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VON NEUEN BÜCHERN

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Der 1943, knapp vor seinem siebzigsten Geburtstag verstorbene Dichter Heinrich Suso Wal deck ist heute dem Gedächtnis seiner Landsleute fast entschwunden. Wenn irgendwo der schmal gewordene Besitzstand der österreichischen Gegenwartsdichtung gesichtet wird, fehlt sein Name, und dies nicht nur bei jenen, die allein die Diditung der Emigration od* eben noch Franz Kafka gelten lassen. Ich hege den Verdacht, daß viele, die heute über österreichische Dichter sprechen, das Werk Heinrich Suso Waldccks überhaupt nicht kennen. Zumeist ohne ihre Schuld. Die geringen Auflagen seiner Gedichte und Prosaschriften waren schon vor 1938 vergriffen, die reichen und glänzenden Kritiken jener Zeit sind vergessen. Seine Gemeinde ist klein geblieben. Und doch steht er als Lyriker in der ersten Reihe der zeitgenössischen Lyrik. Das wird vielen bewußt werden, wenn einmal die vorbereitete Gesamtausgabe seines Werkes erscheinen kann.

Der „Albrecht-Dürer“-Vf:rlag legt uns indes wenigstens einen schmalen Querschnitt durch die Prosa des Dichters vor („Marguerite“, Erzählungen, Verlag Albrecht Dürer, Wien 1947). Suso Waldecks Prosa reicht ja gewiß an seine herrliche Lyrik nicht heran, sie ist dennoch kein bloßes Nebenprodukt seines Schaffens, sie gehört zum Wesen dieses Dichters. Zeigt sie doch den Menschen, wie er unter uns stand, gänzlich unverzerrt, unsnobistisch, voll Humor, ein Priester, der die Welt wahrhaftig erlebt hat, dessen Heiterkeit aus der Sicherheit eines Herzens kommt, das Höhen und Tiefen und Untiefen in sich be-

Helfendes Wort. Briefe in fragende Menschen. Von Dr. Eva F i r k e 1. Verlag Herder, Wien 1947. S 26.—. 440 Seiten.

Dieses Werk bedeutet über die theoretischen Auseinandersetzungen hinweg einen mutigen Schritt psychotherapeutischer Praxis in den überreifen Notstand. Hier wird nicht gestritten, sondern ohne große lehrhafte Ambition um lebendige Menschen gerungen, die aus dem ■ Chaos zur Harmonie gelangen wollen. Eine tapfere Frau steht als Ärztin und Christ auf, um bewußt die Angst vor dem Druck zermalmender Mächte zu überwinden und in der christlichen Persönlichkeit eine Befreiung aus der Heillosigkeit dieser Zeit sichtbar zu machen. Diese „Briefe an fragende Menschen“ gehen an Ermüdete und Geprüfte, an Konvertiten und Suchende, an Empfindsame und Einsame, an Reifende und Gefährdete — an so viele, die wir alle rundherum kennen und zu deren seelischer Not wir keinen befreienden Zugang finden. Firkel wagt aufs neue den Weg der Indivi.dualseelsorge. Hier wird das helfende Wort gesetzt, das wir so oft nicht mehr finden, weil wir es nicht mehr wissen oder noch nicht wagen. Firkel erweist uns: das helfende Wort wächst auch heute aus der Welt unseres Glaubens, befruchtet von Dogma und Liturgie, und hat daraus Recht und Kraft und Klarheit; entzünden kann es sich aber nur am Menschen und am Leben selber, an der ehrfürchtigen Begegnung mit ihm, an der Liebe zu ihm, an seiner ernsthaften Erkenntnis. Mögen d:ese Briefe ärztlicher Sorge unserer Individual-s.eelsorge jenen Auftrieb geben, den diese gerade jetzt braucht. Vielleicht stärken sie auch den allgemeinen Willen zur psychotherapeutisch wirksamen Begegnung der Kirche mit jenen Massenbeständen seelischer Störungen und Nöten, die längst ein grauenhaft anwachsendes Anliegen darstellen. Darüber hinaus rollt dieses Buch gerade mit seiner rein praktischen Zielsetzung auch die Bereinigung theoretischer Fragen auf. Der Notstand kollektiver Pathologie stellt die gesamte Psychotherapie vor eine Entscheidung: entweder ihrer unerhört dringlidien Heilaufgabe in Wahrheit und Demut möglichst umfassend gerecht zu werden oder sich trotz der geschichtlich einmaligen Entfaltungsmöglichkeit aufs neue in Theorien zu verwirren.

Fragende Herzen, schweigende Lippen. Von Dr. Alois G r u b e r. Verlag Kath. Schriftenmission/Linz 1947. S—.60. 40 Seiten.

Aus dem Wissen um die Not der Kinder, die sich mit der Frage nach dem Woher des Lebens abquälen, entstanden vorliegende drei Briefe,die in einer netten, k'einen Mappe vereinigt sind. Ein Brief ist an die Eltern gerichtet, einer an die Buben und einer an die Mädchen. Durch d“ese Darlegungen ist es den Eltern leicht gemacht, zu gelegener Zeit die rechten Worte zu finden. Das Kin'1 darf niemals in Gefahr kommen, aus schmutzigen und verderblichen Quellen zu schöpfen. Die Briefe sind für das Alter von schließt. Die vorliegende Auswahl gedruckter und ungedruckter Geschichten mischt. Besinnliches und Heiteres. Denn dieser gewaltige Sänger schreibt Wiener Geschichten, wie sie den schon klassisch gewordenen Humoristen nicht besser gelangen, nur daß bei Suso Waldeck kein Klischee spürbar wird, daß er auch im Lachen ein Musiker der Sprache und ein Zeichner wirklicher Menschen bleifct, ein Dichter. Dieser wunderbare Priester hat nie einen Menschen ohne Humor in seinem Kreis geduldet. Jeder Nurpathetische war ihm verdächtig. Und dies nicht nur, weil er wußte, daß dort, wo der Humor fehlt, die Dämonen sich ansiedeln, wir haben es erlebt und erleben es noch, er gab damit sein eigenes Wesen kund. Auch wo er satirisch kommt, bleibt er im Grunde Humorist. Er schreibt nicht bissige Aphorismen oder groteske Karikaturen, sondern Märchen voll männlicher Eigenart und Poesie. Auch diese Saite klingt in dem Auswahlbind an.

Wir wollen dem Verlag Albrecht Dürer danken, daß er diese Sammlung von Kurzprosa, die bei aller Kunst jeden, auch den einfachen Leser erfreuen kann, in so handlicher und sauberer Form herausbringt, auch wenn das Papier zeitbedingt ist. Er stellt damit wohl die Pflege edler österreichischer Prosa als sein Programm hin. Dr. Viktor Suchy zeichnet in einem Nachwort mit knappen Strichen ein lebendiges Bild des Priesterdichters. Dadurch weist der Band von selbst auf das Gesamtwerk Suso Waldecks hin, das wir nun um so heißer erwarten. Dr. Rudolf H e n z

etwa 9 bis 13 Jahre gedacht, gehen den Eltern aber auch manche Hinweise, wie sie Fragen jüngerer Kinder begegnen sollen. Sie sind wirklich fein gehalten und können selbst die zarteste Kindesseele nidit verletzen.

Gott geht durch die Zeit. Die Kirche im geschichtlichen Kampf mit den Mächten der Welt. Von Hans W i r t z. Tyrolia-Verlag, Innsbruck.

Mit viel Einfühlung in unsere Zeit und zugleich mit der klaren und tiefen Glaubensüberzeugung eines Christen schreibt der Verfasser eine neue kurze Kirchengeschichte oder, besser gesagt, einen kleinen Film mit lebhaft kolorierten Einzelbildern aus dem reichen Schatz der Geschichte der Kirche. Diese Bilder sollen aber nicht nur etwas für Auge und Verstand bieten, sondern vor allem etwas für das Herz. Sie sollen ein Spiegel unserer eigenen Seele in den Gestalten der Vergangenheit sein und gleichzeitig das beständige Walten des absolut souveränen und doch unbegreiflich guten Gottes aufzeigen. Danach sind die Bilder aus der Kirchcngeschichte ausgewählt- Der Absicht, uns in jedem Bild der Vergangenheit unsere Gegenwart sehen zu lassen, dient die lebensnahe Darstellungsweise. Was wir wünschten, wäre nur noch größere Klarheit in der Einleitung und im Schlußkapitel, in denen der Autor sein Ziel darlegt, und dazu noch eine größere Feilung in Sprache und Ausdruck.

Die Innenwelt der Atome. Von Zeno B u-ch e r. Verlag Stocker, Luzern. Ober die bis ins Metaphysische hineinreichenden Konsequenzen des „ Umsturzes“ im Weltbild der Naturwissenschaften dürften heute wohl selbst im Lager der engsten Fachwissenschaft kaum mehr Zweifel bestehen. In das seit etwa zwei Jahrzehnten in Gang geratene vielstimmige Gespräch der Atomforscher und Mikrobiologen trägt nun der bekannte Schweizer Gelehrte mit seinem neuesten Werk einen erfreulich bestimmten Ton. Er ist neben Alois Wenzl gegenwärtig der einzige Naturphilosoph, der dem aristotelischen Hylomorphismus in seinem Arbeitsbereich mit aller Entschiedenheit zum Durchbruch verhilft. Bucher vermeidet klug eine vorschnelle metaphysische Auswertung noch offener empirischer Probleme — den Fehler fast aller zu populärer Darstellungen —, indem er den ersten Teil, eine sorgsame Bestandsaufnahme der mikrophysikalischen Phänomene, von einem zweiten, der eigentlichen naturphilorophischen Ausdeutung, trennt. Zeidinet sich jener bei aller mathematischen Exaktheit durch erstaunliche Klarheit und Eingängigkeit aus, so ist der zweite doch der ungleich bedeutsamere: denn hier wird der Kamnf um die Einheit unseres Naturbildes, das eroße Diskussionsthema der Gegenwart, in einer Weise durchgefochten und zu Ende geführt, die beispielgebend ist. Sein positiver E-trag aber ist das klare Bekenntnis zu Aristo'eles, zu seiner Akt- und Potenzlehre, zu einer monadologischen Naturauffassung auf dem Hintergrund einer hierarchischen Seinsordnung, die elastisch und biegsam genug ist, ältestes und modernstes Gedankengut in harmonischer Weise zu versöhnen. Damit ist eine fruchtbare Arbeitsgrundlage für die methodische Durchführung der Probleme im einzelnen gefunden. Im ganzen ein recht beachtlicher Beitrag zur Selbstfindung des abendländischen Geistes, wie sie sich heute im großen Rahmen vorzubereiten scheint. Fine stanzende Ausstattung und ein ebensso gediegener wie handlicher wissenschaftlicher Apparat sind es. die das Buch audi äußerlich empfehlen,

Der Kardinal. Novelle von Josef Wein g a r t n e r. Tyrolia, Innsbruck. S 4.80.

Aus reichem geschichtlichem Wissen und mit feiner Herzenskenntnis geformt, begleitet die vorliegende Novelle den Kardinal Hippolito 'd'Este durch seine letzte Lebenszeit. Der Kardinal ist als Sproß seines Hauses und Sohn der Lukrezia Borgia eine sinnenfreudige, aber edel veranlagte Herrschernatur. In seiner Villa in Tivoli erlebt er letzte Enttäuschungen, reift aber auch seiner Läuterung entgegen und inmitten all der Schönheit, die ihn umgibt, fallen die Fesseln der Welt sosehr von ihm ab, daß er die Todeskrankheit mit Freude begrüßt. Der heilige Philipp Neri, dessen Gestalt der Dichter mit besonderer Liebe gezeichnet hat, darf in der Gnadenstunde einer Begegnung der Reue und Sühne den Weg bereiten. Mit ergreifender Seelenkenntnis hat der Verfasser die letzten Tage des Kardinals in die Farben tiefen, in Gott ruhenden Friedens getaucht. Der Kardinal ist Kind seiner Zeit und der glanzvoll geschilderte Empfang, den er dem strengen, doch gütigen Reformpapst Gregor XIII. in seiner Villa bereitet hat, ist ein Bild der beiden Zeitströmungen, die sich durchringen: abklingende Renaissance und Verweltlichung und kommende kirchliche Erneuerung. Es ist dankenswert, wenn nach dem Grundsatze in veri-tate übertas auch bewegte Zeiten der Kirchengeschichte wissenschaftlich und künstlerisch aufgehellt werden. So läßt diese kleine Novelle im Leser die trostvolle Erkenntnis reifen, daß auch in dunklen Zeiten die innere Lebenskraft der Kirche Sünde und Verfall zu überwinden vermag und daß Gottes Vorsehung Heilige und armselige, irrende Menschen miteinander in ihre Pläne einordnet und das Gute zum Siege führt. Im Lebensbild wie im Zeitbild konnte Einfühlung des Priesters die Schau des Dichters vertiefen und bereichern und die wohl auf Erlebnissen beruhende Schilderung der Landschaft und des Parkes in Tivoli kennzeichnen den Verfasser überdies als feinen Naturbeobachter.

Der Fluß 75 Seiten. — Der Magier. 260 Seiten Von Alexander Jackiewicz. Wien: Amandus-Edition.-

Wir lernen in Alexander Jackiewicz einen jungen polnischen Schriftsteller der Gegenwart kennen. Seine Erzählung „Der Fluß“ lesen wir mit Spannung und Interesse, die Verbindung von feinsinniger, fast lyrischer Natunchilderung und der realistischen Darstellung kleinbürgerlichen Lebens führt zu lebendigen, ja dramatischen Effekten.

Der Dichter ist auch in seinem späteren Werk ..Der Magier' nicht den realistischen Weg der Darstellung weitergegjngen. Dem neuen Thema war aber1 nur mit ehrfürchtiger Anerkennung aller harten Wirklichkeit gerecht zu werden. In knappem und spannungsreichem Aufbau werden Bedrückung, Leiden und Tod der polnischen Bergarbeiter im Grodekei Kohlengebiet zur Zeit der, deutschen Besetzung geschildert, aber auch Lebenswille und sich bildender Widerstand, deren Seele der Steiger Lis ist, der Magier, der Macht über die Gemüter hat, der den Herzen die Kraft zum Ausharren nnd den Mut zum Trotz gibt. Das Buch ist eine erschütternde Anklage von seiten des polnischen Volkes.

Die heimlichen Glocken. Novellen aus Österreich. Von Viktor Scharf. Wiener Verlag, Wien 1947. — Aus dem Florianital. Von Ivan Cancar Verlag E. Kaiser, Klagenfuit, 1947. — Der junge Karl Bertil von Birck. Von Frank Heller. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien. — Die Tote von Scotland Yard. Kriminalroman. Verlag Walter Ölten, Schweiz. — Die goldene Orgel. Eine Tiergeschichte. Von Karl J. S t y m. J.-Scbön! ei tner-Verlag, Aichkirchen.

Die Novellen aus Österreich, an Wert sehr ungleich, haben eines gemeinsam: die weiche, halb lächelnde, halb wehmütige Stimmung, die über aller Not und Tragik des Lebens doch immer noch ein mildes Licht aufglänzen läßt. Die einen unter ihnen sind zart und besinnlich, andere gleiten leider in peinliche Gebiete hinüber. — In eine düstere, unheimliche Welt führen die Novellen des slowenischen Dichters Cankar, zu denen Friedrich Pcrkonig eine fesselnde Einleitung geschrieben hat. Seltsame, von Grauen erfüllte Gesichte machen sich hier mit brutalem Naturalismus. — Der junge Karl Bertil ist ein geschickter Amateurdetektiv, der einen Verbrecher entlarvt und dadurch seinen Freund rettet, doch kommt das Menschliche über der äußerlichen Spannung zu kurz. — Noch mehr ist dies bei dem Kriminalroman Achermanns der Fall, in welchem die Jagd nach den Mördern aufregend g-mug ist, aber weder durch das Schweizer Feundespaar noch durch die eingeflochtene Liebesgeschichte ein genügendes menschliches Gegengewicht bekommt. — Vollends die phantastische Tiergeschichte, die aus unbekannten^Gründen „Die goldene Orgel“ heißt, hat zwar dichterische Stellen, ist aber in ihrer Symbolik unklar und hält auch den Märchenton nicht immer fest.

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