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Literatur aus Niederösterreich

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Was an sogenannter „schöner“ Literatur (die bekanntlich nicht immer schön ist) aus den einzelnen Vierteln des Landes Niederösterreich zu uns kommt, bleibt auch in Zeiten lebhafter anderweitiger Buchproduktion durchaus übersichtlich. Insbesondere ereignet es sich nicht gar häufig, daß uns aus diesen durch Strom und Berg voneinander abgegrenzten Landesteilen gültige Kunde wird von der Eigenart und dem Wesen ihrer Menschen. Um so sorgfältigere Beachtung verdienen die erzählten oder gereimten Dokumente aus dem Bundesland unter der Enns, die sich — gleich der viel reicheren Literatur über Wien — mit Erfolg an ein durch den Krieg fühlbar erstarktes Heimatbewußtsein wenden. So führt Dr. P. Petrus Ortmayr, der bekannte Seiten- scettener Gelehrte, in seiner Geschichtensammlung „Von kleinen Leuten“ (Verlag Herder, Wien) mit großer Liebe eine Reihe von Gestalten aus dem fruchtgesegneten Landstrich zwischen Enns und Ybbs, dem „Mostviertel“, an uns vorüber, Sonderlinge, Originale, schrullenhafte Käuze, stille Helden des Alltags. Das Besondere an ihnen ist, daß sie nicht erfunden sind, sondern alle lebten. Der Autor kannte jeden, dem er da ein schlichtes Denkmal setzt, und stellt sie uns alle gewissenhaft mit ihren richtigen Namen vor. Innige Vertrautheit mit dem Volk in seinen Kümmernissen und bescheidenen Glückseligkeiten, echter Witz und behagliche Laune sprechen uns Seite um Seite aus diesem Büchlein köstlich an. Sein Wert wird mehrfach durch Anmerkungen über Sitte und Brauchtum so sehr vertieft, daß auch der Volkskundler daraus freudigen Gewinn ziehen kann. Zugegriffen also! — Ganz meisterhaft erzählt ist Lois S c h i f e r 1 s kleine Skizzensammlung „W a r’n dös Kampln?“ (österr. Agrarverlag, Wien), mit der uns der Autor sein heimatliches Woinland im niederösterreichischen Pulkautai nahebringt, indem er eine Reihe kerniger Gestalten aufmarschieren läßt. Auf seine Frage, ob das nicht „Kampln“ seien, muß ihm bestätigt werden, daß sie das wahrhaftig sind. Der saftige Witz dieser Figuren schießt jedem empfänglichen Leser kräftig ins Geblüt und verschont ihm manche Sorgenstunde. Getreulich befleißigt sich Schiferl in der direkten Rede und zum Schluß auch in einer dialektisch ganz durchkomponierten Skizze der richtigen Erfassung der Volkssprache, die er „unsere wirkliche Muttersprache“ nennt, jener oltehrwürdiigen „Ui-Mund- ant“, der Misson mit seinem „Naz“ ihren sozusagen klassischen Rang in der gesamtdeutschen Literatur sicherte. — Nicht mindere Freude bereitet uns Josef Weiland mit seinem „Herst in meinem Weinberg“, einer Sammlung ausgewählter Gedichte in der nieder- österreichischen „Ui-Mundart“ (Wiener Dom- Verlag). Auch ihm ist die Mundart seiner Heimat unterm .Manhartsberg kein Instrument für billige Bauemspässe, er behandelt sie mit Ehrfurcht und Treue als ein künstlerisches Sprach- mittel, mit dem er auch Gedanken aus tiefen Brunnen zu schöpfen und zu formen versteht. So finden sich denn bei ihm neben der Fülle heiterer Gedichte immer wieder auch sehr besinnliche, die an die letzten Fragen des Lebens und an die seelische Not unserer Zeit rühren und diese Sammlung zu einer wahren Schatztruhe machen. — Den Namen des höchsten Berges im Waldviertel, des trotzigen „N e b e 1- steins“, wählt Karl Fuß zum Titel eines Buches (Selbstverlag, Gmünd), das hier bloß der Vollständigkeit halber erwähnt sein soll. Mit seinem wahllosen Kunterbunt von unbeglaubigten Sagen, dürftigen Gedichten, Geschichten und Liedern, wohlfeilen Naturbetrachtungen, bienenzüchterischen Anweisungen und allerlei sonstigem nebensächlichen textlichen und zeichnerischen Ballast kann es keineswegs als Zeugnis für die herbe Eigenart des Landes rings um den Nebelstein gerwertet werden.

Feldkirch. Die österreichische Stadt am Alpenrand. Verlagsbuchhandlung F. Unterberger, Feldkirch 1949.

Es handelt sich hier um ein geschichtlich-kulturgeschichtliches Heimatbuch der Stadt Feldkirch.

Als Autoren zeichnen über 20 Persönlichkeiten des vergangenen und gegenwärtigen Vorarlberg. Vertraute Namen, wie Josef Wichner, Ludwig von Hörmann, Albert Ritter, Andreas Ulmer, Hans Nägele, Adalbert Welte, Meinrad Tiefenthaler und andere, vermögen wohl ein Stück Vorarlberg von einst und jetzt zu repräsentieren. Ihrem Zusammenwirken ist sicher ein lesenswertes Heimatbuch zuzutrauen. In der Tat fehlt auch nichts; vom stimmungsvoll lyrischen Bekenntnis bis zum streng wissenschaftlichen Bericht über Zeiten und Mendien, die für Feldkirch entscheidend waren, ist alles zusammengetragen. Künstler und Gelehrte von hohem Rang haben in dem Heimatbuch ihren gebührenden Platz gefunden. Stolz leuchten die Namen Georg Joachim Rheticus, Wolf Huber und Hieronymus Münzer auf. Feldkirch, das bis in die jüngste Zeit das kirchliche, schul- und verwaltungsmäßige sowie wirtschaftliche Zentrum Vorarlbergs war und zum Teil noch ist, hat sich mit dem vorliegenden Buch zu seinen in Erwartung stehenden Feiern des 300jährigen Bestandes des Gymnasiums und der 100jährigen Bestandsfeier der Handelskammer selbts eine schöne Festgabe beschert. Es ehrt seine Maler von Wolf Huber bis Häusle und Jussel, seine Musiker von Wunibald Briem bis Ferdinand Andergassen und seine hervorragendsten Bürger aller Zeiten. Ein außenstehender Betrachter würde hier noch ein ausführliches Referat über die Dichter Feldkirchs wünschen, in dem der wohl fruchtbarste Dichter Vorarlbergs, Laurentius von Sdmifis, der Mittelpunkt wäre. Auch ein Beitrag über die „Stella Matutina“, die so hervorragenden österreichischen Persönlichkeiten die erste humanistische Bildung vermittelte, fände größtes Interesse.

Katalog der Goethe-Ausstellung. Anläßlich der 200. Wiederkehr von Goethes Geburtstag am 28. August 1949 in der österreichischen Nationalbibliothek.

Die Goethe-Ausstellungen und -Feiern auf der ganzen Welt erweisen die lebendig verbliebene Wirksamkeit von Goethes geistigem Atem. Aber Ausstellungen und Feiern sind zeitlich begrenzt und daher vergänglich. Sollte die wünschenswerte Herausgabe eines reichhaltigen Bilderbuches an den Kosten der Drucklegung scheitern, so wird der von Staatsbibliothekar Dr. Robert M ü h 1 h e r redigierte Katalog der Goethe-Schau in der österreichischen Nationalbibliothek als einziger Brinnerungsbehelf die Mühen und Ergebnisse dieser Ausstellung zu bewahren haben. Wohl im Hinblick auf das noch zu leistende Bilderbuch blieb der Katalog ohne Bildbeigaben. Von diesem Mangel abgesehen, bietet der Katalog eine solche Fülle wissenschaftlichen Materials, wie es nur das Ergebnis einer vertieften Beschäftigung mit dem wahrlich recht umfangreichen Goethe-Schrifttum sein kann. Wendet sich die Ausstellung selbst an die breiteren Schichten und vor allem an die Jugend unserer Mittelschulen, so werden aus der Kleinarbeit des rKatalogs den besten Nutzen wohl unsere angehenden Germanisten, aber auch die Goethe-Spezialisten zu ziehen wissen. Di wissenschaftliche Zuverlässigkeit des Büchleins, bis in die saubere drucktechnische Gestaltung hinein feststellbar, darf als ein Merkzeichen dafür gewertet werden, daß die stille Forschungstätigkeit der österreichischen Gelehrtenschaft den künstlerischen Leistungen unseres Landes nicht nur ebenbürtig zu stellen, sondern in vielen Fällen sogar von bleibenderem Wert ist als die üppig blühende Tagesschriftstellerei unserer fleißigen Prosaisten. Möge der hier besprochene Ausstellungskatalog die österreichische Goethe- Forschung zu Leistungen anspornen, di nicht nur dem Genius Goethes würdig, sondern auch imstande sind, sich im Rahmen der ausländischen Forschung zu behaupten.

Rückblick auf die moderne Malerei. Von J. Lampe. Schriftenreihe „Symposion“ der Amandus-Edition, Wien. 81 Seiten.

Der bekannte Wiener Kunstkritiker unternimmt in einer sehr durchdachten und anregenden Schrift den Versuch, einen Überblick über die Malerei der Zeit zwischen dem Impressionismus und dem Surrealismus zu geben. Stets darauf bedacht, die unausweichliche Gesetzmäßigkelt io der Abfolge der „Ismen“ ans inneren und vom allgemeinen Weltbild her bestimmten Gründen nachzuweisen, betrachtet er sie vor allem nach den verwertbaren Ergebnissen, die sie etwa geliefert haben; es bestehe nämlich ke:n Zweifel, daß die „Ismen“, mögen i an sieh auch nur beschränkte VoLlendungsmögliehkeiten besitzen, doch mit ihren Vorstößen in uner- forschtes Neuland, in ihrem unermüdlichen und oft verzweifelten Bemühen, die Hintergründigkeit und die Tiefe der Erscheinungswelt zu erfassen, eine große Anzahl wesentlicher Erkenntnisse erbracht hätten. Dies übrigens auch im Gegensatz zur „alten“ Kunst, der es weniger um Erkenntnisse als vielmehr einfach um di Kenntnis des Dinglichen, des Lebens oder der Welt gegangen sei. Dies Erkenntnisse nun, so folgert Lampe, trachten, vorläufig noch vereinzelt, unzusammenhängend und getrübt, nach Vereinigung zu einer unausbleiblichen Synthese in einem organisch wachsenden Stil, der seinem Wesen nach „in hohem Maße religiös“ sein wird, ohne freilich sich einer gesonderten Ikonologie zu unterstellen. Derartige Kristallisationspunkte des Zusammenschlusses, einer schon „nachmodernen“ Malerei also, sieht der Verfasser beispielsweise bereits bei Rouault oder Boeckl angedeutet, — Was den bedeutenden Wert dieser Schrift ausmacht, ist neben der unzweifelhaft richtigen Schilderung der Situation und der Problematik der zeitgenössischen Malerei vor allem der begründete Optimismus, der sich in ihr ausspricht. Dieser Glaube an die Zukunft unserer Kunst, auf die man ja gleichfalls gerne Katastrophentheorien anzuwenden neigt, ist von besonderer Wichtigkeit. Er kann, was der Skeptizismus niemals kann: Impulse verleihen.

China siegt. Von F. Jenren, Stern-Verlag, Wien. 353 Seiten.

Ein Zusammenbruch wie der des Kuomintangsystems in China und der unaufhaltsame Vormarsch der hauptsächlich mit erbeutetem USA- Material ausgerüsteten Armeen Mao Tse Tsungs kann letzten Endes nur dadurch erklärt werden, daß sowohl die breite Masse als auch die Intelli- gemzschichte jede Hoffnung auf Besserung der Lebensverhältnisse unter dem alten Regime aufgegeben haben. Die Niederlage des chinesischen Generalissimus ist ein sozialpolitisches, kein rein militärisches Phänomen. In einem Augenblick, da die revolutionäre Bewegung, ohne sich irgendwie erschöpft zu haben, ihre ersten Triumphe von Weltformat feiert, erscheint das Buch eines österreichischen Arztes, der China sehr genau kennt, das Riesenreich zum Schluß als Mitglied einer UNRRA-Mission kreuz und quer durchzogen hat und über eine gute Feder verfügt.

Es hätte ein großes Buch werden können! Eingehende Kenntnis der Materie, Anstand der Gesinnung und lebendig Darstellung, all das war vorhanden, und die holzschnittartige Darstellung sowie die Schwarzweißmalerei hätten einen nicht stören müssen. Es war eine Darstellung der Ereignisse gewesen, wie sie ein Anhänger Mao Tse Tsungs sieht, der, tief von den Leiden dieses Volkes beeindruckt, leidenschaftlich an die Sache der Kommunisten glaubt. Leider ist indes ein ständiges Schwanken zwischen Erlebnisbericht und dem Versuch einer geschichtlichen Darstellung festzustellen, der die Wucht des Eindruckes stört, dazu kommt, daß viele Probleme angeschnitten und nach einigen oberflächlich bleibenden Seiten wieder entlassen worden. Eine weitere Belastung Ist die Anwendung von Vergleichen mit europäischen Verhältnissen, die peinlich demagogisch klingen, ein Eindruck, der durch die dauernden Zensurnoten an den Westen verstärkt wird. Mit der Miene der Unfehlbarkeit verkündete Schlußfolgerungen vermögen uns nicht zu überzeugen, wenn man sich nicht einmal der Mühe unterzieht, uns an den Prüfungen zu beteiligen. All dies ließe sich aber hinnehmen, wenn uns der Autor wenigstens mit dem Zentralproblem des roten China vertraut machen würde, das doch wohl in der Frage, wie sich die Lehren von Karl Marx auf ein Land anwenden lassen, in dem es nur 1% Industriearbeiter gibt und keine der wirtschaftlichen Voraussetzungen existieren, mit denen sich der Prophet des Sozialismus befaßte, zu sehen ist. An Stelle einer kritischen Untersuchung tritt naiv-gläubige Zuversicht.

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