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Die Geschichte des reichen Jünglings

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Roman. Von Martina Wied. Oesterreichische Verlagsanstalt, Innsbruck. Preis 98 S

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Roman. Von Martina Wied. Oesterreichische Verlagsanstalt, Innsbruck. Preis 98 S

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Der jüngste Roman Martina Wieds ist ihr bisher umfangreichstes Werk. Auf 800 Seiten malt die Dichterin ein Kolossalgemälde des Zeitwandels, den wir seit der Jahrhundertwende, durch - die Höllenerfahrung der Weltkriege zur ungewissen Zukunft hin erlebt haben: des Wandels vom hemmungslos vorteilsbedachten Kapitalismus zum sozialen Gedanken christlicher Prägung.

Die Spannung gemeingültiger Probleme hat sich im Roman auf verhältnismäßig engen Boden und in persönliche Schicksale zusammengezogen, was ihm von vornherein symbolische Bedeutung verleiht. Das Land des reichen Jünglings ist Polen. Wie genau indessen dieses Land in Einzelheiten lebendig gemacht wird. — es steht für das ganze Europa. Wie auch Adam Leontjew, die zentrale Figur, für alle steht, denen es, wo immer in der Welt sie leben, darum geht, zwischen innen und außen, zwischen geistigen, sittlichen, religiösen, politischen, ökonomischen Grundsätzen und ihrer Verwirklichung einen Einklang herzustellen. Leontjew will nicht mehr und nicht weniger, als sich in dieser schiefgehängten Welt eine Fußbreite Bodens erobern, wo er aufrecht stehen kann, ohne mit der Stirn an den Balken der ungerechten Macht zu stoßen. Das ist nicht der Wunsch eines einzelnen Idealisten, es ist die Sehnsucht unendlich vieler. So laufen in dem bekenntnishaften Ichroman Fäden der Zeit- und Seelengeschichte zusammen, durch seine Wirrnisse scheinen die Gewissensfragen unserer eigenen Bedrängnis hindurch.

Der junge Leontjew stammt aus einer reichen Industriellenfamilie. Dymno, die Rauchstadt, ist ein trostloser Ort, wo Luxusviflen zwischen Fabrikschloten und schmutzigen Dorfkaten stehen. Rasch durchschaut Adam die Fragwürdigkeit dieses Gegensatzes. Er bäumt sich auf, er verachtet Lüge und geheuchelte Tugend, er muß früh erleben, wie seine rein aufkeimende Liebe im Schmutz erstickt wird. Auf dem Gymnasium in Warschau, auf der Hochschule in Krakau erfährt er Bitterkeit über Bitterkeit. Doch um gutzumachen, was seine Vorfahren, was seine engsten Angehörigen verfehlten und weiterhin verschulden, scheint ihm kein Weg ungangbar. Er wirft sich dem Kommunismus in die Arme. Aber Adams klarer Bück durchstößt alle trügerischen Einbildungen, er läßt sich auf die Dauer nicht von den kollektiven Lösungen faszinieren. Er leidet weiter an dem Zwiespalt, das neue Ethos zu finden und doch mit starker Liebe an den Seinen zu hängen. Er steht genau in der Mitte zwischen dem Mut, sich selbst zu behaupten, und dem Entschluß, sich selber preiszugeben. Daraus erklärt sich sein vages Experimentieren mit dem Leben, das ihn scheinbar vom richtigen Weg abbringt. Er ihn scheinbar vom richtigen Weg abbringt. Er nimmt einen armen bolschewistischen Studenten in seine i Wohnung auf, er unterstützt ihn und erträgt dessen mit niedrigen Instinkten geübte Tyrannei voll Selbstdisziplin. Er läßt sich darauf ein, um seiner geliebten Schwester willen seinen unredlichen Schwager zu retten und zu decken. Er stürzt sich in Abenteuer mit einem ungarischen Grafen, der zwar die Forderung Christi an den reichen Jüngling stellt, ihn damit aber zu den Zielen der östlichen Illusion locken will. Adam erkennt, wie sehr er fremder Willensübertragung zu unterliegen droht. Aber immer wieder, auch in der Liebe, sich aufs Spiel zu setzen, ist sein Verhängnis, sein Lebenssinn. Letztlich ist es ihm klar, „daß zwischen dem Opfer und jenem, dem es gebracht wird, eine innere Beziehung, ein gerechtes Verhältnis bestehen müsse“. Deshalb lädt er sich immer wieder Lasten auf, macht es sich niemals leicht, selbst ein Einsamer, Ausgestoßener, Fremder, der die hilfreiche Erscheinung Eines hat, der nicht der Genosse Iwanow ist, sondern „nichts als eine strahlende Helligkeit, ein blendendes, herrliches, furchtbares Licht, das mir die Augen versengt und das Herz“.

Ueberblickt man die bedeutende Fülle dieses Werkes, das trotz seiner Länge kaum um eine Seite kürzer sein dürfte, so dicht, so kompositorisch gerundet, so phantasievoll, farbig und spannend ist es, kommt man zur erfreulichen Einsicht: hier wurde mit allen Mitteln hoher künstlerisch Gestaltung und reifer leidgeläuterter Menschlichkeit ein Roman geschaffen, der — wie vorher „Das Krähennest“ — Martina Wieds Namen über die Grenzen unserer Heimat hinaus auf ein internationales Forum trägt, wo Oesterreich in Ehren bestehen kann.

Ezechiel, der Prophet. Erzählung aus den Tagen der babylonischen Gefangenschaft. Von Lieselotte Hoff mann. Verlag Friedrich Reinhardt AG., Basel. 249 Seiten. Preis

Wer die kitschigen, sogenannten biblischen Filme der letzten Zeit gesehen und abgelehnt hat, wird diesen guten biblischen Roman einer jungen evangelischen Salzburgerin dankbar begrüßen. Das Werk ist nicht nur auf gediegenen Kenntnissen der biblischen und altorientalischen Umwelt aufgebaut und in einem guten Stil geschrieben, sondern vor allem von jener Ehrfurcht vor Gottes Wort und der göttlichen Führung erfüllt, die nur in tiefer Gläubigkeit verankert ist.

Im Aufbau, Gestaltung und Darstellung erinnert die Erzählung — von der man keine Spuren einer modernen Romantechnik erwarten darf — an die früheren guten biblischen Romane, wie sie Seerp Anema vor 20 Jahren in Holland geschrieben hat oder wie sie für die frühchristliche Zeit in „Ben Hur“ oder „Quo vadis“ bereits eine feste Form angenommen haben. Wer solche Romane liebt, wird sich an dieser Erzählung nicht nur erbauen, sondern auch erfreuen.

Die Geburt Christi. Von Günter A u s t. Verlag L. Schwann, Düsseldorf. Band V der Lucasbücherei zur christlichen Ikonographie. 32 Seiten, 32 Bildtafeln und eine Farbreproduktion.

Dem Bildteil ist eine Einleitung vorangestellt, die in wissenschaftlich verläßlicher 'und aufschlußreicher Fassung den ikonographischen Wandel des Weihnachtsbildes von der christlichen Urzeit bis Rembrandt vorführt. 33 einwandfrei reproduzierte Bildtafeln, die im Text näher erläutert werden, sind von Giotto an mehrfach so zusammengestellt, daß je einem Beispiel aus der italienischen Kunst ein ungefähr gleichzeitiges aus dem nordischen Kunstkreis entspricht. So auch die beiden auffallenden Weihnachtsbilder von Meister Franke und Philippo Lippi, was besonders dankenswert ist. Gelten sie doch als Hauptbelege für eine Hypothese, die dem mittelbaren Einströmen buddhistischer Vorstellungen in die Komposition des abendländischen Weihnachtsbildes nachgeht. Die Beigabe einiger moderner Weihnachtsbilder, die freilich keine neuen Probleme mehr aufzeigen möchten, hätte dem ikonographischen Wandel einen gewissen aktuellen Abschluß geben können.

Atomkraft heute und morgen. Von Siegfried W i e c h o w s k i. Humboldt-Verlag, Wien. 149 Seiten. Preis 13.65 S.

Der Gedanke, der als Grundlage zur Verfassung dieses Büchleins über die Atomkraft führte, ist, den Leser durch Entwicklung des Begriffes „Atom“ auf dem Wege der Geschichte systematisch in diese neuesten Erkenntnisse der Naturwissenschaft einzuführen. Dadurch wird das Buch trotz dieser schwierigen Materie leichter verständlich und einem sehr weiten Leserkreis angepaßt. Da durch die neueren wissenschaftlichen Forschungsergebnisse über den Aufbau der Atome, über die im Laienmund als „Atomzertrümmferung“ bezeichneten Erkenntnisse die Anschauung über unser physikalisch-chemisches Weltbild eine revolutionäre Aenderung erfahren hat, war es ein Gebot der Stunde, allen an diesen Fragen interessierten Lesern (und wer wäre das heute nicht im Zeitalter der Atombombe?), eine leicht faßliche, in handlicher Form gebrachte Uebersicht über den gegenwärtigen Stand der naturwissenschaftlichen Forschung auf diesem Gebiet zu bringen. Es ist demnach als ein ausgesprochen pädagogisch-methodisches Verdienst des Verfassers zu werten, diese Lücke im Schrifttum geschlossen zu haben, denn es gibt zwar schon zahlreiche Büchlein über die Atomphysik, doch ist es meistens nicht gelungen, allen diesen erwähnten Anforderungen Rechnung zu tragen.

Leider hat dieses Werkchen einen sehr großen Nachteil. Es weist so viele Druckfehler auf. daß man die ansonsten sehr brauchbare geschichtliche

zu beziehen durch die Buchhandlung „HEROLD“, Wien VIII, Strozzigasse 8 Zusammenstellung kritischeren Lesern nicht ohne weiteres empfehlen kann. Ich kann mir, da mir die pädagogische Gewissenhaftigkeit des Autors seit langem bekannt ist, nicht vorstellen, daß der Autor es unterlassen hätte, Korrekturbogen gründlich durchzusehen. Es scheint also hier ein Fehler des Verlages vorzuliegen, was ich auch daraus schließe, daß der Verlag auf der zweiten Umschlagseite in einer kurzen Würdigung des Büchleins auch folgenden Satz bringt: „Das Buch bringt eine leicht lesbare, mit zahlreichen Forscherporträts ausgestattete Geschichte der Entwicklung der Atomlehre.“ Leider konnte ich merkwürdigerweise im ganzen Buch nicht ein einziges Forscherporträt finden. Ich kann nur zuversichtlich hoffen, daß das Buch bei seinen großen Qualitäten in einer neuen Auflage die Druckfehler vermeidet und die den Stoff lebendiger gestaltenden Porträts der am Aufbau des Begriffes „Atom“ nennenswert anteilhabenden Gelehrten auch wirklich bringt. In dieser neuen Förth ist das Buch ein ausgezeichneter Behelf zur- Einführung in diese Disziplin.

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