Büchern weg. aber über die Bücher hinaus und in das Leben dfr Gemeinschaft hinein, als deren Teil — passiv und aktiv — sich auch der werdende Bürger rechtzeitig begreifen muß, um schließlich für jene Gemeinschaft Verständnis zu gewinnen, die, ihre Marken immer weiter rückend, von Volk zu Volk sich spannt, um zum menschheitsweiten Verstehen zu werden. In einem besonderen Kapitel gibt das Buch kurze Hinweis über Frauenberufe, eine Vorarbeit für die Beratungsstellen, die die Schwierigkeiten der Berufswahl erleichtern soll.

Im Schlußkapitel hebt sich der Appell an Aufmerken und Nachdenken über die Umwelt hinaus zum Suchen und Schauen in die große Ordnung der Natur. Auch das sind nur kurze Hinweise, die der Ausführung durch die Lehrkraft bedürfen. In gut fundierter Ausarbeitung (haben die Lehrerbibliotheken darüber brauchbares Material?) wären sie wohl geeignet, aus dem Weltbild der Jugend von heute die alten Ladenhüter einer gottfeindlichen Naturphilosophie, die die jüngere Vergangenheit auch in unserem Volk wieder auffrischen wollte, wegzuräumen.

Von dem Buch geht eine erquickende Aggression der Herzlichkeit und Natürlichkeit aus. Phrasen und falsches Pathos haben darin nicht Raum. Reiche Erfahrung und tiefes Gemüt spricht aus jeder Zeile. Es mag nicht jedes Wort sorgsam abgewogen und darum da und dort nicht allgemeingültig sein, aber immer im Impuls richtig. Wenn es in der telegrammartigen Knappheit seiner Ausführungen, die doch wieder zweckgemäß ist, einen Wunsch o'fen läßt, dann wäre es der nach Verbreitung und Vertiefung mancher nur angedeuteter Gedanken, nach Ableitung weiterer Gesichtspunkte, aus manchen aufgezeigten Zusammenhingen. Harmer könnte das, wir wissen es. Vielleicht bringt eine nächste Auflage solche Ergänzungen.

Der rechte Augenblick. Von Michael P f 1 i e g-1 e r. Verlag Herder, Wien. 4. Aufl., 102 Seiten.

Ja, der rechte Augenblick. Auf ihn kommt es immer an, nirgends aber so entscheidend wie in der Erziehung. Wann ist er? Gewöhnlich früher, als man landläufig meint. Zuerst täuscht man sich meist mit der bequemen Formel „das Kind versteht es noch nicht“, später behandelt man den Jugendlichen in entscheidenden Jahren noch als Kind und verliert ihn dadurch aus der Hand, und dann gibt man resigniert auf. So ist es leider nur allzuoft der Fall. Demgegenüber gibt Pfliegler in wunderbar klarer und lebensnaher Form die pädagogische Situation der frühen Kindheit und jene der Reifejahre als der beiden bedeutungsvollsten Phasen des Jugendlebens, als die sie längst erkannt und auch weitgehend durchforscht sind. Aber der Verfasser hat nur zu recht, wenn er sagt, daß „unsere Eltern noch weit entfernt sind davon, die bleibenden Einsichten der Seelenkunde des Kindes in ihrer entscheidenden Bedeutung zu erkennen und erzieherisch nutzbar zu machen“. Vielleicht liegt das auch daran, daß wir nicht viele Bücher haben, die diese Erkenntnisse gemeinverständlich und aus reicher pädagogischer Erfahrung heraus zu gestalten und darzustellen vermögen. Pfliegler tut das wirklich meisterhaft, und darum möchte man das Büchlein in der Hand eines jeden Erziehers und Lehrers sehen, möchte es als vorzügliche Grundlage für Elternversammlungen und -beratungen dringender empfehlen und ihm eine weite Verbreitung wünschen, die nur segensreich sein kann. — Für eine Neuauflage wäre der letzte Abschnitt über das Jungmannesalter an einigen Stellen stärker auf de gegenwärtige Geisteshaltung der jungen Generation zu beziehen. Ein kleiner, aber überaus wertvoller Beitrag zum Aufbau einer österreichischen pädagogischen Literatur!

Gefangen in Sian. Von ChangKai-S h e k. Das Tagebuch des Marschalls und die Niederschriften seiner Gattin. Eugen Rentsch Verlag, Erlenbach-Zürich. 127 Seiten.

Im Dezember 1936 wurde Marschall Chang-Kai-Shek in Sian-Fu, wohin er sich ohne Begleitung begeben hatte, von Rebellen gefangengenommen. Ihr Führer, General Chiang Hsue-Liang, befehligte eine Armee von 200.000 Mann, die angesichts des bereits drohenden japanischen Angriffes für die Verteidigung Chinas von hoher Wichtigkeit war. Mit unerschütterlicher Standhaftigkeit wies Chang-Kai-Shek jedes Ansinnen eines Kompromisses von sich. Seine Gattin begab sich im Flugzeug an den Ort der Festnahme, um die Haft ihres Gatten zu teilen. Die Charakterstärke dieser beiden Persönlichkeiten hatte ein in den Zeiten kriegerischer Wirren seltenes Ergebnis, um dessentwillen allein das Buch besondere Beaditung verdient. Die Rebellen unterwarfen sich kampflos, der aufständische General wurde abgeurteilt und seine Truppen von der Zentralregierung übernommen und reorganisiert. Aus jeder Zeile dieses schmucklosen Tatsachenberichtes, der die Erzählung der Frau Chang-Kai-Shek wie die Tagebuchaufzeichnungen ihres Gatten wiedergibt, spricht hohes Ethos, profunde Menschen kenntnis und unbeugsame Charakterstärke. Sie beweisen die Macht, die eine gefestigte Persönlichkeit bei der Verteidigung moralischer Prinzipien ohne Gewaltanwendung auszuüben vermag. C. v. Peez

Wiens geschichtliche Stellung in Wirtschaft und Politik. Von Dr. R. TilL Bindenschild-Verlag, Wien 1947.

Diese kurze Zusammenfassung der historischen und geopolitischen modernen Forschungsergebnisse auf dem Gebiete der Wiener Stadtgeschichte ist tatsächlich ein Gewinn und kann jedem, der an Österreichs Schicksal interessiert ist, wärmstens empfohlen werden. Till zeigt, daß die Geschichte von Wien fast ausschließlich durch seine geographische Lage.und seine Verbindung mit der Dynastie bestimmt ist.

Tom Paine. Der Taufpate Amerikas Von W. E. W o o d w a r d. Festungsverlag Salzburg, 1947.

Das Buch lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Vergessenen, der nach Washington und Franklin, Jefferson und Adams immer im Hintergrund geblieben ist, dazu „ein Mensch in seinem Widerspruch“, Thomas Paine (1737 bis 1809). Das sehr lebendig geschriebene und flott übersetzte Buch ist leider nicht frei von sachlichen Mängeln, so zum Beispiel stören die ganx unstatthaften Bemerkungen über die ersten englischen Könige aus dem Weifenhause. Wenn dein Verfasser die Verdienste der Förderer Händeis und Newtons nicht geläufig waren, so hätte doch die Übersetzung hier kprrigierend wirken können. Uberhaupt ist das Verständnis für die kontinentalen Verhältnisse vor und nach 1789 wenig erjtwickeli. während der rein biographische Teil sicher bemerkenswert ist. Alles in allem bietet diese Paine-Biographie einen beachtsamen Beitrag zur Amerikakunde.

Gegenwind. Hellas-Roman. Von Werner H e 1 b i g. Verlag der Arche, Zürich.

Hier spricht einer, der das blaue Mittelmeer nicht im raschen Tempo durchquert hat. Darum entgeht ihm nichts Wesentliches. Er erlebt das Geheimnis des Wassers, der Natur und dieser Menschen, die von dem Zauber, aber auch vom Leide dieses Meeres umfangen sind. Mit feiner Beobachtungsgabe und tiefem Verstehen gibt dieses Buch nicht nur persönliches Erleben wieder, sondern versteht innerste Vorgänge seiner Mitmenschen wiederzugeben. Die Zeichnungen Seewalds bilden eine schöne Ergänzung.

Das andere Ufer. Gedichte. Von Josef Kar! R a 11 s 1 a v. Amandus-Edition, Wien.

Dieses stille, zarte, vornehme, wenn auch hinsichtlich der sprachlichen Gestaltung nicht immer ursprüngliche Gedichtbuch entstammt seelischen Bereichen., die für Österreich symptomatisch sind. Der Grundton ist elegisch, seine Haltung pessimistisch, tiefer Ernst, nur zu oft ausweglose Traurigkeit, wie wir sie von Lenau her kennen. Denn das andere Ufer, wer erreicht es je? Und ist das erreichte auch wirklich das ersehnte, erträumte oder geht die Fahrt doch ^wiederum weiter zum immer wieder „anderen“ Ufer? Es handelt sich also zumeist um — die romanischen Strophenformen bevorzugenden — Lieder bitterer Resignation, ungestillter und unstillbarer menschlicher und künstlerischer Sehnsucht, einsamen Schmerzes, schmerzlicher Einsamkeit, um Klagegesänge über allzu viele unerreichte Ziele, über versäumtes oder vertanes Leben, gesungen am Rande der Verzweiflung, wahrhaftig „de profundis“, furchtbarer Selbsterkenntnis: „verflucht, mich selbst zu überleben“. Wohltuend klingen inselhaft hellere Töne auf, in den Votivblä'ttern an die Mutter, die Geliebte, in ein piar Frühlingsgedichten. Ein wesentlicher, wahrhafter Mensch stellt sich hier jedem Abgrund, seinem Spiegelbild, der Sphinx und den Dämonen. Schonungslos, sehr oft entmutigend, aber mit echterer Liebe zum ' Leben als gefälligere Talente, die es mit leichter Zunge — obenhin — „bedichten“. Dr. Friedrich S a c h e r

Wiener Barockmusik. Von Dr.' Andreas Ließ. Wiener Musikbücherei, Band 3. Mit 24 Bildtafeln und zahlreichen Notenbeispielen. Verlag Ludwig Doblinger (B. Herzmansky), Wien.

Das österreichische musikalische Barock war — als Epoche der „Überfremdung“, insbesondere der „Italienisierung“ — bisher ein recht stiefmütterlich behandeltes Gebiet der deutschen Musikgeschichte. Andreas Ließ zeigt die geistigen Wurzeln dieses Geschehens auf, erklärt seine Notwendigkeit und weist nach, daß die Hochblüte der Wiener Klassik ohne ,das vorangegangene Barock, eb*n gerade in dieser Form der willigen Aufnahme des Fremden und seiner zähen Verarbeitung, nicht denkbar ist. Eine solche These kann rein musikphilologisch oder aber mit den Methoden und Hilfsmitteln der Kulturgeschichte bewiesen werden. Andreas Ließ ist einer der wenigen, der auf beiden Wegen mit der gleichen Sicherheit zu gehen vermag. Er besitzt umfassende kulturgeschichtliche Kenntnisse und das feine Fingerspitzengefühl für internmusikalische Dinge. Von diesem weltweiten Blick zeugen des Verfassers Beethoven-Wagner-Studie, vor allem aber seine große Debussy-Mono-graphie. Auch dieses Werk enthält — neben den Kapiteln „Die Instrumentalmusik Österreichs im 17. Jahrhundert“ und „Die Oper in Wien“ — eine monographische Studie: das Werk von J. J. Fux wird umfassend-gründlich gedeutet und zum erstenmal an den ihm gebührenden Platz in der Musikgeschichte gestellt. Noch neigt der Verfasser zu einem etwas komplizierten und abstrakten Stil. Unsere Wissenschaftler, wenn sie nicht von vorneherein auf einen breiteren Leserkreis verzichten, werden sich immer mehr bemühen müssen um Einfachheit, Klarheit, faßliche Vergleiche und Bilder. (Dies gilt nicht nur für das besprochene Werk!). Das Buch ist äußerlich sehr gut ausgestattet. Etwa die Hälfte seines Umfanges nehmen die Notenbeispiele ein, welche die Thesen des Buches klanglich illustrieren.

Wir und die Kunst. Wege — Probleme — Lösungen. Von Ferdinand Eckhardt. Universum-Verlag, Wien.

Das vorliegende Büchlein wirbt für eine planvolle und verständige Einordnung alter und moderner Kunst in das geistige Bild des heutigen Menschen. So soll der „Kunsterzieher“ u einem wesentlichen Faktor in der Heranbildung der Jugend werden. In dieser Hinsicht bringt das Büchlein mehrfach zu beachtende Vorschläge. Nichtsdestoweniger befriedigt es den Lestr nicht. Das eigentliche Problem „Wir Und die Kunst“, also das gegenseitige lebendige Verhältnis wischen Mensch und Kunstwerk, Wesen und An-lieg*n der Kunst, die innere Beziehung r~''sehen Kunstschaffendom und Kunstempfangendetn. bleiben unberührt, wodurch auch die Frage der Kunstpflege und -erziehung letztlich keiner wahrhaften Lösung zugeführt wird.

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