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Herr Le Vti macht Karriere. Von Helmut Jahn. Verlag Rütten und Loening, Frankfurt. 92 Seiten.

„Porträt eines Zeitgenossen“ heißt der Untertitel dieses Büchleins. Spannend, geistreich-stilecht, eine Dichtung, die man mit Genuß liest (und bedauert, daß es derartige Literatur so selten gibt). — Die Lebensgeschichte eines Ehrgeizigen, der zwischen Machtrausch und Minderwertigkeit ein ti Höhlenmensch“ bleibt — ein Mensch, der eine „Anmaßung“ ist. Dieser Arzt Dr. Le Pre erreicht äußerlich alles, was er will, und mehr als das. Aber das Leben bleibt immer weiter hinter ihm — es ist, als sei er vom Leben ausgeschlossen durch die ständige Angst um die Karriere. Ein Vorgesetzter charakterisiert ihn: „Meine Diagnose: Unsterblichkeitsdrang, Nachruhm als Glaubensersatz... Geht nicht, Le Pre, hat aber keinen Zweck, Sie davon abzubringen. Ja, wenn man Ihnen Glauben geben könnte! Ist aber zu spät. Lasset die Kindlein zu mir kommen, Le Pre, die Kindlein. Sie sind kein Kindlein mehr. Sie haben was verpaßt. Sie können's nur am Ende einer Karriere wiedergewinnen, die Einsicht nämlich, daß Ruhm und Macht nicht selig machen.“ — Dieses „Porträt“ ist eine verdichtete Warnung an alle Aktivisten unter den Zeitgenossen.

Das Schicksal liebt die Schwachen nicht. Roman. Von Joseph Tomelt y. Uebersetzt aus dem Englischen von Inge L i n d t. Forum-Verlag, Frankfurt-Wien. 337 Seiten. Preis 65 S.

Die Lebensgeschichte Frankies führt in das selten im Roman beschriebene Milieu der Handwerker. Frankie ist Vollwaise, lebt bei einer bigotten, bösartigen Tante, die ihn prügelt und ausbeutet, Frankie stottert, Frankie hat kein Vertrauen zu sich, da er in1 einer Umgebung ist, die in harter Nüchternheit zwischen Laster und Gutmütigkeit schwankt. Vom Abgang aus der Volksschule bis, zur Beendigung der Lehrze.it., als Maler und Abstreicher sucht Frankie unter seinen Mitmenschen und in sich selbst eine Sicherheit, wenn sie auch noch so klein wäre. Aber „das Schicksal liebt die Schwachen nicht“ — es gewährt ihm hie und da einen Menschen für kurze Zeit der Hoffnung; um ihn dann wieder fallenzulassen. Frankie und seine vielen schwachen Brüder kommen und gehen in Unsicherheit, die so groß ist, daß auch Gott und Kirche sie ihm nicht nehmen: für die Schwachen ist alles, auch das Kleinste, zu groß und zu überwältigend.

Erleuchtete Toren. Roman. Von Bela Just. Uebersetzt' aus dem Französischen von Dr. Rene Michel. Verlag Glock und Lutz, Nürnberg. 2S6 Seiten.

Dieses Buch stellt Ansprüche — an sich selbst, aber es erfüllt sie keineswegs. Vielleicht hätte es ein gutes Buch werden können, wenn weniger Romantik und mehr Kenntnis des mönchischen Lebens darauf verwendet worden wäre. Die Geschichte des benediktinischen Mönchtums hat Reformen gebracht: Benediktiner, Zisterzienser, Trappisten. Und nun soll nach diesem Buche ein Zisterzienserabt es unternehmen, eine Rückreform zustande zu bringen. Es wird ein gutgemeinter Primitivismus, der mit heroischem Herzen durchsetzt ist. (Hie und da kommen auch übersinnliche Ereignisse vor, die nach Bernanos riechen.) Jedenfalls davor ist Gott, daß die „erleuchteten Toren“ so unerleuchtet sind. — Die Lektüre des Buches wird (in vorliegender zweiter Auflage) zu einer Qual durch das Gewimmel von Druckfehlern. Diego Hanns G o e t z OP.

Das große Wandern. Roman von Erwin H. R a i n-alter. Paul Zsolnay Verlag, Wien-Hamburg, 1955. 2?4 Seiten.

Rainalter, der so oft Menschen der österreichischen Alperiländer, vor allem Salzburger und Tiroler', mit männlich sicherer Meisterschaft dargestellt hat, gibt diesmal einen Ausschnitt aus der Emigrationsgeschichte der Salzburger Protestanten Anno 1731. Er verinnerlicht die Konflikte und zeigt Katholiken und Protestanten nicht als Gegner: diese wie jene sind tiefgläubige Christen, die auf tragische Art einander entfremdet werden. In seiner noblen Strichführung zeichnet Rainalter die Gestalt des geistlichen und weltlichen Herrn von Salzburg, des Erz-bischofs Firmian. Der Dichter von „Mirabell“ führt uns Salzburg in einein neuen berückenden Bilde vor. Die kraftvolle Handlung des Romans mit ihrer dramatischen Steigerung, die Geschichte einer Bauernfamilie als Paradigma, mutet uns an wie ein seltsames Spiegelbild von Ereignissen, die unsere Generation selbst erlebt oder beobachtet hat.

Sie sollen nicht untergehn. Roman von John Harris. Fretz & Wasmuth Verlag A. G.. Zürich-Stuttgart, 1955. 288 Seiten. Preis 15.50 sfr.

Ein englisches Flugzeug wird über' dem Kanal abgeschossen. Die Besatzung geht in das Schlauchboot.Ein Schnellboot und ein Flugzeug suchen die Vermißten. Die Dienststelle auf dem Festland leitet die Rettungsversuche, die schließlich Erfolg haben. Vier Menschengruppen also werden uns vorgeführt. Viermal eine eng umgrenzte Umwelt, erfüllt von lebendigen Charakteren, ihren Wünschen, Gegensätzen und Erwartungen. Das ist ein fesselndes Thema. Der englische Autor führt es ausgezeichnet zu Ende. Ein Kriegsbuch der guten Art, anständig in Gedanken und Sprache.

Das silberne Auto. Kriminalroman von Annie Hruschka. Benziger Verlag, Einsiedeln-Zürich-Köln. 195 Seiten. Preis 49 S.

Die Verfasserin hat schon einige nette Kriminalromane geschrieben. „Das silberne Auto“ spielt in Oesterreich, wir lernen einen originellen Wiener Detektiv kennen. Die Handlung ist recht spannend, die Dialoge sind gut.

Wolferl und Nannerl. Ein Mozart-Roman für die Jugend von Alexander Witeschnik. Mit vielen Federzeichnungen von Emmy Grimme-Sagai. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien. 177 Seiten.

Wenn sich ein Musikschriftsteller von Rang zu den Kindern hinunterneigt, soll er ihnen in ihrer Sprache von seinem Wissen mitteilen. Vorbildlich und alles eher als trivial stellt das Dr. Witeschnik an. Er erzählt eine sehr spannende und sehr lustige Geschichte, die den Kindern ganz tief ins Gemüt geht. Zugleich belehrt er sie ausgiebig, und “soweit sie es erfassen können, über Lebenslauf und Schaffen der großen Musiker. Bedenkt man noch, daß sich die Kenntnisse, die einem jungen Menschen in lebendiger Form vermittelt werden, ihm als geistiger Besitz für immer einprägen, so erweist solche Literatur den Wert einer wahren Kulturleistung. Das ist Witeschnik bereits einmal mit seinem Johann-Strauß-Roman „Schani, der Mistbub“ und jetzt ebensogut oder noch besser mit dem Mozart-Roman „Wolferl und Nannerl“ gelungen.

Ho, Fasang! Oesterreichische Bergsteiger in Westnepal. Von Rudolf Jonas. Europa-Verlag, Wien-Frankfurt-Zürich. 173 Seiten mit Kartenskizzen und zahlreichen Abbildungen. Preis 70 S.

Lieber eine österreichische Expedition, die 1954 viel von sich reden gemacht hat, liegt nun schon der zusammenhängende Bericht vor. Er schildert ausführlich, klar und eindrucksvoll die großen bergsteigerischen Leistungen und die Ergebnisse. Das eigentliche Ziel, den Gipfel des 7000 Meter hohen Saipal zu besiegen, wurde zwar nicht erreicht, aber es gab eine Fülle wissenschaftlicher Erfolge und eine Mehrung des österreichischen Ansehens. Dr. Jonas hat das Buch gemeinsam mit den anderen Teilnehmern der Expedition — Hannes Beyer, Hans Chval, Fritz Moravec und Josef Pfeffer — verfaßt und es dem im Kampfe um den Saipal verstorbenen Kameraden Karl Reiß gewidmet. Sehr instruktiv sind die zahlreichen Bildbeigaben. Dieses Buch von allgemeinem Interesse wird naturgemäß die Hochtouristen besonders ansprechen.

Holzschnitzen. Eine Anleitung zum Ornament-, Relief- und Figurenschnitzen. Von C. dell'Antonio. — Zeichenschule. Von H. Gollwitzer. — Beide im Otto Maier Verlag, Ravensburg.

Eine saubere, praktische Anleitung für Holzschnitzer von Beruf und Liebhaberei, der auch ein „geschichtlicher Ueberblick“ nicht fehlt. Ob die im Bildanhang gezeigten Beispiele wirklich beispielhaft sind und nicht nur Exempel für das schlechthin Ueb-liche, mag dahingestellt bleiben. Aehnliches gilt für die „Zeichenschule“. Beide Bändchen sind besonders adrett gedruckt.

Julietta. Von Louise de V i 1 m o r i n. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 199 Seiten.

Ein recht netter, kleiner Roman, nicht ohne Esprit, und für den, der leichtere Ware liebt, amüsant zu lesen. Ein Maupassant hat ihn freilich — entgegen der Mitteilung des Klappentextes — nicht geschrieben. Aber es muß ja auch nicht alles, was lesbar ist, gleich auch von einem Klassiker geschrieben worden sein. Netter Umschlag.

Neues Wohnen. Idee und Gestaltung: Dr. Robert Stern. 181 Seiten mit sehr vielen Abbildungen. Verlag des Oesterreichischen Gewerkschaftsbundes.

Dieser Längsband ist vor bald vier Jahren erschienen — aber er ist heute noch vorbildlich und jedem jungen Ehepaar und Einzelgänger vor der Einrichtung einer Wohnung dringlichst zu empfehlen. Ausgezeichnete, von einem Team vernünftiger Fachleute zusammengestellte Kapitel über Theorie und Praxis des modernen Wohnens räumen Berge von teils sogar schädlichen Vorurteilen weg. Praktische Skizzen, eine Ueberfülle von Bildbeispielen, Maßangaben usw. sind in Menge vorhanden. Ein wohltätiges Geschenk zukünftiger Schwiegereltern. Außerdem sehr hübsch aufgemacht. — Interessant übrigens: der Band dürfte damals bei seinem Erscheinen auf viele Gemüter noch recht schockierend gewirkt haben (im Nachkriegsösterreich hat der moderne Wohnstil ja leider große Verspätungen gehabt); heute wird sich wohl niemand mehr an diesen Möbeln und Interieurs stoßen — die Kaukasisch-Nuß-Ungetüme haben sich also doch schon überlebt. Ein kleines Wunder, -und gewiß ein recht erfreuliches.

Umgang mit dem Verborgenen. Aus dem Lebensbuch eines Nervenarztes. Von James F. Fisher und Lowell S, Hawley. Original: „Few buttons missing. A case-book of a Psychiatrist“, übersetzt von H. Kotthaus Carl Schünnemann Verlag, Bremen. 293 Seiten.

An dem vorliegenden Buch ist das Interessanteste die mit der Lebensgeschichte verbundene Kasuistik, d. h. die Besprechung zahlreicher vom Verfasser behandelter Fälle, und die sich daranknüpfenden Betrachtungen über Psychoanalyse und ihre Bedeutung für die moderne Entwicklung der Psychiatrie. Das Ganze ist durchleuchtet vom überlegenen Humor eines weisen alten Arztes, der auch über die eigenen Schwächen zu lächeln weiß. Sehr stark ist Sein Glauben an den Evolutionismus und an die Genetik im Sinne der amerikanischen Gen-Forschung. Wir dürfen auch tiefes Verständnis für Fragen der Sozialhygiene konstatieren. Im Hinblick auf die antihygienische Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse in zwei Nachkriegszeiten kommt der Verfasser zur resignierten Feststellung: „So sieht das leider aus bei einer Nation, die buchstäblich Billionen für Seife, Zahnpasta und ähnliche hygienische Mittel ausgibt, aber viel zuwenig für Sozialhygiene“ (S. 122). Mit anderen Worten: Auch der Verfasser beklagt das Mißverhältnis zwischen großzügiger Hygiene im Kleinen und gigantischer Antihygiene im Großen.

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