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Allerlei „schöne Literatur"

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Kindheit In Cordoba. Roman von Jose O r a- b u e n a. S. Fischer Verlag, Frankfurt. 224 Seiten.

Der Verfasser berichtet in Form einer Selbstbiographie von den Jugendjahren des Arztes David Orabuena in seinem Elternhaus. Es war eine glückliche Zeit, da der Knabe in der Geborgenheit einer nach alter jüdischer Tradition lebenden Familie in Cordoba heranwuchs, denn die politischen Ereignisse des 19. Jahrhunderts beunruhigten die Gemüter nicht. Mit gütiger Strenge wird der junge Orabuena vom Vater erzogen, von der Mutter und einer alten Magd umsorgt und später von Lehrern unterwiesen. Seine Gespielen sind die Geschwister, und mag sich auch nicht allzuviel ereignen — es sind die kleinen Freuden eines Kinderherzens: Familienfeste, Geschenke, ein liebevolles Wort, ein freundlicher Blick —, so ist das alles doch bedeutsam genug, um dem aufgeschlossenen Knaben neu Eindrücke und Erfahrungen zu vermitteln, die ihm einerseits einen immer tieferen Einblick ins Leben der Erwachsenen gewähren, anderseits aber auch seine Verbundenheit mit Familie und Heim noch inniger gestalten. Denn Liebe und Güte sind das einigende Band dieser Menschen, die voll Zartgefühl und Verständnis einander begegnen, eine kleine Welt für sich, eine Idylle, und doch ist jeder in seiner Art geistigen Interessen aufgeschlossen und nimmt hilfsbereit Anteil am Schicksal anderer. In Gewissensnöten sucht der Junge beim Vater Zuflucht, und dieser, der strenggläubige jude, verwehrt seinem Sohn das Studium des Neuen Testamentes nicht. Großherzigkeit, Sauberkeit der Gesinnung, vor allem aber Ehrfurcht sind kennzeichnend für die innere Haltung in allen Lebenslagen. Und diese Ehrfurcht vor dem Göttlichen und allen Wundern des Daseins, die den Menschen unserer Epoche so bitter nötig wäre, macht dieses Buch so liebenswert und erfreulich.

Alfred Buttlar Mojcon

Katharina Schratt. Der Roman einer Wienerin. Von Joachim von Kürenberg. Verlag Hallwag, Bern und Stuttgart. 432 Seiten. Preis 78 S.

Seit geraumer Zeit ereignet es sich immer häufiger, daß Autoren pseudohistorischer Bücher als

Grundlage ihrer Arbeiten ohne Sachkenntnis - sammengetragene Dokumente, mehr oder weniger verläßliche Werke als Quellen, auch wie im vorliegenden Fall meist verstorbene Zeitgenossen als Gewährsleute anführen und sich auf eigene, unkontrollierbare Erlebnisse berufen. Sie vergessen gewöhnlich bei derlei Quellennachweisen, daß ihre Erzählungen leicht nachzuprüfen und zu widerlegen sind. „Die beiden Hauptpersonen: Katharina Schratt und Kaiser Franz Joseph I.", so erzählt uns der Autor, „hat er persönlich gekannt. Frau Schratt in der Zeit vom Februar 1915 bis Jänner 1938, und den Kaiser bei einigen Anlässen, so in Sonderaudienz am 18. Februar 1915 in Schönbrunn. Jene Zeit gab auch. Gelegenheit, den Habsburgerhof und die Wiener Gesellschaft gut kennenzulernen." In den dreizehn Jahren hat Kürenberg Frau von Kiss-Schratt wohl einige Male besucht, doch kann hei der Reserve, welche sich die Vertraute des Kaisers stets auferlegte, nicht angenommen werden, daß sie die Arbeit ihres Biographen irgendwie gefördert hat. Die Behauptung, daß er mit Kaiser Franz Joseph so häufig zusammenkam, daß er ihn schließlich „persönlich kannte", gehört zu den erheiterndsten Stellen des hauptsächlich durch eine unfreiwillige Komik wirkenden Buches. Bei der allbekannten Diskretion von Männern wie der Generaiadjutanten Paar und Bolfras oder Leibarzt Dr. Kerzl ist ebenfalls nicht anzunehmen, daß sie Kürenberg „Einblick in das i interne Leben von Schönbrunn gegeben haben“. Aus Hofkreisen erwähnt er u. a. Fürstin Paulin von Metternich, die Frau Schratt, wie ts ihm ihre Tochter erklärte, niemals kennengelernt hat. Auf diese Richtigstellung hin erhielt Prinzessin von Metternich von Kürenberg die Antwort, er wisse darüber durch eine Verkäuferin der Konditorei Demel besser Bescheid 1 Auch über allgemein bekannte Tatsachen zeigt sich der Autor anders informiert als die Zeitgenossen der Frau Schratt. So läßt er Bismarck an der Zusammenkunft Kaiser Franz Josephs mit dem Zaren in Kremsier teilnehmen. Er mutet Johann Strauß die Geschmacklosigkeit zu, Frau Schratt seinen „Kaiser- walzer" gewidmet zu haben, läßt den stets ein gewähltes Deutsch sprechenden Kaiser in trivialem Wiener Dialekt einem Erzherzog sein Bedauern ausdrücken. daß er „dableiben" müsse und nicht wie sein Neffe ein Kaffeehaus besuchen könne. Dies nur einige besonders vergnügliche Kostproben aus der LTnmenge unrichtiger Behauptungen, aufgewärmter und irrig zitierter Anekdoten, die in ein Milieu hneingezwängt werden, das niemand gekannt hat. Jean de Bourgoing

Das Weihnachtsgeschenk. Erzählung von Ernst Lothar. Paul-Zsolnay-VerUg, Wien. 209 Seiten.

Hier ist manches von dem abgeklungen, wa

der Posaunenengel von ehedem so grell und scharf herausgeschrien hat. Weicher die landschaftlichen Konturen (der Festspielstadt Salzburg), trostvoller die Lösung, harmonischer — bei allen echten, packenden Konflikten — die Akteure: Das unzertrennliche Brüderpaar in der Behelfssiedlung, zwei junge Sudetendeutsche von jener Art, die so leicht in Wien und Oesterreich einsclimilzt, weil sie aus ihnen gekommen ist. Der 19jährige verliert sich an ein besitz- und herkommensstolzes (woher?) höheres Stadttöchterl, der 12jährige kämpft um ihn mir dem feinen Instinkt kindlicher, im Gotha nicht verbuchter Charak- ternobilität. Und siegt! Ueber eine winzige kriminalpsychologische und juridische Kalamität („eigentlich“ hat er ja doch gestohlen, der freigesprochene Ueheltäter) setzt Lothar mit elegantem Sprung hinweg, graziös, mit jener Leichtfüßigkeit und Leichtflüssigkeit, die auch sonst dieses entzückend österreichische Buch — wie das gesamte Werk des Verfassers — kennzeichnet.

Dr. Roman Herle

Maja. Roman von Thyde M o n n i e r. Deutsch von Georg G o y e r t. Verlag Kurt Desch, München 1953. Reihe „Welt im Buch". 335 Seiten.

Der Roman der bekannten Autorin führt uns in ein Gebiet Südfrankreichs. Hauptgestalt ist Pierre, ein junger Bauer aus einem kleinen Dorf, das in den Bergen, nahe dem Ursprung des Flusses Dru liegt. Pierre löst sich von dem einfachen Mädchen, dem er sich versprochen hat, da er den sinnlichen Reizen der koketten Annette verfällt. Er heiratet sie, zieht mit ihr in eine kleine Stadt, muß aber bald erleben, daß seine Ehe mit diesem oberflächlichen und kalt berechnenden Geschöpf zerbricht und daß er, der Bauer, in der Stadt nicht heimisch werden kann. Durch eine merkwürdige Fügung begegnet er Maja, einer alternden, einsamen Frau, arbeitet als Gärtner auf ihrem Landgut und findet in seiner Tätigkeit und später auch in seiner Liebesbeziehung zu ihr ein neues Glück. Der Roman endet etwas abrupt mit dem Ausbruch des letzten Krieges. Der Originalfitei des Werkes („Fleuve") entspricht dem Inhalt besser als der Titel der Uebersetzung, denn die Figur der Maja steht keineswegs im Mittelpunkt der Handlung, doch häufig wird der Fluß Dru, sein Ursprung, wechselnder Lauf und seine Mündung, geschildert und in die Handlung gleichnishaft einbezogen. Th. Monnier ist eine vitale Erzählerin; sie malt das südfranzösische Milieu in kräftigen Farben, und auch die Charakterisierung der Personen gelingt ihr gut. ‘ Dr. Theo Trümmer

Unruhig ist unser Herz. Roman. 328 Seiten. Amatus. Roman. 214 Seiten. Von Ines W i d- 18 . Beide Eduard Wancura Verlag, Wien.

Das Augustinus-Wort, das den Titel des erstgenannten Romans von Ines Widmann bildet, erfährt hier eine Abwandlung ins Subjektive, was durch die Tagebuchform noch unterstrichen wird. Das Schicksal einer Lehrerin in einem Gebirgsdörf, die kl den Nachkriegswitren io der Erfahrung größeren, weil anderen Leides das eigene überwinden lernt, ist das Thema dieses typischen Frauen- romaoj aus der Nachkriegszeit, in dem übrigens manches harte Wort des „Städters" gegen die Bauern fällt. Eine Vertiefung ins Transzendente fehlt. — Der gleichen Grundsituation, nämlich der Flucht vor einer Liebesenttäuschung, entstammt auch „Amatus". Hier ist es eine Frau, die an der Seite ihres erblindeten Mannes der Pflicht lebt, jedoch in der Begegnung mit einem anderen — abermals in einem kleinen Bergdorf — der Leidenschaft begegnet. Hier liegt jedenfalls ein echter Konflikt vor, der spannungsstark und ethisch einwandfrei gelöst wird.

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