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Lexikon der Pädagogik

19451960198020002020

Verlag Herder, Freiburg. Bisher zwei Bände. 1. Bd.: Ab bis Fertigkeit, 2. Bd.: Festigkeit bis klug. XXIV Seiten und 1196 Spalten; XX Seiten und 1240 Spalten. Preis je Band 56 DM

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Verlag Herder, Freiburg. Bisher zwei Bände. 1. Bd.: Ab bis Fertigkeit, 2. Bd.: Festigkeit bis klug. XXIV Seiten und 1196 Spalten; XX Seiten und 1240 Spalten. Preis je Band 56 DM

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Das altbewährte „Lexikon der Pädagogik" des Verlags Herder, das unter der Leitung eines so hervorragenden Fachmannes wie weiland Otto Wiilmann und eines erfahrenen Praktikers Ernst Roloff die katholische Auffassung der Erziehungslehre vertreten hatte, ist allmählich dem unerbittlichen Gesetz des Veraltens erlegen. Zwei vor beinahe einem Vierteljahrhundert dazu erschienene Ergänzungsbände haben das nicht verhindern können. Nun hat sich der Verlag entschlossen, nach dem grauenvollen Zwischenspiel, das die christliche Bildung der Heranwachsenden zu vernichten drohte, ein völlig neues, zeitverbundenes Handbuch zu veröffentlichen, das den heutigen Standort einer von katholischem Geist beseelten Pädagogik verficht, ohne deshalb mit Scheuklappen für alles das behaftet zu sein, was außerhalb des eigenen weltanschaulichen oder nationalen Bereichs liegt. Das Vorhaben ist einer Arbeitsgemeinschaft anvertraut worden, die sich ihrerseits die Hilfe der hervorragenden Kapazitäten sicherte. So ist ein Werk entstanden, auf das Verlag und Herausgeber stolz sein dürfen; ein nie versagendes Kompendium für Wissenschaftler, im praktischen Erzieherberuf stehende Lehrer und Politiker, aber auch für Eltern und Haus. Das Lexikon spiegelt allerorts den neuesten Stand der Wissenschaft wider. Es ist von einer Weite des Horizonts, die erfreut und die sich nicht nur im Verständnis für Andersgeartete, Andersdenkende bekundet, sondern auch im Einbeziehen entlegener Gebiete, deren Verbundenheit mit der Pädagogik einem alsdann plötzlich zum Bewußtsein kommt. Auch das dünkt uns zu loben, daß manche Unzünftigen übertragene Artikel den Text auflockern.

Wie schön und geistreich ist etwa das Schlagwort „Humor" von dem in Karl Kraus' und Theodor Haeckers Spuren wandelnden glänzenden Schriftsteller Sigismund von R a d e c k i behandelt worden, nebenbei in wortkünstlerischer Vollendung! Im allgemeinen aber teilen sich die Schlagwörter in rein darstellende und in bclehrcnd- mahnende. Es wird vermieden, allzu umfängliche Themen zusatnmenzufassen. Der ausgedehnteste Artikel — Deutschunterricht — füllt knapp Zwanzig Spalten. Ein praktisches System von Hinweisen gestattet es, rasch das Zusammengehörige aufzufinden und sich so über ein ganzes Sondergebiet der Pädagogik zu unterrichten. Aus der großen Zahl der Schlagwörter, die uns besonders befriedigt haben, erwähnen wir: Bildung (Eggersdorfer), samt den von demselben Autor herrührenden Nebenartikeln Bildungsgut, Bildungsideal, Deutschunterricht (von vier Verfassern), Englischunterricht (Bohlen), Erdkundlicher Unterricht (Perlick), Erzielrung, Erziehungsideal (Eggersdorfer), Französischunterricht (M. Beermann — Vorbehalt gegen die vorgeschlagene Auswahl der Lektüre), Ganzheitspsychologie (U n d e u t s c h), Gefühl (M. Keilhacker — Warum nur deutsche Literatur?), Gegenwartspädagogik (J. Dolch, ganz hervorragend), Gehirn, Geisteskrankheiten (O. Graf), Geschichtsunterricht (sechs Autoren), Gewissen (F. B ü r k 1 i, W. J. Revers, eine der Kernstellen des Handbuchs), Griechischunterricht (H. Kloesel), Großstadtpädagogie (A. Busemann), Hochschule (G. Tellenbach), Höheres Schulwesen (A. Klein, vorzüglich und besser geraten als der zu knappe Artikel über Hochschulwesen), Humanismus (L. Bopp, meisterhaft), Individualität (A. Henn, warum nichts über die Basler Zeitschrift „Individualität" und deren Kreis?), Individualpsychologie (R. Allers — W. Hanse n), Intelligenz (A. Busemann), Internationale Erziehungswissenschaft (F. Schneider), Journalistenausbildung (E. D o v i f a t, der Altmeister des Fachs), Jugendbuch (W. Z if reu nd), Jugendstrafrecht und Jugendstrafvollzug (drei Autoren), Kant (P e t z e 11, ausgezeichnet), Katechese und Katechetik (J. H e m 1 e i n, wieder eines der wesentlichen Schlagwörter), Katechismus (J. Hofinger), Katholische Pädagogik (O. Opahle), Kinderbuch (J. Prestel, weshalb nichts von den vortrefflichen ausländischen Kinderbüchern, vom Original-Pinocchio und „Alice in wonderland"zu Madame de Sėgur, Bėcassine?), Kindergarten (M. Kiene), Kinderpsychologie (W. Hansen, wieder Fehlen wichtiger ausländischer Hinweise), Kirche — Bildung — Erziehung (L. Bopp, sehr gut), Kleinkinderpädagogik (H. Helming).

Mit dem Hindeuten auf eine Reihe der besten Artikel ist aber den Verdiensten des Pädagogischen Lexikons noch lange nicht die gebührende Anerkennung gezollt. Heben wir ferner hervor: die mustergültige Anordnung des Stoffes, die lautere Gesinnung, der im besten Sinne deutsche und europäische Geist, der aus dem Werke spricht, die demokratische und dennoch gegenüber jeder achtbaren Tradition ehrfürchtige Grundhaltung, die verständliche und gepflegte Sprache der meisten Beiträge, die Spezialübersichten des Unterrichts- und Erziehungswesens in den wichtigsten Ländern — bisher vor allem China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, dann Belgien. Dänemark, Griechenland,

Irland, Aegypten, Israel, Indonesien, Argentinien, Brasilien, sämtlich durch genaue Sachkenner bearbeitet.

Zuletzt seien einige Wünsche vorgebracht. Zunächst möge die auswärtige Literatur öfter und regelmäßig berücksichtigt werden; gerade bei der Pädagogik kommt man ohne die Angelsachsen nicht aus. Die unzulängliche Aufmerksamkeit gegenüber allem Slawischen gehört leider zu den unvermeidbaren Schwächen aller deutschen und westeuropäischen Lexika jeder Art. Als Beispiel dafür möge der Artikel Comenius dienen, wo der Familienname des großen Pädagogen als „Čomen- sky" statt Komensky angegeben ist, und zwar auf so verhüllende Weise, daß daraus die tschechische Volkszugehörigkeit des Mannes nicht hervorleuchtet. Sein Geburtsort und seine polnische Wirkungsstätte werden nur mit dem verballhornten deutschen Namen erwähnt. Weder ist vom alttschechischen Background seines Denkens die Rede noch findet man die kleinste Notiz von der .schier unübersehbaren slawischen Literatur über ihn.

Wir müssen endlich einen heiklen Punkt berühren. So sehr wir den festen weltanschaulichen, den sympathischen politischen Standpunkt des Lexikons begrüßen, ’scheint es uns trotzdem, daß man gegenüber zwei Phänomenen der jüngsten Vergangenheit, beziehungsweise der Gegenwart, nicht den Kopf in den Sand stecken darf, sondern ihr Wesen schildern, dessen Folgen aufzeigen und dessen Irrtümer dartun muß. Die DDR zu ignorieren und von ihrem Schulwesen nicht mindestens soviel auszusagen, geht nicht an. Besondere Artikel über Bolschewismus und Erziehung, Klassenkampf und Erziehung wären nötig. Anderseits ist ein eigener und nicht zu kurzer Artikel über die HJ und den BDM ebenso unentbehrlich wie einer über das Führerprinzip, das dieses in seiner Einwirkung auf die ihm leicht anfällige Jugend schildert. (Das vorhandene Schlagwort „Führer" geht, wie die Katze um den Brei, um den Kern dieser Frage herum.) Der Artikel über Familienkunde ist unzureichend; Literaturangaben mangeln. Unter den biographischen Schlagwörtern vermissen wir z. B. Alain, Buisson, Carroll, Collodi, Defoe, Dürkheim, Eduard Engel, Octave Greard, Wilhelm von Hartei, Heinrich Hoffmann.

Mit Ungeduld und Freude warten wir auf die noch zu veröffentlichenden beiden Bände des Pädagogischen Lexikons, das seine schöne Aufgabe weit hinaus über die Kreise der deutschen Katholiken erfüllen wird. Wem immer zuverlässige Information über den heutigen Stand der Erziehungswissenschaft am Herzen liegt, der wird zu diesem gehältigen Handbuch greifen, auch wenn er nicht bei ihm seelischen Halt als Erzieher sucht. Und auch dies ist nicht zu unterschätzen: ein Werk wie dieses gibt Zeugnis von der Erneuerung, vom reinigenden Umbruch, der in Deutschland erfolgt und der um so eher Dauer verheißt, als er von innen heraus, unabhängig von fremdem Druck, geschehen ist.

Univ.-Prof. Dr. Otto Forst de Battaglia

Ich glaube an Dich. Die personale Struktur des Glaubens. Von Jean Mouroux. Uebertragen von Hans Urs von Balthasar. Johannes-Verlag Einsiedeln. Sammlung „Christ heute", 2. Reihe, 2. Band. 86 Seiten. Preis 25.84 S.

Die Sammlung „Christ heute" hat schon eine Reihe sehr wertvoller aktueller Arbeiten herausgegeben. In diese reiht sich das vorliegende Bändchen ein. Ein überaus wichtiges und heikles Thema: das Wesen des Glaubens. Der Glaubensakt wird hier von einem neuen Gesichtspunkt aus behandelt, vom „existentiellen", also als konkreter Akt des Menschen. Damit werden natürlich nicht die Darlegungen der traditionellen Theologie über den Glaubensakt außer Kurs gesetzt, sondern es wird vielmehr dieser Akt nur von einem neuen Standpunkt aus betrachtet und damit werden Einsicht und Verständnis des geheimnisvollsten und doch zugleich größten geistigen Aktes, dessen der Mensch fähig ist, vertieft. Soweit also diese Darlegungen zur geltenden kirchlichen Dogmatik hin- zutreten, begrüßen wir sie als Bereicherung der Theologie. Hans Urs von Balthasar zeigt in seinem Vorwort, daß Mouroux mit seinen Darlegungen in der Auffassung des Glaubensaktes eine Begegnung mit dem modernen Denken vollzieht, ohne die Verbindung mit der kirchlichen Tradition zu verlieren, wenngleich diese wünschenswerterweise noch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden sollte, was aber dem Autor auf dem engen Raum, auf den er seine Ausführungen beschränkte, nicht möglich war. Dr. Alois Schrott SJ.

Das Mittelmeer. Von Wolfgang C o r d a n. Eugen Diederichs Verlag. 71 Seiten Text mit 104 Bildern. Preis 16.80 DM.

Das kultur- und schönheitsgesättigte Mittelmeer ist eine der meist dargestellten Landschaften der Erde. Und es ist stets heikel, einen so oft behandelten Stoff neu zu gestalten. Denn eine ganze Reihe von Objekten dürfen in einer solchen Ueber- schau einfach nicht fehlen. Sie gehören zum „Bestand" — der Leser erwartet ihr Bild wiederzufinden. Und was kann in einer Beschreibung von etwa vier Druckbogen zu diesem umfangreichsten Stoff noch gesagt werden? Zwischen diesen beiden Klippen ist der Autor sehr glücklich durchgesteuert. „Alles ist wie neu" möchte man sagen, und doch findet jeder seine Lieblingslandschaft in vollendeten Bildern wieder. Man schließt den schönen Band, dessen Text niemand als Beiwerk betrachten möge, mit dem Wunsch, bald wieder ans Mittelmeer zu fahren. Und das ist die beste Empfehlung für das Buch selbst.

Carl Peez

Wie ich Lambarene erlebte. Ein junger Mensch besucht Albert Schweitzer. Von Guy B a r t h e- 1 e m y. Aus dem Französischen übertragen von Marie Woytt-Secretan. C. H. Beck, München. 100 Seiten. Preis 3.50 DM.

.Das Büchlein will nichts anderes sein als ein kurzer, sympathischer Erlebnisbericht über das Werk und die Person Albert Schweitzers. Es wurde geschrieben von einem jungen Franzosen, der, durch Pressemeldungen auf den „großen Doktor" aufmerksam gemacht, kurzentschlossen nach Afrika reiste und „sein" Lambarene erlebte. Als kurzgefaßte Einführung und unbeabsichtigte Werbung hat es seinen Wert; was aber besonders sympathisch ist: der Verfasser hat sein Honorar dem Lambarene-Spital zur Verfügung gestellt.

DDr. Nico Greitemann

Wolken im Frühling. Roman von Erwin H. Rainalte t. Oesterreichische Buchgemeinschaft, Wien. 539 Seiten.

Rainalter schildert in diesem an inneren Spannungen reichen Roman die Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend. Beglückend und tröstlich ist die Gestalt der Mutter gezeichnet; nicht minder ein-

drucksvoll wirkt der gläubige Optimismus des Knaben, der sich nach harten Jahren einen Platz an der Sonne erkämpft. Dieser Wandlung im Geschick des Helden entspricht auch der Kontrast zwischen den beiden Schauplätzen des Geschehens, zwischen der Türkei zur Zeit der Sultansherrschaft und der Wachau mit ihren Burgen und verträumten Städtchen. Alfred Buttler Mo scon

Geweb und Fels. Roman. Von Thomas Wolfe. Rowohlt-Verlag, Hamburg. 690 Seiten. Preis 18.80 DM.

Als der Dichter des jungen Amerika, dessen Lebenswerk an dieser Stelle ausführlich gewürdigt wurde („Die Warte", Nr. 40 1950), im September 1938 starb, fanden sich in seinem Nachlaß tausende von Manuskriptblättern. Sie enthielten im wesentlichen das gleiche, wie die zu Wolfes Lebzeiten erschienenen Bücher, nämlich den Versuch, durch Beschreibung ein Stück Welt, das mit allen Sinnen erfaßt wird, der Vergänglichkeit zu entreißen. Die Intensität und die Kraft, mit der das geschieht, bezeugen einen großen Dichter. Der Fanatismus, mit dem Wolfe nach der Welt greift, im Grund aber immer nur sich selbst meint und darstellt, ist freilich weniger der eines übermäßig vitalen Menschen (als der er auf den ersten Blick erscheinen mag), als der des Neurotikers. Diese Vermutung wird durch den Hauptteil des vorliegenden Buches bestätigt, das den großen Liebesroman Wolfes enthält, der — rettungslos egozentrisch erlebt — in einer Orgie von Haßliebe mündet, die Strindberg alle Ehre gemacht hätte. — Das erste Kapitel dieses Romans heißt „Das Kind Kaliban" und rekapituliert die Jugendgeschichte Wolfes, wie wir sie auch aus seinen anderen Büchern kennen; das letzte führt uns zur Zeit des Oktoberfestes nach München. Dazwischen liegt, lichterfunkelnd, drohend und verführerisch, New York, der „Fels", an dem sich das „Geweb" — das ist die Jugend und Herkunft George Webbers — bewähren soll. Die Verlegerfreunde Thomas Wolfes, Edward C. Ashwell und Maxwell Perkins, haben dieses Buch aus dem Nachlaß zusammengestellt und herausgegeben. In der Reihe von Wolfes großen Romanen steht es zwischen „Zeit und Strom" und „Es führt kein Weg zurück". Auch in diesem Roman strömt das Leben gewaltig, brausend und farbig dahin, und auch aus ihm klingt Wolfes charakteristische Melodie, das Lied von der Vergänglichkeit, jenes „O verloren", mit dem sein allererstes Buch, das er „Schau heimwärts, Engel" nannte, anbebt.

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