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Romane

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Das Mädchen Amaryll. Roman. Von Johannes Rüber. Albert Langen-Georg Müller Verlag. München 1953. 180 Seiten. Preis 7.80 DM.

Dieser Liebesroman ist thematisch und formal ganz anders, als man es von den meisten jungen Autoren unserer Gegenwart gewohnt ist. Die Handlung ist einfach. Marcel, der Erzähler, begegnet in Rom dem Mädchen Amaryll und muß dann mit ihr infolge der Kriegsereignisse in ein kleines Dorf im Süden ziehen, wo er im Dienste einer Widerstandsgruppe für einen Geheimsender tätig ist. Inmitten vieler Bedrohungen verleben beide jungen Menschen in naiver Sinnenfreude eine Art von bukolischem Idyll. Die Atmosphäre der antiken Hirtendichtung wird so in die moderne Zeit verpflanzt. Es ist ein Leben, in dem Träumerei und Wirklichkeit, Symbolik und Realismus sich seltsam verbinden. Die Phantasiewelt der Liebenden ist von Hirten und Nymphen bevölkert. So manche Episoden sind reizvoll und zart, in einer klaren, schlichten Sprache erzählt, doch manchmal hat man auch den Eindruck von preziöser Pose. Der Schluß fällt ab. — Jedenfalls eine erste Talentprobe, die auf die weitere Entwicklung des jungen Autors neugierig macht.

Dr. Theo Trümmer

Auswanderer. Roman von Ferreira de Castro. Ullstein. Wien 1953- 315 Seiten. Preis 63 S.

Es ist schön, wenn uns ein Buch ein Fenster aufstößt und das Licht der Ferne zu uns hereinläßt. Den heute sechsundfünfzigjährigen Portugiesen de Castro, einen Autor von Welterfolg, stellt uns Herbert Furreg mit einer vorzüglichen Uebertragung des Romans „Emigrantes"vor. Es ist ein Buch, das wir — abgesehen von den für unser Empfinden zu langatmigen Landschaftsschilderungen — durchaus bejahen können, prächtig vitale Dialoge, starke Handlung, gesunder Sarkasmus, belehrend im besten Sinne. Wie die Auswanderer betrogen werden und dann aus Eitelkeit und Scham selbst den Betrug mitmachen, wird ohne allzu peinliche Gehässigkeit frisch und ehrlich erzählt. „Europa", sagt de Castro, „das arme Europa starrte wie gebannt nach dem goldenen Stern, der am westlichen Horizont über Amerika leuchtete… Immer wieder öffneten sich die Adern des alten Kontinentes und spendeten dem neuen ihr bestes Blut." Ich denke, es kann nicht schaden, auch einmal die Kehrseite der Medaille zu sehen.

Prof. Dr. Friedrich Wal lisch

Endre. Novellen-Trilogie. Von Renė Fülöp- Miller. Verlag Rabenstein, Salzburg. 379 Seiten.

Der Autor, dessen frühere Werke, wie „Macht und Geheimnis der Jesuiten" und die Biographie Rasputins „Der heilige Teufel", weiteste Verbreitung fanden, führt uns diesmal ins Land seiner Kindheit und Jugend, ins Banat, das zu jener Zeit noch Oesterreich-Ungarn angehörte. Ungarn, Deutsche, Serben und Rumänen lebten in Frieden und Eintracht miteinander, und so ergab sich eine Atmosphäre der Sicherheit und Zufriedenheit. Auch die Aermsten fügten sich gelassen in die überkommene Ordnung, denn sie blieben dank der Großzügigkeit der wohlhabenden Gutsbesitzer vor der ärgsten Not bewahrt. Trotz des sozialen Unterschiedes fühlten sie sich mit dem Besitzenden verbunden. Dieser Geist innerer Zusammengehörigkeit gibt den Novellen dieses Buches das Gepräge. Schlicht und dabei ungemein eindrucksvoll zeichnet Fülöp-Miller eine Fülle von Gestalten, mag nun in der Erzählung „Endre", ein vom Wandertrieb erfaßter Knabe, für Hirten zum Waldgeist werden oder ein würdiges Familienoberhaupt, „Onkel Joca", Bettler zu einem Festschmaus laden, immer vereint das Geschehen besinnlichen Ernst mit einem Humor, der an Mark Twain gemahnt.

Alfred Buttlar-Moscon

Versöhnung. Roman. Von Bernt von Heiseier. C. Bertelsmann-Verlag. Preis 16.80 DM.

Bernt von Heiseier legt hier ein groß angelegtes Opus vor, das die Zeit von den z.wanziger Jahren bis zum Ende des zweiten Weltkrieges umfaßt und die vielfältigen Charaktere und Schicksale in einer über ganz Deutschland und Oesterreich hin verzweigten bürgerlichen Familie schildert. Das Buch ist ein Beispiel für Heiselers vortreffliche Erzählungskunst; es ist in einem ausgewogenen, gepflegten Prosastil geschrieben, wie er in der zeitgenössischen Literatur selten geworden ist. Doch hat man das Gefühl, daß sich der Autor übernommen hat. Insbesondere in der zweiten Hälfte des nahezu 900 Seiten starken Romans treten merkliche Längen auf und wohl auch schwache Stellen. So ist es nicht überall gelungen, die politischen Zeitereignisse in der Handlung, selbst transparent werden zu lassen, sie mit dem Menschlichen in Beziehung zu setzen und so zu deuten. Die reportagehaften Abschnitte wirken in dieser Dichtung wie Fremdkörper.

Trotz des durchgehenden echten und manchmal zum erschütternden Akkord anwachsenden religiösen Grundtones kommen anderseits die Dämonie des ideologischen Machtstaates und die ganze Tragik des Deutschtums in einer seiner größten geistigen Verirrungen nicht zur•'vollen Geltung. Das mag wohl daher kommen, daß Heiseier mit starkem nationalem Empfinden schreibt, daß er gegen Ende des Buches sogar dunkle Wolken des Ressentiments aufsteigen läßt, die das klare Licht der Versöhnung etwas verdunkeln.

Es wird wohl noch lange eine Streitfrage der Geschichte bleiben, ob die Greuel der KZ oder die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten, ob die Massaker der SS oder die Vernichtung der deutschen Städte die größere Katastrophe darstellen. Ueber die tiefste Ursache, wie über das auslösende Moment all dieser Katastrophen gibt es keinen Zweifel. Das scheint der Dichter auch zu erkennen, aber im Konkreten hört man beim deutschen Konto immer wieder die Entschuldigung durch. Der letzte, der große Schritt zur „Versöhnung" ist Bernt von Heiseier (leider) nicht gelungen, der dritte Schlag an die Brust, das „mea maxima culpa" fehlt — und darauf kommt es an. Dr. Hans M. Loew

Die Wiener Sängerknaben. Von R. Holzer und J. Schnitt. Frick-Verlag, Wien 1953. 94 Seiten.

Neben den Philharmonikern, 'Wen ihnen verbundenen Opernmitgliedern und wohl, ausdrücklich, dem Ballett, hat keine künstlerische Gemeinschaft soviel für das Ansehen Oesterreichs im Auslande beigetragen' wie unsere „singenden Botschafter". Es war daher an der Zeit, in einer Monographie klar die echt österreichische Sendung, das geistliche Format dieser Gemeinschaft darzustellen, um so mehr, als eigentlich eine größere Darstellung — mit Ausnahme der im Verlage Oesterreichische Kunst vor zwei Jahrzehnten erschienenen Schrift („Wiener Sängerknaben in aller Welt") — keine Würdigung vorlag, die auch — das zeigt die zweisprachige (neben deutsch auch englisch) Beschriftung der Bildtafeln — darauf Anspruch erheben kann, in aller Welt gelesen und geschenkt zu werden. Die Autoren haben mit Würde, mit Schlichtheit, mit Zurückhaltung und Takt (gerade was die Jahre 1938 bis 1945 betrifft) gewaltet. Sie haben mit ihrem Buche ein Verdienst erworben. Auch wenn man hinsichtlich gewisser historischer und künstlerischer Einzelheiten (hier die Filme, die konzertanten Opernaufführungen im Kostüm) nicht immer gleicher Meinung sein mag: hier waltet doch sichtbarlich ein künstlerisches Wissen um Berufensein über die Zeiten hinweg.

Hanns Salaschek

Das Ereignis des Schönen. Von Gerhard Nebel. Ernst Klett Verlag, Stuttgart, 309 Seiten. Preis 13.80 DM.

Wer in der Kunst am „Ding" hängen bleibt und verweilt, dem ist das Schöne nur ein musealer Wert. Wer am Kunstwerk zu einem Ereignis vorstößt, wird vom Schönen begnadet. So unterscheidet Nebel das Aesthetische vom Schönen — und darin liegt der große Wert dieses Werkes. Das „Ereignis des Schönen" ist — mystisch gesehen — der ankommende Gott zum angekommenen Kunstding. Ist — religiös-christlich gesehen — das

„Heil". Dadurch, daß Nebel seine Untersuchungen mit — protestantischer — Theologie verquickt, begibt er sich der Klarheit und Sachlichkeit. Religiös gesehen, wäre nur ein Ereignis dazu dienlich, die vorgetragene These zu veranschaulichen: Das vollzogene und sich immer wieder vollziehende Ereignis im „Kultur-Mysterium" — aber als Protestant kommt Nebel nicht über das christliche „Wort-Mysterium" der Offenbarung hinaus. — Das Buch ist in einer ausgezeichneten Sprache geschrieben. Die Formulierungen sind oft derart gekonnt, daß der Leser gern bei den Einzelheiten verweilt und ihnen mehr Interesse abgewinnt als der Führung des gesamten Buches. Im Bereich des Mythos ist Nebel wohl einer der zuständigsten Gelehrten: die dabei gegebenen Aus- und Einblicke sind von schöpferischer Genialität. Wäre dieses Werk mit weniger Protest gegen das Katholische geschrieben, dann wäre es klarer und bei weitem wertvoller für die Erkenntnis vom „Ereignis des Schönen".

P. DDr. Diego Hanns Goetz OP.

Aufstieg zum Berge Karmel. Von Johannes von Kreuz, herausgegeben von Friedrich Wessely. Verlag B. Heiler, Wien. 3 Bände. 86, 239, 159 Seiten. Preis 27, 48, 45 S.

Bei dem neuen Johannes-von-Kreuz-Werk, das von Univ.-Prof. Friedrich Wessely in Verbindung mit dem Karmel Wien-Baumgarten herausgegeben wird, handelt es sich darum, die Schriften des großen spanischen Mystikers und Lehrers des innerlichen Lebens dem Leser nicht nur vorzulegen, sondern auch erklärend aufzuschließen. Daher ist dem nach der neuesten kritischen spanischen Ausgabe mit möglichster Treue des Ausdrucks übersetzten, in minder wesentlichen Belangen aber wohltuend gekürzten Text hier jeweils ein Kommentar beigegeben. Er stammt aus der fachmännischen, den intimen Kenner der Schriften des Heiligen ebenso wie den erfahrenen Seelen führet verratenden Feder des Herausgebers und der Klärung grundlegender Fragen des geistlichen Lebens, wie sie sich bei der Johannes-von-Kreuz- Lektüre immer wieder ergeben. Was diese Erklärungen besonders auszeichnet, ist die Verbindung höchster Spiritualität mit einer so großen Einfachheit und Klarheit des Ausdrucks und der Darstellungsweise, daß sie von jedem, der guten Willens ist, verstanden werden können.

Bisher liegen drei — den „Aufstieg zum Berge Karmel" enthaltende — Bändchen vor. Weitere, die der „Dunklen Nacht", dem „Geistlichen Ge sang" und der „Liebesflamme" gewidmet sein sollen, stehen in Vorbereitung. Die gefällige Ausstattung, die der Verlag B. Heiler der Ausgabe gibt und nicht zuletzt ihr für jedermann erschwinglicher Preis wollen dazu beitragen, daß dieser deutsche Johannes von Kreuz Eigentum — nicht nur gelegentliche Leihgabe — in den Händen von Menschen werden kann, die bereit sind, sich von ihm zu jener inneren Freiheit führen zu lassen, kraft deren man schon auf Erden „alles genießt, alles besitzt, alles ist und alles weiß" — in Gott.

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