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Zwischeneuropa

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Borderlands of Western Civilization. A History of East Central Europe. By Oskar Halecki. New York, The Ronald Press Company, 1952. 503 Seiten

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Borderlands of Western Civilization. A History of East Central Europe. By Oskar Halecki. New York, The Ronald Press Company, 1952. 503 Seiten

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Oskar Halecki, 1891 in Wien als Sohn eines k. u. k. Generals und als Nachfahre einer uralten litauischen Magnatenfamilie geboren, am berühmten Schottengymnasium und dann an der Jagellonischen Universität in Krakau herangebildet, mit 27 Jahren Professor für osteuropäische Geschichte an der Warschauer Universität, ist seit langem sowohl seinen Landsleuten als auch der internationalen Historikerwelt als ein seltenes Phänomen an allseitiger Gelehrsamkeit und erstaunlicher Sprachkenntnis bekannt. Seine Abkunft von vielerlei Nationen — unter seinen acht Urgroßeltern gehört jeder einem anderen Volk an; dem reußischen, polnischen, deutschen, italienischen, kroatischen, schwedischen, holländischen, slowenischen —, seine weiten Reisen, seine politische und diplomatische Tätigkeit, unter anderem in der Kommission für geistige Zusammenarbeit des Völkerbundes zu Paris, das alles hat dem sowohl literarisch als auch rednerisch hochbegabten Forscher weiteste Horizonte geöffnet. Bis zum Jahre 1939 war er Polens repräsentativster Historiker, dem man auf Kongressen und bei anderen wichtigen Anlässen überall begegnete. Der zweite Weltkrieg überraschte ihn in der Schweiz, brachte ihn nach Frankreich, dann nach den USA. Dort wirkt er seither als Inhaber einer mit seiner einstigen Warschauer stoffgleichen Lehrkanzel an der Fordham University von New York, als geistiger Führer der polnischen Emigration und als fruchtbarer Schriftsteller, der Englisch und Französisch so vollendet beherrscht wie das Deutsche und wie seine Muttersprache. Dieser Mann, dem sein fester Standort als überzeugter Katholik und als Konservativer nie den Blick, noch die Unbefangenheit trüben, war wie kaum ein zweiter berufen, uns ein Buch zu schenken, bei dessen Würdigung der prüfende Urteiler sich beinahe scheut, die geziemenden Superlative anzuwenden. Zunächst ist schon Wahl und Abgrenzung des Themas aufs höchste zu rühmen. Im L“ntertitel stellt Halecki eine These auf, die er geschichtlich untermauert und die mißachtet zu haben die schwerste politische Sünde Deutschlands und der Westmächte bildete; eine Sünde, deren Widerpart sich in den törichterweise zerschlagenen beiden Gebilden, der alten Rzeczpospolita und der Habsburgermonarchie, verkörperte. Bei seiner Wanderung durch ein Jahrtausend zwischeneuropäischer Zugehörigkeit zum christlichen Abendland beachtet der Verfasser nicht nur die politische Entwicklung, sondern auch die geistigen Strömungen, weniger die wirtschaftlichen Momente. Auf Schritt und Tritt ist die souveräne Beherrschung des Stoffes, der Quellen und der Literatur (in einem Dutzend Sprachen) spürbar. Kleine Einzelirrtümer zu berichtigen sei der Besprechung in der historischen Fachpresse vorbehalten. Weit belangreicher ist der untrügliche Blick für die großen Zusammenhänge, sind der Sinn für Gerechtigkeit, und das bei allem sittlichen Verantwortlichkeitsgefühl klare Empfinden für das Reale, die vereint Haleckis Buch zu einem wertvollen Ratgeber für den aktiven Staatsmann und zum zuverlässigen Nachschlagewerk für den Gebildeten machen, der einem der wesentlichen Probleme unserer Zeit kritische Aufmerksamkeit weiht. ■ . “

Ein vorzüglicher Anhang gibt ein Verzeichnis von etwa 300 sorgfältig ausgewählten Werken in englischer, deutscher und französischer Sprache, die dem slawischer Idiome, des Rumänischen und des Ungarischen Unkundigen das Eindringen in die Einzelheiten der von Halecki in seiner Gesamtschau dargebotenen zwischeneuropäischen Geschichte gestatten. Auch hier fehlt kaum ein nützliches Buch, und nichts Ueberflüssiges wird erwähnt. Eine deutsche Uebersetzung der hervorragenden Veröffentlichung des großen polnischen Historikers wäre sehr dankbar zu begrüßen. Univ.-Prof. Dr. Otto Forst de Battaglia *

Don und Wolga. Von Clemens P o d e w i 1 s. München, Carl-Hauser-Verlag.

Es ist ein außerordentlich schönes, menschlich ansprechendes, ja tröstliches Buch. Der Verfasser beschreibt jene Sommeroffensive des Jahres 1942, welche die deutsche Wehrmacht über den Don bis an das Wolgaknie, nach Stalingrad, führte, und an der er als Angehöriger einer sogenannten Propagandakompanie teilgenommen hat. Sein Teil war also, zu beobachten und zu berichten. Aber Jahre verflossen, ehe er aus Briefen und Aufzeichnungen das „Buch „Don und Wolga“ zusammenschweißte; er tat gut daran, daß er diese Zeit verstreichen ließ, denn so fiel ihm alles Zufällige, alles, was zu grober Sensation und kurzschlüssiger Parteinahme hätte verführen können, aus und es blieben, wie er selbst sagt, die echten Erinnerungen, diese aber lebendig, rein, voll Farbe und voll großer Innigkeit. Wenn da und dort anfangs ein Ton mitschwingt, der aus Carossas Melos zu stammen scheint, so sprechen dort, wo das eigentliche Thema des Buches anhebt, die Dinge ihre eigene Sprache; dieses Thema ist die Bestürmung Stalingrads, der allmähliche Zerfall der Stadt, die sich anbahnende Schicksalswende, hier erhebt sich Podewils Vortrag zu grandioser Bildhaftigkeit, Freiheit und Tiefe.

Eine schwere Erkrankung zwang den Autor damals zur Rückkehr in die Heimat, sie rettete ihn vor dem, wie wir heute sagen können, fast sicheren Untergang.

Was wir als das Eigentümliche und Erfreuliche an diesem Buch notieren, ist seine menschliche Haltung, die ebenso frei ist von Eitelkeit als von Selbstverdemütigung, so frei von kriegerischem Pathos als pazifistisch sich gebärdender Sentimentalität, so durchdrungen von Freundgewilltheit gegen alles Lebendige, daß wir sie nicht anders denn als substantielle Christlichkeit bezeichnen können; Podewils hat in seinem Buch auf jede outrierte Ueberfolgerung verzichtet und hat gezeigt, daß man ein Zeitdokument von Rang schaffen kann, ohne dieser intellektuellen Untugend, die im Grunde nur Ungeduld gegen das Leben ist, zu verfallen. Was sein Buch dadurch an äußerlichem Anspruch verloren haben mag, hat es an innerem Glanz und an fugenloser Wahrhaftigkeit gewonnen. Gertrud Fussenegger ' *

Geschichte Europas und des Orients. Von Robert E n d r e s. 3. Band: Das Zeitalter des bürgerlichen Staates 1740 bis 1850. ,635 Seiten. — 4. Band: Das Zeitalter des Imperialismus, etwa 1850 bis 1920. 734 Seiten. Mit Kunstdruck- und Textbildern, Diagrammen, Karten usw. Verlag für Jugend und Volk, Wien, 1952. Preis je 120 S.

Mit diesen beiden stattlichen Bänden ist das ganze Werk zum Abschluß gekommen. Eine imponierende Leistung, die im einzelnen und im ganzen starken Eindruck macht. Trotzdem sind wir nicht mit allem einverstanden. Der Verfasser vertritt den historischen Materialismus — allerdings maßvoll und in einer Weise, die man nicht immer richtig, aber vertretbar nennen kann. Es ist ein Standpunkt, über den sich diskutieren läßt. Politik und Kultur, Geist und Kunst kommen nicht zu kurz, werden aber doch zu einseitig auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Wurzeln zurückgeführt. Der Religion und ihrem Wirken in der Geschichte kann ein solcher Standpunkt niemals gerecht werden. Auf der anderen Seite wirken die Fülle der Probleme, die Weite des Horizontes, das Betonen europäischer und abendländischer Gesichtspunkte unbedingt sympathisch. Eine ganze Reihe von größeren Abschnitten bietet Anregung und Belehrung zugleich: Oesterreich im 18. Jahrhundert, Industrialisierung, Kolonialwirtschaft, Naturwissenschaften und Medizin, oder die Frage, warum der Kapitalismus gerade im Abendland entstanden ist. Anschaulichkeit und Faßlichkeit des Stiles machen die Lektüre ganze Kapitel hindurch zu einem Vergnügen (nicht in der jüngsten Vergangenheit, wo sich eine gewisse Bitterkeit bemerkbar macht). Tabellen, chronologische Reihen und Register erhöhen die Uebersichtlichkeit des Werkes. Schön wäre es, hätten wir auch so eine vierbändige, populäre Weltgeschichte — vom katholischen Standpunkt aus geschrieben.

Geliebte Ferne. Der schönsten Jahre anderer Teil. Von Friedrich Sieburg. Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins. Tübingen. 446 Seiten.

Der berühmte deutsche Journalist, Verfasser des bekannten Buches „Gott in Frankreich“, legt hier eine Schilderung seiner Reisen zwischen den Jahren 1930 und 1939 vor. Reisen, die ihn auf den Nordpol, nach Rußland, Japan, China. Portugal. Tunis, Marokko, durch die Sahara führten. Das große Talent des Verfassers, mit einer feinen, noblen Sprache die Landschaften, die Menschen und beider Probleme kenntlich zu machen, ohne zu erklären, ohne zu belehren, wird wieder deutlich. Eine seltsame verborgene Unrast, eine versteckte Melancholie, eine Einsamkeit, die oft aus den Worten des Verfassers sprechen, geben dem Biuh eine seltsame Anziehungskraft. Am Schlüsse des Buches ist ein Verzeichnis aller bisher erschienenen Werke des Autors angeführt, das den großen Bogen seiner Arbeit aufzeigt.

Buch des Betrachters. Von Jose O r t e g a y G a s s e t. Uebersetzt und herausgegeben von Helene W e y 1. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart. 295 Seiten.

Der Band vereinigt eine Reihe von Aufsätzen, deren Entstehungszeit, Anlaß und Inhalt weit auseinanderliegen, vielleicht zu weit. Aber sie sind verbunden und getragen von dem Anliegen des hellsichtigen und feinsinnigen „Betrachters“, der das geistige Geschehen der Welt überschaut, Irrwege aufzudecken und neue Wege zu weisen sucht. Anregend und lehrreich ist vor allem, wo der Spanier vom deutschen Geist spricht, sich mit Kant, Hegel und Goethe auseinandersetzt, zwar nicht in philosophie- und geistesgeschichtlicher Einzeluntersuchung, sondern von innen und vom Ganzen her: vom Geist, der dem Geist des Südländers fremd ist, den Ortega aber aus vertrauter Kenntnis zu verstehen und zu würdigen weiß. Es ist ein Buch, das, so wenig einheitlich es auch ist, viele Fragen anrührt, zum Denken anregt — und darin allein schon seine Berechtigung hat.

Schlüssel zum Leben. Das Geheimnis der Anziehungskraft zwischen zwei Menschen. Von Dr. Manfred Curry. Schweizer Druck- und Verlagshaus, Zürich, 1952. 280 Seiten. Mit zirka 700 Bildern und 40 graphischen Darstellungen.

Der wissenschaftliche Kern des vorliegenden Buches ist ein Versuch zur Grundlegung einer neuen Typologie. Die bisherige, seit Kretsch-mer herrschende Typenlehre beruht auf der Unterscheidung zwischen dem leptosomen und dem pyknischen (eurysomen) Typus. Curry stellt dieser Unterscheidung eine andere Polarität gegenüber: die der kaltluft- und warmluftempfindlichen Menschen (K- und W-Typen); zwischen diesen beiden Polen läßt er freilich noch einen gemischten (G-) Typus gelten. Er führt diese Unterscheidung an Hand verschiedener Testproben durch, die im allgemeinen nicht schlecht durchgearbeitet sind und #tuf den Methoden der Fragebogen, der bekannten psychologischen Teste sowie graphologischen Schrifttypen und anderen Ausdrucksformen beruhen. Allerdings muß festgestellt werden, daß . die Unterscheidungsmerkmale der beiden Haupttypen einander vielfach überkreuzen. Der Ausgangspunkt seiner Typenlehre ist der verschiedene Einfluß von aktivem Sauerstoff (Aran) auf das vegetative Nervensystem. Nicht genug deutlich ist die Wirkung auf den Sympathicus und den Parasympathicus auseinandergehalten. Unberücksichtigt bleibt auch in der Typologie von Curry der verschiedene Tages- und Lebensrhythmus des matinalen und der vespertinen, resp. noctualen Typus, der „Morgen-“ und „Abendmenschen“. Die Tragweite der Typenlehre für die Eheberatung wird richtig eingeschätzt. Zweifellos hat Curry mit seiner neuen Typologie bedeutsame Anregungen gegeben, doch bedürfen diese im einzelnen noch sorgfältiger wissenschaftlicher Ueber-prüfung, ehe sie allgemein akzeptiert werden können.

Eine Frage an den Verlag: Muß das sein, daß selbst Werke von wissenschaftlichem Inhalt mit so schreienden Schutzumschlägen und geschmacklos grellfarbigen Bildern ausgestattet werden, so daß man dadurch von vornherein geneigt ist. vom Buch keinen wissenschaftlichen Wert zu erwarten?

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